§ 107 III Nr. 2. und 3 GWB a. F. (§ 160 I Nr. 2. Und 3. GWB) – OLG Düsseldorf

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 01.06.2016, VII - Verg 6/16 - Deutschland-Unna: Eisenbahnverkehr nach Anhang I B Kat. 20 - §§ 97 III GWB, 3 V VOL/A, 8 II EG VOL/A – Rüge – Erkennbarkeit: „.... Erkennbar in rechtlicher Hinsicht sind Vergaberechtsverstöße, wenn die Rechtsvorschriften, gegen die verstoßen wurde, zum allgemeinen und grundlegenden Wissen der beteiligten Bieterkreise gehören (OLG München NZBau 2016, 98-100, juris Rn. 43). Ausgehend von diesen Grundsätzen musste hier ein durchschnittlich fachkundiger Bieter, der die übliche Sorgfalt anwendet, aufgrund der Angaben in der Auftragsbekanntmachung und ihrer Ergänzung nicht erkennen, dass das gewählte Verfahren und die Vergabe als Gesamtlos vergaberechtswidrig sind.“ - Ausführlich auchOLG München, Beschl. v. 2.6.2016 - Verg 15/15 – ÖPNV – Schülerbeförderung – Rüge (Erkennbarkeit): „(1) Es ist umstritten, nach welchen Maßstäben die Erkennbarkeit i.S. von § 107 Abs.1 GWB zu beurteilen ist. Grundsätzlich soll Maßstab für die Erkennbarkeit die Erkenntnismöglichkeit des betreffenden Unternehmens bei Anwendung üblicher Sorgfalt sein. Die Erkennbarkeit muss sich sowohl auf die den Verstoß begründenden Tatsachen als auch auf deren rechtliche Beurteilung beziehen. Fraglich ist aber, ob objektiv auf die Erkenntnismöglichkeit eines durchschnittlichen Unternehmens oder subjektiv auf das konkrete Unternehmen abgestellt werden soll. Sinn der Rügepräklusion ist es, ein Taktieren des Bieters in der Form zu verhindern, dass mit der Rüge solange gewartet wird, bis klar ist, wer den Auftrag erhalten soll. Denn Sinn der Rügepflicht ist es in erster Linie, dem Auftraggeber im laufenden Verfahren eine Heilung des gerügten Mangels zu ermöglichen. Es spricht daher einiges für den subjektiven Maßstab (vgl. OLG München, Beschluss vom 29.07.2010 - Aktenzeichen Verg 9/10). (2) Auf die Unterscheidung kommt es vorliegend nicht an, da selbst bei Anwendung des sogenannten objektiven Maßstabs zu konkretisieren ist und bei der Frage, welche Sorgfalt insoweit von einem verständigen Bieter oder bewährter Bewerber erwartet werden muss, durchaus die betrieblichen Verhältnisse, d.h. insbesondere die Branche, der Zuschnitt des Unternehmens und die aus der Unternehmenstätigkeit resultierende Häufigkeit der Teilnahme am Vergabeverfahren einzubeziehen sind. Anderenfalls würden kleinere mittelständische Unternehmen, die über keine Rechtsabteilung verfügen und nach Unternehmensgegenstand und -zuschnitt selten an Ausschreibungen teilnehmen, benachteiligt werden. (3) Von einem Geschäftsführer bzw. Inhaber kleinen Busunternehmen mit kleinem Fuhrpark und regionalem Tätigkeitsschwerpunkt können keine genauen Kenntnisse über die maßgeblichen Schwellenwerte und die Berechnung des Auftragswertes erwartet werden. Es war dabei zu berücksichtigen, dass ausschreibungspflichtige Aufträge der öffentlichen Hand hinsichtlich der Erbringung von Beförderungsleistungen mittels Bussen eher eine Ausnahme, denn die Regel darstellen und kleinere Busunternehmen nicht tagtäglich mit Ausschreibungen konfrontiert werden. Es kann daher nach Auffassung des Senates nicht erwartet werden, dass ein Inhaber oder ein Geschäftsführer kleinerer Busunternehmen über genaue Kenntnisse des aktuellen Schwellenwertes verfügt und darüber hinaus über Kenntnisse, wie genau die maßgeblichen Auftragswerte zu berechnen sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn hinsichtlich des Auftragswertes eine Prognose zu treffen ist und der Schwellenwert nur knapp überschritten wird. Vorliegend kann der zu erbringende Leistungsumfang nicht festgelegt werden, da die Fahrten und Tageskilometerleistungen von der Anzahl der Schüler, den Wohnorten der Schüler und dem Stundenplan abhängig sind. Wie diese Unabwägbarkeiten bei der Festsetzung des Auftragswertes zu berücksichtigen sind, erfordert genauere Kenntnisse des Vergaberechts, über die ein Inhaber oder ein Geschäftsführer eines kleineren Busunternehmens in der Regel nicht verfügt und die auch von ihm nicht verlangt werden können.“