VOL/B

Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Leistungen

Praxis-Kommentar
Professor Dr. Harald Bartl

1. Auflage - 2. Auflage 2004 und Nachträge bitte beachten
2000
Stichwortverzeichnis




Die VOL/B ist nach Auskunft des Bundeswirtschaftsministeriums noch nicht an das BGB 2002 angepaßt - dies ist in nächster Zeit zu erwarten. Betroffen sind vor allem die Bestimmungen hinsichtlich des VErzugs und der Gewährleistung - vgl. §§ 280, 280, 281, 323, 325 BGB 2002 - §§ 434, 633 BGB 2002 - Kauf und Werkvertrag sowie § 651 BGB - Anwendung des Kaufrechts (früher Werklieferugnsvertrag).

Hinweis. Infolge der Änderungen des BGB 2002 empfiehlt es sich dringend, die betroffenen Bestimmungen der VOL/B bis zur Vorlage der VOL/B 2002 durch die gesetzlichen Bestimmungen zu ersetzen, da andernfalls erhebliche Probleme durch die Inhaltskontrolle nach § 307, 310 BGB 2002 zu erwarten sind - vor allem bei größeren Aufträgen. Die Kommentierung wird unverzüglich nach Vorliegen der neuen VOL/B angepaßt.

Vorwort
Die Neufassung 2000 war zu erwarten, nachdem die VergVO 2000 und die VOB 2000 vorliegen. Allerdings waren erhebliche Änderungen nicht zu erwarten. Insofern wird auch auf den Vergabetip Bezug genommen. Geändert wurde lediglich § 8 Nr. 1 VOL/B, der an das Insolvenzverfahren angepaßt worden ist.


Die VOL/B ist die "Abwicklungsschablone" der öffentlichen Hand für den Einkauf, soweit nicht die Besonderen Vertragsbedingungen (BVB) im EDV-IT-Bereich bzw. die VOB/B für Bauleistungen eingreifen. "Vorgeschaltet" sind in den Vergabeverfahren die VOL/A bzw. die VOB/A. Der Zusammenhang und die inneren Bezüge zwischen den A- und B-Teilen der VOL ist vielen Mitarbeitern von Beschaffungsstellen innerhalb der Behörden etc. vielfach nicht geläufig. Auch die Auftragnehmer verschwenden meist erst dann einen Blick z.B. in die VOL/B, wenn es bei der Vertragsabwicklung zu Konflikten kommt. Diese Konflikte scheinen sich im Bereich der VOL/A und VOL/B nicht in derselben Vehemenz und Zahl einzustellen wie etwa bei Bauleistungen, wo mit "härteren Bandagen" gekämpft wird. Wahrscheinlich werden im Anwendungsbereich der VOL/B Streitigkeiten vielfach entsprechend der Vorgabe des § 19 Nr. 1 VOL/B gütlich ohne Rechtsstreit erledigt, was natürlich auch zu empfehlen ist, sofern die haushaltsrechtlichen Bestimmungen (vgl. §58 BHO) beachtet sind. Nicht nur im Zusammenhang mit der völligen Umgestaltung des Vergabewesens durch die Umsetzung der EG-Richtlinien in den letzten Jahren hat sich indessen die Lage erheblich verschärft, wenn auch die §§ 97 ff GWB die Bieterrechte nicht so verbessert habe, wie allgemein angenommen werden könnte (vgl. die §§ 107 II, III, 125 BGB).
Das eigentliche Anliegen dieser Veröffentlichung ist es freilich, den Nutzen aufzuzeigen, der sich aus einer Beherrschung auch der VOL/B für den Einkauf der öffentlichen Hand ergibt - und natürlich auch die Schwächen dieses "Einkaufssystems" darzulegen, die teils auf der althergebrachten Konzeption sowie teils auf der fehlenden Einigung der Wirtschaft und der öffentlichen Hand bei der Diskussion der einzelnen Klauseln beruhen. Vor allem muß auf die zahlreichen Lücken, Unklarheiten und die Nichtigkeit einer Reihe von Klauseln hingewiesen werden, was bei der Diskussion und in der Literatur bislang m.E. nicht in der erforderlichen Weise behandelt worden ist.
Die Veröffentlichung ist ein "Praxis-Kommentar", d.h. sie soll vor allem auch Hilfen bieten und durch Checklists Lösungsmöglichkeiten neben Formulierungsvorschlägen aufweisen. Die Erfahrung zeigt, daß die meisten Mitarbeiter der öffentlichen Hand (wie auch im übrigen die der Anbieter) vielfach weitgehend überfordert sind.
Für Hinweise und Anregungen ist der Verfasser dankbar.
Frankfurt am Main im März 2000

Harald Bartl



Inhaltsübersicht
Vorwort
Abkürzungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Beiträge in Zeitschriften etc. - Auswahl

Text der VOL/B


Kommentierung und Hilfen bei der Anwendung der VOL/B


Themenübersicht: Rdnr.
   
1. Einführung 1
1.1. Zum Stand des Vergaberechts 1
1.2. Die VOL/B und ihre Entwicklung bis zum Jahre 1997 2
1.3. Der Rechtscharakter der VOL/B 4
1.4. Das Zusammenspiel von VOL/A und VOL/B 5
1.5. Begriffe 7
1.6. Gestaltung von VOL/B-Verträgen 10
1.7. Die VOL/B als AGB und das AGBG 27
2. Die "Einbeziehung" der VOL/B in den Vertrag 32
2.1. Die Voraussetzungen 32
2.2. Die Zweifelsfälle und ihre Vermeidung 37
2.3. Die Durchsetzung eigener Geschäftsbedingungen und die Abwehr fremder Geschäftsbedingungen 38
3. Widersprüche" zwischen Verdingungsunterlagen/Leistungsbeschreibung und VOL/B 39
4. "Besondere Vertragsbedingungen" und Verhältnis zur VOL/B 41
5. Präambel und Anwendungsbereich der VOL/B 43
6. Die VOL/B als "Abwicklungsraster" und Hilfe 50
7. Leistungsänderungen - "dynamische Verträge" - "Dauerschuldverhältnisse" - Rahmenverträge 50
8. Der Änderungsanspruch des Auftraggebers 74
8.1. Pflicht zur Durchführung im Rahmen der Leistungsfähigkeit 74
8.2. Zumutbarkeit für den Auftragnehmer 75
8.3. Bedenken des Auftragnehmers 76
8.4. Bedenkenmitteilung und Folgen 82
8.5. Eigenmächtige Leistungen des Auftragnehmers 84
9. Haupt- und Nebenpflichten nach der VOL/B 89
9.1. Ausführungsunterlagen - § 3 Nr. 1 VOL/B 91
9.2. Nutzung und Rückgabe der Unterlagen - § 3 Nr. 2 VOL/B 99
9.3. Ausführung der Leistung - § 4 VOL/B 104
9.3.1. Eigen- und Alleinverantwortlichkeit 105
9.3.2. Handelsbräuche 106
9.3.3. Anerkannte Regeln der Technik 109
9.3.4. Gesetzliche Vorschriften und behördliche Bestimmungen 110
10. Behinderung und Unterbrechung der Leistung - § 5 VOL/B 111
10.1. Maßnahmen des Auftragnehmers 111
10.2. Abläufe - Anzeige der Behinderung und Unterbrechung 112
11. Verzug und Nichterfüllung - § 7 VOL/B 114
11.1. Auftragnehmer - Schuldnerverzug: §§ 286, 326 BGB 114
11.2. Modifizierung des gesetzlichen Systems in der VOL/B 127
12. Lösung des Vertrags durch den Auftraggeber - § 8 VOL/B 129
13. Lösung des Vertrags durch den Auftragnehmer § 9 VOL/B 130
14. Vertragsstrafen - § 11 134
15. Güteprüfung - § 12 137
16. Gefahrübergang und Abnahme - § 13 143
16.1. Übergang der Gefahr 143
16.2. Abnahme 145
16.3. Die Abnahme - ein "Meilenstein" 148
16.4. Die Abnahmemodalitäten des § 13 VOL/B 149
16.5. Weitere Besonderheiten der Abnahme 150
16.5.1, Die "Abnahmeerklärung" 150
16.5.2. Die "Erklärungsfrist" 151
16.5.3. Unwesentlicher Mangel 152
16.5.4. Nichtabnahme und Folgen 155
16.5.5. Wirkung der Abnahme 157
16.5.6. Benutzungsabnahme 158
16.5.7. Sonstige Folgen 160
17. Gewährleistung und Verjährung 161
17.1. Gewährleistung - Grundsätze und gesetzliche Regelungen 161
17.2. Checklist 180
17.3. Erläuterung des § 14 VOL/B 182
17.3.1. Mangel 183
17.3.2. Gewährleistung 184
17.3.3. Keine Mängel bzw. keine "erheblichen Mängel" 186
17.3.4. Eigenschaft 187
17.3.5. Zusicherung 188
17.3.6. Fehlen der Zusicherung der Eigenschaft - Zeitpunkt 189
17.3.7. Abnahme 190
17.3.8. Freiheit von der Gewährleistung -Haftungsbefreiung 191
17.3.9. Besondere "Maßgaben" des § 14 Nr. 3 VOL/B 194
17.3.10. Anspruch auf Vertragserfüllung durch Nachbesserung 198
17.3.11. Selbsthilfe nach Fristablauf 203
17.3.12. Minderung, Wandelung oder Schadensersatz  
17.3.13. Gattungssachen und Ersatzlieferung 218
17.3.14. Pflicht zur "Fortschaffung " mangelhafter Sachen 221
17.3.15. Haftungsbefreiung 222
17.3.16. Gewährleistung und Verjährung 223
18. Rechnung - § 15 VOL/B 230
18.1. Fälligkeit der Vergütung 230
18.2. Umsatzsteuer 232
18.3. Schlußrechnung 233
18.4. Rechnungserstellung durch Auftraggeber 234
19. Leistungen nach Stundenverrechnungssätzen 235
19.1. Stundenverrechnungssätze - § 16 VOL/B 235
19.2. Vereinbarungsgrundsatz 236
19.3. Auftragnehmerpflichten 237
19.4. Rechnungs-Muster 238
20. Zahlung - § 17 VOL/B 239
20.1. Zahlung 239
20.2. Zahlungsfrist - Zahlungsart - Überweisungsverkehr 241
20.3. Höhe der Schuld 244
20.4. "Meinungsverschiedenheiten" 247
20.5. Vorauszahlungen - Abschlagszahlungen 248
20.6. Zahlungsverzug 252
20.7. Schlußzahlung und vorbehaltlose Annahme - Wirksamkeit der Klausel ? 253
20.8. Berichtigung der Schlußrechnung 262
21. Sicherheitsleistung - § 18 VOL/B  
21.1.Sicherheitsleistung - Sicherheiten 265
21.2. Bürgschaftsarten und Modifizierungen 270
21.3. Reichweite der Sicherheit - Austauschrecht - Nichterfüllung der Sicherheitsabrede - Geldsicherheit - Zinsen 273
22. Konflikte - Streitigkeiten - Rechtsverfolgung - § 19 VOL/B 278
22.1. Einigungsversuch 278
22.2. Gerichtsstand 279
22.3. Fortdauer der Leistungsverpflichtung 280
   
Anhang  


Abkürzungsverzeichnis

Gesetz über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder
a.A., A.A. anderer Ansicht
aaO am angegebenen Ort
ABBV Allgemeine Bedingungen für Beschaffungsverträge des Bundesministers der Verteidigung
ABEI Allgemeine Bedingungen für Entwicklungsverträge mit Industriefirmen
ABFI Allgemeine Bedingungen für Forschungsverträge mit Industriefirmen
Abl., ABl. Amtsblatt
Abs.. Absatz
AcP Archiv für die civilistische Praxis
e.E. am Ende
a.F. alte Fassung
AG Aktiengesellschaft, Amtsgericht
AGB Allgemein Geschäftsbedingungen
AGBG Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen
ALB Allgemeine Liefer- und Zahlungsbedingungen der Beschaffungsstelle des Bundesministers des Innern
Anm. Anmerkung
Art. Artikel
AWD Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters
BABl. Bundesausschreibungsblatt
BAnz. Bundesanzeiger
BauR Baurecht - Zeitschrift Jahr und Seite
BB Betriebs-Berater - Zeitschrift Jahr und Seite
Bd. Band
BDI Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.
BGA Bundesverband des Deutschen Groß- und Außenhandels e.V.
BGB Bürgerliches Gesetzbuch
BGBl. Bundesgesetzblatt
BGH Bundesgerichtshof
BGHSt. Bundesgerichtshof - Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen
BGHZ Bundesgerichtshof - Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen
BHO Bundeshaushaltsordnung - in der jeweils aktuellen Fassung
BTDr. Bundestagsdrucksache
BVB Besondere Vertragsbedingungen (Planung, Erstellung, Überlassung, Pflege, Kauf, Miete und Wartung)
Bzw. beziehungsweise
CEN Comité Européen de Coordination des Normes
CENELEC Comité Europeén de Normalsation Elektrotechnique
CPV Common Procurement Vocabulary
CR Computer und Recht - Zeitschrift, Jahrgang und Seite
DB Der Betrieb - Zeitschrift, Jahrgang und Seite
DIHT Deutscher Industrie- und Handelstag
DIN Deutsches Institut für Normung e.V.
DVA Deutscher Verdingungssauschuß für Bauleistungen
DVAL Deutscher Verdingungsausschuß für Leistungen - ausgenommen Bauleistungen -
DVBl. Deutsches Verwaltungsblatt - Zeitschrift, Jahrgang und Seite
DVO Durchführungsverordnung
EBV/A Ergänzungen des Bundesministers für Verteidigung zur Verdingungsordnung für Leistungen/Teil A
EBV/B Ergänzungen des Bundesministers für Verteidigung zur Verdingungsordnung für Leistungen/Teil B
EG Europäische Gemeinschaften
EG Abl., EG-ABl. AG-Amtsblatt
EN Europäische Norm
EU Europäische Union
EuGH Europäischer Gerichtshof
EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht - Jahrgang und Seite
EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
EWR Europäischer Wirtschaftsraum
f., ff. folgend, folgende
FN Fußnote
G Gesetz
GATT General Agreement of Tariffs und Trade (Allgemeines Zoll-und Handelsabkommen)
GewO Gewerbordnung
GG Grundgesetz
GMBl. Gemeinsames Ministerialblatt
GPA Government Procurement Agreement
GRUR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht - Zeitschrift, Jahrgang und Seite
GVG Gerichtsverfassungsgesetz
GWB Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - "Kartellgesetz"
HGB Handelsgesetzbuch
HGrG
h.M., hM herrschende Meinung
Hrsg. Herausgeber
Hs. Halbsatz
IBR Internationales Baurecht - Zeitschrift, Jahrgang und Seite
i.d.R. in der Regel
IEC International Electronical Commission
IHK Industrie- und Handelskammer
i.S.d. im Sinn der
ISO International Organization für Standardization
JUS Juristische Schulung
KO Konkursordnung
LHO Landeshaushaltsordnung/en
LSP Leitsätze für die Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten - vgl. auch VO PR 30/53
MDR Monatsschrift für Deutsches Recht - Zeitschrift, Jahrgang und Seite
MinBlFin. Ministerialblatt des Bundesministers für Finanzen
m.M.Nachw. mit weiteren Nachweisen
n.F. neue Fassung
NJW Neue Juristische Wochenschrift - Zeitschrift, Jahrgang und Seite
NJW-RR Neue Juristische Wochenschrift -Rechtsprechungs-report
NpV Nachrpüfungsverordnung
Nr. Nummer
NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht - Zeitschrift, Jahrgang und Seite
OECD Organisization für Economic Cooperation and Development
OLG Oberlandesgericht
OVG Oberverwaltungsgericht
OwiG Gesetz über Ordnungswidrigkeiten
PatG Patengesetz
RabattG Rabattgesetz
Rdnr. Randnummer
RG Reichsgericht
RiA Recht im Amt - Zeitschrift, Jahrgang und Seite
RIW Recht der Internationalen Wirtschaft
s. siehe
S. Seite, Satz
SaBl. Sammelblatt
StGB Strafgesetzbuch
TruppenV Vertrag über die Rechte und Pflichten ausländischer Streitkräfte und ihrer Mitglieder in der Bundesrepublik Deutschland
UWG Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb
VDEW Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke e.V.
VerglO Vergleichsordnung
VergRÄndG Vergaberechtsänderungsgesetz (§§ 97 ff GWB)
VG Verwaltungsgericht
VHB Vergabehandbuch für die Durchführung von Bauaufgaben des Bundes im Zuständigkeitsbereich der Finanzbauverwaltung, Bonn
VMBl. Ministerialblatt des Bundesministers der Verteidigung
VO Verordnung
VOB Verdingungsordnung für Bauleistungen
VOB/A Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Bauleistungen
VOB/B Allgemeine Bestimmungen für die Ausführung von Bauleistungen
VOB/C Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV)
VOF Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen
VOL Verdingungsordnung für Leistungen - ausgenommen Bauleistungen
VOL/A Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Leistungen
VOL/B Allgemeine Bestimmungen für die Ausführung von Leistungen
VO PR 30/53 Verordnung PR Nr. 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen - in der jeweils aktuellen Fassung
VÜA Vergabeüberwachungsausschuß
VV-BHO Vorläufige Verwaltungsvorschriften zur Bundeshaushaltsordnung - BHO
WM Wertpapier-Mitteilungen - Zeitschrift, Jahrgang und Seite
WuW Wirtschaft und Wettbewerb - Zeitschrift, Jahrgang und Seite
ZfBR Zeitschrift für deutsches und internationales Baurecht - Jahrgang und Seite
ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht - Jahrgang und Seite
ZPO Zivilprozeßordnung
ZVB Zusätzliche Vertragsbedingungen
ZVgR Zeitschrift deutsches und internationales Vergaberecht - Jahrgang, Seite





Literaturverzeichnis/Abkürzungsverzeichnis - Auswahl
Weitere Literatur

Stichwortverzeichnis

AdolphsenJens Das Uncitral-Modellgesetz über die Beschaffung von Gütern, Bau- und Dienstleistungen, Baurechtliche Schriften, Korbion/Locher, Hrsg., Band 31, 1996
Bartl, Harald Handbuch öffentliche Aufträge, 2. Aufl., 2000
ders. VOL/B, Kommentierung, 2000
ders. Moderne Dienstleistungen und Recht, 1998
ders. Aktuelles Vergaberecht, RiA 1999, 3 ff
Bechtold GWB, 1999
Birgel, Karl J. Öffentliches Auftragswesen und Preisrecht, 1994
Boesen, Arnold Vergaberecht, Kommentar zum 4. Teil des GWB, 2000
Boesen/Maibaum/Noebel Die Vergabe öffentlicher Aufträge, 1999
Ebisch/Gottschalk Preise und Preisprüfungen, 6. Aufl., 1994
Daub/Eberstein VOL/A, 4. Aufl., 1998
Daub/Eberstein VOL/B, 4. Aufl., 1998
Eberstein, Hermann VPOÄ - Die preise bei öffentlichen aufträgen, 8. Aufl., 1993
Elverfeld, Dirk Johannes Europäisches Recht und kommunales öffentliches Auftragswesen, Studien zum öffentlichen Recht, Stober, Hrsg., Band 23, 11991
Erdl Der neue Vergaberechtsschutz, Düsseldorf 1999
Fischer/Noch Entscheidungssammlung Europäisches Vergaberecht, Lsbl., laufende Lieferungen
Gormley, Laurence (Hrsg.) Gordische Knoten im europäischen Vergaberecht, ERA, Band 24, 1997
Heiermann/Riedl/Rusam VOB, 8. Aufl., 1997
Heiermann/Ax Rechtsschutz bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, 1997
Ingenstau/Korbion Vergaberechtsänderungsgesetz, Zusatzband zum VOB/Kommentar, 1999
Ingenstau/Korbion VOB, 13. Aufl., 1996
Jauernig Jauernig/Schlechtriem/Stürner/Teichmann/Vollkommer, BGB, 5. Aufl.
Jestaedt/Kemper/Marx/Prieß Das Recht der Auftragsvergabe,1999
Lamm/Ley/Weckmüller VOL-Handbuch unter Berücksichtigung der Europäischen Vergaberichtlinien, 1997
Kaufhold/Mayerhofer/Reichl Die VOF im Vergaberecht, 1999
Leinemann/Weihrauch Die Vergabe öffentlicher Aufträge, 1999
Müller-Vrede Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen - VOF, 1999
Michaelis/Rhösa Preisbildung bei öffentlichen Aufträgen einschließlich Beschaffungswesen, 2. Aufl., 1993, Nachlieferungen
Noch, Rainer Vergaberecht kompakt, 1999
ders. Die Vergabe von Staatsaufträgen und der Rechtsschutz nach europäischem und deutschem Recht, Diss. Bielefeld, 1997
Nicklisch/Weick VOB/B, 2. Aufl., 1990
Palandt BGB, 59. Aufl., 2000
Piduch Bundeshaushaltsrecht, Lsbl., laufende Lieferungen
Prieß, Hans-Joachim Das öffentliche Auftragswesen in der europäischen Union, 1994
Riese, Chrstioph Vergaberecht, 1998
Ulmer/Brandner/Hensen AGBG, 8. Aufl., 1998
Schwarting, Gunnar Den kommunalen Haushaltsplan richtig lesen und verstehen, 1999





Beiträge in Zeitschriften etc. - Auswahl
Appel, Kirsten Die Auftragsvergabe durch die EG, ZVgR 1998, 370
Bartl, Harald Aktuelles Vergaberecht, RiA 1999, 3 ff
Bock, Christian Die Bedeutung des europäischen und internationalen Beschaffungsrechts für die Schweizer Gemeinden, ZVgR 1998, 556
Boesen, Arnold Der Rechtsschutz des Bieters bei der Vergabe öffentlicher Aufträge NJW 1997, 345
Eschenbruch/Niebuhr Immobilienleasing und öffentliche Vergabe, BB 1996, 2417
Eberstein, Hans Hermann Öffentliches Auftragswesen im Umbruch, BB 1994, 1230
Dreher, Meinhard Der Rechtsschutz bei Vergabeverstößen nach "Umsetzung" der EG-Vergaberichtlinien, ZIP 1995, 1869
ders. Die Neugestaltung des Vergaberechtsschutzes, NVwZ 1997, 343
ders., Der Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts, DB 1998, 2579  
Fischer, Hans Georg Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs im Jahr 1995 - ein Überblick Recht im Amt 1996, 157
Greeve, Gina Zur Strafbarkeit wettbewerbsbeschränkender Absprachen nach dem neuen § 298 StGB und zu weiteren Änderungen nach dem Gesetz zur Bekämpfung der Korruption, ZVgR 1998. 463
Jebens, Philipp Schadensersatz bei Vergabeverstößen, DB 1999, 1741
Heiermann, Wolfgang Rechtsgrundlagen der Ausschreibungspflichten der Deutsche Bahn AG BauR 1996, 443
Heiermann, Wolfgang/
Ax, Thomas
Die Rechtsprechung des Gerichtshofes der europäischen Gemeinschaften (EuGH) in den letzten drei Jahren, Grundprinzipien und Tendenzen, ZVgR 1998, 499
Karenfort/v.Koppenfels/Siebert Tariftreueregelungen" bei der Vergabe öffentlicher Aufträge - vereinbar mit deutschem Kartellrecht und Europarecht ? BB 1999, 1825 ff
Kulartz/Niebuhr Sachlicher Anwendungsbereich und wesentliche Grundsätze des materiellen GWB-Vergaberechts, NZBau 2000, 6
Lötzsch/Bornheim Zivilrechtliche Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung der neuen Vergabevorschriften der VOB/A durch private Auftraggeber, NJW 1995, 2134
Müller/Wrede, Malte Die Bedeutung der Mindestsatzregelung der HOAI für die Vergabe von Planungsleistungen im Rahmen der VOF, ZVgR 1999, 375
Neuenfeld, Klaus Einige Zweifelsfragen bei Anwendung der VOF auf Fachingenieure, ZVgR 1998, 508
Ohler, Frank Peter Rechtsbindungen bei der Auftragsvergabe durch kommunale Eigenbetriebe und kommunale Eigengesellschaften, ZVgR 1998, 424
Quack, Friedrich Deliktischer Rechtsschutz im Vergabeverfahren - oder ist VOB/A ein Schutzgesetz ?, ZVgR 1997, 92 ff
Pietzcker, Jost Die neue Gestalt des Vergaberechts, ZHR 162 (1998), 427 ff
Rogmans, Jan Vergabeverordnung und Vergabenachprüfungsverordnung, NJW 1994, 3134
Schaller, Hans Verhütung von Manipulationen im öffentlichen Verdingungswesen Recht im Amt 1997, 5
Schaller, Hans Die "Einkaufsvorschriften" der öffentlichen Hand für Lieferungen und Leistungen (Ohne Bauleistungen) Recht im Amt 1996, 237
Schlenke/Freise Ausschluß von Angeboten wegen angeblichen Fehlens der rechtsverbindlichen Unterschrift BauR 1996, 783
Weyand, Rudolf Religionsgemeinschaften und Vergaberecht BauR 1996, 780
Schabel/Zellmeier-Neunteufel Neue Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Vergaberecht BauR 1996, 642





Text der VOL/B
Stichwortverzeichnis

VOL Teil B - Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Leistungen - (VOL/B)
Vorbemerkung - "amtliche" Vorbemerkung zu Fassung von 1992 - jetzt 2000
Die Neufassung 2000 war zu erwarten, nachdem die VergVO 2000 und die VOB 2000 vorliegen. Allerdings waren erhebliche Änderungen nicht zu erwarten. Insofern wird auch auf den Vergabetip Bezug genommen. Geändert wurde lediglich § 8 Nr. 1 VOL/B, der an das Insolvenzverfahren angepaßt worden ist.


Die vorliegenden Allgemeinen Vertragsbedingungen 1992 - jetzt 2000 - für die Ausführung von Leistungen (VOL/B) lösen die VOL/B in der Fassung von 1932 ab. Sie wurden vom Deutschen Verdingungsausschuß für Leistungen (DVAL), in dem Bund, Länder und die Spitzenverbände der Kommunen und der Wirtschaft sowie der Deutsche Gewerkschaftsbund vertreten sind, erarbeitet.
Grundlage ist § 9 Nr.1 der durch Kabinettbeschluß von Juni 1984 eingeführten novellierten Verdingungsordnung für Leistungen - ausgenommen Bauleistungen -(VOL/A).
Die Novellierung der VOL/B war zum einen wegen des seit 1932 nicht unerheblichen Wandels des Verständnisses der vertraglichen Beziehungen zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber notwendig geworden, zum anderen ist sie durch die zwischenzeitlich erfolgte Änderung der VOL/A bedingt.
So wurde die VOL/B in der Praxis bereits für andere Vertragstypen als Kauf-, Werk- und Werklieferungsverträge vereinbart. Dies ist jetzt in der Präambel der VOL/B festgeschrieben.
Unterschiedliche Sachverhalte wurden durch Zuordnung zu jeweils einem § getrennt, wie z. B. §§ 9 und 13 der bisherigen Fassung, deren Inhalte jetzt in §§ 7 und 8 bzw. §§ 12 und 13 aufgenommen sind. Dies führte zu einer neuen §§ -Folge.
Die materiellen Änderungen betreffen insbesondere Haftungsfragen. Sie beinhalten eine Erleichterung gegenüber der gesetzlichen Regelung für die Auftragnehmer. Einzelvertraglich können darüber hinaus weitere Haftungserleichterungen vereinbart werden. Auch als Ausdruck der grundsätzlichen Gleichstellung der Auftraggeber und der Auftragnehmer im öffentlichen Auftragswesen ist insofern in § 7 Nr.2 (2) auf branchenübliche Lieferbedingungen Bezug genommen. Lieferbedingungen, in denen der zu ersetzende Verzugsschaden der Höhe nach begrenzt wird, gibt es z. Zt. insbesondere in der elektrotechnischen Industrie und im Bereich des Maschinen- und Anlagenbaus. Auch die Haftung des Auftragnehmers Dritten gegenüber für die Verletzung gewerblicher Schutzrechte durch den Auftraggeber kann einzelvertraglich beschränkt werden.
Die Neufassung der VOL/B tritt am 1Juli 1992 in Kraft. Sie gilt für Verträge, bei denen das Vergabeverfahren am 1. Juli 1992 oder danach eingeleitet wurde.
Vgl. im übrigen Ausgabe vom 3.8.1993, Bundesanzeiger v. 17.9.1993, Nr. 175 a, geändert am 12.5.1997 -, Bundesanzeiger vom 2. 9.1997, Nr. 163 a.




Text - VOL/B - aktuelle Fassung

Präambel


Die nachstehenden Allgemeinen Vertragsbedingungen gelten für Kauf?, Werk? und Werklieferungsverträge. Sie gelten für andere Verträge über Leistungen entsprechend.

§ 1
Art und Umfang der Leistungen
  1. Art und Umfang der beiderseitigen Leistungen werden durch den Vertrag bestimmt.
  2. Bei Widersprüchen im Vertrag gelten nacheinander
    1. die Leistungsbeschreibung
    2. Besondere Vertragsbedingungen
    3. etwaige Ergänzende Vertragsbedingungen
    4. etwaige Zusätzliche Vertragsbedingungen
    5. etwaige allgemeine Technische Vertragsbedingungen
    6. die Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Leistungen (VOL/B).

§ 2
Änderungen der Leistung
  1. Der Auftraggeber kann nachträglich Änderungen in der Beschaffenheit der Leistung im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Auftragnehmers verlangen, es sei denn, dies ist für den Auftragnehmer unzumutbar.
  2. Hat der Auftragnehmer Bedenken gegen die Leistungsänderung, so hat er sie dem Auftraggeber unverzüglich schriftlich mitzuteilen. Teilt der Auftraggeber die Bedenken des Auftragnehmers nicht, so bleibt er für seine Angaben und Anordnungen verantwortlich. Zu einer gutachtlichen Äußerung ist der Auftragnehmer nur aufgrund eines gesonderten Auftrags verpflichtet.
  3. Werden durch Änderung in der Beschaffenheit der Leistung die Grundlagen des Preises für die im Vertrag vorgesehene Leistung geändert, so ist ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- und Minderkosten zu vereinbaren. In der Vereinbarung sind etwaige Auswirkungen der Leistungsänderung auf sonstige Vertragsbedingungen. insbesondere auf Ausführungsfristen, zu berücksichtigen. Diese Vereinbarung ist unverzüglich zu treffen.
    1. Leistungen, die der Auftragnehmer ohne Auftrag oder unter eigenmächtiger Abweichung vom Vertrag ausführt, werden nicht vergütet. Solche Leistungen hat er auf Verlangen innerhalb einer angemessenen Frist zurückzunehmen oder zu beseitigen, sonst können sie auf seine Kosten und Gefahr zurückgesandt oder beseitigt werden. Eine Vergütung steht ihm jedoch zu, wenn der Auftraggeber solche Leistungen nachträglich annimmt.
    2. Weitergehende Ansprüche des Auftraggebers bleiben unberührt.

§ 3
Ausführungsunterlagen
  1. Die für die Ausführung erforderlichen Unterlagen sind dem Auftragnehmer unentgeltlich und rechtzeitig zu übergeben, soweit sie nicht allgemein zugänglich sind.
  2. Die von den Vertragsparteien einander überlassenen Unterlagen dürfen ohne Zustimmung des Vertragspartners weder veröffentlicht, vervielfältigt noch für einen anderen als den vereinbarten Zweck genutzt werden. Sie sind, soweit nichts anderes vereinbart ist, auf Verlangen zurückzugeben.

§ 4
Ausführung der Leistung
    1. Der Auftragnehmer hat die Leistung unter eigener Verantwortung nach dem Vertrag auszuführen. Dabei hat er die Handelsbräuche, die anerkannten Regeln der Technik sowie die gesetzlichen Vorschriften und behördlichen Bestimmungen zu beachten.
    2. Der Auftragnehmer ist für die Erfüllung der gesetzlichen, behördlichen und berufsgenossenschaftlichen Verpflichtungen gegenüber seinen Arbeitnehmern allein verantwortlich. Es ist ausschließlich seine Aufgabe, die Vereinbarungen und Maßnahmen zu treffen, die sein Verhältnis zu seinen Arbeitnehmern regeln.
    1. Ist mit dem Auftraggeber vereinbart, daß er sich von der vertragsgemäßen Ausführung der Leistung unterrichten kann, so ist ihm innerhalb der Geschäfts- oder Betriebsstunden zu den Arbeitsplätzen, Werkstätten und Lagerräumen, in denen die Gegenstände der Leistung oder Teile von ihr hergestellt oder die hierfür bestimmten Stoffe gelagert werden, Zutritt zu gewähren. Auf Wunsch sind ihm die zur Unterrichtung erforderlichen Unterlagen zur Einsicht vorzulegen und die entsprechenden Auskünfte zu erteilen.
    2. Dabei hat der Auftraggeber keinen Anspruch auf Preisgabe von Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnissen des Auftragnehmers.
    3. Alle bei der Besichtigung oder aus den Unterlagen und der sonstigen Unterrichtung erworbenen Kenntnisse von Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnissen sind vertraulich zu behandeln. Bei Mißbrauch haftet der Auftraggeber.
  1. Für die Qualität der Zulieferungen des Auftraggebers sowie für die von ihm vereinbarten Leistungen anderer haftet der Auftraggeber, soweit nichts anderes vereinbart ist. Der Auftragnehmer hat die Pflicht, dem Auftraggeber die bei Anwendung der verkehrsüblichen Sorgfalt erkennbaren Mängel der Zulieferungen des Auftraggebers und der vom Auftraggeber vereinbarten Leistungen anderer unverzüglich schriftlich mitzuteiIen. Unterläßt er dies, so übernimmt er damit die Haftung.
  2. Der Auftragnehmer darf die Ausführung der Leistung oder wesentlicher Teile davon nur mit vorheriger Zustimmung des Auftraggebers an andere übertragen. Die Zustimmung ist nicht erforderlich bei unwesentlichen Teilleistungen oder solchen Teilleistungen, auf die der Betrieb des Auftragnehmers nicht eingerichtet ist. Diese Bestimmung darf nicht zum Nachteil des Handels ausgelegt werden.

§ 5
Behinderung und Unterbrechung der Leistung
  1. Glaubt sich der Auftragnehmer in der ordnungsgemäßen Ausführung der Leistung behindert, so hat er dies dem Auftraggeber unverzüglich schriftlich anzuzeigen. Die Anzeige kann unterbleiben, wenn die Tatsachen und deren hindernde Wirkung offenkundig sind.
    1. Die Ausführungsfristen sind angemessen zu verlängern, wenn die Behinderung im Betrieb des Auftragnehmers durch höhere Gewalt, andere vom Auftragnehmer nicht zu vertretende Umstände, Streik oder durch rechtlich zulässige Aussperrung verursacht worden ist. Gleiches gilt für solche Behinderungen von Unterauftragnehmern und Zulieferern, soweit und solange der Auftragnehmer tatsächlich oder rechtlich gehindert ist, Ersatzbeschaffungen vorzunehmen.
    2. Falls nichts anderes vereinbart ist, sind die Parteien, wenn eine nach Absatz 1 vom Auftragnehmer nicht zu vertretende Behinderung länger als drei Monate seit Zugang der Mitteilung gemäß Nr. 1 Satz 1 oder Eintritt des offenkundigen Ereignisses gemäß Nr. 1 Satz 2 dauert, berechtigt, binnen 30 Tagen nach Ablauf dieser Zeit durch schriftliche Erklärung den Vertrag mit sofortiger Wirkung zu kündigen oder ganz oder teilweise von ihm zurückzutreten.
  2. Sobald die hindernden Umstände wegfallen, hat der Auftragnehmer unter schriftlicher Mitteilung an den Auftraggeber die Ausführung der Leistung unverzüglich wieder aufzunehmen.

§ 6
Art der Anlieferung und Versand

Der Auftragnehmer hat, soweit der Auftraggeber die Versandkosten gesondert trägt, unter Beachtung der Versandbedingungen des Auftraggebers dessen Interesse sorgfältig zu wahren. Dies bezieht sich insbesondere auf die Wahl des Beförderungsweges, die Wahl und die Ausnutzung des Beförderungsmittels sowie auf die tariflich günstigste Warenbezeichnung.

§ 7
Verzug und Nichterfüllung des Auftragnehmers
  1. Im Fall des Verzuges des Auftragnehmers finden die gesetzlichen Vorschriften nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Anwendung.
    1. Der Auftragnehmer hat dem Auftraggeber im Fall leicht fahrlässig verursachter Verzugs- oder Nichterfüllungsschäden den entgangenen Gewinn des Auftraggebers nicht zu ersetzen. Die Pflicht zum Ersatz dieser Schäden ist ebenfalls ausgeschlossen, wenn der Verzug durch Unterauftragnehmer verursacht worden ist, die der Auftraggeber dem Auftragnehmer vorgeschrieben hat.
    2. Darüber hinaus kann die Schadenersatzpflicht im Einzelfall weiter begrenzt werden. Dabei sollen branchenübliche Lieferbedingungen z.B. dann berücksichtigt werden, wenn die Haftung summenmäßig oder auf die Erstattung von Mehraufwendungen für Ersatzbeschaffungen beschränkt werden soll.
    3. Macht der Auftraggeber Schadenersatzansprüche wegen Nichterfüllung geltend, so ist der Auftragnehmer verpflichtet, die ihm überlassenen Unterlagen (Zeichnungen, Berechnungen usw.) unverzüglich zurückzugeben. Der Auftraggeber hat dem Auftragnehmer unverzüglich eine Aufstellung über die Art seiner Ansprüche mitzuteilen. Die Mehrkosten für die Ausführung der nichterfüllten Leistung durch einen Dritten hat der Auftraggeber dem Auftragnehmer innerhalb von 3 Monaten nach Abrechnung mit dem Dritten mitzuteilen. Die Höhe der übrigen Ansprüche hat der Auftraggeber dem Auftragnehmer unverzüglich anzugeben.
    4. Macht der Auftraggeber bei bereits teilweise erbrachter Leistung Ansprüche auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung nur wegen des noch ausstehenden Teils der Leistung geltend, so hat der Auftragnehmer dem Auftraggeber unverzüglich eine prüfbare Rechnung über den bereits bewirkten Teil der Leistung zu übermitteln. Im übrigen findet Absatz 3 Anwendung.
  2. Übt der Auftraggeber ein Rücktrittsrecht aus, finden Nr. 2 Absatz 3 Sätze 1 und 4 Anwendung; bei teilweisem Rücktritt gilt zusätzlich Nr. 2 Absatz 4 Satz 1.
  3. Gerät der Auftragnehmer im Rahmen eines Teillieferungsvertrags mit einer der vertraglich vorgesehenen Teilleistungen in Verzug und setzt der Auftraggeber dem Auftragnehmer eine Frist gemäß § 326 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches, so hat der Auftraggeber, falls nach fruchtlosem Ablauf der Frist die Erfüllung auch der weiteren noch zu erbringenden Teilleistungen für ihn kein Interesse mehr hätte, dem Auftragnehmer diesen Wegfall des Interesses bereits in der Fristsetzung nach § 326 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches anzukündigen.

§ 8
Lösung des Vertrags durch den Auftraggeber
  1. Der Auftraggeber kann vom Vertrag zurücktreten oder den Vertrag mit sofortiger Wirkung kündigen, wenn über das Vermögen des Auftragnehmers das Konkursverfahren eröffnet oder dessen Eröffnung mangels einer den Kosten des Verfahrens entsprechenden Konkursmasse abgelehnt worden ist oder wenn die ordnungsgemäße Abwicklung des Vertrags dadurch in Frage gestellt ist, daß gegen den Auftragnehmer ein gerichtliches Vergleichsverfahren eröffnet ist oder daß er seine Zahlungen nicht nur vorübergehend einstellt.
  2. Der Auftraggeber kann auch vom Vertrag zurücktreten oder den Vertrag mit sofortiger Wirkung kündigen, wenn sich der Auftragnehmer in bezug auf die Vergabe an einer unzulässigen Wettbewerbsbeschränkung im Sinn des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen beteiligt hat.
  3. Im Falle der Kündigung ist die bisherige Leistung, soweit der Auftraggeber für sie Verwendung hat, nach den Vertragspreisen oder nach dem Verhältnis des geleisteten Teils zu der gesamten vertraglichen Leistung auf der Grundlage der Vertragspreise abzurechnen; die nicht verwendbare Leistung wird dem Auftragnehmer auf dessen Kosten zurückgewährt.
  4. Die sonstigen gesetzlichen Rechte und Ansprüche des Auftraggebers bleiben unberührt.

§ 9
Verzug des Auftraggebers, Lösung des Vertrags durch den Auftragnehmer
  1. Im Fall des Verzugs des Auftraggebers als Schuldner und als Gläubiger finden die gesetzlichen Vorschriften nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Anwendung.
    1. Unterläßt der Auftraggeber ohne Verschulden eine ihm nach dem Vertrag obliegende Mitwirkung und setzt er dadurch den Auftragnehmer außerstande, die Leistung vertragsgemäß zu erbringen, so kann der Auftragnehmer dem Auftraggeber zur Erfüllung dieser Mitwirkungspflicht eine angemessene Frist setzen mit der Erklärung, daß er sich vorbehalte, den Vertrag mit sofortiger Wirkung zu kündigen, wenn die Mitwirkungspflicht nicht bis zum Ablauf der Frist erfüllt werde.
    2. Im Fall der Kündigung sind bis dahin bewirkte Leistungen nach den Vertragspreisen abzurechnen. Im übrigen hat der Auftragnehmer Anspruch auf eine angemessene Entschädigung, deren Höhe in entsprechender Anwendung von § 642 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches zu bestimmen ist.
  2. Ansprüche des Auftragnehmers wegen schuldhafter Verletzung von Mitwirkungspflichten durch den Auftraggeber bleiben unberührt.

§ 10
Obhutspflichten

Der Auftragnehmer hat bis zum Gefahrübergang die von ihm ausgeführten Leistungen und die für die Ausführung übergebenen Gegenstände vor Beschädigungen oder Verlust zu schützen.

§ 11
Vertragsstrafe
  1. Wenn Vertragsstrafen vereinbart sind. gelten die § 339 bis 345 des Bürgerlichen Gesetzbuches.
  2. Ist die Vertragsstrafe für die Überschreitung von Ausführungsfristen vereinbart, darf sie für jede vollendete Woche höchstens 1/2 % v. H. des Wertes desjenigen Teils der Leistung betragen, der nicht genutzt werden kann. Ist die Vertragsstrafe nach Tagen bemessen, so zählen nur Werktage; ist sie nach Wochen bemessen, so wird jeder Werktag einer angefangenen Woche als 1/6 Woche gerechnet. Der Auftraggeber kann Ansprüche aus verwirkter Vertragsstrafe bis zur Schlußzahlung geltend machen.
  3. Sind Vertragsstrafen vereinbart, ist eine angemessene Obergrenze festzulegen.

§ 12
Güteprüfung
  1. Güteprüfung ist die Prüfung der Leistung auf Erfüllung der vertraglich vereinbarten technischen und damit verbundenen organisatorischen Anforderungen durch den Auftraggeber oder seinen gemäß Vertrag benannten Beauftragten. Die Abnahme bleibt davon unberührt.
  2. Ist im Vertrag eine Vereinbarung über die Güteprüfung getroffen, die Bestimmungen über Art, Umfang und Ort der Durchführung enthalten muß, so gelten ergänzend hierzu, falls nichts anderes vereinbart worden ist, die folgenden Bestimmungen:
    1. Auch Teilleistungen können auf Verlangen des Auftraggebers oder Auftragnehmers geprüft werden, insbesondere in den Fällen, in denen die Prüfung durch die weitere Ausführung wesentlich erschwert oder unmöglich würde.
    2. Der Auftragnehmer hat dem Auftraggeber oder dessen Beauftragten den Zeitpunkt der Bereitstellung der Leistung oder Teilleistungen für die vereinbarten Prüfungen rechtzeitig schriftlich anzuzeigen. Die Parteien legen dann unverzüglich eine Frist fest, innerhalb derer die Prüfungen durchzuführen sind. Verstreicht diese Frist aus Gründen, die der Auftraggeber zu vertreten hat, ungenutzt, kann der Auftragnehmer dem Auftraggeber eine angemessene Nachfrist setzen mit der Forderung, entweder innerhalb der Nachfrist die Prüfungen durchzuführen oder zu erklären, ob der Auftraggeber auf die Güteprüfung verzichtet. Führt der Auftraggeber die Prüfungen nicht innerhalb der Nachfrist durch und verzichtet der Auftraggeber auf die Prüfungen nicht, so hat er nach dem Ende der Nachfrist Schadenersatz nach den Vorschriften über den Schuldnerverzug zu leisten.
    3. Der Auftragnehmer hat die zur Güteprüfung erforderlichen Arbeitskräfte, Räume, Maschinen, Geräte, Prüf- und Meßeinrichtungen sowie Betriebsstoffe zur Verfügung zu stellen.
    4. Besteht aufgrund der Güteprüfung Einvernehmen über die Zurückweisung der Leistung oder von Teilleistungen als nicht vertragsgemäß, so hat der Auftragnehmer diese durch vertragsgemäße zu ersetzen.
    5. Besteht kein Einvernehmen über die Zurückweisung der Leistung aufgrund von Meinungsverschiedenheiten über das angewandte Prüfverfahren, so kann der Auftragnehmer eine weitere Prüfung durch eine mit dem Auftraggeber zu vereinbarende Prüfstelle verlangen, deren Entscheidung endgültig ist. Die hierbei entstehenden Kosten trägt der unterliegende Teil.
    6. Der Auftraggeber hat vor Auslieferung der Leistung einen Freigabevermerk zu erteilen. Dieser ist die Voraussetzung für die Auslieferung an den Auftraggeber.
    7. Der Vertragspreis enthält die Kosten, die dem Auftragnehmer durch die vereinbarte Güteprüfung entstehen. Entsprechend der Güteprüfung unbrauchbar gewordene Stücke werden auf die Leistung nicht angerechnet.

§ 13
Abnahme
    1. Für den Übergang der Gefahr gelten, soweit nichts anderes vereinbart ist, die gesetzlichen Vorschriften.
    2. Wenn der Versand oder die Übergabe der fertiggestellten Leistung auf Wunsch des Auftraggebers über den im Vertrag vorgesehenen Termin hinausgeschoben wird, so geht, sofern nicht ein anderer Zeitpunkt vereinbart ist, für den Zeitraum der Verschiebung die Gefahr auf den Auftraggeber über.
    1. Abnahme ist die Erklärung des Auftraggebers, daß der Vertrag der Hauptsache nach erfüllt ist. Ist eine Abnahme gesetzlich vorgesehen oder vertraglich vereinbart, hat der Auftraggeber innerhalb der vorgesehenen Frist zu erklären, ob er die Leistung abnimmt. Liegt ein nicht wesentlicher Mangel vor, so kann der Auftraggeber die Abnahme nicht verweigern, wenn der Auftragnehmer seine Pflicht zur Beseitigung des Mangels ausdrücklich anerkennt. Bei Nichtabnahme gibt der Auftraggeber dem Auftragnehmer die Gründe bekannt und setzt, sofern insbesondere eine Nachbesserung möglich und beiden Parteien zumutbar ist, eine Frist zur erneuten Vorstellung zur Abnahme, unbeschadet des Anspruchs des Auftraggebers aus der Nichteinhaltung des ursprünglichen Erfüllungszeitpunkts .
    2. Mit der Abnahme entfällt die Haftung des Auftragnehmers für erkannte Mängel, soweit sich der Auftraggeber nicht die Geltendmachung von Rechten wegen eines bestimmten Mangels vorbehalten hat.
    3. Hat der Auftraggeber die Leistung in Benutzung genommen, so gilt die Abnahme mit Beginn der Benutzung als erfolgt, soweit nichts anderes vereinbart ist.
    4. Bei der Abnahme von Teilen der Leistung gelten die vorstehenden Absätze entsprechend.
  1. Der Auftraggeber kann dem Auftragnehmer eine angemessene Frist setzen, um Sachen, die der Auftraggeber als nicht vertragsgemäß zurückgewiesen hat, fortzuschaffen. Nach Ablauf der Frist kann er diese Sachen unter möglichster Wahrung der Interessen des Auftragnehmers auf dessen Kosten veräußern.

§ 14
Gewährleistung und Verjährung
    1. Der Auftragnehmer übernimmt die Gewähr, daß seine Leistung bei Gefahrübergang die im Vertrag besonders gekennzeichneten zugesicherten Eigenschaften hat und nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder mindern.
    2. Eine unerhebliche Minderung des Wertes oder der Tauglichkeit kommt nicht in Betracht.
  1. Ist ein Mangel auf ein Verlangen des Auftraggebers nach Änderung der Beschaffenheit der Leistung (§ 2 Nr. 1), auf die von ihm gelieferten oder vorgeschriebenen Stoffe oder von ihm geforderten Vorlieferungen eines anderen zurückzuführen, so ist der Auftragnehmer von der Gewährleistung für diese Mängel frei, wenn er die schriftliche Mitteilung nach § 2 Nr. 2 oder § 4 Nr. 3 erstattet hat oder wenn die vom Auftraggeber gelieferten Stoffe mit Mängeln behaftet sind, die bei Anwendung verkehrsüblicher Sorgfalt nicht erkennbar waren.
  2. Für die Gewährleistungsansprüche aus Sachmängeln gelten die gesetzlichen Vorschriften mit folgenden Maßgaben:
    1. Weist die Leistung Mängel auf, so sollte der Auftraggeber zunächst die Vertragserfüllung durch Nachbesserung verlangen. Hierzu kann der Auftraggeber dem Auftragnehmer eine angemessene Frist setzen. Nach Ablauf der Frist zur Nachbesserung kann der Auftraggeber die Mängel auf Kosten des Auftragnehmers selbst beseitigen oder durch einen Dritten beseitigen lassen. Der Auftraggeber kann eine angemessene Frist auch mit dem Hinweis setzen, daß er die Beseitigung des Mangels nach erfolglosem Ablauf der Frist ablehne; in diesem Fall kann der Auftraggeber nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen Minderung, Wandelung oder Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen.
    2. Der Auftraggeber ist nicht gehalten, zunächst Nachbesserung zu verlangen, wenn die Beseitigung des Mangels unmöglich ist oder vom Auftragnehmer verweigert wird oder wenn die sofortige Geltendmachung des Anspruchs auf Minderung, Wandelung oder Schadenersatz durch ein besonderes Interesse des Auftraggebers gerechtfertigt ist.
    3. Die Beseitigung des Mangels kann verweigert werden, wenn sie einen unverhältnismäßig großen Aufwand erfordert. Unbeschadet des Rechts auf Wandelung und Schadenersatz wegen Nichterfüllung prüft der Auftraggeber in diesem Fall zunächst die Möglichkeit, Minderung zu verlangen.
    4. Ein Anspruch des Auftraggebers auf Schadenersatz bezieht sich auf den Schaden am Gegenstand des Vertrages selbst, es sei denn
      1. der entstandene Schaden ist durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit des Auftragnehmers selbst, seiner gesetzlichen Vertreter oder seiner Erfüllungsgehilfen (§ 278 des Bürgerlichen Gesetzbuches) verursacht oder
      2. der Schaden ist durch Fehlen einer vertraglichen zugesicherten Eigenschaft verursacht. Die Schadenersatzpflicht gemäß aa) entfällt. wenn der Auftragnehmer nachweist, daß Sabotage vorliegt, oder wenn der Auftraggeber die Erfüllungsgehilfen gestellt hat oder wenn der Auftragnehmer auf die Auswahl der Erfüllungsgehilfen einen entscheidenden Einfluß nicht ausüben konnte.
    5. Besteht die geschuldete Leistung in der Lieferung der Gattung nach bestimmter Sachen, so kann der Auftraggeber statt Nachbesserung, Minderung oder Wandelung verlangen, daß ihm anstelle der mangelhaften Sache eine mangelfreie geliefert wird.
    6. Der Auftraggeber kann dem Auftragnehmer eine angemessene Frist setzen, mangelhafte Sachen fortzuschaffen. Nach Ablauf der Frist kann er diese Sachen unter möglichster Wahrung der Interessen des Auftragnehmers auf dessen Kosten veräußern.
    7. Für vom Auftraggeber unsachgemäß und ohne Zustimmung des Auftragnehmers vorgenommene Änderungen oder Instandsetzungsarbeiten und deren Folgen haftet der Auftragnehmer nicht.
    1. Soweit nichts anderes vereinbart ist, erstrecken sich die Gewährleistungsansprüche auf Mängel, die in einer Frist von sechs Monaten ab Gefahrübergang auftreten. Diese Frist wird um die Zeit verlängert, während der der mangelhafte Gegenstand nicht bestimmungsgemäß benutzt werden kann, jedoch nicht auf mehr als das Doppelte der ursprünglichen Frist. Der Auftraggeber hat dem Auftragnehmer solche Mängel unverzüglich schriftlich anzuzeigen.
    2. Die Gewährleistungsansprüche des Auftraggebers wegen eines gerügten Mangels verjähren in sechs Monaten ab Zugang der Anzeige, jedoch nicht vor Ablauf einer vereinbarten Frist. Bei schuldhaft unterlassener oder verzögerter Anzeige durch den Auftraggeber gemäß Absatz 1 beginnt die Verjährungsfrist mit dem Zeitpunkt der Kenntnis des Auftraggebers von dem Mangel.

§ 15
Rechnung
    1. Der Auftragnehmer hat seine Leistung nachprüfbar abzurechnen. Er hat dazu Rechnungen übersichtlich aufzustellen und dabei die im Vertrag vereinbarte Reihenfolge der Posten einzuhalten, die in den Vertragsbestandteilen enthaltenen Bezeichnungen zu verwenden sowie gegebenenfalls sonstige im Vertrag festgelegte Anforderungen an Rechnungsvordrucke zu erfüllen und Art und Umfang der Leistung durch Belege in allgemein üblicher Form nachzuweisen. Rechnungsbeträge, die für Änderungen und Ergänzungen zu zahlen sind, sollen unter Hinweis auf die getroffenen Vereinbarungen von den übrigen getrennt aufgeführt oder besonders kenntlich gemacht werden.
    2. Wenn vom Auftragnehmer nicht anders bezeichnet, gilt diese Rechnung als Schlußrechnung.
  1. Wird eine prüfbare Rechnung gemäß Nr. 1 trotz Setzung einer angemessenen Frist nicht eingereicht, so kann der Auftraggeber die Rechnung auf Kosten des Auftragnehmers für diesen aufstellen, wenn er dies angekündigt hat.

§ 16
Leistungen nach Stundenverrechnungssätzen
  1. Leistungen werden zu Stundenverrechnungssätzen nur bezahlt, wenn dies im Vertrag vorgesehen ist oder wenn sie vor Beginn der Ausführung vom Auftraggeber in Auftrag gegeben worden sind.
  2. Dem Auftraggeber sind Beginn und Beendigung von derartigen Arbeiten anzuzeigen. Sofern nichts anderes vereinbart ist, sind über die Arbeiten nach Stundenverrechnungssätzen wöchentlich Listen einzureichen, in denen die geleisteten Arbeitsstunden und die etwa besonders zu vergütenden Roh? und Werkstoffe, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie besonders vereinbarte Vergütungen für die Bereitstellung von Gerüsten, Werkzeugen, Geräten, Maschinen und dergleichen aufzuführen sind.
  3. Soweit nicht anders vereinbart, sind Listen wöchentlich, erstmalig 12 Werktage nach Beginn, einzureichen.

§ 17
Zahlung
  1. Die Zahlung des Rechnungsbetrages erfolgt nach Erfüllung der Leistung. Sie kann früher gemäß den vereinbarten Zahlungsbedingungen erfolgen. Fehlen solche Vereinbarungen, so hat die Zahlung des Rechnungsbetrages binnen eines Monats nach Eingang der prüfbaren Rechnung zu erfolgen. Die Zahlung geschieht in der Regel bargeldlos. Maßgebend für die Rechtzeitigkeit ist der Zugang des Überweisungsauftrages beim Zahlungsinstitut des Auftraggebers.
  2. Sofern Abschlagszahlungen vereinbart sind, sind sie in angemessenen Fristen auf Antrag entsprechend dem Wert der erbrachten Leistungen in vertretbarer Höhe zu leisten. Die Leistungen sind durch nachprüfbare Aufstellungen nachzuweisen. Abschlagszahlungen gelten nicht als Abnahme von Teilen der Leistung.
  3. Bleiben bei der Schlußrechnung Meinungsverschiedenheiten, so ist dem Auftragnehmer gleichwohl der ihm unbestritten zustehende Betrag auszuzahlen.
  4. Die vorbehaltlose Annahme der als solche gekennzeichneten Schlußzahlung schließt Nachforderungen aus. Ein Vorbehalt ist innerhalb von zwei Wochen nach Eingang der Schlußzahlung zu erklären. Ein Vorbehalt wird hinfällig, wenn nicht innerhalb eines weiteren Monats eine prüfbare Rechnung über die vorbehaltenen Forderungen eingereicht oder, wenn dies nicht möglich ist, der Vorbehalt eingehend begründet wird.
  5. Werden nach Annahme der Schlußzahlung Fehler in den Unterlagen der Abrechnung festgestellt, so ist die Schlußrechnung zu berichtigen. Solche Fehler sind Fehler in der Leistungsermittlung und in der Anwendung der allgemeinen Rechenregeln, Komma- und Übertragungs- einschließlich Seitenübertragungsfehler. Auftraggeber und Auftragnehmer sind verpflichtet, die sich daraus ergebenden Beträge zu erstatten.

§ 18
Sicherheitsleistung
    1. Wenn Sicherheitsleistung vereinbart ist, gelten die §§ 232?240 des Bürgerlichen Gesetzbuches, soweit sich aus den nachstehenden Bestimmungen nichts anderes ergibt.
    2. Die Sicherheit dient dazu, die vertragsgemäße Ausführung der Leistung und die Gewährleistung sicherzustellen.
    1. Wenn im Vertrag nichts anderes vereinbart ist, kann Sicherheit durch Hinterlegung von Geld oder durch Bürgschaft eines in der Europäischen Gemeinschaft zugelassenen Kreditinstituts oder Kreditversicherers geleistet werden. Sofern der Auftraggeber im Einzelfall begründete Bedenken gegen die Tauglichkeit des Bürgen hat, hat der Auftragnehmer die Tauglichkeit nachzuweisen.
    2. Der Auftragnehmer hat die Wahl unter den verschiedenen Arten der Sicherheit; er kann eine Sicherheit durch eine andere ersetzen.
  1. Bei Bürgschaft durch andere als zugelassene Kreditinstitute oder Kreditversicherer ist Voraussetzung, daß der Auftraggeber den Bürgen als tauglich anerkannt hat.
  2. Die Bürgschaftserklärung ist schriftlich mit der ausdrücklichen Bestimmung, daß die Bürgschaft deutschem Recht unterliegt, unter Verzicht auf die Einreden der Aufrechenbarkeit, der Anfechtbarkeit und der Vorausklage abzugeben (§§ 770, 771 des Bürgerlichen Gesetzbuches); sie darf nicht auf bestimmte Zeit begrenzt und muß nach Vorschrift des Auftraggebers ausgestellt sein. Die Bürgschaft muß unter den Voraussetzungen von § 38 der Zivilprozeßordnung die ausdrückliche Vereinbarung eines vom Auftraggeber gewählten inländischen Gerichtsstands für alle Streitigkeiten über die Gültigkeit der Bürgschaftsvereinbarung sowie aus der Vereinbarung selbst enthalten.
  3. Wird Sicherheit durch Hinterlegung von Geld geleistet, so hat der Auftragnehmer den Betrag bei einem zu vereinbarenden Geldinstitut auf ein Sperrkonto einzuzahlen. über das beide Parteien nur gemeinsam verfügen können. Etwaige Zinsen stehen dem Auftragnehmer zu.
  4. Der Auftragnehmer hat die Sicherheit binnen 18 Werktagen nach Vertragsschluß zu leisten, wenn nichts anderes vereinbart ist.
  5. Der Auftraggeber hat eine Sicherheit entsprechend dem völligen oder teilweisen Wegfall des Sicherungszwecks unverzüglich zurückzugeben.

§ 19
Streitigkeiten
  1. Bei Meinungsverschiedenheiten sollen Auftraggeber und Auftragnehmer zunächst versuchen, möglichst binnen zweier Monate eine gütliche Einigung herbeizuführen.
  2. Liegen die Voraussetzungen für eine Gerichtsstandsvereinbarung nach § 38 Zivilprozeßordnung vor, richtet sich der Gerichtsstand für alle Streitigkeiten über die Gültigkeit des Vertrages und aus dem Vertragsverhältnis ausschließlich nach dem Sitz der für die Prozeßvertretung des Auftraggebers zuständigen Stelle, soweit nichts anderes vereinbart ist. Die auftraggebende Stelle ist auf Verlangen verpflichtet, die den Auftraggeber im Prozeß vertretende Stelle mitzuteilen.
  3. Streitfälle berechtigen den Auftragnehmer nicht, die übertragenen Leistungen einzustellen, wenn der Auftraggeber erklärt, daß aus Gründen besonderen öffentlichen Interesses eine Fortführung der Leistung geboten ist.









1. Einführung
1.1.1. Aktueller Stand des Vergaberechts
1.1.2. Neufassung der BVB-IT - EVB-IT
Stichwortverzeichnis

1.1.3. Grundsätzliche Entscheidung des Bundesgerichtshofes zu Verdingungsunterlagen - BGH, Urt. vom 26.9.1996 - VII ZR 318/95 (Düsseldorf) - NJW 1997, 135 = BB 1996, 2535

1.1.4. Grundsätzliche weitere Entscheidung des Bundesgerichtshofes zu den BVB

1.1.5. Neuere Entscheidungen zum Vergabewesen:

1.1.6. Neuere Literatur zum Vergabewesen

1.2. Die VOL/B und ihre bisherige Entwicklung bis zum Jahre 1997

2 Die VOL/B und ihre bisherige Entwicklung bis zum Jahre 1997 läßt sich knapp wie folgt darstellen:
- Fassung von 1932
- Beratung des Deutschen Verdingungsausschusses für Leistungen - ausgenommen Bauleistungen - DVAL bis 1989, Verabschiedung eines Entwurfs am 15.10.1990
- Veröffentlichung im Bundesanzeiger Nr. 215 a vom 19.11.1991 - "Inkraftsetzung" durch die Vorbemerkung der VOL/B 1991 zum 1.7.1992

Daub-Eberstein, Kommentar zur VOL/B, 4. Aufl., 1998, Einführung Rdnr. 5. Vgl. ferner hierzu auch Daub/Eberstein, Kommentar zur VOL/A, 4. Aufl., 1998, Einführung, Einführung Rdnr. 70 ff.

Während die VOL/A zwischen 1936 und 1997 mehrfach (1984, 1991, 1993) geändert wurde, wurde die VOL/B seit der Fassung 1992 nicht mehr geändert.

Zur Entwicklung der VOL/A Bartl, Harald, Handbuch öffentliche Aufträge, 2. Aufl., 2000, Rdnr. 39; auch Daub/Eberstein, VOL/A, 4. Aufl., 1998, Rdnr. 1 ff.

3 Mit Recht wird darauf hingewiesen, daß die maßgeblichen Änderungen der Fassung 1991 vor allem darin gesehen werden, daß
- die Verzugsregelung in § 7 umgestaltet wurde,
- in § 8 Rücktritt/Kündigung geregelt sind,
- in den §§ 12 ff. Güteprüfung, Abnahme und Gewährleistung modifiziert wurden sowie
- etwa eine Änderung der §§ 15, 16 ((Rechnung, Stundenverrechnung) und des § 18 (Sicherheitsleistungen) erfolgte.

Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl, 1998, Einführung Rdnr. 6 ff.

1.3. Der Rechtscharakter der VOL/B
4 Die VOL/B sind nichts anderes als "Einkaufsbedingungen" der öffentlichen für sämtliche Leistungen, die nicht unter Bauleistungen (vgl. VOB/B) bzw. EDV-IT-Leistungen fallen. Die VOL/B ist damit weder Gesetz, noch Verordnung. Allerdings sind ihre Bestimmungen als Grundlage allgemeiner Verwaltungsvorschriften von der öffentlichen Hand zu beachten.
Die Vergabestellen der öffentlichen Hand sind in diesem Zusammenhang an die VOL/A ("nationale Vergabeverfahren") als Verwaltungsvorschrift bzw. an die Abschnitte II ("a-§§" und Basis-§§), III ("b-§§" und Basis-§§) und IV (SKR-Vorschriften) als Vorschriften mit Verordnungscharakter gebunden.
§ 9 Nr. 2 VOL/A verlangt, daß in den Verdingungsunterlagen vorgeschrieben wird, daß
"die Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Leistungen (VOL/B) Bestandteil des Vertrages werden."

Hierzu Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, Einführung Rdnr. 10.


1.4. Das Zusammenspiel von VOL/A und VOL/B
5 Die erwähnte VOL/A zwingt die Vergabestellen der öffentlichen Hand, die VOL/B grundsätzlich in den Vertrag einzubeziehen. Nach derzeitiger allgemeiner Auffassung ist die VOL/A als Verwaltungsvorschrift bei Vergabeverfahren mit einem Schwellenwert unter 200 000 Euro zu beachten. Hieraus ergibt sich ein mittelbarer Zwang für die Vergabestellen, die VOL/B den Verdingungsunterlagen zugrundezulegen.

Hierzu Daub/Eberstein, VOL/B, Einführung Rdnr. 10.

Anders ist dies gewiß im Bereich EU-weiter Vergabeverfahren (VOL/A - Abschnitte II., III. und IV.). Da hier Verordnungscharakter anzutreffen ist, kommen m.E. von der VOL/A abweichende Vorgaben (z.B. auch hinsichtlich der VOL/B - vgl. § 9 Nr. 2 VOL/A) nicht in Betracht. Ob diese Differenzierung zwischen nationalem und "EU-weiten" Vergabeverfahren sich zukünftig noch aufrechterhalten läßt, ist nach meiner Auffassung fraglich. Ansprüche nach den Grundsätzen der Culpa in contrahendo sowie z.B. auch nach kartellrechtlichen Bestimmungen (vgl. § 97 ff GWB) sind jedenfalls denkbar.

Hierzu KG Berlin, Beschl. v. 20.5.1998 - Kart 24/97 - ZIP 1998, 1600 - Berliner Straßenbau/Tariftreupflicht - vergabefremde Wertungskriterien. Im übrigen Gröning, Jochem, Rechtsschutzqualität und Verfahrensbeschleunigung im Entwurf für ein Vergabrechtsänderungsgesetz, ZIP 1998, 370 ff; Pietzcker, Jost, Die neue Gestalt des Vergaberechts, ZHR 162 (1998), 427, 469 ff (Rechtsschutz). Nunmehr BGH, Beschluß vom 18.1.2000 - KVR 23/98 - Vorlage an das BVerfG - Tariftreuererklärung (Berlin - vgl. o. Kammergericht); vgl. auch den Referentenentwurf zur Änderung der Vergabeverordnung (FAZ vom 7.1.2000, S. 15)


6 Im übrigen gilt es Folgendes nach § 9 VOL/A zu beachten, der auszugsweise nachfolgend wiedergegeben wird:
§ 9
Vertragsbedingungen, Vergabeunterlagen

1. Die Vergabeunterlagen bestehen aus dem Anschreiben (Aufforderung zur Angebotsabgabe) und den Verdingungsunterlagen.
2. In den Verdingungsunterlagen ist vorzuschreiben, daß die Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Leistungen (VOL/B) Bestandteil des Vertrages werden.
Das gilt auch für etwaige Zusätzliche, Ergänzende sowie Besondere Vertragsbedingungen und, soweit erforderlich, für etwaige Technische Vertragsbedingungen.
3. (1) Die Allgemeinen Vertragsbedingungen bleiben grundsätzlich unverändert. Sie können von Auftraggebern, die ständig Leistungen vergeben, für die bei ihnen allgemein gegebenen Verhältnisse durch Zusätzliche Vertragsbedingungen ergänzt werden. Diese dürfen den Allgemeinen Vertragsbedingungen nicht widersprechen.
(2) Für die Erfordernisse einer Gruppe gleichgelagerter Einzelfälle können die Allgemeinen Vertragsbedingungen und etwaige Zusätzliche Vertragsbedingungen durch Ergänzende Vertragsbedingungen ergänzt werden.
Die Erfordernisse des Einzelfalles sind durch Besondere Vertragsbedingungen zu berücksichtigen.

In den Ergänzenden und Besonderen Vertragsbedingungen sollen sich Abweichungen von den Allgemeinen Vertragsbedingungen auf die Fälle beschränken, für die in den Allgemeinen Vertragsbedingungen besondere Vereinbarungen ausdrücklich vorgesehen sind; sie sollen nicht weitergehen als es die Eigenart der Leistung und ihre Ausführung erfordern.
4. In den Zusätzlichen, Ergänzenden und Besonderen Vertragsbedingungen sollen, soweit erforderlich, insbesondere folgende Punkte geregelt werden:
a)....."

Diese Regelungen des § 9 VOL/A sind ohne eine Kenntnis der Entstehungsgeschichte schwer bzw. nicht verständlich.

Hierzu Daub/Eberstein, VOL/A, § 9 Rdnr. 2 ff.

1.5. Begriffe

7 Vergabeunterlagen = Anschreiben und Verdingungsunterlagen - § 9 Nr. 1 VOL/A
Anschreiben = Schriftliche Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes - §§ 9 Nr. 1, 17 VOL/A

Verdingungsunterlagen = Gesamtheit der Vertragsvereinbarungen in technischer, wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht - einschließlich der Leistungsbeschreibung (vgl. § 8 VOL/A sowie §§ 10 ff VOL/A) Vertragsbedingungen =
- Individualvereinbarungen (Leistungsbeschreibung sowie technische, rechtliche und wirtschaftliche Vertragsvereinbarungen - für den Einzelfall festgelegt) - § 9 Nr. 2 und 3 VOL/A
Allgemeine Geschäftsbedingungen der öffentlichen Hand - entsprechend § 1 I AGBG für eine Vielzahl von Verträgen einseitig gestellt und von der öffentlichen Hand (unbeachtlich: Beteiligung und Diskussion der entsprechenden Wirtschaftskreise) vorformuliert:

- Besondere Vertragsbedingungen wie BVB-X (EDV-IT-Bereich - in der Überarbeitung gewesen - seit dem 12.10.2000 veröffentlicht)
- Technische Vertragsbedingungen
- Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Leistungen - VOL/B

8 Die Begriffsbildung und -verwendung des § 9 VOL/A ist mehr als unglücklich. Wie soll ein Praktiker in der Vergabestelle, der mit dieser Vorschrift arbeiten soll, dies verstehen ?
Zunächst steht fest, daß unter "Besonderen Vertragsbedingungen" sowohl Individualvereinbarungen z.B. im Leistungsschein als auch Besondere Vertragsbedingungen als Allgemeine Geschäftsbedingungen z.B. für einen bestimmten Bereich (hier Musterbeispiel BVB-Kauf etc.) verstanden werden können.
Es ist allerdings schwierig, dies aus der konfus gefaßten Vorschrift problemlos herzuleiten, die z.B. nicht in terminologischer Angleichung an § 1 I und § 1 II AGBG zwischen Individualvereinbarungen und Allgemeinen Geschäftsbedingungen (einseitig gestellt, vorformuliert, für eine Vielzahl gedacht) unterscheidet.
Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift zeigt, daß man sich offensichtlich nicht eindeutig einigen konnte.
Im Grunde geht es bei § 9 Ziff. 2 f VOL/A um die entscheidende Frage, ob eine Vergabestelle die Möglichkeit hat, in den Verdingungsunterlagen die Vertragsbedingungen im einzelnen abweichend von der VOL/B zu regeln. Sofern dies bejaht wird, ist die Frage zu stellen, welche Grenzen für diese Regelungen gelten, insbesondere aber auch die Frage, ob die Vertragsabschluß- und Vertragsgestaltungsfreiheit beschränkt ist
- im Individualteil nur durch die allgemein geltenden Grenzen (§§ 134, 138, 276 S. 2, 306, 826 etc. BGB, 97 ff GWB etc.)
- sowie im nicht für den Einzelfall, sondern generell geltenden Teil der VOL/B oder auch der BVB-X durch das AGBG.


9 Beispielhaft seien für beide Bereiche Entscheidungen genannt: Stichwortverzeichnis

BGH NJW 1997, 135 = BB 1996, 2535 - Vertragsstrafenregelung "nur für einen Vertrag" - Individualteil

KG Berlin, Beschl. v. 20.5.1998 - Kart 24/97 - ZIP 1998, 1600: Zugrunde lag folgender Sachverhalt:
Die Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen des Landes Berlin (Beschwerdeführer) richtete unter dem 9. Februar 1995 das Rundschreiben VI Nr.7/95 an die Bezirksämter und zahlreiche Verwaltungsstellen (u. a. alle Senatsverwaltungen, Sonderbehörden, nicht rechtsfähige Anstalten, Krankenhausbetriebe, Eigengesellschaften, gemischtwirtschaftliche Unternehmen, an denen Berlin überwiegend beteiligt ist, sowie Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts). In dem Schreiben heißt es:

,,Im Hinblick auf die Wahrung eines geordneten Wettbewerbs insbesondere auf dem Arbeitsmarkt ist die Einhaltung tarifvertraglicher Bestimmungen von besonderer Bedeutung. Öffentliche Bauaufträge Berlins dürfen deshalb nur an Bieter vergeben werden, die mit dem Angebot eine Erklärung zur Tariftreue abgegeben haben. Bereits bei der Ausschreibung ist auf diese Verpflichtung hinzuweisen. Ab sofort sind bei der Vergabe von öffentlichen Bauaufträgen Berlins folgende Verpflichtungen in die ,,Besonderen Vertragsbedingungen" (BVB) unter Nr.9 aufzunehmen und damit zum Vertragsbestandteil zu machen:

,Die beigefügte Erklärung zur Einhaltung der geltenden Berliner Lohntarife sowie die Tariftreueerklärung werden Vertragsbestandteil. Bei Verstoß gegen diese vertragliche Vereinbarung wird der Auftragnehmer für die Dauer von 2 Jahren, gerechnet ab dem Zeitpunkt der Feststellung, von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen.

Es wird gebeten, dieses Rundschreiben bei künftigen Vergaben strikt zu beachten. Laufende Verträge bleiben unberührt."

Die von den Bietern abzugebende Tariftreueerklärung lautet (modifizierte Fassung gemäß Rundschreiben der Senatsverwaltung VI Nr.10/1995 v.16.5.1995):

"Ich/Wir erkläre(n), dass bei Auftragserteilung zum o. g. Bauvorhaben die Entlohnung meiner/unserer Arbeitnehmer nicht unter den jeweils geltenden Berliner Lohntarifen erfolgen wird. Beim Einsatz von Nachunternehmern werden diese von mir/uns entsprechend verpflichtet.
Der Auftraggeber behält sich vor, durch Stichproben anhand von mir/uns vorzulegenden Lohnlisten die Einhaltung zu überprüfen.
Mir/Uns ist bekannt, dass bei Verstoß gegen diese vertragliche Vereinbarung mein/unser Unternehmen für zwei Jahre von der Vergabe öffentlicher Bauaufträge ausgeschlossen wird.
Ich/Wir habe(n) dem Betriebsrat diese Erklärung zur Kenntnis gegeben."


Mit der angefochtenen Verfügung hat das Bundeskartellamt dem Beschwerdeführer untersagt, Straßenbauaufträge nur an Unternehmen zu vergeben, die eine solche Erklärung abgeben, diese Erklärung bei der Vergabe von Straßenbauaufträgen zum Vertragsbestandteil zu machen sowie Auftragnehmer bei einem Verstoß gegen eine vertragliche Vereinbarung mit diesem Inhalt von der Vergabe öffentlicher Aufträge auszuschließen (Verfügungstenor zu 1). Ferner hat das Bundeskartellamt dem Beschwerdeführer verboten, das Rundschreiben VI Nr.10/95 in

Bezug auf Straßenbauarbeiten in Kraft zu lassen, seine Adressaten über die Außerkraftsetzung in Unkenntnis zu halten, durch neue Rundschreiben mit vergleichbarem Inhalt oder sonstige Maßnahmen auf die Bezirke einzuwirken, um ein Verhalten durchzusetzen, das mit Nr.1 der Verfügung untersagt wurde (Beschlusstenor zu 2).

Das KG entschied u.a. wie folgt:
"Die gesamte vertragliche Handhabung der Tariftreueerklärung ist insgesamt aus weiteren Gründen zu missbilligen, die auch in den Fällen zum Tragen kommen, in denen die vertragliche Verpflichtung zur Zahlung der Berliner Tariflöhne also solche unbedenklich erscheint.
Die sofortige Sanktionierung mit einer zweijährigen Auftragssperre verstößt gegen § 9 Abs. 1 AGBG.
Die Ausschlussklausel ist als Bestandteil der ,,Besonderen Vertragsbedingungen" eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung, die die Vergabestellen des Landes der jeweils anderen Vertragspartei bei Abschluss von Verträgen stellt. Sie muss sich deshalb an den Bestimmungen des AGB-Gesetzes messen lassen. Mit der Klausel eröffnet sich der Verwender die Möglichkeit, einen Vertragspartner unabhängig von der Schwere seines Verstoßes (Anzahl der unterbezahlten Arbeitnehmer, Zeitraum der untertariflichen Beschäftigten, Volumen des Auftrags, Verschuldensgrad) sofort für zwei Jahre zu sperren. Diese Rechtsfolge kann von Fall zu Fall unter zwei Gesichtspunkten unverhältnismäßig sein und den Bieter entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Bei leichteren und insbesondere bei erstmaligen Verstößen kann es bereits unangemessen sein, den betreffenden Unternehmer sogleich von der weiteren Vergabe auszuschließen. Zwar existiert keine bundesweit einheitliche Regelung für die Handhabung des Ausschlusses von der Teilnahme am Wettbewerb um öffentliche Bauaufträge (vgl. Heiermann/Ried1/Rusam, VOB, 8. Aufl., A § 8 Rz. 58).
Jedoch gibt das Vergabehandbuch für die Durchführung von Bauaufgaben des Bundes im Zuständigkeitsbereich der Finanzbauverwaltungen (vgl. Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., Einl. Rz. 104) Anhaltspunkte dafür, welche Verfehlungen eines Unternehmers als so schwer anzusehen sind, dass seine Zuverlässigkeit als Bewerber (vgl. § 8 Nr.5 lit. c VOB/A) in Frage steht und eine sofortige Auftragssperre gerechtfertigt ist.
Dies sind vollendete oder versuchte Beamtenbestechung, Vorteilsgewährung sowie schwerwiegende im Geschäftsverkehr begangene Straftaten, insbesondere Diebstahl, Unterschlagung, Erpressung, Betrug, Untreue und Urkundenfälschung.
Ferner Verstöße gegen das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, unter anderem die Beteiligung an Absprachen über Preise oder Preisbestandteile, verbotene Preisempfehlungen, die Beteiligung an Empfehlungen oder Absprachen über die Abgabe oder Nichtabgabe von Angeboten, über die Aufrechnung von Ausfallentschädigungen sowie über Gewinnbeteiligungen und Abgaben an andere Bewerber.

Aus den Materialien zum Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Bekämpfung von Schwarzarbeit und anderer Gesetze vom 26. Juli 1994 (vgl. BT-Drucks. 12/7563, S.10 f; dazu auch Ingenstau/Korbion, aaO, A, § 8 Rz. 72) ergibt sich, dass der Bundesgesetzgeber eine Auftragssperre bei Verstößen gegen dieses Gesetz nicht in allen Fällen für zwangsläufig hält, sondern dass eine Gesamtwürdigung der Umstände vorzunehmen ist, bevor diese Rechtsfolgenanordnung ausgesprochen wird.

Danach kommt es u. a. auf die relative und absolute Zahl der illegal beschäftigten Arbeitnehmer, die Dauer ihrer Beschäftigung, die Häufigkeit etwaiger Verstöße, eine etwa bestehende Wiederholungsgefahr und den Umfang der Auswirkungen eines Normenverstoßes auf den öffentlichen Auftraggeber an (vgl. Ingenstau/Korbion, aaO, A § 8 Rz. 72).
Auch auf Länderebene gibt es Regelungen, die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragen. Beispielsweise sieht ein Runderlass der Hessischen Landesregierung vor, dass bei Verfehlungen, durch die dem Auftraggeber kein oder nur ein geringer Schaden entstanden ist, unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit von einem Ausschluss abgesehen werden kann. In einem solchen Fall ist der betreffende Bewerber bzw. Unternehmer auf den festgestellten Sachverhalt und die im Wiederholungsfall zu erwartenden Konsequenzen hinzuweisen (vgl. Heiermann/Riedl/Rusam, aaO, A. § 8 Rz. 59).
Nicht jeder Verstoß gegen die Tariftreueerklärung wiegt so schwer, dass die sofortige Verhängung einer Auftragssperre als adäquate Rechtsfolge angemessen ist. Soweit es die Dauer der ausgesprochenen Auftragssperre anbelangt, geben die Gesetzgebungsmaterialien für das Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Bekämpfung von Schwarzarbeit und anderer Gesetze vom 26. Juli 1994 ebenfalls Anhaltspunkte für die Verhältnismäßigkeit von Sanktionen. Danach soll der Bewerber bei einer erstmaligen Verfehlung in der Regel für sechs Monate ausgeschlossen werden und (erst) im Wiederholungsfall für 2 Jahre.
Demgemäß kann die sofortige Sanktionierung mit einer Auftragssperre von 2 Jahren den Auftragnehmer entgegen Treu und Glauben auch dann unverhältnismäßig benachteiligen, wenn der zeitweilige Ausschluss von weiteren Vergabeverfahren im Hinblick auf den Verstoß dem Grunde nach gerechtfertigt erscheint.
Die Sanktionsklausel wäre, so wie sie in den Verträgen des Landes Berlin über Bauleistungen verwendet wird, also selbst dann rechtswidrig, wenn die Rechtmäßigkeit der Tariftreueerklärung als vertragliche Vereinbarung unterstellt würde oder wenn sie von solchen Unternehmen verlangt wird, die ohnehin zur Zahlung von Tariflöhnen verpflichtet sind."

Diese beiden Entscheidungen, denen im übrigen zu folgen ist, zeigen auf, daß die Rechtsprechung mit Recht unterscheidet zwischen
- Individualvereinbarungen der "Vertragsbedingungen" (vgl. auch § 1 II AGBG bzw. § 4 AGBG)
- sowie vorformulierten, einseitig gestellten und für eine Vielzahl von Verträgen gedachten Klauseln (vgl. § 1 I AGBG).

1.7. Gestaltung von Verträgen
10 Dies ist bei der Gestaltung von Verträgen zu beachten, bei denen die VOL/B grundsätzlich als Vertragsbestandteil vorgesehen ist.

Gleichzeitig ist anzumerken, daß die Rechtsprechung (vgl. o. KG und BGH) offensichtlich grundsätzlich keine Bedenken dagegen hat, daß die Vergabestelle die Bestimmungen der VOL/B im Einzelfall "durch Besondere Vertragsbedingungen" = Individualvereinbarungen ergänzen und abändern darf.

11 Allerdings sind in diesem Zusammenhang einige Schranken zu beachten:
- Wenn es in § 9 Nr. 3 Abs. 1 VOL/A heißt, daß die VOL/B grundsätzlich unverändert bleibt, so ergibt sich hieraus, daß sie im besonderen Einzelfall verändert und ergänzt werden darf.
Das bedeutet indessen m.E., daß ein sachlicher Grund für die Ergänzung oder Änderung vorliegen muß. Dieser kann nur in den Besonderheiten des einzelnen Falles liegen - etwa dann, wenn die VOL/B mit ihrer jeweiligen "generellen Lösung" für die spezielle Leistung nicht geeignet ist (z.B. moderne Dienstleistungen).
- Unklar ist die in § 9 Ziff. 3 Abs. 1 S. 2 VOL/A enthaltene Schranke, daß es sich um Auftraggeber handeln muß, die "ständig Leistungen vergeben".
Das ist an sich bei jeder Vergabestelle anzutreffen. Entscheidender ist wohl, daß eine Ergänzung "für die bei ihnen allgemein gegebenen Verhältnisse durch zusätzliche Vertragsbedingungen" zulässig ist, wobei diese den "Allgemeinen Vertragsbedingungen nicht widersprechen dürfen."
Ein derartiger Wirrwarr von Formulierungen und Unklarheiten ist selten anzutreffen. Die insofern anzutreffenden Kommentierungen führen daher im Grunde letztlich aus, daß
- Gründe für eine Änderung der VOL/B anzutreffen sein müssen (also Art der Leistung, Unbrauchbarkeit des allgemeinen Abwicklungsrasters der VOL/B für den Einzelfall)
- die Erforderlichkeit bzw. Notwendigkeit aus rechtlichen oder auch technischen Gründen belegt werden kann.
Vgl. Daub/Eberstein, VOL/A, 4. Aufl., 1998, § 9 Rdnr. 44.

12 Insofern wird man folglich davon auszugehen haben, daß hier mehr als das grundsätzliche Ziel der Beschränkung der Gestaltungsfreiheit der öffentlichen Hand durch Individual- oder generelle Abweichungen wohl nicht erreicht werden kann.
Fraglich ist vor allem, wo der "ermessensfehlerhafte Gebrauch" von Änderungen oder Ergänzungen beginnt. Andererseits stellt sich daneben die Frage, in welchen Fällen die Nichtänderung der VOL/B einen "Kunstfehler" der Vergabestelle darstellt. Beispielhaft sind die BVB-Kauf etc. für die Beschaffung von EDV-IT-Leistungen, die nach zwei Entscheidungen des BGH unwirksame Klauseln enthalten (Verstoß gegen § 9 AGBG), die sicherlich durch entsprechende Änderungen/Ergänzungen zu korrigieren sind, weil die öffentliche Hand ansonsten nicht unerhebliche Nachteile treffen (keine Schadensersatzansprüche, lediglich Rücktritt und Vertragsstrafen).
Grundsätzliche Entscheidungen des Bundesgerichtshofes zu den BVB- BGH Urteil vom 4.3.1997 - X ZR 141/95 (OLG Frankfurt) - CR 1997, 470 BVB II; BGH Urteil vom 27.11.1990 - NJW 1991, 076 = BB 1991, 373 - BVB I. Hierzu Bartl, Harald, Handbuch Rdnr. 135 ff. mit einem entsprechenden Vorschlag für eine "Individualvereinbarung".

13 Den Hintergrund bildet der Streit zwischen Industrievertretern und Vertretern der öffentlichen Hand im DVAL. Die Industrie verlangte natürlich eine "Festschreibung", die Vertreter der öffentlichen Hand eine Öffnung für Individualvereinbarungen, "Zusätzliche, Ergänzende und Besondere Vertragsbedingungen". Herausgekommen ist ein schwer verständlicher und löchriger Kompromiß, der es letztlich - bei entsprechendem Willen der Vergabestelle - dieser weitgehend überläßt, Änderungen, Ergänzungen und Sonderabreden festzuschreiben, wenn "Einzelfall" oder "gleichgelagerte Einzelfall-Gruppen" dies erfordern (Eigenart der Leistung bzw. der Ausführung, Einzelfallproblematik, Gruppengesamtproblematik).
Vgl.hierzu Daub/Eberstein, VOL/A, 4. Aufl., 1998, § 9 Rdnr. 44 ff.

14 Sichergestellt werden sollte dadurch eine gleichmäßige Anwendung eines "ausgewogenen Bedingungswerkes":
"Eingriffe in die VOL/B könnten den Interessenausgleich, der in dem Bedingungswerk gefunden wurde, gefährden und die Vergabepraxis, die auf die stetige Anwendung allgemeiner Bedingungen angewiesen ist, verunsichern."

Vgl.hierzu Daub/Eberstein, VOL/A, 4. Aufl., 1998, § 9 Rdnr. 44 ff.
Dieses löbliche Ziel (vgl. auch §§ 55 II BHO: "einheitliche Richtlinien") hätte aber nur durch eindeutige und klare Bestimmungen der VOL/A erreicht werden können - sowie durch eine entsprechende klare Fassung der VOL/B.

15 Bei den meisten "Zusätzlichen Vertragsbedingungen" einer Reihe von Behörden stellt sich daneben die Frage nach der Erforderlichkeit dieser Regelungswerke. Meist zeigt sich, daß diese Besonderen Geschäftsbedingungen weder durch eine besondere Leistungsart etc., noch durch das Erfordernis spezieller zusätzlicher Einkaufsbedingungen gekennzeichnet sind - mithin vielfach überflüssig sind. Die Klage über die Flut von Normen etc. kann hier getrost auch auf diesen Bereich ausgedehnt werden. Der Einkehr des notwendigen "Beschaffungsmanagements" bei der öffentlichen Hand stehen damit zusätzliche und überflüssige Hindernisse entgegen.

16 Das zeigt auch der nachfolgende Gedanke:

Unklar, ja fast grotesk ist die Formulierung in § 9 Nr. 3 Abs. 1 Satz 3, daß die "Zusätzlichen Vertragsbedingungen" den Allgemeinen Vertragsbedingungen "nicht widersprechen dürfen". Üblicherweise greift hier der Grundsatz ein, daß die "individuelle Regelung" die allgemeinere Bestimmung verdrängt. Mithin treffen wir eine "Anwendungshierarchie" an, der auch z.B. § 1 VOL/B sowie etwa der jeweilige § 2 BVB-X Rechnung tragen.

Besondere oder zusätzliche Vereinbarungen oder auch Geschäftsbedingungen widersprechen grundsätzlich den Allgemeinen Bedingungen. Sonst wären sie überflüssig, da gleichlautend. Dieses "Widerspruchsverbot" kann doch wohl nicht bedeuten, daß bei Vorliegen entsprechender Voraussetzungen (besondere Leistungsart, Sonderrisiken etc.) keine "speziellen Geschäftsbedingungen" genereller Art geschaffen werden können. Der Satz kann sich m.E. auch nicht in einer Aufforderung, unklare Geschäftsbedingungen zu vermeiden, erschöpfen.
Vgl. Daub/Eberstein, VOL/A, 4. Aufl., 1998, § 9 Rdnr. 45.

17 Daß Vertragsabreden, speziell auch Allgemeine Geschäftsbedingungen, unmißverständlich und klar abgefaßt sein müssen, wenn sie nicht unwirksam sein sollen (vgl. § 5 AGBG - Unklarheitenregel), versteht sich von selbst.
Daß Individualabreden oder "besondere Geschäftsbedingungen" (wie etwa die BVB) anstelle der VOL/B (bzw. die BVB) dort, wo sie sich öffnet ("soweit nichts anderes vereinbart ist"), vorgesehen werden können, kann ebenfalls nicht bestritten werden.
Vgl. Daub/Eberstein, VOL/A, 4. Aufl., 1998, § 9 Rdnr. 45, m.E. unklar und mißverständlich.
Es bleibt folglich nur der Grundsatz,
daß Abweichungen durch Ergänzungen oder Besondere Vertragsbedingungen nur zulässig sind,
wenn dies im Einzelfall
oder in einer Gruppe von Fällen
erforderlich ist.

18 Das macht auch Sinn. Denn die VOL/A hat u.a. auch das Ziel, eine wirtschaftliche Beschaffung durch Wettbewerb sicherzustellen, andererseits aber auch die Bieter zu schützen - vor einer Ausnutzung der Nachfragemacht durch die einseitige Gestaltung der "Einkaufsbedingungen".
Vgl. Daub/Eberstein, VOL/A,4. Aufl., 1998, Einführung Rdnr. 56 ff.
Das ist auch der Tenor der Entscheidungen des BGH zu den BVB-Überlassung bzw. im Fall des KG Berlin (Tariftreuepflichterklärung), wobei anzumerken ist, daß "Bewerbungsbedingungen" selbstverständlich als AGB im Sinn des AGBG aufzufassen sind.
BGH Urteil vom 4.3.1997 - X ZR 141/95 (OLG Frankfurt) - CR 1997, 470 BVB II; BGH Urteil vom 27.11.1990 - NJW 1991, 076 = BB 1991, 373 - BVB I; KG Berlin Beschluß v. 20.5.1998 - Kart 24/97 - ZIP 1998, 1600 ff. Vgl. abweichend zu der Einordnung von Bewerbungsbedingungen als AGB Daub/Eberstein, VOL/A, 4. Aufl., 1998, § 9 Rdnr. 31 gegen die mehrheitlichen Stimmen in der Literatur. Neben den Anknüpfungspunkten
"ständige Auftragsvergabe"/"allgemein gegebene Verhältnisse"/kein "Widerspruch" zur VOL/B
findet sich der Anknüpfungspunkt
Ergänzung der VOL/B für "Erfordernisse einer Gruppe gleichgelagerter Einzelfälle"
in § 9 Ziff. 3 Abs. 2 VOL/A.

19 Wenn eine "Gruppe gleichgelagerter Einzelfälle" gegeben ist, liegen m.E. keine Einzelfälle mehr vor. Auch diese Formulierungen der VOL/A sind alles andere als eindeutig. Man kann allenfalls unterscheiden:
- Zusätzliche und Allgemeine Einkaufsbedingungen (Sonder-AGB und VOL/B) "können" durch Ergänzende Allgemeine Geschäftsbedingungen = ergänzende Vertragsbedingungen ergänzt werden. Diese Regelungen gelten für alle gleichgelagerten "Sonderfälle".
- Den "besonderen Erfordernissen" des Einzelfalls bei dieser "Gruppe gleichgelagerter Einzelfälle" muß durch die "Besondere Vertragsbedingungen" = Individualvereinbarungen Rechnung getragen werden.
Das zuletzt Genannte soll im Grunde dafür sorgen, daß die Vergabestelle in jedem Einzelfall prüft, ob die "generelle Abwicklungsschablone" z.B. der VOL/B oder anderer Sonder-AGB geeignet ist oder von ihr z.B. infolge besonderer Risiken davon abgewichen werden muß.
Das ist appellartig gedacht, in der Praxis aber nicht leicht gemacht. Es setzt im Grunde eine Überprüfung in jedem Beschaffungsfall voraus, ob die "allgemeine Abwicklungsschablone" der VOL/B geeignet ist oder nicht.

20 Hierbei ist freilich zu beachten, daß die VOL/A und die VOL/B eine Reihe von Vorgaben (vgl. z.B. §§ 10 ff VOL/A) machen, die nicht außer Acht gelassen werden dürfen.
Im übrigen ist zu fragen, welche Folgen sich ergeben, wenn
- unzulässiger Weise von der VOL/B abgewichen worden ist
-oder wenn zulässiger-/erforderlicherweise von der VOL/B hätte abgewichen werden müssen ?
Sanktionen im ersten Fall sind in mehrfacher Weise denkbar:
- Zum einen kann ein Bieter/Mitbewerber die Dienstaufsichtsbeschwerde erheben oder die internen Aufsichtstellen anrufen - im Rahmen EU-weiter Vergabeverfahren auch die Vergabeprüfstellen (sofern noch eingerichtet - vgl. § 103 GWB) bzw. ab 1.1.1999 die Vergabekammern (§§ 104 ff GWB).
- Zum anderen könnte sich der betreffende Vertragspartner (nach dem Zuschlag) auf die Grundsätze der culpa in contrahendo beziehen und Schadensersatz verlangen, wobei er so zu stellen wäre, wie er stehen würde, wenn der betreffende Verstoß nicht erfolgt wäre.
- Ferner greifen zugunsten des Auftragnehmers auch die Schutzvorschriften des AGBG ein, so daß sich im Hinblick auf die Inhaltskontrolle entsprechender Geschäftsbedingungen ("Zusätzliche und Besondere Vertragsbedingungen" als AGB) die Unwirksamkeit einzelner Klauseln ergeben könnte.
Im zweiten Fall der gebotenen Abweichung (Änderung/Ergänzung) der VOL/B kann die Folge sein, daß die Vergabestelle nach dem Nichterkennen besonderer Risiken bei Abwicklung des Vertrages erhebliche Nachteile treffen (z.B. bei unverändertem "Stehenlassen" der BVB-Regeln zu Verzug und Gewährleistung infolge unwirksamer Klauseln).
Bartl, Harald, Handbuch, 2. Aufl., 2000, Rdnr. 138, zu den BVB-Klauseln.

21 Die Schranken für die Änderungen etc. durch "Sonder-AGB" (Zusätzliche oder Ergänzende Vertragsbedingungen für eine Gruppe von Fällen = also Vielzahl) ergeben sich nach § 9 Ziff. 3 Abs. 2 VOL/A daraus, daß
- von den Allgemeinen Vertragsbedingungen der VOL/B nur abgewichen werden soll, wenn
- die VOL/B sich insofern öffnet (z.B. durch die Formulierung "Wenn Vertragsstrafen vereinbart sind..." - vgl. § 11 Nr. 1 VOL/B) ,
- die "Ergänzungen/Änderungen/Zusatzfestlegungen" etc. durch die Eigenart und Ausführung der Leistung erforderlich sind
- und im übrigen darüber hinaus den Einzelfallerfordernissen in diesen Fällen durch Individualvereinbarungen z.B. in den Leistungsscheinen Rechnung getragen ist.

22 In allen Fällen soll im übrigen wohl die "Checklist" des § 9 Ziff. 4 VOL/A durchgearbeitet werden, um sicherzustellen, daß der Beschaffungsvorgang individuell durchgeprüft wird und die Risiken erkannt werden. Auch § 9 Ziff. 4 ist eine "Sollvorschrift".
Mithin wird zu prüfen,
- ob im Einzelfall für den betreffenden Regelungspunkt des § 9 Ziff. 4 VOL/A ein Regelungsbedarf besteht,
- ob die allgemeine Abwicklungsschablone nach der VOL/A bzw. VOL/B ausreicht,
- ob Gründe für eine Abweichung von der allgemeinen Abwicklungsschablone der VOL/A bzw. VOL/B gegeben sind,
- ob über den Katalog des § 9 Ziff. 4 VOL/A hinaus Regelungsbedarf erforderlich ist.
In allen Fällen wird man indessen die "Vorgaben" der VOL/A sowie der VOL/B neben dem Grundsatz zu beachten haben, daß die Nachfragemacht nicht durch die einseitige Festlegung unbilliger, unangemessener Vertragsinhalte mißbraucht wird.
Klassisch und damit gegen diese Grundsätze verstoßend sind z.B. die Fälle
- keine Losaufteilung, Nichtbeachtung des Klein- und Mittelstandsprivilegs (vgl. §§ 5, 10 VOL/A),
- nicht ausreichende Ausführungsfristen (vgl. § 11 VOL/A),
- unangemessene Vertragsstrafen - obendrein für Fristen, die keine "Ausführungsfristen" sind und deren Überschreitung keine erheblichen Nachteile verursachen können (vgl. § 12 VOL/A),
- erhebliches Überschreiten der gesetzlichen Gewährleistungsfristen ohne Erforderlichkeit infolge der Eigenart der Leistung und ohne Abwägung aller Umstände (vgl. § 13 VOL/A),
- nicht erforderliche Sicherheitsleistungen in Höhe von mehr als 5 % der Auftragssumme ohne Schadensgefahr für den Auftraggeber (vgl. § 14 VOL/A)
etc.

23 Zusammengefaßt ergeben sich diese Möglichkeiten einer von der VOL/B abweichenden Gestaltung, in denen von dem Grundsatz der Unveränderbarkeit abgewichen werden darf:
1. Ergänzungsmöglichkeit ("kann")
- für ständig Leistungen
vergebende Auftraggeber
- für die bei ihnen allgemein
gegebenen Verhältnisse
- durch Zusätzliche Vertragsbedingungen Individualvereinbarung
- ohne Widerspruch zur VOL/B (Leistungsschein/Verdin-
  gungsunterlagen)
  oder "Sonder-AGB"
2. Ergänzungsmöglichkeit ("kann")
- der VOL/B
und etwaiger Zusätzlicher
Vertragsbedingungen
- durch Ergänzende Vertragsbedingungen Individualvereinbarung
- für die Erfordernisse (Leistungsschein/Verdin-
einer Gruppe gleichgelagerter Einzelfälle gungsunterlagen)
- unter Berücksichtigung der Erfordernisse des oder "Sonder-AGB"
Einzelfalls durch  
Besondere Vertragsbedingungen ("sind") Individualvereinbarung
- unter Voraussetzung der "Sonder-AGB" ?
ausdrücklichen "Öffnung" "§ 18 VOLB: "Wenn
der VOL/B für Sicherheitsleistung
besondere Vertragsbedingungen ("soll") vereinbart ist,...")
- und der Schranke:  
Erfordernis infolge Eigenart und  
Ausführung der Leistung ("soll")  
3. Änderungsmöglichkeit ("soll")  
Von der VOL/B abweichende  
Regelung der in § 9 Ziff. 4  
VOL/A enthaltenen Punkte ("sollen")  
- in den Ergänzenden, Individualvereinbarung
Zusätzlichen "Sonder-AGB"
und Besonderen Vertragsbedingungen  
- "soweit erforderlich"  


24 Das Gesamtsystem sieht also entsprechende Schranken für die Abweichung/Ergänzung/Änderung der VOL/B vor. Die Voraussetzungen für die Änderungen etc. sind freilich so unklar formuliert, daß der Änderungsbedarf weitgehend "konstruiert" werden kann. Wer ändern will, dürfte auch eine entsprechende Begründung finden. Soweit dies auf sachlicher Basis beruht, ergeben sich keine Bedenken.

Es geht im Grunde letztlich darum, zwei Fälle zu trennen, nämlich die, in denen
- die allgemeine Abwicklungsschablone mit Blick auf Leistung und Ausführung ohne besondere Risiken im Bereich Verzug, Nichterfüllung oder Schlechtleistung ausreicht, mithin die VOL/B neben den individuellen Angaben im Leistungsschein über Menge, Qualität etc. ausreichen,
sowie die,
- in denen besondere Leistungen, Ausführungen, Risiken etc. betroffen sind, die nicht nach der allgemeinen Schablone der VOL/B abgewickelt werden können.

25 Das System der VOL/A bzw. VOL/B ist allerdings lückenhaft, was im Hinblick auf die Geltung seit 1932/1936 praktizierte sowie die diskutierte Neufassung 1991 erstaunt. So ist z.B. die Frage zu stellen, wie zu verfahren ist, wenn die Vergabestelle, worauf der Bieter vertrauen darf, § 11 Ziff. 1 VOL/A nicht beachtet.
Da die Vergabestelle gehalten ist, nach § 11 Ziff. 1 VOL/A ("ausreichende Ausführungsfristen") zu verfahren, steht die Festlegung "nichtausreichender Ausführungsfristen" nicht im Einklang mit dieser VOL/A-Vorgabe. Bekanntlich entsteht bereits vor Zuschlag (Vertragsschluß durch Annahme des Angebots) ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis, aus dem sich Ansprüche aus culpa in contrahendo ergeben können.
Vgl. hierzu Bartl, Harald, Handbuch, 2. Aufl., 2000, Rdnr. 55 f; ders. Recht im Amt 1999, 3 ff, m.w.Nachw.; auch Daub/Eberstein, VOL/A, Einführung Rdnr. 73; OLG Düsseldorf BauR 1996, 99 - Zuschlagserteilung hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgen müssen - Schadensersatz; allgemein Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl., 2000, § 276 Rdnr. 65 ff., zu öffentlicher Ausschreibung Rdnr. 76; BGH NJW 1985, 1466 - unsachliche Bevorzugung; ebenso OLG Düsseldorf NJW-RR 1990, 1046; BGHZ 120, 284; NJW 1992, 827; OLD Düsseldorf, aaO - Nichtbeachtung der VOL/A- bzw. VOB/A-Bestimmungen BGH NJW 1983, 442 - rechtswidriger Ausschluß eines Bewerbers; KG NVwZ 1996, 413 - EU-weites Vergabeverfahren. Zur Anwendung der c.i.c. auch auf die öffentliche Hand Jäckle NJW 1990, 2521.

26 Entfällt in diesen Fällen der Festlegung nicht ausreichender Ausführungsfristen der Verzug des Auftragnehmers (vgl. § 7 Ziff. 1 VOL/B) ? Ist der Auftragnehmer so zu stellen, wie er stehen würde, wenn ausreichende Ausführungsfristen festgelegt worden wären ? Wie ist diese Frage zu beantworten, wenn es sich um die Aufbürdung "ungewöhnlicher Wagnisse" in Leistungsbeschreibungen handelt (vgl. ( § 8 Ziff. 1 Abs. 3 VOL/A) ? Welche Folgen hat das Fehlen der die Preisermittlung bildenden Umstände in den Verdingungsunterlagen (vgl. § 8 Ziff. 1 Abs. 2 VOL/A) ? Es stellt sich in diesen Fällen allenfalls die Frage der Verschuldens, mithin die Frage, ob die Vergabestelle die entsprechenden "Fehler" hätte erkennen können/müssen ? Die §§ 276, 278 BGB finden in diesem Zusammenhang Anwendung. Denkbar sind folglich fahrlässige Pflichtverletzungen der Vergabestelle.
Zur Haftung wie in einem Schuldverhältnis vgl. Palandt--Heinrichs, BGB, 59. Aufl., 2000, § 276 Rdnr.70; vgl. auch Bartl, NJW 1999, 2144 - Problematik des § 254 BGB und Software-2000-Frage.
In diesem Zusammenhang der Verstöße gegen die VOL/A stellt sich ferner die Frage, die in § 107 II GWB (Klagebefugnis und Darlegung des entstandenen oder entstehenden Schadens infolge des Verstoßes) sowie die in § 254 BGB enthaltene Problematik (mitwirkendes Verschulden des Auftragnehmers bzw. Bieters bei Erkennen/Erkennbarkeit des Verstoßes - Erforderlichkeit der Rüge vgl. auch § 107 III GWB).

Der Umstand, daß hinsichtlich der VOL/A und der VOL/B kaum gerichtliche Verfahren anzutreffen sind, besagt nicht, daß sich diese Fallgestaltungen nicht ergeben können.
Vgl. z.B. BGH BGHZ 108, 211 zu § 17 Nr. 4 S. 1 VOL/B.
Im übrigen auf die Schlichtungspflicht nach § 19 Nr. 1 VOL/B hinzuweisen, die sicherlich auch dazu beigetragen hat, daß überflüssige Rechtsstreitigkeiten vermieden worden sind. Vgl. auch Vergabeverordnung 2000.
Dennoch stellt dieses System von VOL/A und VOL/B, sofern man z.B. die erläuterten Unklarheiten des § 9 Ziff. 2. und 3. VOL/A außer Acht läßt, für die Vergabestellen eine Hilfe dar, die sich in einer Checklist betrachten und für die jeweilige Bearbeitung im Vergabeverfahren heranziehen läßt.




1.7. Die VOL/B als AGB und das AGBG

27 Es ist - wie bereits erwähnt - zu unterscheiden zwischen
- Individualvereinbarungen bzw. Individualverträgen - vgl. § 1 II AGBG
- sowie Allgemeinen Geschäftsbedingungen - vgl. § 1 I AGBG.

Bei Beschaffungen der öffentlichen Hand kommt es im Regelfall nur in folgenden Fällen nach der VOL/A (vgl. § 24 ) zu "Verhandlungen", nämlich
- bei Freihändiger Vergabe
- bei funktionaler Leistungsbeschreibung (Leistung ist nicht eindeutig und erschöpfend beschreibbar)
- bei Nebenangeboten und Änderungsvorschlägen mit dem Bieter des wirtschaftlichsten Angebots
- im "Zweifelsfall".
Das folgt aus § 24 VOL/A. Dort heißt es in § 24 Ziff. 2 Abs. 1 VOL/A eindeutig:
"Andere Verhandlungen, besonders über Änderungen der Angebote und Preise, sind unstatthaft."
Ansonsten kommt es nur im Rahmen der möglichen Markterkundung nach § 4 VOL/A sowie im Zusammenhang mit Auskunftsersuchen der Bieter nach § 17 Ziff. 6 VOL/A zu möglichen Kontakten, nicht aber zu individuellen Verhandlungen. Ähnlich ist es, wenn z.B. "Muster" oder "Proben" nach § 8 Ziff. 4 VOL/A verlangt werden, sofern diese z.B. bei Projekten etc. in persönlichen Präsentationen bestehen ("Arbeitsprobe", Sozialkompetenz etc.).

Nach § 16 Ziff. 1 VOL/A soll der Auftraggeber erst ausschreiben, wenn alle Verdingungsunterlagen fertiggestellt sind - Fertigstellungsgebot.

28 Das Verfahren ist folglich grundsätzlich schriftlich und vertraulich, da Leistungsbeschreibung und Verdingungsunterlagen, Angebote und Auskünfte schriftlich erfolgen, mithin grundsätzlich keine Verhandlungen, insbesondere kein Aushandeln der Vertragsbedingungen im einzelnen, erfolgen.
Gleichwohl stellt sich die Frage, ob die in den Leistungsbeschreibungen/ Verdingungsunterlagen enthaltenen "Vertragsbedingungen", die nur für einen Vertrag (Angebot und Zuschlag = Vertrag) mit einem Vertragspartner gelten, als "Individualvereinbarungen" dieses Vertrages angesehen werden können. Dies hat der BGH in seiner Grundsatzentscheidung bejaht, indem dort ausgeführt wird:
"Daß die Beklagte (erg. Auftraggeber) die Klausel gleichermaßen gegen über allen Anbietern verwendet hat, ist unerheblich. Nach § 1 AGBG ergibt sich die Eigenschaft als Allgemeine Geschäftsbedingung aus der Vorformulierung für viele Verträge, nicht für die Ausschreibung gegenüber mehreren Bietern, die auf den Abschluß nur eines Vertrages abzielt."
BGH NJW 1997, 135 = BB 1996, 2535; hierzu auch Bartl, Harald, Handbuch, 2. Aufl., 2000, Rdnr. 136. Im übrigen BGH NJW 1988, 1066 = ZIP 1998, 336 - Werbevertrag; weitere Nachweise bei Heinrichs, Helmut, Die Entwicklung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Jahre 1997, NJW 1998, 1447, mwNachw. Zur VOL/B auch Hensen in Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 8. Aufl., Anh. §§ 9 - 11, Rdnr. 915 ff.

29 Die Vergabestelle zieht in Abänderung des § 11 VOL/B eine Vertragsstrafe in den "individuellen Teil", also in die Leistungsbeschreibung oder in die die Individualvereinbarungen der Verdingungsunterlagen. Insofern ist dem BGH, aaO, durchaus zuzustimmen, der für diesen Teil des Vertrags den Individualcharakter bejaht, mithin die Anwendung des AGBG für diesen Teil ausschließt.
Zu beachten ist freilich, daß Vergabestellen dann in Gefahr laufen, daß diese "individuellen Klauseln" der konkreten Leistungsbeschreibung dem AGBG unterliegen, wenn diese Klausel
- vorformuliert,
- einseitig gestellt
- und für eine Vielzahl von Verträgen "gedacht" ist oder z.B. ständig gleichmäßig und unterschiedslos angewendet wird.
Hierzu BGH NJW 1998, 991 - Treuhandanstalt; auch Heinrichs, aaO, NJW 1998, 1447, 1448, mwNachw: im Zusammenhang mit Regelungen in Verdingungsunterlagen auch Bartl, Harald, Handbuch, 2. Aufl., 2000, Rdnr. 136.

30 Ob AGB vorliegen oder eine "Individualvereinbarung" hängt folglich von den Umständen des jeweiligen Vergabeverfahrens sowie dem Verhalten der Vergabestelle ab. Grundsätzlich ist zu beachten, daß der Verwender der "Klausel" zu beweisen hat, daß diese individuell ausgehandelt worden ist.
BGH NJW 1998, 1066 = ZIP 1998, 336; Heinrichs, aaO, 1447, 14498.
Es liegt auf der Hand, daß das Nichteingreifen des AGBG für die Vergabestelle Vorteile bietet, da insbesondere die abstrakte Inhaltskontrolle des § 9 AGBG mit der Nichtigkeitsfolge der Klausel nicht eingreift, sondern lediglich die wesentlich weniger scharfen Schranken des BGB (§§ 134, 138, 306, 276 etc. BGB). Zu denken ist in all diesen Fällen freilich an die o. behandelten Ansprüche aus culpa in contrahendo, sofern z.B. der "Rahmen" der VOL/A bzw. der VOL/B verlassen wird, zumindest dann, wenn er erheblich überschritten wird.

31 Unterliegt die "Vertragsbedingung" den §§ 1 ff AGBG, so ergibt sich nachfolgende Prüfung für die jeweiligen Vertragsbedingungen = AGB-Klauseln - Checklist:
1. § 1 I AGBG:
- Vertragsbedingungen (VOL/B)
- einseitig gestellt
- vorformuliert
- für eine Vielzahl von Verträgen "gedacht".
2. § 4 AGBG:
- Vorrang der Individualabreden vor der VOL/A (individuelle und von der VOL/B abweichende "Vertragsbedingungen" der Verdingungsunterlagen)
3. § 5 AGBG
- Nichtigkeit der Klausel bei Verstoß gegen die "Unklarheitenregel" (wohl bei der VOL/B nicht anzunehmen)
4. § 3 AGBG
- Nichtigkeit von "überraschenden Klauseln" (in der VOL/B nicht anzutreffen)
5. § 2 AGBG
- siehe u. Ziff. 2.(Die Einbeziehung der VOL/B in den Vertrag)
6. § 8 AGBG
Schranken der Inhaltskontrolle - Inhaltskontrolle nur bei Klauseln, die vom Gesetz abweichen oder ergänzen/ändern
7. §§ 9 - 11 AGBG
Abstrakte Inhaltskontrolle der Klauseln - auch der Klauseln der VOL/B (s.u.)
8.§ 6 AGBG
Bei Unwirksamkeit der Klausel: Geltung der gesetzlichen Vorschriften - Vertrag bleibt im übrigen grundsätzlich wirksam.
Die einzelnen Klauseln der VOL/B unterliegen der Inhaltskontrolle. Eine Privilegierung wie bei der VOB/B scheidet aus.
Hierzu Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 8. Aufl., 1998, Anh. §§ 9-11 Rdnr. 915; vgl. Querfeld BB 1985, 490; vgl. auch Daub/Eberstein, VOL/A, 4. Aufl., 1998, Einführung Rdnr. 75 ff.; auch Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, Einführung Rndr. 15 f.


2. Die "Einbeziehung" der VOL/B in den Vertrag
2.1. Die Voraussetzungen

32
Die Einbeziehung von AGB richtet sich grundsätzlich nach § 2 AGBG (bei Vertragsschluß - ausdrücklicher Hinweis, zumutbare Kenntnisnahme-möglichkeit, Einverständnis). Die Bestimmung ist zum Schutz des Endverbrauchers gedacht.
§ 2 AGBG gilt jedoch nicht im Verkehr gegenüber "Kaufleuten" bzw. mit der öffentlichen Hand (vgl. § 24 Abs. 1 Ziff. 1 bzw. 2 AGBG).
Immerhin wird auch für AGB wie die VOL/B, die gegenüber einem Kaufmann bei einem (Vertrags-)Handelsgeschäft mit diesem von der öffentlichen Hand benutzt wird, verlangt, daß eine Einbeziehungsabrede zwischen den Parteien des Vertrags erfolgt (Einigungsgrundsatz - vgl. §§ 151 1. Halbs., 150 II, 154 BGB).
Die VOL/B (wie auch die VOB/B) fällt nicht unter die Normen. Sie gilt für die Verträge mit den Auftragnehmern auch nicht als Verkehrssitte oder kraft Handelsbrauchs (Kaufleute - vgl. § 346 HGB).
Vielmehr handelt es sich schlicht um die Einkaufsbedingungen der öffentlichen Hand, die in keiner Weise privilegiert sind (vgl. allerdings § 23 Nr. 1 Abs. 5 AGBG für die VOB/B).
So zutreffend Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 8. Aufl., 1989, Anh. §§ 9-11 Rdnr. 915, unter Hinweis auf Wahl BB 1984, 644. Nicht eindeutig Daub/Eberstein, VOL/A, 4. Aufl., 1998, Einführung Rdnr. 80, im Ergebnis aber ablehnend; ferner Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, Einführung Rdnr. 15.

33 Voraussetzung ist vielmehr eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung hinsichtlich der Geltung der VOL/B auch im Verkehr mit Kaufleuten bzw. öffentlichen Hand, da in diesem Zusammenhang keine Besonderheiten gelten können.
Allgemein zur Einbeziehung Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 8. Aufl., 1998, § 2 Rdnr. 80; ferner zu den Einzelfragen Heinrichs, aaO, NJW 1998, 1447.1450. Auch Bartl, Harald, Handbuch, Rdnr. 134.
Entsprechend § 9 Ziff. 2 VOL/A wird die Vergabestelle in der Leistungsbeschreibung/Verdingungsunterlagen bereits den Hinweis aufführen, daß ergänzend die VOL/B gelten. Da der Bieter sein Angebot grundsätzlich nur auf das "Basis" der Leistungsbeschreibung/Verdingungsunterlagen zu erstellen hat, macht er die VOL/B auch zum Inhalt seines eigenen Angebotes, dessen Annahme sodann durch den Zuschlag erfolgt. Insoweit ergeben sich keine Besonderheiten. Die VOL/B wird auf diese Weise in den Vertrag einbezogen, wobei sich der Ablauf von Vertragsschlüssen in der Wirtschaft unterscheidet, weil der Bieter Leistungsbeschreibung/Verdingungsunterlagen grundsätzlich unverändert übernehmen muß, wenn er nicht riskieren will, daß sein Angebot nach § 23 Nr. 1 d) VOL/A nicht geprüft wird bzw. nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 d) VOL/A ausgeschlossen wird.

34 Fügt der Anbieter seinem Angebot seine eigenen AGB bei, so stellt sich die Frage nach der Rechtsfolge. Auch liegt eine Ergänzung der Verdingungsunterlagen vor, die grundsätzlich zu dem zuvor erwähnten Ausschluß führt. Problematisch ist freilich die Frage, wie die Rechtslage ist,. wenn der Zuschlag trotz der beigefügten Fremd-AGB des Anbieters durch die Vergabestelle erteilt wird, weil man die Beifügung übersehen hat oder ihr keine Bedeutung zumißt.

Verwenden in der Wirtschaft beide Teile AGB, so gelten heute die Grundsätze der Theorie des partiellen Dissenses bzw. der partiellen Kongruenz, d.h. im Grunde gelten beide AGB, soweit sie sich nicht widersprechen und übereinstimmen. Bei sich widersprechenden Klauseln gelten die gesetzlichen Bestimmungen. Problematisch sind einseitige Regelungen (z.B. Eigentumsvorbehalt des Lieferanten - teils einfacher Eigentumsvorbehalt als Handelsbrauch aufgrund stillschweigender Einbeziehung - str.).
Hierzu Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 8. Aufl., 1998, § 2 Rdnr. 101 -104, zum Eigentumsvorbehalt Rdnr. 105 - jeweils mwNachw; auch Heinrichs, aaO, NJW 1998, 1447, 1450; vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, 1151; BGH NJW 1985, 1838 - RIAD-Pumpen-Fall.

35 Überträgt man diese Grundsätze auf den hier vorliegenden Fall, so kommt es zunächst darauf an, ob der Bieter sein Angebot unter ausdrücklichem Ausschluß der VOL/B und alleiniger Geltung seiner eigenen AGB erstellt.
In diesem Fall liegt ein Angebot mit Bieter-AGB vor.
Erfolgt hierauf der Zuschlag (Annahme), so ist der Vertrag auf dieser Basis geschlossen. In Betracht kommt folglich auch ein Ausschluß von der Prüfung bzw. Wertung nach den §§ 23 Nr. 1 d) bzw. 25 Nr. 1 Abs. 1 d) VOL/A.
Hierzu Bartl, Harald, Handbuch, 2. Aufl., 2000, Rdnr. 134.
Übernimmt der Bieter Leistungsbeschreibung bzw. Verdingungsunterlagen einschließlich der VOL/B und fügt insofern seinem Angebot zusätzlich die eigenen AGB hinzu, so ist im Fall des Zuschlags davon auszugehen, daß beide AGB gelten, soweit sie übereinstimmen und sich nicht widersprechen. Im übrigen werden die bereits o.a. Komplikationen hinsichtlich einseitiger Regelungen eintreten.
Vgl. Bartl, Harald, Handbuch, 2. Aufl., 2000, Rdnr. 134.

36 Fraglich ist bereits, ob die Vergabestelle ein Angebot mit Bieter-AGB noch über "Zweifelsverhandlungen" noch "retten" kann, gegebenenfalls retten muß. Insofern ist entscheidend, ob ein "Zweifelsfall" i.S.d. § 24 VOL/A vorliegt. Da sehr viele Bieter heute Aufträge formularmäßig bearbeiten, werden vielfach - of in Unkenntnis des scharfen Vergaberechts - eigene Bieter-AGB aus "Versehen" beigefügt. Ob dies Gegenstand einer Aufklärungsverhandlung sein kann, ist nur bei weiter Auslegung des Begriffs "Zweifelsbehebung" anzunehmen.
Bejahend Bartl, Harald, Handbuch, 2. Aufl., 2000, Rdnr. 134.

Lehnt man dies ab, so ist das Angebot von der Prüfung auszuschließen. In jedem Fall müssen alle Bieter, bei denen dieser "Zweifelsfall" vorliegt, zur Aufklärungsverhandlung geladen werden. Andernfalls läge hier in jedem Fall ein Verstoß gegen die Gleichbehandlungspflicht nach §§ 2 Nr. 2, 7 Nr. 1 VOL/A vor, die auch zu Schadensersatzansprüchen führen kann (vgl. auch §§ 97 II , 126 GWB).


2.2. Die Zweifelsfälle und ihre Vermeidung

37
Zweifelhaft ist, wie dargelegt, vor allem der Fall, daß der Bieter seine eigenen AGB dem Angebot in Unkenntnis oder auch bewußt beifügt, die Vergabestelle dies übersieht und den Zuschlag erteilt.

Dies kann nur vermieden werden, in dem dieses Angebot nicht in die Prüfung nach § 23 Nr. 1 d) VOL/A oder nach Beseitigung der "Zweifelslage" - so sie denn eine ist - nicht in die Wertung nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 d) VOL/A genommen wird.

Wird der Zuschlag trotz der beigefügten Fremd-AGB des Bieters gleichwohl erteilt, so sind beide AGB, also VOL/B und Bieter-AGB, Vertragsinhalt geworden, soweit sie sich nicht widersprechen, sondern übereinstimmen. Einseitige Regelungen können Vertragsinhalt werden - gegebenenfalls mit einem entsprechend Handelsbrauch reduzierten Inhalt (z.B. einfacher Eigentumsvorbehalt). Eine Chance für den Fall fehlerhaften Vorgehens kann sich dann ergeben, wenn der Bieter bereit ist, nach dem Zuschlag (Vertrag ist damit perfekt: Antrag = Angebot + Zuschlag = Annahme = Vertrag) einvernehmlich eine Klärung in der zusätzlichen (an sich lediglich deklaratorischen) Vertragsurkunde festzulegen:
"Im übrigen gilt ergänzend ausschließlich die VOL/B."
Voraussetzung hierfür ist die Bereitschaft zur einvernehmlichen Änderung.


2.3. Die Durchsetzung eigener Geschäftsbedingungen und die Abwehr fremder Geschäftsbedingungen

38
Wie oben dargelegt, hat es die Vergabestelle über das "Führungsinstrument" des Vergabeverfahrens, die Leistungsbeschreibung und die Verdingungsunterlagen, die potentiellen Bieter durch entsprechende "Vorgaben" (z. B. auch Einbeziehung der VOL/B) zu zwingen, Angebote auf dieser "Basis" abzugeben. Angebote, die diese Basis verlassen (Ergänzungen, Änderungen etc.) werden nach § 23 Ziff. 1 bzw. § 25 Ziff. 1 VOL/A nicht geprüft bzw. nicht gewertet.
"Verhandlungen" sind folglich vor allem nur im Zusammenhang mit der Freihändigen Vergabe in den Fällen des § 3 Nr. 4 VOL/A bzw. § 3 a Nr. 2 VOL/A denkbar. Dort treffen wir auch die Fälle der "Monopolisten" z.B. im Fall gewerblicher Schutzrechte (Patent, Geschmacksmuster, Gebrauchsmuster etc. sowie das artverwandte Urheberrecht) an. Diese werden in der Regel infolge ihrer besonders starken Position nicht mit sich verhandeln lassen und z.B. die VOL/B oder auch im Bereich der EDV-Informationstechnik die BVB-(Kauf, Miete, Wartung, Überlassung, Pflege, Planung und Erstellung) akzeptieren. In solchen Ausnahmefällen, die meist im Hinblick auf die Nachfragemacht des Staates nicht relevant werden, bleibt der Vergabestelle keine andere Möglichkeit, als den Zuschlag auf ein entsprechendes Angebot zu erteilen, sofern man die Leistung benötigt. In seltenen Fällen mag hier ein kartellrechtlich relevantes Verhalten (Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung, Diskriminierung etc.) vorliegen, das aber im Moment meist nicht weiterhilft, wenn man z.B. das amerikanische oder japanische Produkt benötigt, für das kein Wettbewerb besteht.
Vgl. Bartl, Harald, Handbuch, 2. Aufl., 2000, Rdnr. 140.


3. "Widersprüche" zwischen Leistungsbeschreibung und VOL/B

39 Die Leistungsbeschreibung sowie die übrigen Verdingungsunterlagen enthalten den "Individualteil" des jeweiligen Vertrages - die VOL/B hat grundsätzliche eine ergänzende "Auffangfunktion. Die VOL/B erspart die individuelle Festlegung sämtlicher Punkte des Vertrages, soweit sie es selbst bzw. es § 9 Ziff. 2 und 3 VOL/A zuläßt. § 1 Ziff. 1 VOL/A wiederholt im Grunde einen allgemein gültigen Satz, wonach der konkrete Vertrag die beiderseitigen Leistungen festlegt. § 1 Ziff. 2 VOL/B regelt die "Vertragshierarchie".

Besondere individuelle Festlegungen =
"Besondere Vertragsbedingungen"
Leistungsbeschreibung als Basis
Bereich der Abschlußfreiheit und Gestaltungsfreiheit unter Beachtung der allgemeinen Schranken (§§ 134, 138, 276 , 306 etc. BGB - § 26 II GWB, "Vorgaben" der VOL/A als "Leitlinien"
"Rechtliche Individualbasis""scharfe Trennlinie"
Vorrang vor den AGBG (vgl. § 4 AGBG)
Allgemeine Vertragsbedingungen
für die Ausführung von Leistungen (VOL/B)
Etwaige allgemeine Technische Vertragsbedingungen
Etwaige Zusätzliche Vertragsbedingungen
Etwaige Ergänzende Vertragsbedingungen
Besondere Vertragsbedingungen (z.B. BVB-EDV-IT-Bereich)
Bereich des AGBG


40 Bei "Widersprüchen" zwischen Leistungsbeschreibung sowie den sonstigen Verdingungsunterlagen und der VOL/B stellen sich damit die Fragen, ob die Abweichung/Ergänzung/Änderung der VOL/B nach den "Vorgaben" der VOL/A (vgl. §§ 8 ff ) "zulässig" ist und welches Verhältnis zwischen Leistungsbeschreibung und VOL/B besteht.
Die letzte Frage ist dahingehend zu beantworten, daß die Leistungsbeschreibung sowie die übrigen Verdingungsunterlagen als "Individualvereinbarungen" den Allgemeinen Einkaufsbedingungen der öffentlichen Hand = VOL/B vorgehen. Unklarheiten der Leistungsbeschreibung bzw. des "Abgleichs" zwischen Leistungsbeschreibung und VOL/B wirken sich gerade auch in Vergabeverfahren der öffentliche Hand zu Lasten der Vergabestelle aus (vgl. die Vorgaben in § 8 Ziff. 1 Eindeutigkeit, Vollständigkeit, Vergleichbarkeit der Angebote; einwandfreie Preisermittlungsgrundlagen; keine "unzumutbaren Wagnisse"). Streit ist bei Unklarheiten vorprogrammiert.


4. Besondere Vertragsbedingungen und Verhältnis zu der VOL/B

41
Die "Diktion" der VOL/A sowie der VOL/B steht m.E. mit den im allgemeinen im Zivilrecht benutzten Begriffen nicht in Einklang.
Dort finden sich die Begriffe Antrag und Annahme, vertragliche Schuldverhältnisse, Vereinbarungen etc. (vgl. §§ 151 1. Halbs., 241, 305 ff BGB).

Im AGBG treffen wir die Begriffe "Allgemeine Geschäftsbedingungen" und "Vertragsbedingungen" an, die nicht im einzelnen ausgehandelt worden sind (vgl. § 1 I und II AGBG).

Unter "Vertragsbedingungen" i.S.d. des § 9 Ziff. 2 und 3 VOL/A sowie § 1 Ziff. 1 b) - f) VOL/B sind sämtliche Bestimmungen zu verstehen, die das Vertragsverhältnis inhaltlich hinsichtlich der Rechte und Pflichten beider Teile regeln.
Vgl. Daub/Eberstein, VOL/A, 4. Aufl., 1998, § 9 Rdnr. 37; VOL/B, 4. Aufl.,1998, Präambel, Rdnr. 16.

42 Unter "Besondere Vertragsbedingungen" fallen entweder Individualvereinbarungen der Leistungsbeschreibung/Verdingungsunterlagen oder für eine Vielzahl von Verträgen einseitig gestellte und vorformulierte "Sonder-AGB" einer Vergabestelle. Individualvereinbarungen (vgl. §§ 1 II , 4 AGBG) sowie "Sonder-AGB" (wie z.B. BVB-Kauf - vgl. § 2 BVB-Kauf) gehen der VOL/B vor. Es handelt sich folglich um das Verhältnis zwischen spezieller und allgemein vertraglicher Regelung. Nur die "Sonder-AGB" sowie die VOL/B der öffentlichen Hand unterfallen dem AGBG.

BGH NJW 1997, 135 = BB 1996, 2535; hierzu auch Bartl, Harald, Handbuch, Rdnr. 136. Im übrigen BGH NJW 1988, 1066 = ZIP 1998, 336 - Werbevertrag; weitere nachweise bei Heinrichs, Helmut, Die Entwicklung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Jahre 1997, NJW 1998, 1447, mwNachw. Zur VOL/B auch Hensen in Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 8. Aufl., Anh. §§ 9 - 11, Rdnr. 915 ff. Grundsätzliche Entscheidungen des Bundesgerichtshofes zu den BVB- BGH Urteil vom 4.3.1997 - X ZR 141/95 (OLG Frankfurt) - CR 1997, 470 BVB II; BGH Urteil vom 27.11.1990 - NJW 1991, 076 = BB 1991, 373 - BVB I. Hierzu Bartl, Harald, Handbuch Rdnr. 135 ff. mit einem entsprechenden Vorschlag für eine "Individualvereinbarung".


5. Präambel und Anwendungsbereich der VOL/B

43
Zunächst sei aus dem "amtlichen Vorspann" zitiert und sodann die "Präambel" angeführt.
VOL Teil B Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Leistungen - (VOL/B)
Vorbemerkung
Die vorliegenden Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Leistungen (VOL/B) lösen die VOL/B in der Fassung von 1932 ab. Sie wurden vom Deutschen Verdingungsausschuß für Leistungen (DVAL), in dem Bund, Länder und die Spitzenverbände der Kommunen und der Wirtschaft sowie der Deutsche Gewerkschaftsbund vertreten sind, erarbeitet.
Grundlage ist § 9 Nr.1 der durch Kabinettbeschluß von Juni 1984 eingeführten novellierten Verdingungsordnung für Leistungen - ausgenommen Bauleistungen -(VOL/A).
Die Novellierung der VOL/B war zum einen wegen des seit 1932 nicht unerheblichen Wandels des Verständnisses der vertraglichen Beziehungen zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber notwendig geworden, zum anderen ist sie durch die zwischenzeitlich erfolgte Änderung der VOL/A bedingt.
So wurde die VOL/B in der Praxis bereits für andere Vertragstypen als Kauf-, Werk- und Werklieferungsverträge vereinbart. Dies ist jetzt in der Präambel der VOL/B festgeschrieben.
Unterschiedliche Sachverhalte wurden durch Zuordnung zu jeweils einem § getrennt, wie z. B. §§ 9 und 13 der bisherigen Fassung, deren Inhalte jetzt in §§ 7 und 8 bzw. §§ 12 und 13 aufgenommen sind. Dies führte zu einer neuen §§ -Folge.
Die materiellen Änderungen betreffen insbesondere Haftungsfragen. Sie beinhalten eine Erleichterung gegenüber der gesetzlichen Regelung für die Auftragnehmer. Einzelvertraglich können darüber hinaus weitere Haftungserleichterungen vereinbart werden. Auch als Ausdruck der grundsätzlichen Gleichstellung der Auftraggeber und der Auftragnehmer im öffentlichen Auftragswesen ist insofern in § 7 Nr.2 (2) auf branchenübliche Lieferbedingungen Bezug genommen. Lieferbedingungen, in denen der zu ersetzende Verzugsschaden der Höhe nach begrenzt wird, gibt es z. Zt. insbesondere in der elektrotechnischen Industrie und im Bereich des Maschinen- und Anlagenbaus. Auch die Haftung des Auftragnehmers Dritten gegenüber für die Verletzung gewerblicher Schutzrechte durch den Auftraggeber kann einzelvertraglich beschränkt werden.

Die Neufassung der VOL/B tritt am 1Juli 1992 in Kraft. Sie gilt für Verträge, bei denen das Vergabeverfahren am 1. Juli 1992 oder danach eingeleitet wurde.
Hinweis: Beachte die Änderung der VOL/B 2000 in § 8 Nr. 1 VOL/B - statt Konkursverfahren Insolvenzverfahren.


Text der Präambel

44
Die nachstehenden Allgemeinen Vertragsbedingungen gelten für Kauf-, Werk- und Werklieferungsverträge. Sie gelten für andere Verträge über Leistungen entsprechend.

Anwendungsbereich der VOL/B
Die VOL/B regelt Haupt- und erhebliche Nebenpflichten teils erheblich abweichend vom Gesetz. Daher ist es im Grunde von Bedeutung, für welchen Anwendungsbereich die VOL/B überhaupt gelten soll. Dies wird in der "Präambel" festgeschrieben. Hierbei soll es sich um eine "begründungsähnliche Einleitung" handeln.
Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, Präambel, Rdnr. 15.
Damit kann der Rechtswissenschaftler wenig anfangen. Die entscheidende Frage lautet, ob eine solche Vorschrift mit zum Text der VOL/B gehört oder nicht. Gehört sie dazu, so unterliegt sie der Inhaltskontrolle. Unterliegt sie der Inhaltskontrolle, so ergeben sich Probleme unter dem Aspekt der "Klarheit", da nämlich aus der Sicht des Auftragnehmers erhebliche Unsicherheit besteht, ob die VOL/B-Klauseln für die betroffene "andere Leistung" entsprechend anwendbar sind oder nicht. Mithin stellt sich die Frage, ob Gesetz oder Klausel X eingreift. Selbstverständlich ist dies auch für die Auftraggeber ein Problem. Im Regelfall liegen keine Zusätzlichen oder Besonderen Vertragsschablonen vor (Ausnahme: BVB-Kauf etc. für den EDV-IT-Bereich). Verträge über Unternehmensberatung oder auch sonstige moderne Dienstleistungsverträge (Ausgliederung, Call-Center etc.) bereiten hier erhebliche Probleme.
Hierzu Bartl, Harald, Moderne Dienstleistungen und Recht, 1998, Rdnr. 46 ff.

45 Auszugehen ist von den Hauptpflichten beider Seiten, soweit es um die Einordnung der Verträge geht. Die Hauptpflichten beziehen sich auf die jeweiligen Verträge und deren Ausgestaltungen. Betroffen sind hier nach der Präambel der VOL/B
Kauf-,
Werk-
und Werklieferungsverträge (vgl. §§ 433, 631, 651 BGB).
Für Verträge über "andere Leistungen" gelten die Bestimmungen der VOL/B entsprechend. Ausgenommen sind Bauleistungen (vgl. § 1 VOL/A), für die die VOB/A und B eingreifen.
Vgl. insofern Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, Präambel, Rdnr. 17 ff. Zu den Vertragstypen des BGB Bartl, Harald, Moderne Dienstleistungen und Recht, 1998, 43 ff.

Hinsichtlich der "anderen Leistungen" ist eine entsprechende Anwendung vorgesehen. Eine entsprechende Anwendung oder Analogie setzt üblicherweise eine Regelungslücke voraus, die durch eine möglichst enge Anlehnung an die VOL/B-Vorschriften für die "anderen Leistungen" ausgefüllt wird.
Zur Analogie Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl., 2000, Einleitung Rdnr. 40, 47.ff

Im Grunde handelt es sich bei der entsprechenden Anwendung der für Kauf-, Werk- und Werklieferungsvertrag gedachten Bestimmungen um eine Übertragung dieser Vorschriften auf einen anderen, nämlichen rechtsähnlichen Tatbestand, die "anderen Leistungen" - welcher Art auch immer.

46 Nun ist das BGB an Vertragstypen nicht besonders "reich". Im Grunde handelt es sich um Verträge
- betreffend die endgültige Überlassung von Gegenständen Kauf etc.),
- betreffend die Gebrauchsüberlassung auf Zeit (Miete etc.)
- sowie die Ausführungen von Tätigkeiten (Werk- und Dienstverträge etc.).
Hierzu Bartl, Harald, Moderne Dienstleistungen und Recht, 1998, Rdnr. 46 ff.
Die Einordnung der Verträge in dieses "Prokrustesbett" des BGB wirft nicht unerhebliche Schwierigkeiten auf. Die Rechtsprechung benötigte z.B. bis zum Jahre 1987, um Verträge über "Standard-Software" dem Kaufrecht - zumindest entsprechend - zuzuordnen.
BGH BB 1988, 20 = ZIP 1987, 1567; hierzu auch Bartl, Harald , Moderne Dienstleistungen, 1998, Rdnr. 44 f; ders. BB 1988, 2122.
Sofern es sich nicht um Kauf-, Werk- oder Werklieferungsverträge handelt, ist folglich zu prüfen, ob die jeweilige VOL/B-Klausel sich auf die betreffende "andere Leistung" entsprechend anwenden läßt. Die damit verbundenen Unsicherheiten sind natürlich erheblich. Denn man kann sich durchaus darüber streiten, ob es im Einzelfall berechtigt ist, die Lücke durch eine VOL/B-Klausel oder durch das BGB zu füllen. Hier können sich in der Rechtsfolge erhebliche Unterschiede ergeben, wenn auch die Inhaltskontrolle nach dem AGBG den Auftragnehmer nicht unerheblich schützt.

47 Problematisch ist auch die Frage der Beurteilung von gemischten Verträgen. Fallen sie unter Kauf-, Werk- oder Werklieferungsvertrag, so unterliegen sie der VOL/B. Allerdings muß darauf hingewiesen werden, daß bereits die Einordnung "atypischer" Verträge problematisch sein kann. ebenfalls problematisch ist die Einordnung von Vertragsverbindungen und gemischten Vertragsverhältnissen. Hier können die Hauptleistung, der wirtschaftliche Schwerpunkt oder jeweils betroffene Einzelleistung maßgeblich für die anzuwendenden Vorschriften sein. In diesem Zusammenhang entwickelte die eine Reihe von Theorien, die durchaus zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können (Absorptionstheorie - Hauptleistung maßgeblich; Kombinationstheorie - maßgeblich der betroffene Vertragsteil; Theorie der analogen Rechtsanwendung - entsprechende Anwendung des Schuldrechts).
Hierzu Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl., 2000, Einf v § 305 Rdnr. 24 f.

48 Die damit verbundenen Probleme führen auch in dem hier zu erörternden Zusammenhang zu schwer abschätzbaren Folgen für beide Seiten, so daß es auch unter diesem Aspekt dringend geboten ist, im Rahmen individueller Festlegungen zumindest für eine entsprechende Basis zur sorgen. Im Hinblick auf diese unsichere Grundlage dürfte sich in vielen Fällen der Ausschluß der VOL/B empfehlen, so daß sich der Vertrag nach dem BGB richtet. Dann stellt sich natürlich wiederum das bereits erwähnte Problem der Einordnung des Vertrags in das System des BGB. Die Verfasser der Präambel haben mit dieser "Lösung" den Betroffenen sicherlich keinen Gefallen getan - am allerwenigsten auch der öffentlichen Hand selbst.
Unter den Begriff "andere Leistungen" fallen somit sämtliche Verträge, die dem Kauf-, Werk- und Werklieferungsvertragsrecht nicht zugeordnet werden können. Hierzu gehören vor allem sämtliche Dienstverträge (z.B. Unternehmensberatung, Aus- und Fortbildung etc.). Hierzu gehören auch Freiberufler-Leistungen (vgl. § 1 VOL/A), für die lediglich die haushaltsrechtlichen Bestimmungen, nicht jedoch die VOL/A anzuwenden sind - allerdings ist auch hier die VOL/B grundsätzlich entsprechend anzuwenden (vgl. § 55 BHO).
Vgl. Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, Präambel, Rdnr. 37.

49 Es sollte in diesen Fällen die VOL/B Klausel für Klausel durchgegangen und darauf überprüft werden, ob eine entsprechende Anwendung sinnvoll und zweckmäßig ist, sofern die jeweilige Bestimmung auf den entsprechenden Vertrag bzw. die betroffene Leistung überhaupt grundsätzlich anwendbar ist. Zahlreiche Vorschriften sind speziell z.B. nur sinnvollerweise auf Kauf- oder Werkvertragsrecht anwendbar (vgl. §§ 12, 13 VOL/B). Dann sollten sie, wenn dies für den Auftraggeber erkennbar ist, auch für den konkreten Vertrag ausgeschlossen werden, um den Streit über die entsprechende Anwendbarkeit bzw. Nichtanwendbarkeit zu vermeiden.
Es ist bedauerlich, daß die mit diesem Punkt verbundenen Zweifelsfragen und Probleme möglicherweise bei der Beratung nicht gesehen, zumindest nicht breit erörtert worden sind - wie auch die nach dem AGBG erforderliche Überarbeitung z.B. des § 2 VOL/B (hierzu s.u.).
Vgl. zur Entstehungsgeschichte Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, Präambel, Rdnr. 1 ff.


6. Die VOL/B als "Abwicklungsraster" und Hilfe

50
Wie alle AGB bietet auch die VOL/B gewissermaßen als Checklist eine Hilfe an. Sie regelt für die betroffenen Vertragstypen die "übliche" = normale Abwicklung des Vertrags - sie ist allerdings teils unklar, teils unwirksam, teils unvollständig und teils auch nicht geeignet, bestimmte Risiken ausgewogen zu verteilen. Im übrigen gibt sie zum Teil auch lediglich "Hinweise" auf mögliche Gestaltungsspielräume bzw. Prüfungspunkte wie z.B.
- hinsichtlich bereits bei Vertragsschluß ersichtlicher möglicher Änderungserfordernisse (vgl. § 2 VOL/B),
- die Überprüfung, ob und welche konkreten erforderlichen Unterlagen unentgeltlich und rechtzeitig übergeben werden müssen und wie diese durch die Vertragspartner genutzt werden können (vgl. § 3 VOL/B),
- Besonderheiten der Ausführung abweichend von Handelsbräuchen, "anerkannten Regeln der Technik" oder gesetzlichen/behördlichen Bestimmungen (vgl. § 4 Ziff. 1 VOL/B),
- Regelung der Zutritts- und Unterrichtungsrechte abweichend von § 4 Ziff. 2 Abs. 1 VOL/B,
- Regelung der Vertraulichkeit (Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse - vgl. § 4 Ziff. 2 Abs. 2 und 3 VOL/B),
- Auftraggeberhaftung bei Eigen- und Drittleistungen - Festlegung dieser Leistungen - Festlegung der Prüfungspflicht (Art und Umfang, Zeiträume, Anzeigepflichten etc. - vgl. § 4 Ziff. 3 VOL/B),
- Subunternehmereinsatz - Fremdleistungen - Zustimmungsbedürftigkeit/ Nichtzustimmungsbedürftigkeit - vgl. § 4 Ziff. 4 VOL/B,
- Sonderregelung in Abweichung von § 5 Ziff. 2 Abs. 2 VOL/B für Kündigungs- bzw. Rücktrittsvoraussetzungen, - Regelung der Anlieferungsart und der Versandfragen - vgl. § 6 VOL/B,
- Begrenzung der Schadensersatzpflicht des Auftragnehmers über § 7 Ziff. 2 Abs. 2 VOL/B hinaus (Ersatz des entgangenen Gewinns auch bei leichter Fahrlässigkeit im Verzugsfall sowie im Fall des Verzugs durch vom Auftraggeber vorgeschriebene Unterauftragnehmer),
- Konkretisierung der Obhutspflichten, Vergütung zuzsätzlichen Aufwands etc. (vgl. § 10 VOL/B),
- Vertragsstrafenvereinbarung - vgl. § 11 VOL/B,
- Vereinbarung einer Güteprüfung und ihrer Modalitäten - vgl. § 12 VOL/B,
- Gefahrübergangsregelung abweichend von den gesetzlichen Regelung - vgl. § 13 Ziff. 1 VOL/B,
- spezielle Abnahmevereinbarungen - vgl. § 13 Ziff. 2 VOL/B
- Leistungsbeschreibung (Zusicherung von Eigenschaften, Verwendungszweck - und Einsatzrisiko, Abhängigkeit des Vertragsschlusses von Zusicherung etc.) - vgl. § 14 Ziff. 1 VOL/B,
- Gewährleistungsfrist - Verlängerung über sechs Monate hinaus - Modalitäten abweichend von § 14 Ziff. 4 Abs. 1 VOL/B sowie abweichende Regelung für den Verjährungsbeginn (vgl. § 14 Ziff. 4 Abs. 2 VOL/B),
- Vorgaben für die Rechnungsstellung abweichend von § 15 Ziff. 1 VOL/B,
- Vereinbarung von Stundenverrechnungssätzen sowie der Modalitäten im Vertrag - vgl. § 16 VOL/B,
- Zahlungsmodalitäten, Abschlagszahlungen entgegen § 17 Ziff. 1 und 2 VOL/B
- Sicherheitsleistungen - Erforderlichkeit der Vereinbarung einer Sicherheitsleistung - vgl. § 18 Ziff. 1 VOL/B,
- Gerichtsstandsklausel abweichend von § 19 Ziff. 2 VOL/B,
- Leistungsverweigerungsrechte des Auftragnehmers im Streitfall - Regelung abweichend von § 19 Ziff. 3 VOL/B.
Ferner wird auf die in der VOL/A enthaltenen "Vorgaben" verwiesen (vgl. vor allem § 9 Ziff. 4 VOL/A).


7. Leistungsänderungen - "dynamische Verträge" - "Dauerschuldverhältnisse" - Rahmenverträge

51 Ausgangsgrundsatz - "pacta sunt servanda" - "Verträge sind (ergänzt: wie abgeschlossen) einzuhalten."

Dies bedeutet umgekehrt, daß eine einseitige Änderung grundsätzlich nicht in Betracht kommt, sofern man nicht im Individualvertragsbereich gewisse Ausnahmen - wie auch z.B. auch aus § 242 BGB ("Treu und Glauben") - zu rechtfertigen vermag. Aus Treu und Glauben kann z.B. die Verpflichtung herrühren, den Quellcode an den Nutzer der Software zu überlassen, wenn der Auftragnehmer die Pflegeleistungen nicht erfüllt oder nicht mehr erfüllen kann.

52 Ausnahmen
Einige Ausnahmen - allerdings wirkliche "Ausnahmen" mit strengen Voraussetzungen:
  • Wegfall der Geschäftsgrundlage
    Schwierige Fälle treffen wir mit dem Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage an - allerdings haben wir es hier mit absoluten Ausnahmen zu, bei denen anzutreffen sind
  • schwerwiegende Äquivalenzstörungen,
  • unzumutbare Belastungen für eine Seite
  • sowie in der Regel Unvorhersehbarkeit der konkreten Fallumstände, die zu den schwerwiegenden Verschiebungen führen.
  • Kündigung wegen wichtigen Grundes
    Hinzuweisen ist auch darauf, daß die Kündigung "wegen wichtigen Grundes" (vgl. § 626 BGB) nicht ausgeschlossen werden kann. Die Voraussetzungen für die Annahme des wichtigen Grundes sind freilich nicht leicht zu nachzuweisen. In der Regel bedarf eine solche Vertragsbeendigung erheblicher Faktensammlung und meist einer gewissen zeitlichen Vorbereitung, um die "erforderliche Zahl" von Punkten zusammenzubekommen.
  • Anfechtung wegen arglistiger Täuschung oder Irrtums - seltene Fälle - immerhin denkbar

    Eine Offene Vertragsgestaltung durch Individualvereinbarung ist anzustreben.

  • Entsprechende Vertragsgestaltungen mit "Öffnung" und "Flexibilisierung" des Vertrages sind in vielen Bereichen erforderlich, werden gleichwohl in ihrer Erforderlichkeit nicht erkannt und durchgesetzt.


    53 Sicherlich kann man so z.B. individuell vereinbaren, daß

  • Preise bei Vorliegen entsprechender Voraussetzungen erhöht werden können oder dies durch eine "Festpreisvereinbarung" ausgeschlossen wird;
  • sich der Auftraggeber oder auch Auftragnehmer Änderungen der Leistungen oder der Ausführung vorbehält und der Auftraggeber/Auftragnehmer ein höheres Risiko übernimmt,
  • im Fall der Nichterfüllung Schadensersatz "pauschal" zu leisten ist oder Vertragsstrafen anfallen oder aber Vertragslösungsgründe zugunsten des Auftraggebers vorgesehen werden (z.B. kostenloses Rückgaberecht etc.),
  • für den Fall vorzeitiger Vertragsbeendigung bestimmte Vergütungen etc. ohne weiteren Nachweis zu zahlen sind etc.

    54 Das ist eine Frage für den Abschluß zukünftiger Verträge - diese Überlegungen werden für bereits abgeschlossene Verträge nicht weiterführend sein, sofern man eben nicht eine entsprechende "Öffnungsvereinbarung" mit der anderen Seite getroffen hat, die eine einseitige Änderung etc. ermöglicht.
    Man muß sich folglich mit den Möglichkeiten der Gestaltung "offener Verträge" befassen - kreativ und prognostizierend.
    Möglich sind auch "alternative Wege", die während der Abwicklung ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zugunsten einer Seite vorsehen (vgl. § 315 BGB).

    55 Dieser Weg ist vor allem zu wählen, wenn vor oder spätestens bei Vertragsschluß erkennbar ist, daß
  • es mehrere Wege geben kann,
  • unterschiedliche Leistungen zur Verfügung stehen müssen,
  • noch Fragen offen sind, die es zu klären gilt,
  • der Stand von Wissenschaft und Technik sich ändern kann,
  • neue Produkte auf den Markt kommen, die z.B. bestimmte Auftragsarbeiten überflüssig machen,
  • vereinbarte Leistungen nicht realisierbar sind (technische Unmöglichkeit etc.),
  • sich das gelieferte Produkt ändert, nicht mehr in der bestellten Form/ Art verfügbar ist,
  • der Einsatz des Mietgegenstandes entfallen oder überflüssig werden kann,
  • Optionen notwendig sind (Mehrbedarf, neue Versionen etc.),
  • oder daß z.B. mit Schritten des Gesetzgebers zu rechnen ist, die eine Änderung erzwingen.
    Werden diese Fragen nicht vor oder bei Vertragsschluß erkannt, kommt es zu erheblichen Problemen und Auseinandersetzungen. Die Lösung von einem Vertrag ist meist unter rechtlichen Aspekten mehr als schwierig.

    7.1. Klauselbeispiele

    Klauselbeispiele - vor Anwendung auf Notwendigkeit und Wirksamkeit jeweils zu überprüfen:


    56 Preisklausel:

    "Die Parteien verpflichten sich, für den Fall der Veränderung (einfügen: Bezugsrahmen wie z.B. Ecklohn-Klausel, Listenpreisklausel, Kostenerhöhung und durchschnittlich erzielter höherer oder niedrigerer Marktpreis etc. - vgl. in diesem Zusammenhang die in den BVB-Kauf enthaltene Preisvorbehaltsklausel - ) ... erneut unter Berücksichtigung der Veränderung der Preisbasis über den Preis zu verhandeln. Erhöhungen kommen nur nach einer Mindestlaufzeit von 12 Monaten sowie vorheriger schriftlicher Ankündigung und dem Ablauf von drei Monaten sowie einer Einigung der Parteien in Betracht. Senkt der Auftraggeber gegenüber vergleichbaren Auftraggebern die Preise, so wird er dies auch gegenüber dem Auftraggeber dieses Vertrages vornehmen."

    57 Innovationsklausel:
    "Der Auftragnehmer verpflichtet sich, dem Auftraggeber eigene und fremde neue Produkte, Änderungen des Standes von Wissenschaft und Technik, neue Verfahren etc. unverzüglich mitzuteilen, wenn diese auf dem Markt bekannt werden.
    Ist der Auftragnehmer hinsichtlich der Veränderungen etc. verfügungsbefugt, so wird er dem Auftraggeber die veränderten Produkte, Verfahren oder auch Versionen etc. anbieten. Der Auftraggeber wird dieses Angebot unverzüglich prüfen und dem Auftragnehmer mitteilen, ob er die geänderten oder neuen Produkte etc. übernehmen will oder nicht. Übernimmt der Auftraggeber neue oder veränderte Produkte nicht, weil ihm dies nicht zumutbar ist, so treffen die Parteien innerhalb einer Frist von ......... eine Vereinbarung unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen. Kommt eine solche Vereinbarung innerhalb der angeführten Frist nicht zustande, so ist das Vertragsverhältnis nach Ablauf von ......... abzuwickeln."


    58 Optionsklausel:
    "Der Auftraggeber hat ein Optionsrecht, über die vertraglich vereinbarten Mengen hinaus Nachbestellungen innerhalb eines Zeitraums von ........ nach Vertragsschluß zu den vereinbarten Preisen bis zu einer Menge von .... durchzuführen. Zwischenzeitlich eingetretene Preissenkungen des Auftragnehmers gelten auch für den Auftraggeber. Das Optionsrecht kann auch hinsichtlich veränderter oder neuer Produkte geltend gemacht werden. Bietet der Auftragnehmer die bisherigen Produkte etc. nicht mehr an, so beschränkt sich das Optionsrecht auf die veränderten bzw. neuen Produkte."

    59 Einsatzänderungsklausel:
    "Der Vertragsgegenstand wird entsprechend den Bestimmungen dieses Vertrages vom Auftraggeber genutzt. Der Auftraggeber ist jedoch berechtigt, den Vertragsgegenstand in anderer Umgebung, an einem anderen Standort sowie auf anderen Geräten etc. einzusetzen, sofern sich dadurch die Konditionen, insbesondere der Nutzungsumfang oder die Anzahl der Arbeitsplätze etc., nicht verändern. Erhöht sich der Nutzungsumfang bei dem Auftraggeber, so ist zwischen den Parteien unter Berücksichtigung der vom Auftragnehmer nachweisbar allgemein geforderten und stetig erzielten Preise bei vergleichbaren Vertragspartnern zu verhandeln und ein angemessener Preis festzulegen. Für den Fall der Ausgliederung von Betriebsteilen auch an Dritte gelten diese Bestimmungen entsprechend. Der Auftragnehmer wird einer Ausgliederung, die sich auch auf seinen Vertragsgegenstand bezieht zustimmen, sofern keine von ihm nachweisbaren erheblichen sachlichen Gründe entgegenstehen."

    60 Im Hinblick auf die vorherigen Ausführungen stellen sich einige Fragen:
    Welche weiteren "Änderungen" können bei dem jeweiligen Vertrag auftreten ?
    Sind sie bereits jetzt vorhersehbar ?
    Kann eine entsprechende Öffnung des Vertrages diese Änderungen unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vertraglich bereits jetzt verankert werden ?

    Kann über die Änderungsvereinbarungen individuell verhandelt werden ? Ist dies nachweisbar ? Oder gilt für die Änderungsklausel das AGBG, das "unangemessene" einseitige Regelungen verbietet ? In jedem Fall ist die "Genesis" des Vertrags nachweisbar festzuhalten
    - Verhandlungsbeginn
    - Verhandlungspunkte
    - Streitpunkte und Regelungen
    etc.


    7.2. Rahmenverträge
    61 Rahmenverträge sind gesetzlich nicht geregelt, aber nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit (vgl. §§ 305 ff BGB) zulässig. Genannt ist die Rahmenvereinbarung in den §§ 5b VOL/A bzw. § 5 SKR-VOL/A. Hinzuweisen ist ferner auf § 11 Nr. 12 AGBG (Dauerschuldverhältnisse). Sie sind jedoch abzugrenzen
    - von Vorverhandlungen, bei denen sich bereits entsprechende Rechte und Pflichten für beide Teile ergeben können (Institut der "culpa in contrahendo" - c.i.c. - Schadensersatz - Geltung kraft Gewohnheitsrechts),
    - Absichtserklärungen (Letter of Intent - LOI), soweit unverbindlich, soweit bereits einen Vertrauenstatbestand auslösend kann dies zu möglichen Ansprüchen nach c.i.c. führen.

    Zum Vorvertrag etc. vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl., 2000, Einf v § 145 Rdnr. 18 ff; BGHZ 102, 388 - Vorvertrag; BGHZ 1962, 1812; OLG Karlsruhe NJW-RR 1996, 997.
    Rahmenverträge kommen in zwei Versionen vor:
    - zum einen kann es sich um Vereinbarungen handeln, die sich auf eine auf Dauer angelegte Geschäftsverbindung beziehen, aber keine bestimmten Regelungen über Abnahmemengen etc. halten. Eine solche Vereinbarung erschöpft sich im Grunde darin, daß bei Teile nicht treuwidrig verhalten dürfen, sich gegenseitig zu informieren und zu fördern haben etc.
    - zum anderen kann eine echte Rahmenvereinbarung - ein Rahmenvertrag - geschlossen werden.

    Beispielhaft sei erwähnt:
    62 Rahmenvereinbarung mit
    - Festlegung der Mindestlaufzeit und Verlängerungsoption oder automatischer Verlängerung bei unterlassener Kündigung
    - Festlegung einer geschätzten
    -- Minimalabnahmemenge
    -- sowie einer Maximalabnahmemenge
    - Preisvorbehalte nach "oben und unten"
    - Änderungsklauseln
    - übliche Vereinbarungen (vgl. z.B. Regelungspunkt der VOL/ und der BVB-X).

    63
    Die Regelungen der BVB - vgl. z.B. §§ 3 BVB-Planung bzw. 5 BVB-Erstellung - enthalten Änderungsklauseln. Hierbei wird von einem Grundmuster ausgegangen:
    - Änderungsgrund (Stand von Wissenschaft und Technik, neue Produkte, nicht erfüllbare Forderungen, Änderungsvorgaben des Auftraggebers etc.)
    - Informationspflicht des Auftragnehmers
    - Prüfung des Auftraggebers oder des Auftragnehmers (bei Änderungsverlangen des Auftraggebers)
    - Entscheidung des Auftraggebers
    - Einigung der Vertragsparteien innerhalb einer Frist (21 Tage)
    - Im Fall der Nichteinigung: Weiterführung des Vertrags wie bisher (keine Änderung) oder Kündigung (und damit "Abbruch" und "Abrechnung" des Auftrags).
    Die VOB sieht in § 1 Ziff. 3 das Recht des Auftraggebers vor, Änderungen des Bauentwurfs anzuordnen. die Folgen sind in § 2 Ziff. 5 und 6 VOB/B geregelt (Preisveränderungsvereinbarung, besondere Vergütung etc.).

    Diese speziellen Regelungen für den EDV-IT- und den Baubereich gelten nicht für Leistungen i.S.d. der VOL/B, wenn auch gewisse Ähnlichkeiten der Regelungen im Vergleich zur § 2 VOL/B festzustellen sind.




    7.3. Rahmenverträge - Beispielsraster

    64 Rahmenvertrag
    zwischen
    Auftraggeber

    Auftragnehmer

    § 1 Die Parteien schließen nachfolgenden Rahmenvertrag, der sich auf folgende Leistungen bezieht:
    ca. Minimumbedarf
    ca. Maximumbedarf
    1.
    2.
    3.
    4.
    5.

    § 2 Lieferzeit - Lieferort:
  • Partie 1 am:
  • Partie 2 am:
  • Partie 3 am:
  • Partie 4 am:


    Lieferung jeweils auf Abruf
    • eintreffend innerhalb von
    Stunden ohne Nachfrist
    • eintreffend innerhalb von
    Stunden
    • am Lieferort:
     
    • 1.
     
    • 2.
     
    • 3.
     
    • 4.
     


  • - jeweils nach Vorgabe des Auftraggebers -

    3. Änderungsvorbehalte
    Es werden folgende Klauseln im einzelnen ausgehandelt und festgelegt:

    1. Preisvorbehalt
    2. Änderungsvorbehalte
  • Produktänderungen
  • Mengenänderung
  • Einsatz- und Standortänderungen
  • Innovationsberücksichtigung
  • Vertragsänderung - Rechtsübertragung
  • Abwicklungs- und Vertragsbeendigungsregelung
  • Nebenpflichten und nachwirkende Pflichten
  • Konfliktregelungsklausel - Schiedsrichter/Coach/Mediating

    4. Zeitrahmen/Dauer
    Zeitrahmen
    Beginn:
    Ende:
    Verlängerungsoption:
    Vertragsbeendigungen vor Vertragsablauf
  • ordentliche Kündigung und Frist
  • außerordentliche Kündigung und Frist
  • fristlose Kündigung
  • Beendigungsfolgen

    5. Sonstige Bestimmungen

    Im übrigen gelten die
  • VOL/B
  • BVB-X
  • sonstige Geschäftsbedingungen

    mit folgender Maßgabe:
  • vgl. Bartl, Harald, Handbuch öffentliche Aufträge, 2. Aufl., 2000, Rdnr. 141 (Hinweise unbedingt beachten !) - vgl. auch BVB




    Tip: Die Leistungsscheine der BVB können als Checklist herangezogen werden - ebenso die auf dem Markt befindlichen Geschäftsbedingungen der Einkäufer und Anbieter - für die öffentliche Hand ergibt sich aus § 9 Ziff. 4 VOL/A sowie aus der VOL/B eine Checklist für Mindestüberlegungen, die sodann entsprechende Anpassungen an den Individualfall erfordern. Im übrigen sind von der öffentlichen die §§ 4 ff. VOL/A zu beachten.



    7.3. Die Regelungen der VOL/B unter dem Aspekt der Änderung - § 2 VOL/B - Änderungen der Leistung

    65 Die VOL/B sieht in § 2 folgende Regelung vor:
    § 2 Änderungen der Leistung
    1. Der Auftraggeber kann nachträglich Änderungen in der Beschaffenheit der Leistung im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Auftragnehmers verlangen, es sei denn, dies ist für den Auftragnehmer unzumutbar.
    2. Hat der Auftragnehmer Bedenken gegen die Leistungsänderung, so hat er sie dem Auftraggeber unverzüglich schriftlich mitzuteilen. Teilt der Auftraggeber die Bedenken des Auftragnehmers nicht, so bleibt er für seine Angaben und Anordnungen verantwortlich. Zu einer gutachtlichen Äußerung ist der Auftragnehmer nur aufgrund eines gesonderten Auftrags verpflichtet.
    3. Werden durch Änderung in der Beschaffenheit der Leistung die Grundlagen des Preises für die im Vertrag vorgesehene Leistung geändert, so ist ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- und Minderkosten zu vereinbaren. In der Vereinbarung sind etwaige Auswirkungen der Leistungsänderung auf sonstige Vertragsbedingungen. insbesondere auf Ausführungsfristen, zu berücksichtigen. Diese Vereinbarung ist unverzüglich zu treffen.
    4. (1) Leistungen, die der Auftragnehmer ohne Auftrag oder unter eigenmächtiger Abweichung vom Vertrag ausführt, werden nicht vergütet. Solche Leistungen hat er auf Verlangen innerhalb einer angemessenen Frist zurückzunehmen oder zu beseitigen, sonst können sie auf seine Kosten und Gefahr zurückgesandt oder beseitigt werden. Eine Vergütung steht ihm jedoch zu, wenn der Auftraggeber solche Leistungen nachträglich annimmt.
    (2) Weitergehende Ansprüche des Auftraggebers bleiben unberührt.


    7.4. Der Änderungsanspruch des Auftraggebers - Voraussetzungen
    -- "Beschaffenheit der Leistung"


    66 Voraussetzung ist zunächst, daß die "Beschaffenheit" der Leistung betroffen ist. Dieser Begriff ist unklar. Fraglich ist insbesondere, ob es sich in diesem Zusammenhang um qualitative und quantitative Merkmale handelt. Ferner ist fraglich, ob unter den Begriff auch z.B. Termine der Leistung fallen. Der Begriff der "Beschaffenheit" einer Leistung ist - soweit ersichtlich - nur in diesem Zusammenhang anzutreffen. In § 1 Ziff. 1 VOL/B ist von "Art- und Umfang" der beiderseitigen Leistungen die Rede.
    Im Zivilrecht ist von "Gebrauchstauglichkeit" oder zugesicherten Eigenschaften die Rede (vgl. §§ 459, 537, 633 BGB).
    Eine Leistung wird in der Regel mit folgenden Merkmalen beschrieben:
    - Art, Ausführungsart
    - Qualität, objektive und subjektive Erwartungen, spezielle Eigenschaften
    - Menge/Umfang
    - Termine/Ausführungsfristen
    - Nebenleistungen
    etc.

    Fraglich, ob unter den Begriff "Beschaffenheit der Leistung" diese einzelnen Punkte subsumiert werden können. Ist dies nicht der Fall, so hat dies zur für den Auftraggeber zur Folge, daß sein Änderungsanspruch per se eingeschränkt ist. Das wiederum hängt davon ab, wie der Begriff "Beschaffenheit der Leistung" in diesem Zusammenhang ausgelegt werden darf.
    Bei der VOL/B handelt es sich um Einkaufsbedingungen der öffentlichen Hand.
    Sie unterliegt den Grundsätzen des AGBG.

    So zutreffend Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 8. Aufl., 1998, Anh. §§ 9-11 Rdnr. 915, unter Hinweis auf Wahl BB 1984, 644. Nicht eindeutig Daub/Eberstein, VOL/A, Einführung Rdnr. 80, im Ergebnis aber ablehnend; ferner Daub/Eberstein, VOL/B, Einführung Rdnr. 15.

    Die Auslegung von AGB ist freilich problematisch. Auszugehen ist zunächst vom Grundsatz der objektiven, einheitlichen Auslegung auf der Basis der Verständnismöglichkeiten eines Durchschnittsauftragnehmers.

    Vgl. zu diesem Komplex Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 8. Aufl., 1998, § 5 Rdnr. 20 ff; Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl., 2000, AGBG § Rdnr. 7; Heinrichs, NJW 1998, 1447, 1452. BGH NJW-RR 1996, 857 ; NJW 1997, 3434 - ständige Rechtsprechung.

    67 Ein Auftragnehmer wird insofern in erster Linie möglicherweise an qualitative Elemente denken, nicht jedoch an Termine, Mengen etc. Wäre das der Fall, so käme ein entsprechender Änderungsanspruch auch nur insofern in Betracht. Geht man davon aus, daß die Auslegung eine eindeutige Festlegung nicht zuläßt. Dann stellt sich freilich die Frage, ob die Klausel infolge ihrer Unbestimmtheit nicht nach § 5 AGBG nichtig ist - das hätte zur Folge, daß der Auftraggeber grundsätzlich keinen Änderungsanspruch hätte.

    Vgl. hierzu Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl., 2000, AGBG § 5 Rdnr. 8; vgl. ferner Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 8. Aufl., 1998, § 5 Rdnr. 25 ff; zur restriktiven Auslegung dort auch Rdnr. 37 mwNachw.

    Denkbar ist schließlich auch, daß die Klausel in einem Individualprozeß zu Lasten der öffentlichen Hand ausgelegt wird, mithin auftragnehmerfreundlich. Das würde sicherlich bedeuten, daß - die Wirksamkeit der Klausel einmal unterstellt - nur ein enger Änderungsanspruch (Änderung der Eigenschaften ?) bestehen würde.

    Zur Auslegung im Individualprozeß Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 8. Aufl., 1998, § 5 Rdnr. 30 f; auch Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl., 2000, AGBG § 5 Rdnr. 9.

    Die in der Literatur hierzu anzutreffenden Ausführungen beachten diese Problematik - soweit ersichtlich - nicht.

    Vgl. Daub/Eberstein, VOL/B,4. Aufl., 1998, § 2 Rdnr. 20 f. Die dort anzutreffenden Beispiele (100 m Draht bzw. 1000 Holzstäbe von 1 m Länge) zeigen sehr deutlich die hier bestehende Unklarheit bei der Auslegung des Begriffs "Beschaffenheit" auf.

    68 Statt dessen wird eine "weite Auslegung" des Begriffs "Beschaffenheit" vertreten, der sich z.B. selbst auf Ausführungstermin und -ort, mit der Sache im Zusammenhang stehende Rechte sowie Nebenleistungen beziehen soll. Immerhin wird wenigstens angenommen, daß "keineswegs eine Änderung der Leistung schlechthin verlangt werden kann". Sodann wird beispielhaft die unzulässige Änderung einer Schreibmaschinenlieferung in eine Kleincomputerlieferung genannt.

    Vgl. Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 2 Rdnr 24.Vgl. insofern auch Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 8. Aufl., 1998, Anh. §§ 9 - 11 Rdnr. 916: "also Änderungen nach Art, Menge und Qualität".

    Es ist jedoch zu beachten, daß nicht nur allein das "aliud" als Fall der Totaländerung nicht durch die Klausel gedeckt ist, sondern auch erhebliche Bedenken bestehen, die Klausel als wirksam zu betrachten. Zumindest ist sie hinsichtlich der Änderungsanspruchs auftragnehmerfreundlich auszulegen, so daß allenfalls qualitative Änderungen überhaupt über den Änderungsanspruch verlangt werden können.

    69 Im übrigen bestehen in diesem Zusammenhang auch Bedenken gegen die Klausel nach § 9 AGBG. Für den Endverbraucherbereich verlangt hier § 10 Nr. 4 AGBG, daß der Änderungsvorbehalt zumutbar für den anderen Teil abgefaßt ist, wobei der Verwender hinsichtlich der Zumutbarkeit die Beweislast trägt.

    Vgl. hierzu Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 8. Aufl., 1998, § 10 Nr. 4 Rdnr. 1 f.

    Auch im Verkehr mit Kaufleuten ist ein freies, an keine Voraussetzungen gebundenes Änderungsrecht des Verwenders - hier der Vergabestelle - nichtig nach § 9 AGBG.

    OLG Köln NJW-RR 1990, 1232; Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 8.aufl., 1998, § 10 Nr. 4 Rdnr. 12, mwNachw.

    Dieser Aspekt, der nachfolgend noch behandelt wird, ist ebenfalls nicht aus den Augen zu verlieren. Hierbei ist allerdings zu beachten, daß die Klausel - abgesehen von der weiten Fassung des § 2 VOL/B ("Beschaffenheit der Leistung") - Einschränkungen enthält, nämlich die Verpflichtung zur Durchführung der Änderung
    - "im Rahmen der Leistungsfähigkeit" des Auftragnehmers
    - bzw. für den Fall der "Zumutbarkeit" (hierzu s.u.).

    70 Aber auch diese im übrigen unbestimmt gehaltenen "Schranken" beeinträchtigen die Dispositionsfreiheit des Auftragnehmers. Hinzukommt, daß die Abänderung des Preises nach § 2 Ziff. 3 VOL/B nicht berücksichtigt, daß der Auftragnehmer auch einen Anspruch hinsichtlich der teilgekündigten Minderleistung hat (vgl. §§ 324, 552, 649 BGB). Mit Recht wieder daher in der Literatur darauf hingewiesen, daß die Klausel unangemessen i.S.d. § 9 AGBG ist.

    Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 8. Aufl., 1998, Anh. §§ 9 - 11, Rdnr. 916.

    Die insofern bestehende Unsicherheit, bedingt durch die Unwirksamkeit der Klausel, wirkt sich in der Praxis offensichtlich kaum aus. Probleme in diesem Bereich werden offensichtlich bei der Abwicklung von Verträgen "irgendwie" gelöst, wobei der öffentlichen Hand zugute kommt, daß die betroffenen Auftragnehmer mit den Staatsaufträgen bislang wirtschaftlich gut leben konnten.

    Das kann sich natürlich - vor allem im EU-Bereich - erheblich infolge der möglichen Wettbewerbsverstärkung verändern. Ebenso wie bei den BVB - hier liegen zwei BGH-Grundsatzentscheidungen zur Nichtigkeit von Klauseln der BVB-Überlassung vor, scheint sich die Praxis wenig um diese Fragen selbst bei Millionenaufträgen zu kümmern. Das gilt wohl auch für die Verfasser der VOL/B.

    Kritisch mit Recht Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 8. Aufl., 1998, Anh. §§ 9 - 11, Rdnr. 916. Zu den BVB-Überlassung vgl. BGH Urteil vom 4.3.1997 - X ZR 141/95 (OLG Frankfurt) - CR 1997, 470 BVB II; BGH Urteil vom 27.11.1990 - NJW 1991, 1076 = BB 1991, 373 - BVB I.

    71 Der Umstand allein, daß man in der Praxis "irgendwie" miteinander auskommt - jedenfalls die "Glücklichen", die den Zuschlag erhalten, und die Auftraggeber - , sollte indessen die öffentliche Hand nicht davon abhalten, angemessene und vor allem klare Geschäftsbedingungen zu konzipieren, zumal die Mitarbeiter der Vergabestellen sich überwiegend in dem Glauben befinden, die von ihnen anzuwendenden Geschäftsbedingungen (BVB, VOL/B) seien rechtlich nicht zu beanstanden.

    Vgl. hierzu Bartl, Harald, Handbuch, 2. Aufl., 2000, Rdnr. 141 f.

    72 Die hieraus sich für die Vergabestellen ergebende Konsequenz ist, daß - die Vergabestelle sehr genau im Einzelfall prüfen muß, ob sich Änderungen im Bedarf, des Produkts, der Termine, des Leistungsortes (Bonn oder Berlin) ergeben können und folglich in der Leistungsbeschreibung bei
    - den qualitativen Beschreibungen
    - den Terminen
    - den Mengen
    - dem Leistungsort etc.
    zukünftige Änderungen ergeben können, die sodann durch eine entsprechende Öffnungsklausel geregelt werden sollten. Damit ist das Risiko über den individuellen Teil vollständig abgedeckt, da dann auch die Fragen der Leistungsfähigkeit und Zumutbarkeit keine Bedeutung haben; denn dies hat der anbietende Auftragnehmer mit einzukalkulieren. Unzumutbare Wagnisse i.S.d. § 8 Ziff. 1 Abs. 3 VOL/A sind hierin nicht zu sehen, sofern es sich nicht um einen nicht mehr kalkulierbaren Änderungsvorbehalt handelt, der einem Mindestkonkretisierungsgebot nicht genügt.

    73 Läßt die Vergabestelle die VOL/B in diesem Punkt Änderungen freilich unverändert, so stellen sich mehrere Fragen:
    Ist die Klausel des § 2 Ziff. 1 - 3 VOL/B wirksam ? Oder liegt ein Verstoß gegen § 9 AGBG vor. Liegt ein Verstoß gegen § 9 AGBG vor, so ist die Rechtslage nach den gesetzlichen Bestimmungen zu beurteilen. Fehlt ein wirksamer Änderungsvorbehalt, so bestehen allenfalls Ansprüche nach § 242 BGB (Treu und Glauben) unter engen Voraussetzungen auf Vertragsanpassung. Die damit verbundenen Unsicherheiten sowie etwa auch der Ausgang einer rechtlichen Auseinandersetzung sind kaum abschätzbar.

    Es können sich ferner weitere Probleme unter vergaberechtlicher Sicht ergeben. Wenn der "Zusatzauftrag" vom Änderungsanspruch des Auftraggebers nicht gedeckt wird, muß dann ein neuer Auftrag erteilt werden, mithin ein weiteres Vergabeverfahren durchgeführt werden ? Selbst wenn man einen Fall der Freihändigen Vergabe nach § 3 Nr. 4 VOL/A annimmt, ergibt sich zusätzlicher Aufwand, weil auch die Freihändige Vergabe grundsätzlich eine Vergabe im Wettbewerb verlangt und im übrigen die gesamten Vorschriften der VOL/A anzuwenden sind, sofern sich aus diesen Bestimmungen der VOL/A nicht Abweichendes ergibt.

    Vgl. Bartl, Harald, Handbuch, 2. Aufl., 2000, Rdnr. 116, zu den Besonderheiten der Freihändigen Vergabe.


    8. Der Änderungsanspruch des Auftraggebers - Voraussetzungen
    8.1. Pflicht zur Durchführung im Rahmen der Leistungsfähigkeit

    74
    Der Auftrag darf nach § 2 Nr. 3 bzw. § 25 Nr. 2 (1) VOL/A nur an "leistungsfähige" (sowie zuverlässige und fachkundige) Auftragnehmer vergeben werden. Im Regelfall werden diese Auftragnehmer auch Änderungen durchführen können, da sie die erforderlichen personellen, technischen und sonstigen Voraussetzungen erfüllen.
    Zu beachten ist jedoch, daß Änderungsverlangen durchaus z.B. die personellen oder auch technischen Kapazitäten des Auftragnehmers überschreiten können. Der Umstand, daß andere Unternehmer den geänderten Auftag ausführen können, ist in diesem Zusammenhang nicht entscheidungserheblich. Maßgeblich sind die speziellen subjektiven Auftragnehmerverhältnisse. Hierbei ist fraglich, ob "die Leistungsfähigkeit" des Unternehmers eine vom Auftraggeber nachzuweisende Anspruchsvoraussetzung ist - oder ob der Auftragnehmer nachzuweisen hat, daß das Änderungsverlangen "den Rahmen seiner Leistungsfähigkeit" verläßt. Man wird wohl, davon auszugehen haben, daß der Auftraggeber zumindest nachzuweisen hat, daß vergleichbare
    Auftragnehmer zur Leistung der geänderten Leistung in der Lage sind, währenddessen der Auftragnehmer nachzuweisen hat, daß sein Unternehmen die entsprechenden Leistungen nicht erbringen kann.

    Vgl. hierzu wenig weiterführend Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 2 Rdnr. 25.


    8.2. Unzumutbarkeit für den Auftragnehmer

    75
    Mit Recht wird diese weitere Schranke als Unterfall des § 242 BGB - Treu und Glauben - zugeordnet.

    Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 2 Rdnr. 26 ff.

    Mit dieser Ausnahmevorschrift werden Sonderfälle abgedeckt, in denen z.B. die formalen Voraussetzungen eines Anspruchs zwar erfüllt sind, gleichwohl der Auftragnehmer sich in diesem Fall einer rechtsmißbräuchlichen Ausübung des Änderungsanspruchs ausgesetzt sieht. Beispielhaft wäre etwa ein Änderungsverlangen, das nicht eine notwendige Leistungsverbesserung zur Folge hätte, sondern verlangt würde, um einen leistungsfähigen Auftragnehmer in Schwierigkeiten zu bringen. Derartige Fälle werden wohl kaum anzutreffen sein. Wenn wirklich derartige extreme Ausnahmegestaltungen einmal gegeben sein sollten, so dürfte es dem Auftragnehmer leicht fallen, die Unzumutbarkeit darzutun.

    Vgl. zu den Fällen der unzulässigen Rechtsausübung Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl., 2000, § 242 Rdnr. 38 ff. m. z. Nachw. von Einzelfällen. Vgl. ferner Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 2 Rdnr. 26 f.


    8.3. Bedenken des Auftragnehmers

    76
    Verlangt der Auftraggeber (zulässigerweise - vgl § 2 Ziff. 1 VOL/B) eine Leistungsänderung, so trifft den Auftragnehmer zunächst eine Prüfungspflicht. Das ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut, ist aber gleichwohl als ungeschriebene Pflicht unabdingbar, da andernfalls die Erfüllung der Pflicht zur Mitteilung der Bedenken nicht möglich wäre.

    Vgl. Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 2 Rdnr. 32. Ähnlich is6t dies in § 4 Nr. 3 VOB/B - vgl. hierzu Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl.,, 1996, B § 4 Rdnr. 193.

    Bedeutsam ist die Frage, welchen Umfang diese Prüfungspflicht hat. Das hängt sicherlich vom jeweiligen Einzelfall, insbesondere der betroffenen Leistung sowie den Fachkenntnissen des Auftragnehmers, ab. Das Unterlassen jedweder Prüfung ist sicherlich eine Pflichtverletzung. Im übrigen wird der Auftragnehmer die verlangte Leistungsänderung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Auftragnehmers überprüfen, der auf dem jeweils anerkannten Stand der Technik unter Beachtung gesetzlicher und behördlicher Vorschriften (vgl. § 4 Nr. 1 Satz 2 VOL/B) den Auftrag abwickelt. Die entsprechenden technischen, gesetzlichen und behördlichen Vorgaben hat der Fachmann zu kennen und als Prüfungsmaßstab für die Leistungsänderung anzulegen. Bestehen derartige Bedenken aus der Sicht eines objektiven Betrachters, der hier an die Stelle des Auftragnehmers tritt, so muß der konkrete Auftragnehmer diese ebenfalls im Rahmen seiner Prüfung erkennen. Es reicht mithin aus, wenn der Auftragnehmer eine Prüfung hätte durchführen müssen, in deren Verlauf er die Bedenken hätte erkennen können. Im Streitfall wird dies ein Sachverständiger festzustellen haben, sofern sich Prüfungs- und Feststellungspflicht hinsichtlich der Bedenken nicht in vielen Fällen aus bekannten Vorgehensweisen, dem anerkannten (! - im Streitfall: Sachverständiger) Stand der Technik oder z.B. gesetzlichen Bestimmungen direkt ergibt.

    Vgl. hierzu Daub/Eberstein, VOL/A, 4. Aufl., 1998, § 2 Rdnr. 32, unter Hinweis auf OLG Karlsruhe NJW-RR 1988, 405; vgl. auch Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., 1996, B § 4 Rdnr. 199.

    77 Damit stellen sich natürlich im Einzelfall die Fragen nach den Grenzen der entsprechenden Prüfungspflicht. Dies hängt auch von der Natur des jeweiligen Vertrages sowie von der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit der Leistung ab. Will der Auftraggeber z.B. eine Leistungsänderung im Kaufrecht vornehmen, so wird die Prüfungspflicht im Grunde auch davon abhängen, inwieweit der Auftragnehmer Kenntnis von dem konkreten Einsatzzweck -und -risiko hat, was z.B. in der Leistungsbeschreibung enthalten sein kann (Kauf von Risikoprodukten mit Beschreibung von Einsatzzweck und -risiko). Ähnlich wird es sein, wenn der Auftragnehmer aus anderen Gründen über entsprechende Kenntnisse verfügt. Sind dem Auftragnehmer die jeweiligen besonderen Risiken etc. des Einsatzes nicht bekannt, wird er bei Verlangen einer Leistungsänderung diese nur auf die normalen Risiken abzuklopfen haben. Im Grunde geht es hier um einen ähnlichen Problemkreis, der sich im Zusammenhang mit dem Fehlerbegriff (Abweichen von objektiver ("üblicher") bzw. subjektiv besonders vereinbarter Tauglichkeit zum vertraglichen Gebrauch) bzw. dem Fehlen zugesicherter Eigenschaften (vor allem solcher mit dem Ziel der Vermeidung von Mangelfolgeschäden) ergibt.

    78 Der Verkäufer unterliegt hier bei fehlender Kenntnis vom konkreten Einsatzzweck und -risiko einem niedrigeren Pflichtenstandard als z.B. der Werkunternehmer bei Werkverträgen bzw. Werklieferungsverträgen, da bei den zuletzt genannten Fällen der Fachmann die konkreten Kenntnisse von Einsatzzweck und -risiko hat - mithin "näher an den Problemen dran sein kann" als der Verkäufer (vgl. auch den Unterschied zwischen dem Gewährleistungsrecht des Kauf- und Werkvertragsrecht - §§ 459 ff, 633 ff BGB). Aber auch bei anderen Verträgen, für die VOL/B nach der Präambel entsprechend anwendbar ist, besteht eine entsprechende Prüfungspflicht (objektiv zu beurteilende Pflicht eines Fachmannes) , wenn eine Leistungsänderung verlangt wird (Mietverträge, Dienstverträge etc.). Abgesehen davon, daß nach § 1 VOL/A Lieferungen und Leistungen betroffen sind und über § 9 Ziff. 2 VOL/A die VOL/B in den Vertrag einzubeziehen ist, ist auch bei der Vergabe von Freiberuflerleistungen mit einem geschätzten Gesamtauftragswert unter 200 000 ECU über die haushaltsrechtlichen Vorschriften (vgl. § 55 BHO) die VOL/B anzuwenden, so daß auch bei einem Änderungsverlangen im Rahmen von Freiberufler-Leistungen eine entsprechende Prüfungspflicht anzunehmen ist.

    Zu diesen Zusammenhängen vgl. Bartl, Harald, Moderne Dienstleistungen und Recht, 1998, Rdnr. 118 ff.

    Ergibt die vorzunehmende ordnungsgemäße fachkundige Prüfung (oder hätte diese Bedenken ergeben müssen), daß Bedenken gegen die Leistungsänderung bestehen, so müssen diese
    - dem Auftraggeber
    - "unverzüglich" = ohne schuldhaftes Zögern (vgl. § 121 I BGB)
    - schriftlich mitgeteilt werden.

    79 Über den Inhalt der Mitteilung sagt die Bestimmung nichts. Im Regelfall wird der Mitteilungspflicht indessen nur genügt sein, wenn die Bedenken konkretisiert werden, so daß der Auftraggeber in die Prüfung der vorgetragenen Bedenken eintreten kann. Hiergegen kann zwar eingewandt werden, daß es sich um AGB handelt und diese jedenfalls nicht extensiv zum Nachteil des Auftragnehmers ausgelegt werden dürfen. Hieraus könnte geschlossen werden, daß die schlichte Mitteilung der "Bedenken" nach dem Wortlaut ausreicht, ohne daß weitere Angaben des Auftragnehmers gemacht werden - insbesondere keine Hinweise auf Folgen und Tragweite der Leistungsänderung in Betracht kommen. Auch hier ist als Sorgfaltsmaßstab das Vorgehen des ordentlich arbeitenden Fachmannes heranzuziehen, wobei sich die Anforderungen an die Mitteilung der Bedenken letztlich ebenfalls am Einzelfall orientieren. Auch in diesem Zusammenhang werden die unterschiedlichen Vertragsbeziehungen (Kauf, Werkvertrag etc.) erheblich werden.

    Vgl. in diesem Zusammenhang die sehr weitgehenden inhaltlichen Anzeigepflichten im Baubereich - hierzu Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., 1996, B § 4 Nr. 3 Rdnr. 248 mwNachw.

    Die Schriftform (vgl. §§ 125 f BGB) dürfte hier lediglich Beweisfunktion, nicht jedoch Wirksamkeitsfunktion haben. Zwar ist die Nichteinhaltung der Schriftform eine Vertragsverletzung. Es fragt sich indessen, ob eine mündliche Bedenkenmitteilung ausreicht, sofern damit das Ziel der Klausel des § 2 Ziff. 2 VOL/B erreicht wird, nämlich ausreichende Information über die Bedenken, so daß der Auftraggeber in der Lage ist, in die Prüfung einzutreten und die Entscheidung über das weitere Vorgehen zu treffen. Dieses Ziel ist erkennbar erreicht, wenn der Auftraggeber sich mit den - wie auch immer - geäußerten Bedenken befaßt und ihnen Rechnung trägt.

    Vgl. zum Bauvertrag Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., 1996, B § 4 Nr. 3 Rdnr. 250 mwNachw.

    80 Nicht ausdrücklich geregelt ist, wer Adressat der Mitteilung ist und wer für Auftragnehmer die Mitteilung macht. Gemeint ist der Auftraggeber, seine benannten Vertreter (z.B. Projektleiter) - nicht jedoch nachgeordnetes Personal. Das gilt auch für den Auftragnehmer selbst, seinen gesetzlichen oder vertraglich festgelegten Vertreter. Auch hier könnte zugunsten des Auftragnehmers eingewandt werden, daß die mangelnde Konkretisierung des § 2 Nr. 2 VOL/B nicht zu seinen Lasten ausschlagen kann, da es die öffentliche Hand es schließlich in der Hand hatte, diesen Punkt konkret wie etwa in den § 3 Ziff. 5 BVB-Planung (Ansprechstellen beider Seiten sind zu benennen) zu regeln. Es wäre indessen eine durch den Text der Bestimmung nicht gedeckte Förmelei, wollte man in einem Fall der hinreichend konkreten mündlichen Bedenkenmitteilung an einen Mitarbeiter des Auftraggebers, auf die hin in die Prüfung durch den Auftraggeber eingetreten wird, dies nicht ausreichen lassen. Im übrigen ist auch hier an ein mitwirkendes Verschulden auf seiten des Auftraggebers zu denken (vgl. § 254 BGB), sofern man schon eine Auswirkung der Pflichtverletzung hinsichtlich Form und Adressat denkt.

    Vgl. zum Bauvertrag Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., 1996, B § 4 Nr. 3 Rdnr. 250 - 253 mwNachw.

    81 Die Grenzen der Pflicht zur Mitteilung von Bedenken sind sicherlich überschritten, wenn man über eine konkrete Mitteilung der Bedenken und der entsprechenden Tatsachen hinaus eine gutachterliche Stellungnahme verlanget. Hiergegen richtet sich § 2 Nr. 2 S. 3 VOL/B, der einen Zusatzauftrag verlangt, was natürlich eine entsprechende Einigung auch über die angemessene Vergütung voraussetzt. Eine einseitige Auftragserweiterung kommt hier nicht in Betracht.

    Vgl. auch Daub/Eberstein, VOL/B,4. Aufl., 1998, § 2 Rdnr. 40.

    Verletzt der Auftragnehmer die ihm auferlegte Pflicht zur konkretisierten Bedenkenmitteilung, so verbleibt es grundsätzlich bei seiner vollen Verantwortung für eine mangelfreie und rechtzeitige Ausführung des geänderten Auftrags. Die Leistungsänderung wird Vertragsbestandteil. die übrigen Vertragsvereinbarungen bleiben unberührt.


    8.4. Bedenkenmitteilung und Folgen

    82
    Hält der Auftraggeber die mitgeteilten Bedenken nach Prüfung nicht für berechtigt und verlangt er weiterhin die (nach § 2 Ziff. 1 VOL/B zulässige) Leistungsänderung, so kommt es zu diesen Konsequenzen:
    - Die Leistungsänderungen werden Vertragsinhalt.
    - Der Auftraggeber trägt die Verantwortung für seine Angaben und Anordnungen bzw. der Folgen.
    - Der Auftragnehmer hat die Leistungsänderungen auszuführen, sofern er keine sachlichen Gründe für eine Ablehnung nachweisen kann (z.B. gesetzwidrige Vorgehensweise, unerlaubte Handlungen nach §§ 823 ff. BGB, strafbare Handlungen, Gefährdung von Rechtsgütern etc.).
    - Die mit der Leistungsänderung verbundenen Auswirkungen für Preise, Termine und sonstige Vertragspunkte sind einvernehmlich und unverzüglich zu treffen.
    - Der Auftragnehmer wird von seinen Gewährleistungspflichten frei, sofern ein Mangel auf die Leistungsänderung zurückzuführen ist, sofern der Auftraggeber die Leistungsänderung trotz der Bedenkenäußerung des Auftragnehmers angeordnet hat (vgl. § 2 Nr. 2 bzw. § 14 Nr. 2 VOL/B).

    83 Diese Punkte scheinen auf den ersten Blick sehr klar zu sein. Problematisch ist jedoch vor allem der Fall, daß sich die Parteien über eine zulässige Änderung hinsichtlich der neuen Preise und Termine nicht einigen. Liegen hier eindeutige Kalkulationsgrundlagen für den neuen Preis und die Termine vor, so liegt eine Nebenpflichtverletzung vor, wenn ein Teil dieser Vereinbarung nicht zustimmt. Insofern kommen Ansprüche nach als gewohnheitsrechtlich anerkannten positiven Vertragsverletzung in Betracht. Diese können sich auf Schadensersatz richten. Ferner sind Rechte einer Seite möglich, den Vertrag bei schwerwiegenden Vertragsverletzungen einer Seite (z.B. Verlangen eines überhöhten Preises und Erklärung, die Arbeiten nicht auszuführen) fristlos zu kündigen.

    Vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl., 2000, § 276 Rdnr. 123 ff.

    Ein solcher Verlauf, bei dem letztlich der Gang vor die Gerichte die Folge sein wird, um "Ansprüche" durchzusetzen, ist im Grunde sehr unbefriedigend. Daher ist es geboten, für den Fall der Änderung auch ein Konfliktregelung vorzusehen, wie sie etwa in den BVB-Planung (§ 3 Nr. 1 Abs. 4: Keine Einigung innerhalb von 21 Tagen: Weiterführung wie bisher oder Kündigung mit den in § 649 BGB enthaltenen Folgen).
    Die Vertragsparteien müssen sich bereits bei Angebotsabgabe und Zuschlag über potentielle Änderungen im Klaren sein. Wird hierfür keine Vorsorge getroffen, so wird und muß es zum Streit sowie auch gegebenenfalls zur Blockade eines Projekts kommen.


    8.5. Eigenmächtige, nicht bestellte Leistungen des Auftragnehmers

    84
    § 2 Ziff. 4 VOL/B ähnelt der Bestimmung des § 2 Nr. 8 VOB/B.
    Im Grunde geht es hier darum, was vertraglich vereinbart ist. Einseitige Vertrags- bzw. Leistungsänderungen kommen grundsätzlich nicht Betracht.

    Allenfalls kann es sich nach § 2 Ziff. 1 und 2 VOL/B um einen Änderungsanspruch unter bestimmten Voraussetzungen mit der Pflicht zur einvernehmlichen Vertragsanpassung (Termine, Preise etc.) handeln. Diese Fälle sind aber gerade dadurch gekennzeichnet, daß ein entsprechender Änderungsanspruch geltend gemacht wird und es sodann zur Auftragserteilung kommt.
    Fehlt ein Auftrag, so kommen an sich die §§ 677 ff BGB (Geschäftsführung ohne Auftrag - GOA) zur Anwendung. Dort ist zwischen berechtigter und unberechtigter GOA zu unterscheiden.
    Bei einer berechtigten GOA entsteht ein auftragsähnliches gesetzliches Ausgleichsverhältnis. Insbesondere bei einer Geschäftsführung im Willen und im Interesse des Geschäftsherrn hat der Auftragnehmer als "Geschäftsführer ohne Auftrag" Ansprüche gegen den Auftraggeber als Geschäftsherrn" Aufwendungs- und Schadensersatzansprüche (vgl. § 683 BGB).

    Hierzu Jauernig/Vollkommer, BGB, 8. Aufl., 1997, § 683 Rdnr. 6; auch BGH NJW 1993, 2235; allgemein im übrigen hierzu Esser/Weyers, Schuldrecht II, BT, 7. Aufl., 1991, § 46; auch Palandt-Thomas, BGB, 59. Aufl., 2000, § 683 Rdnr. 8, 9.

    85 Diese Ansprüche auch für den Fall berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag werden hier durch die Klausel abbedungen. Daran ändert auch nichts, daß der Auftraggeber die Leistung nachträglich akzeptiert, mithin sich mit dem Auftragnehmer z.B. über Konditionen und Preis einigt; denn das wiederum kann nur der Auftraggeber auslösen, nicht jedoch der Auftragnehmer. Auch § 2 Ziff. 4 Abs. 2 VOL/B kann eine Angemessenheit der Klausel nicht begründen; denn auch hier werden wiederum nur "weitergehende Ansprüche" des Auftraggebers, nicht jedoch Ansprüche des Auftragnehmers genannt. Das Abbedingen wesentlicher Ansprüche eines gesetzlichen Schuldverhältnisses, nämlich der GOA, begründet erhebliche Bedenken, m.E. die Unwirksamkeit nach § 9 AGBG.

    Das Problem behandelnd, aber offensichtlich keine Bedenken annehmend Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 2 Rdnr. 48 ff; vgl. ferner z.B. Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., 1996, B § 2 Rdnr. 351 ff.

    Hinzuweisen ist insofern auf § 2 Ziff. 8 Abs. 2 und 3 VOB/B, die zum einen Vergütungsanspruch vorsehen, "wenn die Leistungen für die Erfüllung des Vertrags notwendig waren, dem mutmaßlichen willen des Auftraggebers entsprachen und ihm unverzüglich angezeigt wurden." Im übrigen läßt die Vorschrift die §§ 677 ff BGB über die GOA unberührt. Das hat seinen Grund letztlich darin, daß diese Fassung der VOB/B eine Unwirksamkeit nach § 9 AGBG vermeidet (die Besonderheiten der Inhaltskontrolle der VOB/B einmal außer Acht lassend).

    86 Diese Grundsätze gelten im Grunde sowohl für die ausdrücklich nicht bestellten, also zusätzlichen Leistungen, sondern auch für die "eigenmächtigen Abweichungen vom Vertrag", mithin um die eigenmächtigen Änderungen der Vertragsleistung. Hierbei wird zum einen nicht unterschieden zwischen erheblichen und nicht oder weniger erheblichen Abweichungen. Folglich kann jede Abweichung nach dem Wortlaut bereits zum Vergütungsverlust führen, wenn der Auftraggeber die Leistung nicht akzeptiert. In der Literatur wird hierzu ausgeführt:
    "Nicht jede unbeachtliche Abweichung wird unter B § 2 Nr. 4 fallen. Allerdings wird man im Hinblick auf eine vertragsgemäße Erfüllung in diesem Zusammenhang einen sehr strengen Maßstab anlegen müssen, insbesondere, wenn es sich um eine Abweichung von zugesicherten Eigenschaften handelt."

    Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 2 Rdnr. 48.

    Das steht in krassem Gegensatz zu dem durch die Rechtsprechung erarbeiteten Grundsatz der geltungserhaltenden Reduktion, nach dem eine mit dem AGBG unvereinbare Klausel nicht auf den gerade noch zulässigen Inhalt zurückgeführt und insoweit aufrechterhalten werden darf. Nur dann, wenn die sich mit der Unwirksamkeit der Klausel ergebende Lücke sich nicht durch positives Recht füllen läßt und dies zu unbilligen, beiderseitigen Interessen nicht gerecht werdenden Ergebnis führt, kann eine ergänzende Vertragsauslegung erfolgen.

    BGH NJW 1998, 671; hierzu Heinrichs NJW 1998, 1447, 1454, mwNachw.

    87 M.E. ist die Klausel nichtig. Die Grundsätze der GOA können folglich eingreifen, so daß auch bei nicht bestellten und eigenmächtigen Leistungen des Auftragnehmers bei Vorliegen der Voraussetzungen (berechtigte GOA z.B. im Fall des Verzugs) Ansprüche auf Aufwendungs- bzw. Schadensersatz bestehen können.
    Das hat auch Auswirkungen für die in § 2 Ziff. 4 S. 2 VOL/B enthaltene Pflicht zur Beseitigung nicht bestellter bzw. eigenmächtiger Leistungen.
    Fraglich ist hier, ob es sich um eine teilbare Klausel handelt, bei der nach der Rechtsprechung der wirksame Teil bestehen bleibt.

    Vgl. BGH NJW 1997, 3437; Heinrichs, NJW 1998, 1447, 1452.

    M.E. ist freilich hier Nichtigkeit der ganzen Klausel gegeben, so daß die Grundsätze der GOA (Geschäftsführung ohne Auftrag) eingreifen. Das bedeutet, daß der Auftragnehmer bei berechtigter GOA (im wirklichen oder mutmaßlichen Interesse des Auftraggebers) Ersatz der Aufwendungen sowie gegebenenfalls auch Schadensersatz verlangen kann (vgl. § 683 BGB). Handelt es sich um eine unberechtigte GOA so greift nach § 684 BGB die Rechtsfolge der §§ 812 ff BGB, sofern nicht der Auftragggeber die Leistung nachträglich genehmigt, was zum Anspruch auf Aufwendungs- bzw. Schadensersatz nach § 683 BGB führt.

    Vgl. hierzu Jauernig/Vollkommer, BGB, 8. Aufl., 1997, § 684 Rdnr. 1 (str.).

    In der Literatur zur VOL/B wird dies verkannt, wenn die Abbedingung eines Anspruchs auf Aufwendungen nach § 683 BGB bedenkenlos für zulässig gehalten wird.

    Daub/Eberstein, VOL/B, § 2 Rdnr. 49.

    88 Hierbei wird verkannt, daß z.B. in der § 2 Ziff. 8 Abs. 2 VOB/B ein Anspruch auf Vergütung bei berechtigter GOA besteht. In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob - von der fehlenden Praktikabilität abgesehen (Wer läßt schon eine Leistung, die in seinem Interesse liegt und die er zu vergüten hat, beseitigen ?) - der Auftragnehmer die Leistung in allen Fällen zur Beseitigung der Leistung verpflichtet ist und ob dies unabhängig von dem Anspruch auf Aufwendungsersatz besteht. Wenn die Geschäftsführung nach § 677 BGB im wirklichen oder mutmaßlichen Interesse des Geschäftsherrn - hier Auftraggeber - liegt, so kann auch eine Beseitigung nicht verlangt werden. Der Auftragnehmer hat vielmehr in diesen Fällen die Hauptpflicht zur ordnungsgemäßen Durchführung der Leistung. Liegt allerdings ein Fall der unberechtigten GOA vor, so greift § 678 BGB ein, der den Geschäftsführer = Auftragnehmer zur Beseitigung der Leistung etc. verpflichtet. Dem Geschäftsherrn = Auftraggeber steht ein Schadensersatzanspruch zu.

    Vgl. im übrigen zu § 2 Ziff. 8 Abs. 2 VOB/B BGH NJW 1991, 1812 - Unwirksamkeit ; hierzu auch Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl.,, 1996, B § 2 Nr. 8 Rdnr. 366.

    Die Festschreibung eines Beseitigungsanspruchs bzw. das Recht zur Selbsthilfe nach Ablauf einer angemessenen Nachfrist selbst für die Fälle der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag sowie der Wegfall des Anspruchs auf Aufwendungs- bzw. Schadensersatz nach § 683 BGB ist in jedem Fall unangemessen i.S.d. § 9 AGBG.

    Folgt man diesen Ausführungen, so ist § 2 VOL/B in seiner jetzigen Form für den Auftraggeber wertlos. Es empfiehlt sich daher dringend, entsprechende individuellen Festschreibungen vorzunehmen, sofern Änderungen anfallen und erheblich werden können.


    9. Haupt - und Nebenpflichten nach der VOL/B

    89
    Die VOL/B regelt eine Fülle von Nebenpflichten in den Bestimmungen der §§ 3, 4, 6 sowie 10 (Obhutspflichten). Die Hauptpflichten beziehen sich auf die jeweiligen Verträge und deren Ausgestaltungen. Betroffen sind hier nach der Präambel der VOL/B
    Kauf-,
    Werk-
    und Werklieferungsverträge (vgl. §§ 433, 631, 651 BGB).
    Für Verträge über "andere Leistungen" gelten die Bestimmungen der VOL/B entsprechend. Ausgenommen sind Bauleistungen (vgl. § 1 VOL/A), für die die VOB/A und B eingreifen.

    Vgl. insofern Daub/Eberstein, VOL/B, Präambel, Rdnr. 17 ff.

    Die gesetzlichen Bestimmungen, die für Leistungsstörungen gelten, also insbesondere die §§ 323 - 326, 459 ff, 537 ff, 633 ff BGB, beziehen sich grundsätzlich auf die Hauptleistungen.
    Aus Verträgen fließen indessen nicht nur Hauptpflichten, sondern auch in vielen Fällen wichtige Nebenpflichten, deren Verletzung zu schwerwiegenden Folgen führen kann. Insofern mußte die Lücke im gesetzlichen System geschlossen werden. Hierzu entwickelte man das Institut der sog. "Positiven Vertragsverletzung", bei der es schlicht um schuldhafte Nebenpflichtverletzungen sowie um Schlechtleistungen bei Verträgen ohne Gewährleistungsrecht (Dienstverträge, nicht aber Kauf, Werk- und Werklieferungsverträge) sowie die entsprechende Folge, nämlich Schadensersatz und gegebenenfalls auch bei Vorliegen eines wichtigen Grundes (vgl. § 626 BGB) um z.B. eine fristlose Kündigung bei Dauerschuldverhältnissen geht.

    90 Problematisch ist damit die Feststellung von Nebenpflichten, ihre Bejahung, sowie auch ihr Umfang. Beispielhaft sind insofern die "Nebenpflichtenkataloge" der §§ 3, 4 BVB-Planung oder BVB-Erstellung. In diesem Zusammenhang entsteht im Zusammenhang mit § 8 AGBG das Problem, ob derartige Nebenpflichtenkataloge in AGB der Kontrolle nach dem AGBG entzogen sind (kontrollfreie preis- und leistungsbestimmende AGB-Bestandteile) oder ob Nebenleistungskataloge, die über die Beschreibung der Hauptleistung und den Preis hinausgehen, nach den Maßstäben des § 9 AGBG kontrollierbar sind.

    Hierzu Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 8. Aufl., 1998, § 8 Rdnr. 10; vgl. hierzu auch Heinrichs, NJW 1998, 1447, 1453.

    Denkbar ist m.E. durchaus, daß z.B. in AGB die Nebenpflichten unangemessen entgegen der üblichen Erwartung erweitert werden. Ferner kommt auch in Betracht, daß die Nebenpflichten (teils auch die Hauptleistungen) in AGB so unscharf beschrieben werden (vgl. z.B. § 3 Ziff. 2 BVB-Planung), daß die Unklarheitenregel eingreifen kann.

    Auch in den Bestimmungen der VOL/B finden sich neben Klarstellungen hinsichtlich der Leistung zahlreiche Nebenpflichten, was ein Blick in die §§ 3, 4, 10 VOL/B verdeutlicht.


    9.1. Ausführungsunterlagen - § 3 VOL/B

    § 3 - Ausführungsunterlagen

    1. Die für die Ausführung erforderlichen Unterlagen sind dem Auftragnehmer unentgeltlich und rechtzeitig zu übergeben, soweit sie nicht allgemein zugänglich sind.
    2. Die von den Vertragsparteien einander überlassenen Unterlagen dürfen ohne Zustimmung des Vertragspartners weder veröffentlicht, vervielfältigt noch für einen anderen als den vereinbarten Zweck genutzt werden. Sie sind, soweit nichts anderes vereinbart ist, auf Verlangen zurückzugeben.

    91 § 3 Ziff. 1 VOL/B betrifft
    - die erforderlichen (Welche ? Frage des Einzelfalls) und nicht allgemein zugänglichen (z.B. DIN-Normen etc.) Ausführungsunterlagen (objektive Betrachtung)
    - die Pflicht zur unentgeltlichen und rechtzeitigen (Wann ist das der Fall ?) Übergabe.
    Die Vorschrift des § 3 Ziff. 1 VOL/B entspricht weitgehend § 3 Ziff. 1 VOB/B. Allerdings fehlt in der VOB/B die Einschränkung "soweit sie nicht allgemein zugänglich sind."
    Im Grunde geht es freilich um die bei vielen Verträgen wichtigen Mitwirkungspflichten des Auftraggebers, die hier hinsichtlich der Übergabe der notwendigen Ausführungsunterlagen konkretisiert wird. Mitwirkungspflichten werden im BGB nur vereinzelt angeführt.

    Vgl. hierzu Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl., 2000, § 276 Rdnr. 118 - z.B. Verletzung der Mitwirkungspflicht bei der Erstellung von Software BGH CR 1989, 102 = DB 1988, 2249; hierzu ferner Bartl, Harald, Moderne Dienstleistungen und Recht, Rdnr. 145 ff. mwNachw.

    Beispielhaft sind insofern die §§ 642, 643 BGB (Mitwirkung des Bestellers bei Werkverträgen). Neben den in § 643 BGB enthaltenen Möglichkeiten (Rücktritt nach Fristsetzung <angemessen !> und Androhung der Kündigung) kommen hier auch Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung in Betacht. Ferner schließt die Unterlassung der Mitwirkungshandlung den Verzug des Auftragnehmers aus.

    Hierzu Palandt-Sprau, BGB, 59. Aufl., 2000, § 642 Rdnr. 1; BGHZ 50, 175; BGH NJW 1996, 1745 - Verzugsausschluß.

    92 Welche Unterlagen notwendig sind, richtet sich nach objektiven Kriterien. Beurteilt werden kann dies im in der Praxis dadurch, daß man die Frage stellt, ob die Ausführung der Leistung auch ohne die geforderten Unterlagen von einem Unternehmer bei objektiver Betrachtung möglich oder nicht möglich ist.
    Als Test kann darum die Frage dienen, ob ein anderer Unternehmer dieselben Unterlagen verlangen müßte. Das gilt nicht allein für die Unterlage, ihren Inhalt und Umfang, sondern auch für die erforderliche Stückzahl. Maßgeblich sind insofern Leistungsart und -zeit bei individueller Betrachtung des jeweiligen Vertrages. Es kann also keine generelle Vorgabe gemacht werden. Mit Recht wird darauf hingewiesen, daß diese Streitquelle bei der Vertragsabwicklung durch eine Konkretisierung der Übergabepflicht vermieden werden sollte.

    Ingenstrau/Korbion, VOB/B, 13. Aufl., 1996, § 3 Nr. 1 Rdnr. 11; auch Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 3 Rdnr. 12.

    93 Was unter inhaltlichen Aspekten erforderlich ist, ist ebenfalls nach den zuvor behandelten Grundsätzen zu beurteilen. Grundsätzlich müssen die Unterlagen wohl in deutscher Sprache gehalten sein, sofern nicht abweichende Vereinbarungen getroffen werden. Inwiefern Fragen der Ausführlichkeit, Verständlichkeit und Klarheit in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen, ist wohl dahingehend zu beantworten, daß jedenfalls die Ausführung behindernde oder ausschließende unklare, unvollständige oder auch unmögliche Ausführungsarten enthaltende Unterlagen nicht ausreichend sind. Die Unterlagen müssen folglich sämtliche für die termingerechte und ordnungsgemäße Ausführung erforderlichen Angaben enthalten.

    94 Wann das Merkmal der Rechtzeitigkeit der Übergabe erfüllt ist, richtet sich ebenfalls danach, wann ein Auftragnehmer bei objektiver Betrachtung (frühestens und) spätestens die Übergabe vor allem Im Hinblick auf die Ausführungsfristen erwarten kann. Der Auftragnehmer darf insofern nicht in der rechtzeitigen und einwandfreien Ausführung behindert werden. Die Unterlagen müssen zu einem Zeitpunkt übergeben werden, der auch eine entsprechende Vorbereitung des Durchführungsbeginns berücksichtigt.

    Vgl. Ingenstau/Korbion, VOB/B, 16. Aufl., 1996, § 3 Nr. 1 Rdnr. 14; ferner Daub/Eberstein, VOL/B, § 3 Rdnr. 15.

    Auch in diesem Zusammenhang empfiehlt sich eine konkrete Festlegung im Vertrag; denn insofern kann natürlich ebenfalls Streit über den/die Zeitpunkte entstehen.

    95 Die Unentgeltlichkeit gebietet es, daß der Auftragnehmer mit keinerlei Kosten oder Aufwand konfrontiert wird, soweit es um die erforderlichen Unterlagen sowie die entsprechende Stückzahl geht. Das gilt m.E. auch für Versandkosten etc.
    Was notwendig ist, wann der Übergabezeitpunkt gegeben ist und welche Kosten gegebenenfalls für Ausführungsunterlagen entstehen, kann in Vereinbarungen - auch abweichend - von den oben dargelegten Grundsätzen festgelegt werden. Die Klausel ist nicht zwingend. Im sachlich besonders gelagerten Einzelfall kann folglich eine abweichende Regelung - abgesehen von der empfehlenswerten Konkretisierung der Pflichten - getroffen werden. Es heißt zwar in der Klausel "sind dem Auftragnehmer ...zu übergeben." Das spricht für eine zwingende Bestimmung/Vorgabe. Allerdings wird man wohl eine besondere Vereinbarung zulassen, da der Auftraggeber dem Auftragnehmer ja auch die Erarbeitung der Unterlagen gegen Vergütung in Auftrag geben kann und er diese vergüten müßte. Wenn folglich bestimmte Unterlagen für den Auftragnehmer über den auszuführenden Auftrag hinaus (trotz der Pflichten nach § 3 Ziff. 2 VOL/B) für den Auftragnehmer einen "Wert" haben (Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, know how, von Dritten erworbene Leistungen etc.), so ist wohl trotz des Wortlauts der Klausel eine individuelle Vereinbarung einer Vergütung (Leistungsbeschreibung/Verdingungsunterlagen) nicht ausgeschlossen.

    So wohl auch Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 3 Rdnr. 14, mwNachw.

    96 Die Schranke der Übergabepflicht hinsichtlich "allgemein zugänglicher Unterlagen" ist an sich lediglich klarstellend. Wenn nämlich allgemein zugängliche Unterlagen betroffen sind, so ist deren Übergabe für den Auftragnehmer zur Ausführung des Auftrags nicht erforderlich. Er kann vielmehr in diesen Fällen den Auftrag auch ohne die Übergabe durch den Auftraggeber ausführen. Das bedeutet, daß diesen Auftrag insofern nicht nur der konkrete Unternehmer ausführen kann, sondern auch jeder andere Unternehmer, der ebenfalls auf diese Unterlagen etc. zugreifen, weil diese z.B. in Amtsblättern oder sonstigen allgemein greifbaren Veröffentlichungen enthalten sind. Was allgemein zugänglich ist, richtet sich nach den üblichen Einrichtungen eines Durchschnittsunternehmers zum jeweiligen Zeitpunkt. Hierüber kann natürlich Streit bestehen, sofern es um Veröffentlichungen geht, die nur z.B. im Internet enthalten sind. Muß der Unternehmer einen entsprechenden Anschluß haben ? Reicht es aus, daß er die Möglichkeit hat, z.B. den Anschluß eines Dritten für seine eigene Unterrichtung zu nutzen ? Man möchte das bejahen. Ebenso wird man dies für die Fälle bejahen, in denen z.B. öffentlich zugänglich Bibliotheken die entsprechenden Unterlagen bereithalten. Das gilt auch dort, wo bestimmte Behörden, Institutionen nach Abforderung die entsprechenden Unterlagen übersenden oder es sich üblicherweise um Vorschriften/Vorgaben/Anweisungen handelt, die üblicherweise ein entsprechender Auftragnehmer ständig benötigt, um seine Aufträge in einer bestimmten Branche zu erfüllen (DIN-Normen, EU-Normen, Prüfzeichen etc.).
    Nicht zu den Unterlagen gehören gesetzliche Bestimmungen (Verordnung über Bildschirmarbeitsplätze, Verpackungsverordnung, kommende Elektronic-Schrott-Verordnung - EG-Richtlinie etc.). Diese müssen dem Auftragnehmer als Fachmann ohnehin bekannt sein. Im übrigen sind sie natürlich infolge der Bekanntmachung/Verkündung allgemein zugänglich.

    97 In § 3 Nr. 1 VOL/B wird der Fall nicht geregelt, welche Rechtsfolge sich ergibt, wenn der Auftraggeber seine Übergabepflichten nicht ordnungsgemäß und rechtzeitig erfüllt.

    Insofern sieht die VOL/B in den Bestimmungen des
    - § 5 (Behinderung und Unterbrechung)
    - sowie in § 9 Ziff. 2 und 3 (Verzug des Auftraggebers, Lösung des Vertrags durch den Auftragnehmer)
    entsprechende Folgen vor, die den Auftragnehmer schützen. Der Ablauf stellt sich bei Pflichtverletzungen wie folgt dar:
  • · Anzeige der Behinderung
  • · und Unterbrechung
    "Glaubt sich der Auftragnehmer  
    ...behindert" - subjektive Sicht  
    • unverzügliche schriftliche Anzeige
     
    nicht offenkundiger Tatsachen  
    nicht vom Auftragnehmer zu vertretende
    • Unterlassen einer
    Umstände (vgl. § 5 Ziff. 2 VOL/B - Mitwirkungspflicht
    "höhere Gewalt" etc.): durch Auftraggeber
    • "angemessene Verlängerung der
    ohne Verschulden
    Ausführungsfristen" mit der Folge der Unmög-
    • schriftliche Anzeige des Wegfalls der
    lichkeit der Leistung durch
    "hindernden Umstände" Auftragnehmer
    • Behinderung länger als drei Monate
    • Fristsetzung(angemessen !)
    nach Behinderungsanzeige/Eintritt und Androhung des Kündi-
    des "offenkundigen Ereignisses" gungsvorbehalts
    • Schriftliches Kündigungs-/
    • Abrechnung bewirkter
    Rücktrittsrecht für beide Parteien Leistungen des Auftragneh-
    binnen 30 Tage nach Ablauf mers - angemessene Ent-
    der drei Monate schädigung nach § 642 II BGB
     
    • Schuldhafte Verletzung der
      Mitwirkungspflichten
      - Ansprüche nach §§ 324, 552, 649 BGB
      - Ansprüche aus positiver
      Vertragsverletzung: Schadensersatz
      - Gläubigerverzug (§§ 293 ff BGB)
      - Ansprüche aus § 326 BGB
      - Fristlose Kündigung wegen
      wichtigen Grundes (vgl. § 626 BGB).

    98 Erfüllt der Auftraggeber die entsprechenden Mitwirkungspflichten folglich nicht, so muß er damit rechnen, daß der Auftragnehmer Behinderung und Unterbrechung nach § 5 VOL/B anzeigt - mit den dort vorgesehenen möglichen Folgen. Ferner kann der Auftragnehmer den Weg nach § 9 Ziff. 2. und 3 VOL/B zu verweisen. Im übrigen kommen die weiteren Möglichkeiten wegen schuldhafter Verletzung der Mitwirkungspflicht in Betracht (vgl. auch u. die Ausführungen zu § 5 und 9 VOL/B).
    Die generalklauselartige Formulierung kann, wie erwähnt, bei fehlender Konkretisierung zu Streit führen. Beide Seiten haben hier die Möglichkeit, sich angebliche rechtliche Positionen aufzubauen, wenn sie z.B. nicht leistungsfähig oder -willig sind.
    Die Parteien sind daher gehalten, speziell die Vergabestelle bei Erstellen der Leistungsbeschreibung bzw. der Verdingungsunterlagen, diese Pflicht so weit wie möglich zu konkretisieren, mithin Umfang der Unterlagen, Mindestinhalt, Anzahl etc. sowie Zeitpunkt der Übergabe eindeutig festzulegen.

    9.2. Nutzung und Rückgabe der Unterlagen - § 3 Ziff. 2 VOL/B
    99
    Die Pflicht insbesondere zur Nutzung innerhalb des vertraglichen Zwecks etc. stellt ebenfalls eine wichtige Nebenpflicht dar, deren Verletzung zu Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen führen kann. Das gilt auch für die Pflicht zur Rückgabe auf Verlangen. Mit urheberrechtlichen Ansprüchen hat diese Frage grundsätzlich nichts zu tun, da hier ein vertragliches Schuldverhältnis anzutreffen ist, bei dem sich Nutzungszweck und -umfang nach den vertraglichen Vereinbarungen bzw. bei deren Fehlen nach dem Vertragszweck richten.

    Vgl. hierzu Schack, Haimo, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 1997, Rdnr. 546 ff. Der Hinweis auf das Urheberrecht von Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 3 Rdnr. 18, ist insofern nicht verständlich.

    Wenn die Leistung urheberrechtlichen Schutz (Voraussetzung: "persönlich geistige Schöpfung" - vgl. § 2 I UrhG) genießt, so verbietet sich eine vertragszweckwidrige Nutzung durch Vertragspartner ebenso wie eine unberechtigte Nutzung durch weitere Personen. Unabhängig von dem Vorliegen eines urheberrechtlich geschützten Werks (persönliche Schöpfung, geistiger Gehalt, Formgebung, individuelle Gestaltung etc.) muß sich der Auftragnehmer an den vereinbarten Nutzungsumfang halten und darf folglich ohne Zustimmung des Auftraggebers die Unterlagen
    - nicht veröffentlichen,
    - nicht vervielfältigen
    - und nicht außerhalb des vereinbarten Zwecks nutzen.

    100 Die entsprechende Pflichtverletzung begründet ebenfalls Schadensersatzansprüche nach den Grundsätzen der Positiven Vertragsverletzung.
    Daneben kommen Ansprüche nach § 985 BGB bzw. auch nach dem Urheberrechtsgesetz (Auskunft, Unterlassung und Schadensersatz) in Betracht. Das Eigentum an den belassenen Unterlagen wird durch die Überlassung nicht verändert. § 3 Ziff. 2 VOL/B behandelt m. E. die Eigentumsfrage ebensowenig wie die urheberrechtlichen Fragen. Es ist in § 3 Ziff. 2 VOL/B auch nicht vom Urheber die Rede (vgl. § 3 Ziff. 6 Abs. 1 VOB/B), sondern vom Vertragspartner. Übertragen wird folglich lediglich der Besitz (vgl. § 854 BGB) an den Unterlagen. Das Besitzrecht (vgl. § 986 BGB) erlischt, sofern die Unterlagen herausverlangt werden.
    Fraglich ist, wie zu verfahren ist, wenn der Auftraggeber die Rückgabe nicht verlangt. Fraglich ist ferner, ob und wie lange der Auftragnehmer die Unterlagen aufzubewahren hat. Klar ist die Lage allenfalls, wenn der Auftraggeber entsprechende Erklärungen abgibt. Dann ist der Auftragnehmer zur Rückgabe verpflichtet. Denkbar sind Verzugsansprüche (vgl. § 286 BGB) sowie Ansprüche auf Schadensersatz wegen positiver Forderungsverletzung. Das gilt auch in den Fällen, in denen der Auftragnehmer die Unterlagen nicht geschützt aufbewahrt hat, diese vernichtet oder beschädigt werden und folglich eine Herausgabe nicht mehr möglich ist.

    101 Für die Aufbewahrungspflicht ist zu beachten, daß eine unbegrenzte Pflicht sicherlich nicht in Betracht. Erfolgt kein Abruf der Unterlagen innerhalb angemessener Zeit, so wird der Auftragnehmer berechtigt sein, die Unterlagen zu vernichten, wenn ihm die Aufbewahrung nicht mehr zumutbar ist. Allerdings wird in diesen Fällen die Pflicht zur Information des Auftraggebers vor diesem Schritt und seiner Ankündigung erforderlich sein. Das ist dem Auftragnehmer als Nebenpflicht nach Treu und Glauben (vgl. § 242 BGB) auferlegt. Die Pflicht läßt sich aus Vertrag sowie aus der allgemeinen Pflicht zum Schutz des fremden Eigentums herleiten.

    Vgl. Palandt-Bassenge, BGB, 59. Aufl., 2000, Vorbem v § 987 Rdnr. 6; vgl. ferner etwa BGH NJW 1982, 2304 - §§ 604, 667 BGB; ferner z.B. bei unbestellter Ware Schwung JUS 1985, 449; Roth JUS 1997, 518.

    102 Fraglich ist ferner, wie und wo die Rückgabe zu erfolgen hat und wer die Kosten der Rückgabe zu tragen hat, wenn der Auftraggeber die Rückgabe verlangt. Da es sich um gegenseitig überlassene Unterlagen handeln kann, ist anzunehmen, daß jeder Teil die Rückgabeverpflichtung hinsichtlich der erhaltenen Unterlagen einschließlich der damit entstehenden Kosten zu tragen hat. Fraglich ist indessen, ob diese Klausel nicht gegen § 9 AGBG verstößt, da sie in besonders gelagerten Fällen zu einem erheblichen Aufwand führen kann. Daneben ist auch zu beachten, daß man die Kostenfrage in die Klausel hätte aufnehmen können - als Verwender dieser AGBG-Klausel. Wie an anderer Stelle auch, bestehen insofern gegen die Klausel Bedenken, so daß man wohl davon auszugehen hat, daß der jeweils die Rückgabe fordernde Teil die Kosten der Rückgabe zu tragen hat, da diese Frage nicht ausdrücklich und eindeutig geregelt ist.
    Ein weiteres Problem ist darin zu sehen, daß im Fall des Verzichts auf Rückgabe durch eine der beiden Vertragsparteien Aufbewahrungs- oder Vernichtungs-kosten entstehen können. Damit hängt auch die Frage zusammen, ob derjenige Teil, der die Unterlagen in Besitz hat, berechtigt ist, die Rücknahme durch den Eigentümer zu verlangen. Diese sämtlichen Fragen regelt die Klausel des § 2 Ziff. 2 VOL/B nicht. Entsprechende Pflichten zur Aufbewahrung innerhalb angemessener Zeit, zur Information über das weitere Vorgehen des Eigentümers oder Besitzers (Rückgabeverlangen, Rücknahmeverlangen, Vernichtungsan-kündigung auf Kosten des anderen Teils etc.) sollten zumindest bei umfangreichen Unterlagen durch eine konkrete Vereinbarung eindeutig geklärt werden. Andernfalls ist auch hier der Streit vorprogrammiert.

    103 Schließlich ist auch zu klären, ob und zu welchen Konditionen der jeweilige Teil ein Rückgaberecht , also nicht nur eine vom Verlangen des anderen Teils abhängige Rückgabepflicht hat. Auch dieses Recht läßt sich allenfalls aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) für den jeweiligen Einzelfall begründen. Ist die Aufbewahrung z. B. infolge der anfallenden erheblichen Kosten für den betroffenen Teil nicht zumutbar, so ist ihm nach allgemeinen Grundsätzen ein Rückgaberecht zuzubilligen, dem eine Rücknahmepflicht entspricht. Wird in diesem Fall die Rücknahmepflicht verletzt, so stehen dem anderen Teil Schadensersatzansprüche zu, die z.B. durch die Kosten für die Vernichtung entstehen können.
    Wird die Rückgabe der Unterlagen nicht verlangt, so kann der Auftragnehmer bzw. Auftraggeber sie gleichwohl ohne Zustimmung z.B. für einen anderen Auftrag etc. nicht nutzen. Fraglich ist, ob es bei Nichtverlangen der Rückgabe nach Aufforderung nicht treuewidrig ist, dem Besitzer der Unterlagen die Nutzung nur im Rahmen des jeweiligen Vertragszwecks zu gestatten, ihn also zun zwingen, die Unterlagen aufzubewahren, gleichwohl nicht zu nutzen. Das dürfte treuewidrig sein und letztlich dazu führen , daß der Besitzer der Unterlagen diese nutzen kann - über den Vertragszweck hinaus.




    9.3. Ausführung der Leistung - Obhutspflichten
    104
    Weitere Klarstellungen und Nebenpflichten sind teils in § 4 sowie in § 10 VOL/B enthalten.
    § 4 - Ausführung der Leistung
    1. (1) Der Auftragnehmer hat die Leistung unter eigener Verantwortung nach dem Vertrag auszuführen. Dabei hat er die Handelsbräuche, die anerkannten Regeln der Technik sowie die gesetzlichen Vorschriften und behördlichen Bestimmungen zu beachten.
    (2) Der Auftragnehmer ist für die Erfüllung der gesetzlichen, behördlichen und berufsgenossenschaftlichen Verpflichtungen gegenüber seinen Arbeitnehmern allein verantwortlich. Es ist ausschließlich seine Aufgabe, die Vereinbarungen und Maßnahmen zu treffen, die sein Verhältnis zu seinen Arbeitnehmern regeln.
    2. (1) Ist mit dem Auftraggeber vereinbart, daß er sich von der vertragsgemäßen Ausführung der Leistung unterrichten kann, so ist ihm innerhalb der Geschäfts- oder Betriebsstunden zu den Arbeitsplätzen, Werkstätten und Lagerräumen, in denen die Gegenstände der Leistung oder Teile von ihr hergestellt oder die hierfür bestimmten Stoffe gelagert werden, Zutritt zu gewähren. Auf Wunsch sind ihm die zur Unterrichtung erforderlichen Unterlagen zur Einsicht vorzulegen und die entsprechenden Auskünfte zu erteilen.
    (2) Dabei hat der Auftraggeber keinen Anspruch auf Preisgabe von Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnissen des Auftragnehmers.
    (3) Alle bei der Besichtigung oder aus den Unterlagen und der sonstigen Unterrichtung erworbenen Kenntnisse von Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnissen sind vertraulich zu behandeln. Bei Mißbrauch haftet der Auftraggeber.
    3. Für die Qualität der Zulieferungen des Auftraggebers sowie für die von ihm vereinbarten Leistungen anderer haftet der Auftraggeber, soweit nichts anderes vereinbart ist. Der Auftragnehmer hat die Pflicht, dem Auftraggeber die bei Anwendung der verkehrsüblichen Sorgfalt erkennbaren Mängel der Zulieferungen des Auftraggebers und der vom Auftraggeber vereinbarten Leistungen anderer unverzüglich schriftlich mitzuteiIen. Unterläßt er dies, so übernimmt er damit die Haftung.
    4. Der Auftragnehmer darf die Ausführung der Leistung oder wesentlicher Teile davon nur mit vorheriger Zustimmung des Auftraggebers an andere übertragen. Die Zustimmung ist nicht erforderlich bei unwesentlichen Teilleistungen oder solchen Teilleistungen, auf die der Betrieb des Auftragnehmers nicht eingerichtet ist. Diese Bestimmung darf nicht zum Nachteil des Handels ausgelegt werden.

    § 10 - Obhutspflichten
    Der Auftragnehmer hat bis zum Gefahrübergang die von ihm ausgeführten Leistungen und die für die Ausführung übergebenen Gegenstände vor Beschädigungen oder Verlust zu schützen.




    9.3.1. Eigen- und Alleinverantwortlichkeit - § 4 Ziff. 1 VOL/B

    105
    § 4 Ziff. 1 VOL/B beschreibt einen allgemein gültigen Grundsatz, wonach der Auftragnehmer die Leistung unter eigener Verantwortung nach dem Vertrag auszuführen hat. Ergänzt wird dieser Grundsatz § 4 Ziff. 4 VOL/B durch das grundsätzlich bestehende Übertragungsverbot, mithin das Gebot der Eigenleistung des Auftragnehmers.
    Die Verantwortlichkeit des Auftragnehmers bezieht sich auf Beginn, Ausführung und Leistungsergebnis einschließlich der Haftung für die Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB). Das ist an sich nichts Besonderes, sondern gilt allgemein.

    Vgl. Daub/Eberstein, VOL/B, § 4 Rdnr. 30; auch Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., 1996, B § 4 Nr. 2 Rdnr. 105.

    Das ergibt sich aus zahlreichen Bestimmungen, die sich auf Leistungsstörungen und Folgen beziehen (vgl. §§ 286, 326, 323 - 325, 459, 537, 633, 276, 278 BGB). Ferner folgt dies ja aus den einzelnen Klauseln der VOL/B (vgl. §§ 7 , 8, 13, 14 VOL/B).
    Die Klausel des § 4 Ziff. 1 VOL/B konkretisiert die entsprechenden Eigenverpflichtungen dahingehend, daß
    - Handelsbräuche,
    - anerkannte Regeln der Technik,
    - gesetzliche Vorschriften
    - sowie behördliche Bestimmungen
    zu beachten sind.


    9.3.2. Handelsbräuche
    106
    Handelsbräuche (vgl. § 346 HGB: "im Handelsverkehre geltende Gewohnheiten und Gebräuche") gelten grundsätzlich entweder unter allen Kaufleuten oder speziell zwischen Zugehörigen bestimmter Branchen. Dabei ist zu fragen, ob z.B. ein Auftragnehmer, der der Branche X mit dem Handelsbrauch Y zugehörig ist, im Verhältnis zum Auftraggeber an diesen an sich speziellen Handelsbrauch gebunden ist, mithin der Auftraggeber wie ein Branchenzugehöriger betrachtet wird. Ferner ist zu fragen, ob dies sodann auch hinsichtlich weiterer Pflichten nach diesem Handelsbrauch nicht nur für den Auftragnehmer, sondern auch für den Auftraggeber gilt. So gilt zwischen Hoteliers und Reiseveranstalter/Reisevermittler z.B. im Gruppengeschäft der Handelsbrauch, daß er Veranstalter bestellte Hotelzimmer drei/vier Wochen vor Gruppenankunft an den Hotelier kostenlos zurückgeben darf. Wenn die öffentliche Hand nunmehr Leistungen nach der VOL/A vergibt bzw. der VOL/B abwickelt, insbesondere z.B. bei einem Hotelier 50 Zimmer für eine Fortbildungsveranstaltung einbucht, stellt sich die Frage, ob hier der entsprechende Handelsbrauch auch eingreift, obwohl nur der Hotelier zu den betroffenen Kreisen gehört. Wäre dies der Fall, so wäre hier einseitig auf den Auftragnehmer abzustellen. Das wäre u.U. ein Bonus für den einen oder anderen Auftragnehmer, da sich in diesem Fall der für ihn geltende Handelsbrauch vorteilhaft im Verhältnis auch zur Vergabestelle auswirken könnte.

    107 Die Auslegung der Klausel hätte in diesen Fällen für die öffentliche Hand u.U. schwerwiegende Nachteile, weil sie an den Handelsbrauch gebunden wäre, auch wenn sie von diesen keine Kenntnis hat.

    Hierzu Baumbach/Hopt, HGB, 29. Aufl., 1995, § 346 Rdnr. 8; vgl. zum Handelsbrauch zwischen Hotelier/Veranstalter/Vermittler Bartl, Harald, Verträge mit dem Hotelier, 2.Aufl., 1991, Rdnr. 35; vgl. ferner OLG Frankfurt BB 1996, 1187 = WM 1986, 838.

    Der allgemeine Handelsbrauch (Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben) dürfte in diesem Zusammenhang keine Bedeutung erhalten, da insofern hinsichtlich des Vertragsschlusses die VOL/A maßgeblich ist und im Grunde diese Gestaltung nicht in Betracht kommt.

    Zum kaufmännischen Bestätigungsschreiben vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 57. Aufl., 1998, § 148 Rdnr. 8 ff.

    Wenn es richtig ist, daß die Handelsbräuche des Auftragnehmers von dem Auftragnehmer zu beachten sind, so ergeben sich hier vor allem dort erhebliche Probleme, wo es sich um Bräuche handelt, die wie die Trade Terms z.T. Handelsbrauch sind.

    Zu diesen Problemen vgl. Baumbach/Hopt, HGB, 29. Aufl., 1995, § 346 Rdnr. 15. Hinzuweisen ist ferner auf Daub/Eberstein, VOL/B, § 4 Rdnr. 33, freilich das Problem nicht klar herausarbeitend.

    108 Gewerbeüblichkeit und Handelsbrauch sind nicht identisch. Mit Recht wird darauf hingewiesen, daß die Leistung entsprechend der Auslegung des Vertrages auch "gewerbeüblich" zu erbringen sein kann. Dies bedeutet, daß die Auslegung des Vertrages hinsichtlich Ausführung oder auch Leistungsergebnis spezielle zusätzliche Anforderungen oder auch geringere Anforderungen ergeben kann. Mit Recht wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, diese "Auslegungsprobleme" (vgl. § 157 BGB) durch klare Vereinbarungen zu beseitigen, was bei der öffentlichen Hand vor allem durch die Leistungsbeschreibung/Verdingungsunterlagen geschehen wird.

    Vgl. hierzu Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., 1996, Einleitung Rdnr. 32 ff., speziell Rdnr. 34.

    Die Bestimmung des § 4 Ziff. 1 Abs. 1 S. 2 VOL/B wirft daher auch insofern mehr Fragen als Antworten auf.

    Will der Auftragnehmer die Verantwortlichkeit ausschließen, so bedarf dies zum einen besonderer Voraussetzungen sowie entsprechender Aktivitäten des Auftragnehmers. Dazu gehören die Fälle:
    - Änderungsverlangen des Auftraggebers - Bedenkenmitteilung - vgl. § 2 Ziff. 1 - 3 VOL/B
    - Zulieferung des Auftraggebers- Überprüfung auf erkennbare Mängel - unverzügliche schriftliche Mitteilung - § 4 Ziff. 3 VOL/B
    - vom Auftraggeber vereinbarte Drittleistungen - - Überprüfung auf erkennbare Mängel - unverzügliche schriftliche Mitteilung - vgl. § 4 Ziff. 3 VOL/B.


    9.3.3. Anerkannte Regeln der Technik

    109
    Anerkannte Regeln der Technik stellen die herrschende Meinung unter den technischen Praktikern dar. Das bedeutet, daß Sondermeinungen, abweichende oder vereinzelt vertretene Ansichten in diesem Zusammenhang keine Berücksichtigung finden.

    Vgl. hierzu Bartl, Harald, Moderne Dienstleistungen, 1998, 359; auch Bartsch, Michael, Software und das Jahre 2000, 1998, s. 61; vgl. z.B. BGH BauR 1987, 577; ferner Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., 1996, § 4 Nr. 2 Rdnr. 144, mwNachw. Auch Daub/Eberstein, VOL/B, § 4 Rdnr. 35: anerkannte Regeln der Technik: ""als theoretisch richtig anerkannt ... und in der Praxis bewährt..."

    Dieser Begriff ist vom Stand der Technik (= technisch notwendig, geeignet, angemessen und vermeidbar) sowie vom Stand von Wissenschaft und Technik (= neueste wissenschaftlichen Erkenntnisse) zu unterscheiden.

    Vgl. Bartsch, Chrsitoph, Software und das Jahr 2000, S. 61 mwNachw.

    Es liegt auf der Hand, daß diese Frage nach Leistungsart etc. zu beurteilen ist, was im Regelfall erhebliche Schwierigkeiten und Unsicherheiten nach sich zieht. Ohne Sachverständigengutachten dürften diese Fragen im Regelfall nicht zu beantworten sein, zumal der Begriff auch dem Wandel unterliegt. DIN-Normen können, müssen indessen den anerkannten Stand der Technik nicht wiedergeben, insbesondere können sie überholt sein.

    Hierzu etwa im Baubereich Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., 196, § 4 Nr. 2 Rdnr. 147; auch Daub/Eberstein, VOL/B, § 4 Rdnr. 37.

    Wer also glaubt, daß er mit der "Festlegung" des "anerkannten Standes der Regeln der Technik" seine Probleme gelöst hat, irrt sich erheblich; denn durch die Generalklausel, die im Einzelfall ausgefüllt wird, ist nichts gewonnen, sofern man sich nicht der Auslegung des Begriffs bei Vertragsschluß sicher ist. Man wird in der Praxis bei jeder Leistungsart zu prüfen haben, ob ein anerkannter Stand der Technik existiert und ob dieser Standard ausreichend ist, um die speziellen Auftragsrisiken in den Griff zu bekommen. Auftragnehmer als Fachleute müssen natürlich den in ihrem Bereich "anerkannten Stand der Regeln der Technik" kennen und sich danach richten, weil sie andernfalls in Gefahr laufen, eine nicht vertragsgemäße Leistung zu erbringen. Andernfalls läuft er in Gefahr, daß die Abnahme nach § 13 Ziff. 2 verweigert wird.


    9.3.4. Gesetzliche Vorschriften und behördliche Bestimmungen

    110
    Insbesondere die Vereinbarung über die Pflichten zur Gewährung des Zutritts, der Einsicht in Unterlagen und der Erteilung von Auskünften hat eine erhebliche Bedeutung. In jedem Einzelfall ist zu prüfen und festzulegen, welche Nebenpflichten dem Auftragnehmer konkret auferlegt werden. Fehlt eine entsprechende Vereinbarung, so bestehen entsprechende Pflichten nur unter dem Aspekt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) sowie in den Fällen, in denen sich spezielle Gestaltungen ergeben, die den Auftraggeber auch ohne besondere Vereinbarungen zur Einsicht, Auskunft etc. berechtigen können. Fehlt eine Vereinbarung wird es allerdings schwierig sein, entsprechende Pflichten zu begründen. Es kann in diesen Fällen dann durchaus argumentiert werden, daß diese Frage für den Auftragnehmer unerheblich war und damit auch bei Vertragsabwicklung unerheblich bleibt.

    Die Schutzpflicht für Leistungen und Gegenstände bis zum Gefahrübergang (vgl. § 13 Ziff. 1 VOL/B) stellt ebenfalls eine Nebenpflicht dar, deren Verletzung zu Schadensersatzansprüchen führen kann (Positive Vertragsverletzung).




    10. Behinderung und Unterbrechung der Leistung - § 5 VOL/B

    § 5 - Behinderung und Unterbrechung der Leistung


    1. Glaubt sich der Auftragnehmer in der ordnungsgemäßen Ausführung der Leistung behindert, so hat er dies dem Auftraggeber unverzüglich schriftlich anzuzeigen. Die Anzeige kann unterbleiben, wenn die Tatsachen und deren hindernde Wirkung offenkundig sind.

    2. (1) Die Ausführungsfristen sind angemessen zu verlängern, wenn die Behinderung im Betrieb des Auftragnehmers durch höhere Gewalt, andere vom Auftragnehmer nicht zu vertretende Umstände, Streik oder durch rechtlich zulässige Aussperrung verursacht worden ist. Gleiches gilt für solche Behinderungen von Unterauftragnehmern und Zulieferern, soweit und solange der Auftragnehmer tatsächlich oder rechtlich gehindert ist, Ersatzbeschaffungen vorzunehmen.

    (2) Falls nichts anderes vereinbart ist, sind die Parteien, wenn eine nach Absatz 1 vom Auftragnehmer nicht zu vertretende Behinderung länger als drei Monate seit Zugang der Mitteilung gemäß Nr. 1 Satz 1 oder Eintritt des offenkundigen Ereignisses gemäß Nr. 1 Satz 2 dauert, berechtigt, binnen 30 Tagen nach Ablauf dieser Zeit durch schriftliche Erklärung den Vertrag mit sofortiger Wirkung zu kündigen oder ganz oder teilweise von ihm zurückzutreten.

    3. Sobald die hindernden Umstände wegfallen, hat der Auftragnehmer unter schriftlicher Mitteilung an den Auftraggeber die Ausführung der Leistung unverzüglich wieder aufzunehmen.

    111 Auslöser der Behinderung und Unterbrechung können z.B. sein
    - die unterlassene oder nicht rechtzeitige Überlassung von erforderlichen Ausführungsunterlagen,
    - die Verletzung von Mitwirkungspflichten des Auftraggebers,
    - die Mitteilung von Bedenken gegen verlangte Leistungsänderungen nach § 2 VOL/B,
    - das Verlangen einer gutachterlichen Äußerung nach § 2 Nr. 2 S. 3 VOL/B

    10.1.Maßnahmen des Auftragnehmers
    Der Auftragnehmer muß zur Rechtswahrung folgende Maßnahmen ergreifen:

    - unverzügliche schriftliche Anzeige
    - der Behinderungstatsachen
    - Ausnahme: Offenkundigkeit von Tatsachen und Behinderungswirkung
    - Pflicht zur Mitteilung des Wegfalls der hindernden Umstände.

    Folgen:
    Für den Fall, daß es sich um eine vom Auftragnehmer "nicht zu vertretende Behinderung" handelt, gilt:
    - drei Monate (90 Tage) Dauer der Behinderung nach Anzeige bzw. Offenkundigkeit
    - fristloses schriftliches teilweises oder volles Kündigungsrecht oder Rücktritt binnen 30 Tagen für beide Teile.


    10.2. Abläufe - Anzeige der Behinderung und Unterbrechung - § 5 Ziff. 1 - 4 VOL/B
    112
    "Glaubt sich der Auftragnehmer
    ...behindert" - subjektive Sicht  
    unverzügliche schriftliche Anzeige  
    nicht offenkundiger Tatsachen § 9 Ziff. 2 - 3 VOL/B
    nicht vom Auftragnehmer zu vertretende Unterlassen einer
    Umstände (vgl. § 5 Ziff. 2 VOL/B - Mitwirkungspflicht
    "höhere Gewalt" etc.): durch Auftraggeber
    "angemessene Verlängerung der ohne Verschulden
    Ausführungsfristen" mit der Folge der Unmög-
    -- Schriftliche Anzeige des Wegfalls der lichkeit der Leistung durch
    "hindernden Umstände" Auftragnehmer
    -- Behinderung länger als drei Monate Fristsetzung (angemessen !)
    nach Behinderungsanzeige/Eintritt und Androhung des Kündi-
    des "offenkundigen Ereignisses" gungsvorbehalts
    Schriftliches Kündigungs-/ Abrechnung bewirkter
    Rücktrittsrecht für beide Parteien Leistungen des Auftragneh-
    binnen 30 Tage nach Ablauf mers - angemessene Ent-
    der drei Monate schädigung nach § 642 II
    Rückabwicklung BGB
    bei Rücktritt nach  
    den §§ 346 ff BGB  
    bzw. Kündigung  
    analog den §§ 346 ff BGB  




    113 Bei einer schuldhaften Verletzung der Mitwirkungspflichten setzt sich dieses Ablaufschema wie folgt fort:
    § 9 Ziff . 3 VOL/B
    "Ansprüche des Auftragnehmers wegen schuldhafter Verletzung von Mitwirkungspflichten durch den Auftraggeber bleiben unberührt."
      Schuldhafte Verletzung der Mitwirkungspflichten
      Vgl. zunächst § 9 Nr. 2 VOL/B
      - Ansprüche nach §§ 324, (vgl. auch 552, 649) BGB
      - Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung: Schadensersatz
      - Gläubigerverzug (§§ 293 ff BGB)
      - Ansprüche aus § 326 BGB
      - Fristlose Kündigung wegen wichtigen Grundes (vgl. § 626 BGB).


    10.3. Notwendige Absicherung des Auftraggebers und Auftragnehmers

    113a
    Im Hinblick auf dieses "Bündel" von Möglichkeiten des Auftragnehmers sollten Auftraggeber strikt darauf achten, ihre Mitwirkungspflichten uneingeschränkt zu erfüllen, da dies schwerwiegende Folgen mit sich bringen kann. Insbesondere ist für eine eindeutige und nachvollziehbare Abwicklungsdokumentation zu sorgen, da andernfalls der Auftragnehmer einen der zuvor genannten Wege wählen kann. Ferner ist anzumerken, daß die Behinderung und Unterbrechung der Leistungen für Auftragnehmer, die einen Auftrag z.B. infolge verfehlter und später erkannter falscher Preiskalkulation nicht ausführen wollen, einen Weg darstellt, sich von den vertraglichen Bindungen zu lösen.
    Die Anzeige der Behinderung und Unterbrechung kann ein "Signal" für vielfältige Folgen für beide Teile sein. Vor allem bei längerfristigen Projekten (vgl. auch die BVB-Regelungen im EDV-IT-Bereich) ist hier exaktes Vorgehen neben der notwendigen Beweissicherung - gegebenenfalls mit Einschaltung eines Sachverständigen - dringend zu empfehlen.
    Teilweise hat sich bei manchem Auftragnehmer eine schon fast treuewidrige "Absicherungspraxis" herausgebildet, um den schwerwiegenden Folgen etwa des Verzugs zu entgehen. Im Hinblick auf diese möglichen Folgen ist dies freilich auch verständlich.


    10.4. Regelungen des BGB

    113b
    Das BGB behandelt die Fälle der "Behinderung und Unterbrechung der Leistung", wenn man dies als "Sammelbegriff" wertet, vor allem in folgenden Bestimmungen - die §§ 275 ff BGB in diesem Zusammenhang außer Acht lassend:
    - Annahmeverzug des Auftraggebers - vgl. §§ 293 ff BGB
    - Ursprüngliche Unmöglichkeit der Leistung bereits vor Vertragsschluß - vgl. §§ 306, 307 BGB
    - §§ 323 - 325 BGB - Unmöglichwerden der Leistung nach Vertragsschluß
    - §§ 286, 326 BGB - Verzug
    - §§ 642, 643 BGB - Mitwirkungspflichten des Bestellers/Auftraggebers
    - § 645 BGB Auftraggeberhaftung bei mangelhaften Beistellungen oder Vorgaben des Auftraggebers mit der Folge des Untergangs, der Verschlechterung oder Unausführbarkeit des Werkes.
    Hinzukommen allgemein die Folgen der Verletzung von Mitwirkungspflichten - bei der Verletzung von Nebenpflichten greifen die Grundsätze der positiven Vertragsverletzung ein, die zu Schadensersatzansprüchen sowie bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen auch zum Rücktritt/zur Kündigung (Dauerschuldverhältnisse) des Vertrages führen können.

    Vgl. hierzu Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl., 2000, § 276 Rdnr. 104 ff, m.w.Nachw. - zu den Folgen Rdnr. 124; vgl. auch BGH NJW-RR 1996, 950.


    10.5. Behinderung und Unterbrechung
    113c
    Die VOL/B-Klausel bezieht sich zunächst nicht auf die im BGB "statisch" geregelten und o. angeführten Fälle z.B. der Unmöglichkeit, der Nichterfüllung oder auch des Unvermögens.

    Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 5 Rdnr. 9 m.w.Nachw.

    Hinsichtlich dieser Leistungsstörungen ist auf die §§ 7 ff bzw. 14 VOL/B zu verweisen.
    § 5 Nr. 1 VOL/B bezieht sich vielmehr auf eine Nebenpflicht des Auftragnehmers, die dieser bei Fehlen der genannten Bestimmung jedenfalls dann zu erfüllen hätte, wenn die Unterbrechung oder Behinderung der Arbeiten den Vertragszweck teilweise oder erheblich gefährden würde. Der Auftraggeber ist häufig kein Fachmann bzw. seine Mitarbeiter verfügen nicht über die erforderliche Fachkunde. Sie sind auf entsprechende Informationen des Auftragnehmers angewiesen, wenn sie tätig werden sollen, sofern nicht im Vertrag selbst die entsprechenden Mitwirkungspflichten konkretisiert sind, was sich im Grunde immer empfiehlt, wenn dies bei Erstellung der Verdingungsunterlagen bereits ersichtlich ist.

    Vgl. hierzu Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 5 Rdnr. 6.

    Unterbrechung (endgültiger oder vorübergehender Arbeitsstillstand) geht weiter als Behinderung, bei der die Leistung bzw. die Arbeiten noch weitergeführt werden können (Erschwerung der Arbeiten, Zeitverlust etc.).

    So auch Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 5 Rdnr. 7, m.w.Nachw.

    113e Anzumerken ist, daß die Überschrift die Begriffe "Behinderung und Unterbrechung" enthält, währenddessen im übrigen Text der Klausel nur von Behinderung sowie von hindernden Umständen die Rede ist. Insofern wird man wohl nicht die Ansicht vertreten können, daß die Unterbrechung nicht anzuzeigen ist, da sie weiter geht als die Behinderung und damit zumindest auch eine Behinderung darstellt. Das zeigt gleichzeitig, daß eine Unterscheidung von Behinderung und Unterbrechung wenig weiterführend ist. Immerhin könnte bei enger Auslegung Entsprechendes vertreten werden. Es bliebe dann aber immer noch die aus Treu und Glauben erwachsende Nebenpflicht zur Information, wenn die Unterbrechung den Auftragnehmer z.B. erheblich beeinträchtigt. Würde die Privatwirtschaft entsprechende Klauseln so formulieren, so müßte sie sich entsprechende Einwände durchaus gefallen lassen. Das gilt natürlich auch für die öffentliche Hand, für deren AGB - Ausnahmen gelten teils für die VOB/B - keine Besonderheiten hinsichtlich der Inhaltskontrolle bestehen.
    Welche Tatsachen in Betracht kommen, wird in § 5 Nr. 1 VOL/B nicht gesagt. Anhaltspunkte dafür, was gemeint ist, ergeben sich aus § 5 Nr. 1 I VOL/B (höhere Gewalt, nicht vom, Auftragnehmer zu vertretende Umstände, Streik, zulässige Aussperrung, tatsächliche oder rechtliche Behinderung der Ersatzbeschaffung). In Betracht kommen alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die eine Weiterarbeit oder die Durchführung der geplanten Arbeiten behindern. Im Rahmen der Anzeigepflicht spielt es zunächst hierbei keine Rolle, wer diese "Umstände" zu vertreten hat.
    Bedenklich ist ferner die Abstellung des § 5 Nr. 1 VOL/B auf die subjektive Sicht des Auftragnehmers. Allerdings ist dies dahingehend auszulegen, daß eine zumindest auf einer durch Tatsachen oder Umstände begründete Annahme entsprechender "Gründe" vorliegen muß. Die Formulierung entspricht wörtlich § 6 Nr. 1 S. 1 VOB/B. Eine Auslegung, daß es sich nur um Tatsachen oder Ereignisse handeln kann, die der Auftragnehmer bei Vertragsschluß nicht vorhersehen konnte, widerspricht schon dem Wortlaut der Klausel.

    Vgl. aber Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., 1996, § 6 Rdnr.1 - m. E. auch für den Bauvertrag nach VOB/B nicht zutreffend; anders bei einem BGB-Vertrag, bei dem der Werkunternehmer eine entsprechende Prüfungspflicht hat.

    113f Zugunsten des Auftragnehmers muß daher hier zunächst festgestellt werden, daß auch z.B. bei Vertragsschluß möglicherweise erkennbare Unterbrechungs- und Behinderungsgründe Gegenstand der Anzeigepflicht sein können und daher die "Vorhersehbarkeit" nicht dem Auftragnehmer angelastet werden dürfen. Hätte man dies nicht gewollt, so hätte man die Klausel anders und insofern eindeutig abfassen müssen. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß es Aufgabe der Vergabestelle ist, entsprechende Umstände/Tatsachen bei der Erstellung der Verdingungsunterlagen zu berücksichtigen. Allenfalls könnte man sagen, daß der Auftragnehmer für ihn bei Abgabe des Angebots bereits für ihn erkennbare Behinderungs-Tatsachen etc. zu berücksichtigen hat und er gegebenenfalls kein Angebot abgeben darf, wenn die ordnungsgemäße Vertragsausführung gefährdet ist.
    Die Klausel differenziert auch nicht hinsichtlich der Sphären des Auftraggebers bzw. Auftragnehmers, aus denen die Unterbrechung oder Behinderung kommen. Es wird eindeutig nur auf die "subjektive Sicht" des Auftragnehmers im Zeitpunkt der Anzeige abgestellt. Darin liegt m.E. für den Auftragnehmer ein nicht weg zu diskutierender Vorteil, der ihm in gewisser Weise eine Recht auf eine fehlerhafte Einschätzung der Lage gibt, sofern dies nicht mit seinen Pflichten z.B. als Fachmann kollidiert. Die Gewißheit, aber auch die begründete Vermutung, daß Unterbrechung oder Behinderung eintreten werde, reichen aus. Notwendig ist freilich vorherige und sorgfältige sachgerechte Prüfung des Auftragnehmers und keine Anzeige "ins Blaue" oder eine reine "Absicherungsanzeige".

    Vgl. hierzu Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., 1996, § 6 Rdnr.11. Auch Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 5 Rdnr. 10 m.w.Nachw.

    113g Da es sich um eine vom Auftraggeber zu erfüllende Nebenpflicht handelt, kann in einer völlig grundlosen oder einer nicht hinreichend begründeten Anzeige auch eine Pflichtverletzung durch fehlerhaftes positives Tun vorliegen.
    Natürlich kommen nicht nur entsprechende Anzeigen in Betracht, wenn der Auftraggeber seinen Mitwirkungspflichten nicht genügt, sondern auch dann, wenn es sich um Tatsachen etc. handelt, die der Auftragnehmer zu vertreten bzw. die keiner von beiden zu vertreten hat (Fälle der höheren Gewalt). Insofern differenziert die Klausel nicht. Allerdings ergeben sich unter dem Aspekt des § 5 Nr. 2 VOL/B entsprechende Folgen, wenn es sich um von dem Auftragnehmer zu vertretende Behinderungen/Unterbrechungen handelt. In § 5 Nr. 1 VOL/B wird freilich insofern nicht unterschieden.
    Offen bleibt auch, wie die rechtliche Lage ist, wenn Gründe für Behinderung und Unterbrechung objektiv gegeben sind, der Auftragnehmer allerdings dies bei Eintritt der objektiven Lage nicht "glaubt". Insofern kann er nach der Klausel durchaus dann seine Anzeigepflicht erfüllen, wenn sich bei eine entsprechende subjektive Ansicht gebildet hat. Das kann Bedeutung im Zusammenhang mit dem Merkmal "unverzüglich" erhalten. Unklarheiten der Klauselfassung treffen hier die öffentliche Hand als Verwender der Klausel. Von "hätte erkennen können" oder "erkennen müssen" ist in der Klausel nicht die Rede.
    Auch kann nicht verlangt werden, daß eine "bestimmte Kenntnis" - gesichert - vorhanden sein muß. Es reicht die "subjektive Sicht" der Dinge aus. Wenn diese sich sodann als nicht zutreffend erweist, trägt m.E. das Risiko der Auftraggeber, wenn er die Klausel nicht konkretisiert.

    Vgl. Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 5 Rdnr. 10, auf die subjektive Sicht und die sorgfältige Prüfungspflicht des Auftragnehmers abstellend.

    Allerdings ist in diesem Zusammenhang auch auf § 4 Nr. 3 S. 2 VOL/B hinzuweisen, wonach der Auftragnehmer erkennbare Mängel der Beistellungen sowie Zulieferungen des Auftraggebers sowie vom Auftraggeber vereinbarte Leistungen anderer unverzüglich schriftlich zu rügen hat. Von daher ergibt sich bereits eine entsprechende Absicherung des Auftraggebers. Freilich sind damit die hier angesprochenen weiteren Anzeigepflichten und deren Probleme nicht erledigt.


    10.6. Unverzügliche schriftliche Anzeige

    113h
    Die Anzeige hat den Sinn, den Auftraggeber auf die Unterbrechungs- oder Behinderungsumstände hinzuweisen. Das kann nur erreicht werden, wenn die Anzeige nicht nur formal den Tatbestand der Information erfüllt, sondern dem Auftraggeber auch die Tatsachen, Umstände und Vermutungen der auf subjektiver Einschätzung beruhender Ansicht des Auftragnehmers erkennen läßt. Die Tatsachen/Umstände und deren Auswirkungen - auch die lediglich vermuteten Auswirkungen - für die Leistung sollen aus der Anzeige ersichtlich sein. Es wird "hinreichende Klarheit der Gründe" gefordert.

    Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., 1996, § 6 Rdnr. 6 Rdnr. 14; Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 5 Rdnr. 10.

    Dem ist sicherlich vom Sinn und Zweck einer solchen Anzeige zu folgen. Bedenken bestehen freilich insofern angesichts der Klauselfassung. Schließlich handelt es sich - darauf muß immer wieder hingewiesen werden - um AGB, bei denen die Industrie und die öffentliche Hand bzw. der entsprechende Ausschuß dieses Ziel im Auge hatten. Von Klarheit kann allerdings insofern auch nicht die Rede sein. Soweit darüber hinaus noch verlangt wird, daß die Auswirkungen der Behinderung dargelegt werden müssen und z.B. der bloße Hinweis auf das Fehlen von Plänen nicht ausreichend sein soll, müssen insofern ebenfalls erhebliche Bedenken angemeldet werden.

    So aber Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., 1996, § 6 Rdnr. 6 Rdnr. 14, im Anschluß an die Rechtsprechung zur VOB/B, insbesondere OLG Celle BauR 1995, 582; vgl. auch Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 5 Rdnr. 10.

    113i Die Klausel deckt dies nach dem Wortlaut nicht ab. Allenfalls über eine extensive Auslegung läßt die Ansicht vertreten; diese aber ist im Rahmen der Inhaltskontrolle des AGBG mehr als bedenklich. Die öffentliche Hand trägt insofern die Formulierungsverantwortung.

    Vgl. Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 8. Aufl., 1998, § 5 Rdnr. 20 f; Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 3. Aufl., 1994, § 5 Rdnr. 5 ff; Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl., 2000, AGBG, § 5 Rdnr. 7 - jeweils m.w.Nachw.

    M.E. hat der Auftraggeber die Pflicht bei entsprechenden Anzeigen von sich aus die hinter der "subjektiven Beurteilung" stehenden Tatsachen/Umstände und Auswirkungen gegebenenfalls mit dem Auftragnehmer aufzuklären, währenddessen der Auftragnehmer seiner Anzeigepflicht jedenfalls dann genügt, wenn er die ihm ohne Aufwand etc. vermuteten oder erkannten Tatsachen mitteilt. Das kann für die Frage des Eintritts der Verlängerung der Ausführungsfristen bzw. des Laufs der Frist von drei Monaten bedeutsam sein (vgl. § 5 Nr. 2 VOL/B).

    A.A. Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., 1996, § 6 Rdnr. 6 Rdnr. 14, im Anschluß an die Rechtsprechung zur VOB/B, insbesondere OLG Celle BauR 1995, 582; vgl. auch Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 5 Rdnr. 10.

    Die Anzeige muß unverzüglich erfolgen - und zwar nach Eintritt der erforderlichen "subjektiven Beurteilung" bzw. zumindest nach Eintritt der entsprechender Kenntnis der Tatsachen und Umstände. Fraglich ist in diesem Zusammenhang, wer die Beweis- und Darlegungslast hat. Hier ist wohl darauf abzustellen, daß der Auftragnehmer substantiiert nachzuweisen hat, daß er unverzüglich - ohne schuldhaftes Zögern (vgl. § 121 I BGB) - nach Einstellen der entsprechenden subjektiven Beurteilung der Dinge die erforderliche Anzeige anbrachte.

    Vgl. in diesem Zusammenhang die Rechtsprechung zu § 121 I BGB - hierzu Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl., 2000, § 121 Rdnr. 6; auch OLG München NJW-RR 1988, 497. Zur Beweislast auch Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 5 Rdnr. 10. Zur Beweislast auch Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., 1996, § 6 Rdnr. 13.

    113j Die Anzeige muß schriftlich erfolgen. Die Schriftform ist allerdings nicht Voraussetzung der Wirksamkeit. Sie hat lediglich Beweisfunktion.

    Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 5 Rdnr. 10, m.w.Nachw. Zu Schriftformklauseln vgl. auch Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl., 2000, AGBG, § 9 Rdnr. 128, m.w.Nachw.

    Eine mündliche Anzeige soll folglich ausreichen, sofern sie dem Anliegen der Anzeige entspricht (eindeutiges und umfassendes Vorbringen).

    Vgl. hierzu Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 5 Rdnr. 10; Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., 1996, § 6 Rdnr. 13, m.w.Nachw. zum Baurecht/VOB/B.

  • Dem kann nur mit den o. dargelegten Einschränkungen zur Anzeige und deren Inhalt gefolgt werden. Was für die schriftliche Anzeige gilt, ist auch hier anzuwenden. Allerdings trägt der Auftragnehmer insofern die Darlegungs- und Beweislast für die Anzeige, deren Rechtzeitigkeit und nach weitergehender Ansicht auch für deren Eindeutigkeit und Bestimmtheit.

    Zur Beweislast auch Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 5 Rdnr. 10. Zur Beweislast auch Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., 1996, § 6 Rdnr. 13.

  • Adressat der Anzeige ist der Auftraggeber. Das kann bei der öffentlichen Hand Probleme bei großen Behörden geben, wenn keine besondere Vereinbarung (vgl. z.B. im BVB-Bereich: beide Teile benennen Ansprechstelle) getroffen ist. Da keine weitere Konkretisierung (Ansprechstelle, Projektleitung etc.) anzutreffen ist, reichen Anzeigen an Mitarbeiter etc. grundsätzlich nach dem Wortlaut nicht aus. Darin läge indessen eine leere Förmelei, zumal man auch die (bewiesene) mündliche Anzeige zuläßt.

    Vgl. hierzu Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 5 Rdnr. 10; Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., 1996, § 6 Rdnr.15 - VOB/B-Bereich; hierzu auch Kaiser NJW 1974, 445.

    Es empfiehlt sich dringend, diese Frage des Adressaten in den Verdingungsunterlagen eindeutig zu regeln - möglicherweise auch die weiteren Modifikationen der Anzeige und ihres Inhalts. In jedem Fall aber ist es erforderlich, daß sowohl Auftraggeber als auch Auftragnehmer in dem hier betroffenen Punkt für entsprechende Klarheit in der praktischen Abwicklung sorgen.


    10.7. Offenkundigkeit der Tatsachen und hindernde Wirkung

    113k
    Der Hinweis auf § 291 ZPO ist in diesem Zusammenhang mit Recht als wenig weiterführend angesehen.

    Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 5 Rdnr. 10, m.w.Nachw.

    Als unbestimmter Rechtsbegriff bringt die "Offenkundigkeit" im Einzelfall immer Unsicherheit und fehlende Meßbarkeit mit sich. Offenkundig sind allgemein bekannte Tatsachen (etwa der in den Medien behandelte Streik). Ferner Tatsachen, die der Auftraggeber oder seine Mitarbeiter etwa bei Besichtigungen wahrnehmen. Erforderlich ist indessen aber hier, daß der Auftraggeber auch die hindernde Wirkung der erkannten Tatsachen kennt, weil auch diese dem Auftraggeber "offenkundig" sein müssen. Offenkundig sind insbesondere Tatsachen, die Gegenstand von Besprechungen oder Besichtigungen sind, in deren Verlauf auch die Auswirkungen angesprochen werden. Wenn der Auftraggeber ihm mögliche Schlußfolgerungen nach Kenntniserlangung nicht zieht, so ist dies grundsätzlich seine Angelegenheit. Hierbei kann freilich wiederum eine "Grauzone" entstehen, die es dem Auftragnehmer gebietet, hier besser für Unverzüglichkeit, Schriftlichkeit und Eindeutigkeit zu sorgen. Geschieht dies nicht und besteht Streit über die "Offenkundigkeit" , so stellt sich die Frage der Darlegungs- und Beweislast. Mit Recht wird hierzu - allerdings im VOB/B-Bereich - ausgeführt:
    "Den Nachweis der Offenkundigkeit hat der Auftragnehmer zu führen. In der gerichtlichen Praxis werden hieran wegen des Ausnahmecharakters erhebliche Anforderungen gestellt."

    Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., 1996, § 6 Rdnr. 23.Auch Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 5 Rdnr. 12.

    Es ist freilich anzumerken, daß dieser Ausnahmecharakter im Wortlaut der Klausel des § 5 Nr. 1 S. 2 VOL/B nicht zum Ausdruck kommt.


    10.8. Fristverlängerung - Kündigungs-/Rücktrittsrecht - Wiederaufnahme der Arbeiten

    113l
    Zu den Folgen der rechtzeitigen Anzeige gehört zum einen die Verlängerung der Ausführungsfristen unter den Voraussetzungen
    • der nicht vom Auftragnehmer zu vertretenden Umstände wie
      • höhere Gewalt (vgl. § 651 j I , 203 II BGB)
      • Streik (hier ohne Differenzierung, also einschließlich wilder Streiks etc.)
      • rechtlich zulässige Aussperrung
      • tatsächlich oder rechtliche Verhinderung der Ersatzbeschaffung bei Subunternehmern bzw. Zulieferern.

    113m Im Grunde handelt es sich in diesem Zusammenhang sämtlich um Fälle, in denen der Einfluß des Auftragnehmers auf die ordnungsgemäße Ausführung der Arbeiten nicht mehr gewährleistet ist. Diese Umstände dürfte die öffentliche Hand in entsprechenden Verdingungsunterlagen als Basis des Vertrags auch nicht zumuten (unzumutbare Wagnisse sind nach § 8 Nr. 1 VOL/A nicht zulässig - Verstoß gegen die VOL/A - Ansprüche aus culpa in contrahendo).
    Fraglich ist, ob in dem Fall des § 5 Nr. 2 S. 2 VOL/B der Passus "solche Behinderungen" als "solche nicht vom Auftragnehmer zu vertretenden Behinderungen" zu lesen ist. Das ist indes zu verneinen. Hier reicht es aus, wenn der Auftragnehmer die tatsächliche oder rechtliche Behinderung infolge der Bindung an seine Lieferanten nachweist, wobei er schlüssig sein entsprechendes Bemühen sowie die Nichtbelieferung bzw. Nichtbelieferungsmöglichkeit darzulegen und zu beweisen hat. Eine weitergehende Belastung des Auftragnehmers verbietet sich nach dem Klauselwortlaut.
    Allerdings ist vom Auftragnehmer nach der Klausel des § 5 Nr. 2 S. 1 VOL/B in den dort genannten Fällen nachzuweisen, daß auf seiner Seite auch keine einfache/leichte Fahrlässigkeit vorliegt, soweit es sich um andere Umstände als Streik etc. handelt. Bei höherer Gewalt, Streik und rechtlich zulässiger Aussperrung wird die Frage des Verschuldens m.E. grundsätzlich nicht geprüft, vielmehr lediglich auf den Nachweis dieser Tatsachen durch den Auftragnehmer abgestellt.
    In diesen Fällen sind die "Ausführungsfristen" (vgl. § 11 VOL/A) "angemessen" zu verlängern. Der Auftragnehmer hat einen Anspruch gegen den Auftraggeber, daß dieser der entsprechenden Verlängerung zustimmt. Was "angemessen" ist, richtet sich nach den Einzefallumständen, der Zeit der Unterbrechung und Behinderung unter Berücksichtigung insbesondere weiterer dadurch verursachter Folgen. Hierzu kommen entsprechende notwendige Einrichtungs- und Anlaufzeiten etc. Die aus dem Baurecht kommenden Entscheidungen können hierbei in allen Belangen (höhere Gewalt, zu vertretende Umstände) können nicht ohne weiteres auf die VOL/B übertragen werden.

    Zu der insoweit m.E. nicht immer haltbaren Rechtsprechung vgl. Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., 1996, § 6 Rdnr. 28 ff.

    113n Wenn die Umstände, die die Behinderung verursachen, nicht vom Auftragnehmer zu vertreten sind (vgl. §§ 276, 278 BGB), so können beide Teile innerhalb der 30-Tagesfrist des § 5 Nr. 2 II VOL/B kündigen oder zurücktreten. Das Kündigungsrecht bezieht sich wohl auf Dauerschuldverhältnisse, währenddessen im übrigen das Rücktrittsrecht eingreift. Der Auftraggeber und der Auftragnehmer werden in diesen Fällen gehalten sein, nach Treu und Glauben abzuwägen, ob der Vertrag teilweise oder vollständig beendet wird.
    Die Kündigung bzw. der Rücktritt sind schriftlich - auch hier m.E. nur Beweis-, keine Wirksamkeitsfunktion - zu erklären. Eine mündliche Erklärung muß nach meiner Auffassung hier ebenso ausreichen wie in dem Fall des § 5 Nr. 1 VOL/B. Allerdings ist auf die durch die Rechtsprechung zum Bauvertrag angelehnte Ansicht zu verweisen, die Schriftform als Wirksamkeitsvoraussetzung annimmt.

    So Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 5 Rdnr. 20, im Anschluß an Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., 1996, § 6 Rdnr. 111; § 8 Rdnr. 148 ff.

    113o Es ist daher dringend zu empfehlen, für die entsprechende Form zu sorgen. Schließlich geht es um die Vertragsbeendigung, die auf sicheren Wege erreicht werden sollte. Weshalb allerdings die Schriftform in dieser Klausel Wirksamkeitsvoraussetzung sein soll, ist nicht ersichtlich und aus der Klausel auch nicht ausdrücklich zu entnehmen. Von einem "hat" schriftlich zu kündigen, "muß" schriftlich kündigen oder "ist" schriftlich zu kündigen, ist die Rede, sondern lediglich davon, daß die Vertragspartner "berechtigt sind", "durch schriftliche Erklärung" zu kündigen bzw. zurückzutreten. Allerdings ist der Zugang der Erklärung für den Fristenlauf entscheidend (s.u.). Dieser verursacht allerdings im Hinblick auf § 130 BGB ("Machbereich des Empfängers") erhebliche Beweisprobleme. Die Beweislast für den Zugang und die Rechtzeitigkeit der Kündigung bzw. des Rücktritts trägt der jeweils Erklärende.

    Voraussetzungen sind in diesen Fällen daneben
    • keine abweichende Vereinbarung,
    • eine vom Auftragnehmer nach § 5 Nr. 2 I VOL/B nicht zu vertretende Behinderung,
    • eine längere als dreimonatige Behinderungsdauer gerechnet ab Zugang der "Mitteilung" - gemeint ist die Anzeige - bzw. Eintritt des offenkundigen Ereignisses.
    Erfolgt keine sofortige Kündigungs- oder Rücktrittserklärung nach Ablauf der Fristen des § 5 Nr. 2 II VOL/B (Dreimonatsfrist für die Behinderungszeit sowie 30 Tagesfrist für die Erklärung), so besteht der Vertrag weiter.
    Einschränkungen der Kündigungs- oder Rücktrittserklärung ergeben sich darüber hinaus aus der Klausel selbst nicht. Allerdings wird mit Recht angemerkt, daß zumindest der Auftragnehmer sich gegen eine treuewidrige Kündigung etc. wenden darf. Fraglich ist, ob der Auftraggeber als Klauselverwender ebenfalls zu diesem allgemeinen Einwand greifen kann, da die Klausel diesen Fall nicht abdeckt und aus der Sicht des Auftragnehmers als abschließend angesehen werden kann.

    A.A. wohl Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 5 Rdnr. 18/19.

    Daß die Klausel letztlich auch auf dem Grundsatz von Treu und Glauben beruht, steht dem nicht entgegen. Die Klauselverantwortlichkeit des Auftraggebers wird dadurch nicht beseitigt.

    113q Die Wiederaufnahme der Arbeiten hat nach § 5 Nr. 3 VOL/B unverzüglich nach Wegfall der hindernden Umstände zu erfolgen. Auch insofern sieht die Klausel wiederum Schriftform vor, der wiederum keine Wirksamkeitsfunktion zukommen kann. Die Pflicht zur Information stellt eine Nebenpflicht dar. Die Pflicht zur Wiederaufnahme der Arbeiten beruht auf der vertraglichen Hauptpflicht zur Erfüllung. Nimmt der Auftragnehmer ohne weiteres in Kenntnis des Auftraggebers die Arbeiten wieder auf, so läge in der schriftlichen Information grundsätzlich eine leere Förmelei, zumal der Auftraggeber nicht die Möglichkeit hat, zu widersprechen, sofern er nicht von seinem Kündigungs- bzw. Rücktrittsrecht nach § 5 Nr. 2 II VOL/B Gebrauch machen kann bzw. Gebrauch macht.

    Vgl. Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 5 Rdnr. 22 a.E.


    11. Art der Anlieferung und Versand

    § 6
    Art der Anlieferung und Versand

    Der Auftragnehmer hat, soweit der Auftraggeber die Versandkosten gesondert trägt, unter Beachtung der Versandbedingungen des Auftraggebers dessen Interesse sorgfältig zu wahren. Dies bezieht sich insbesondere auf die Wahl des Beförderungsweges, die Wahl und die Ausnutzung des Beförderungsmittels sowie auf die tariflich günstigste Warenbezeichnung.

    11.1. Vertragsvereinbarung
    114a
    § 269 II BGB besagt, daß Kostenübernahme hinsichtlich der Versendung keine Wahl des "Leistungsortes" sein muß, sondern davon getrennt zu beurteilen sein kann. Maßgeblich für den "Leistungsort" ist grundsätzlich die Vereinbarung der Parteien im Vertrag. Fehlen Vereinbarungen hinsichtlich des Leistungsortes, so kommt es auf die Umstände an. Ein einheitlicher Leistungsort für Leistung und Gegenleistung ist nicht notwendigerweise zwingend. Die Leistungsorte für Leistung und Gegenleistung können auseinanderfallen. Versagen Parteibestimmung und Erkenntnisse aus den "Umständen", so ist Leistungsort der Sitz des Schuldners.

    Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl., 2000, § 269 Rdnr. 8, 11, 12, 16.

    Mit Recht wird darauf hingewiesen, daß sich unter "Leistungsort" oder für den "Leistungsort" der Begriff "Erfüllungsort" durchgesetzt hat.

    Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl., 2000, § 269 Rdnr. 1.

    Formulierungen wie "frei Frankfurt", "bahnfrei", "franko" sind nicht eindeutig und können bloße Kosten-, Gefahrtragungs- oder auch Erfüllungsortregelungen enthalten.

    Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl., 2000, § 269 Rdnr. 10, m.w.Nachw.

    Die mit diesen Unsicherheiten verbundenen Abwicklungsprobleme regeln weder § 9 Nr. 4 f), g) und i) VOL/A, noch die Bestimmung des § 6 VOL/B. Insbesondere § 6 VOL/B weist wiederum die für AGB im Grunde unzumutbare Schwäche auf, daß es einer Regelung im Individualteil bedarf und die Vorschrift nicht als "Auffangtatbestand" konzipiert ist ("Soweit keine andere Regelung getroffen ist, gilt ...").

    Zur Entstehungsgeschichte vgl. Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 6 Rdnr. 1 f.


    § 11.2. Gesetzliche Bestimmungen - die Klauselfassung
    114b
    Die gesetzlichen Bestimmungen der §§ 242, 447 II BGB, 651, 644 II BGB betreffen Sorgfaltspflichten des "Auftragnehmers". Die Kosten der "Übergabe" ist z.B. in § 448 I BGB geregelt. Danach trägt der Verkäufer die Kosten der "Übergabe", der Käufer trägt die Kosten der Abnahme und der Versendung an einen anderen als den Erfüllungsort.
    An diesen Grundsätzen ändert die Klausel durch eine ausdrückliche Regelung nichts. Sie hat daher nur Bedeutung für die Fälle, in denen neben der Einbeziehung der VOL/B auch eine gesonderte Vereinbarung über die Kostentragung zwischen den Parteien getroffen wird - also z.B. eine Vereinbarung, daß die Leistung auf Kosten des Auftraggebers zu versenden ist. Zu fragen ist allerdings auch, was unter einer "gesonderten Tragung der Versandkosten" zu verstehen ist. Die Formulierung ist schlicht unverständlich. Was soll sie beinhalten ? Geht es darum, daß eine Individualvereinbarung über die Versandkosten getroffen wird ? Geht es darum, daß eine Kostenvereinbarung überhaupt getroffen wird. ? Geht es darum, daß ein besonderer, von der gesetzlichen Regelung abweichender Erfüllungsort mit einer Versandkostenregelung vereinbart wird ? Es kann hier wiederum nur mit Nachdruck gesagt werden, daß die beteiligten Kreise (Deutscher Städte- und Gemeindetag, BDI, BMV, DVAL) auch hier nicht zu einer Klärung für die Praxis beigetragen, sondern mehr Verwirrung, denn Klarheit stifteten.

    Vgl. hierzu Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 6 Rdnr. 1, zu den Unklarheiten vgl. Rdnr. 4.


    11.3. Gestaltungshinweise
    114c
    Da die Klausel absolut nicht weiterführt, kann sie nur als Hinweis für die Vergabestellen dienen, hier für klare Regelungen im Einzelfall zu sorgen, insbesondere eindeutig dafür zu sorgen, daß
    • die Frage des Erfüllungsortes und der konkreten Anlieferstelle,
    • die Frage des Gefahrübergangs,
    • die Frag von Ort und Art der Anlieferung,
    • die Frage der Versandwege, Beförderungsmittel und Anweisungen,
    • die Frage der Versandkosten,
    • die Frage der Versicherungskosten
    • und z.B. der Verpackung, Kennzeichnungen, Konservierung, Entsorgung der Verpackung, beschleunigter Versand oder der Begleitpapiere, Liefer- und Empfangsscheine
    eindeutig geklärt und in den Verdingungsunterlagen enthalten sind.
    Den Unsinn, der hier über überflüssige Vergabehandbücher etc. und die in diesen enthaltenen Komplikationen entsteht, hätte man sich ersparen können, wenn man eine vernünftige Auffangregelung in § 6 VOL/B getroffen hätte. Es ist um so erstaunlicher, als bei der öffentlichen Hand durchaus auch entsprechende Musterformulierungen bei einzelnen Vergabestellen vorhanden sind und eingesetzt werden.

    Hierzu Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 6 Rdnr. 7, m. zahlr. Formulierungsbeispielen unter Hinweis auf Eberstein, Textausgabe zur VOL, Lsbls., mit Beispielen der Bundesministerien, Bahn und Telekom, Bundeswehr etc.

    Die entsprechenden Bestimmungen sind als "Individualvertrags-bedingungen" in die Vergabeunterlagen aufzunehmen - angepaßt an die Erfordernisse des Einzelfalls. Die zuvor erwähnten Stichworte mögen ausreichen, um die zu behandelnde Problematik erkennbar zu machen.


    11.4. Interessenwahrungspflicht
    114d
    Mit Recht wird darauf hingewiesen (s. auch o.), daß die gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere auch § 242 BGB (Treu und Glauben), dazu zwingen, auch ohne Vereinbarungen die Interessen des anderen Teils sorgfältig zu wahren, wie dies auch in § 6 VOL/B zum Ausdruck kommt. Die Nichtbeachtung von Vorgaben, die Auswahl falscher oder unwirtschaftlicher Wege stellen Nebenpflichtverletzungen dar, die zu Ansprüchen nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung führen. Dazu gehört wohl auch die Informationspflicht, wenn sich z.B. Tarife oder Transportmittel verändert haben, was etwa im Zeitpunkt der Erstellung der Verdingungsunterlagen nicht erkennbar war.
    Bemerkenswert ist, daß die Klausel m.E. nur eingreift, wenn der Auftraggeber die Versandkosten gesondert trägt. Soll in den anderen Fällen die Interessenwahrungspflicht nicht eingreifen ? Ist die Klausel hier abschließend geregelt ? Oder greifen in diesen Fällen die gesetzlichen Bestimmungen ein, weil die Klausel den Fall der nicht gesondert getroffenen Versandkostenvereinbarung "überhaupt" nicht betrifft ? Wer hier Streitfälle vermeiden will, wird klare und eindeutige Regelungen vorsehen. Das kann nur mit Nachdruck empfohlen werden.


    11. Verzug und Nichterfüllung

    § 7 - Verzug und Nichterfüllung des Auftragnehmers

    1. Im Fall des Verzuges des Auftragnehmers finden die gesetzlichen Vorschriften nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Anwendung.

    11.1. Auftragnehmer - Schuldnerverzug: §§ 286, 326 BGB
    115
    Abgesehen von der seltener vorkommenden Nichterfüllung ist der Verzug als häufigste Leistungsstörung neben der Gewährleistung anzutreffen. Das "Terminrisiko" ist nahezu allen Verträgen eigen. Es vergrößert sich bei fehlender exakter Zeitplanung ("Zeitrahmen") und insbesondere dem Fehlen von "Pufferzonen" sowie zusätzlichen Absicherungen. Der Verzug ist grundsätzlich für alle Verträge "abstrakt" gleich geregelt. Maßgeblich sind vor allem zwei Bestimmungen, nämlich
    - § 286 BGB
    - sowie § 326 BGB.
    Es handelt sich um eine Leistungsverzögerung, nicht also um Nichterfüllung oder eine Schlechtleistung.

    Verzug setzt voraus
    - Leistungsverzögerung, also nicht Nichterfüllung oder Schlechtleistung
    - Fälligkeit nach § 271 BGB, die sicher ergibt aus
    * einer Vereinbarung
    * bei Fehlen einer Vereinbarung aus den "Leistungsumständen" (also Bereitstellungs-, Beschaffungs- oder z.B. Herstellungszeit)
    * bzw. bei Fehlen von "Umständen" der Verpflichtung zur "sofortigen" Leistung,
    - der Mahnung, die nur bei kalendertagsmäßig bestimmter Leistungszeit entfällt (vgl. § 284 BGB)
    - sowie dem Verschulden in der Form des Vorsatzes ("bewußt und gewollte Terminüberschreitung durch Auftragnehmer) oder der Fahrlässigkeit ("Schlamperei", Organisationsversäumnisse, Auftragsüberhang infolge nicht ordnungsgemäßer Planung etc. - "Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt" - vgl. § 276 BGB).
    Neben dem Verschulden ist damit das entscheidende Moment die Fälligkeitsvereinbarung. Da Kaufleute die Fälligkeit exakt entsprechend ihrer Zeitplanung auf einen bestimmten Kalendertag festsetzen sollten, ergeben sich hier regelmäßig keine Schwierigkeiten; denn in diesen Fällen entfällt die "Mahnung" ("der Tag erinnert den Schuldner"), währenddessen das Verschulden "vermutet" wird, folglich den Auftragnehmer regelmäßig zwingt, nachzuweisen, daß ihn kein Verschulden trifft.

    116 Wenn die Voraussetzungen des Verzugs erfüllt sind, nämlich
    - Fälligkeit z.B. durch Vereinbarung der Leistungszeit zum 1.10.1998 oder 23 Kalenderwoche 1998 bzw. Herbst 1998,
    - Entbehrlichkeit der Mahnung infolge kalendertagsmäßig bestimmter Leistung
    - Verschulden ,
    stehen dem Auftragnehmer Schadensersatzansprüche wegen Verzuges zu.

    Vertragsschluß----------Verzugseintritt---------------------------verspätete Leistung
     
      "Zwischenschaden"

    117 Dann kann der Auftraggeber den ihm entstandenen "Zwischenschaden" zwischen Verzugseintritt und später erbrachter Leistung verlangen, sofern er ihn denn nachweisen kann - das ist natürlich Voraussetzung nach den §§ 249 ff BGB. Hierbei werden grundsätzlich nur nachgewiesene "Vermögensschäden" ersetzt. Das stellt den Auftraggeber nicht selten vor erhebliche praktische Probleme, da er die einzelnen Schadenspositionen wie
    - Mehraufwand durch Einsatz eigenen oder fremden Personals,
    - notwendige Ersatzgeräte und Ersatzlösungen
    - entgangenen Gewinn etc.
    nachweisen muß.
    Eine exakte Erfassung aller möglichen Schäden ist in diesen Fällen unumgänglich - Punkt für Punkt.

    118 Kommt es dazu, hat der Auftraggeber im Grunde bereits "versagt". Er hätte vor Erteilung des Auftrags die einzelnen Schadenspositionen "simuliert" für den Eintrittsfall "prognostizieren" müssen, um das Risiko zu erkennen und sich insofern abzusichern. Sind die Schäden z.B. pro Tag bei Vertragsschluß bereits erkennbar, so wird man den Auftragnehmer darauf hinweisen und gegebenenfalls
    - den Schaden pro Tag "pauschalieren"
    - und zusätzlich eine "angemessene Vertragsstrafe" festlegen.
    Aber diese bringt nur "Ansprüche" - und keine Lösung.

    Wer sichergehen will, wird hier zusätzliche Sicherheiten einbauen, um wenigstens einen zusätzlichen "liquiden" Schuldner zu haben (Bankbürgschaft etc.), was zwar auch nur "Ansprüche" gegen den Bürgen begründet, aber immerhin eine gewisse Sicherheit gibt. Denkbar ist auch die Vereinbarung einer "Garantie auf erstes Anfordern", die von einer Auftragnehmerbank geleistet wird und im Verzugsfall eingreift. Sie hat den Vorteil, daß hier der "Anspruch" weitgehend auch "Fakt" ist, da die Bank grundsätzlich nur einwenden kann, der Vertrag sei nicht zustande gekommen oder die "Garantie" werde mißbraucht (z.B. zur Durchsetzung von Ansprüchen aus einem anderen als dem betroffenen Vertrag).

    119 Natürlich kann man durch die Vereinbarung eines "Fixgeschäfts" ("1.10.1998 fix" -vgl. § 361 BGB) ein zusätzliches Signal setzen, bei dem mit Erreichen des Termins ein Rücktrittsrecht für den Auftraggeber besteht. Dies kann durch zusätzliche Absicherungen verstärkt werden (Ansprüche aus Terminbürgschaft etc.). Doch damit ist nur gedient, wenn die Leistung ohne Nachteile von Dritten unter Berücksichtigung des Zeitverlusts bezogen werden kann.

    120 Der beste Weg:


    Mit dem Auftragnehmer werden "offen" sämtliche Risiken diskutiert und sodann wird ein relalisierbarer Zeitrahmen mit Pufferzonen festgesetzt. Geschieht dies nicht, so führt der Verzugseintritt zu uneinkalkulierten Risiken für beide Teile. Gerade bei Dienstleistungen spielt die Terminfrage eine entscheidende Rolle. Insofern wird der Rechtsberater sehr häufig durch die "faktischen Gegebenheiten" des Verzugseintritts und fehlende Vorsorgemaßnahmen überrascht - ebenso durch die fehlende Kontrolle der Zwischenergebnisse, dem Nichtverlangen von Statusberichten und das Nichtbeachten von "erkennbaren Verzugsfrühsignalen" (zu geringer Personaleinsatz, verspäteter Beginn, Nichteinhalten von Zwischenterminen etc.).

    121 Im Interesse beider Seiten sollten daher beiderseitige Terminpflichten für
    - Zwischenberichte
    - Teilschritte
    - Auskünfte und Einsichten in Unterlagen etc.
    festgelegt werden.
    Im übrigen gilt:
    "Strenge" und Disziplin zu Beginn eines Projekts erspart späteren Ärger !


    Für Auftraggeber ist ferner darauf hinzuweisen, daß unbedingt die eigenen Mitwirkungspflichten (Schaffung der Testvoraussetzungen, Installationen, Informationen und Unterlagen) erfüllt werden müssen, da sonst im Regelfall das Verschulden des Auftragnehmers entfällt - und die Verletzung der wichtigen Mitwirkungspflichten das Gesamtprojekt zum "Platzen bringen kann" (vgl. hierzu u. 2.3.2.6.).
    Wenn das "Projekt" liquidiert werden muß...

    122
    In manchen Fällen wird der Vertrag wegen der Verzögerungen "sinnlos". Das gilt vor allem dann, wenn die "Termine" erheblich überzogen werden. Aber auch diese Frage der "Vertragsbeendigung" muß bereits von beiden Seiten vor Vertragsschuß in die Überlegungen einbezogen werden. Geschieht dies erst, wenn der "Knallpunkt" erreicht ist, so sind im Vorfeld des Vertragsschlusses "Prognosefehler" gemacht worden. Hierzu sieht das Gesetz neben dem Verzug folgende weitere Voraussetzungen vor dem Rücktritt oder der Wahl des Schadensersatzanspruches wegen Nichterfüllung (nur ein Weg ist beschreitbar !) vor, nämlich
    - die "angemessene Nachfrist"
    - sowie die eindeutige und klare Erklärung, daß man nach Ablauf der "angemessenen Nachfrist" zurücktreten oder Schadensersatz wegen Nichtfüllung verlangen werde.

    123 Problematisch ist die "Angemessenheit" der Nachfrist. Feststeht nur, daß der Schuldner nicht das Recht hat, gewissermaßen nach Verzugseintritt erst anfangen zu können. Die Nachfrist ist immer kürzer als die "Leistungs-/Erstellungszeit" - doch wie kurz bzw. wie lang muß sie sein ?
    Einige Indizien zur Entscheidung dieser Frage seien hierzu angeführt:
    - Gesamtleistungszeit
    - Stand der Arbeiten bei Verzugseintritt
    - Geschätzte Fertigstellungszeit
    - Interesse beider Seiten an der Aufrechterhaltung der Vertragsbeziehungen
    - Zumutbarkeit der "Nachfrist" für beide Teile.

    Faustformelmäßig läßt sich sagen:

    124
    Bei kurzen Leistungsfristen bis zu 14 Tagen wird die angemessene Nachfrist vielleicht 2/3 der Leistungsfrist betragen, bei längeren Fristen reduziert sich die Frist auf 1/2, 1/3 etc. der ursprünglichen Leistungszeit.
    Bei einer zweijährigen Leistungszeit mag die "Nachfrist" bei ca. 3 Monaten liegen. Maßgeblich ist immer der Einzelfall. Überraschungen vor Gericht sind nicht ausgeschlossen. Wer verfrüht zurücktritt oder auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung "umsteigt" und einen Folgeunternehmer mit Mehrkosten in Anspruch nimmt (2. Auftragserteilung), muß absolut sicher sein; denn andernfalls sitzt er auf "zwei Verträgen". Da er nur eine Leistung benötigt, könnten in diesem Fall Schadenersatzansprüche des "Erstunternehmers" nach § 324 BGB wegen "vorzeitiger Vertragsbeendigung" auf den Auftragnehmer zukommen.

    Darauf, daß in besonders gelagerten Einzelfällen nach § 326 BGB die Nachfristsetzung entfallen kann, sollte man sich in keinem Fall verlassen.
    Die Gerichte sind hier streng.
    Es müssen konkret nachgewiesene Einzelfallumstände gegeben sein, die es für den Auftragnehmer unzumutbar machen, die Vertragsbeziehungen weiter aufrecht zu erhalten.

    125 Hieraus folgt für die Praxis:

    - Bereits bei Vertragsschluß ist die Frage zu prüfen - von beiden Seiten -, welche "angemessene Nachfrist" muß gegebenenfalls eingeräumt werden ?
    - Welcher Nachfolgeunternehmer kommt in Betracht und kann die Leistung fertigstellen ?
    - Welche "Nachfrist" ist einzuräumen ?
    - Kann dies ohne Rechtsberater geschehen ? Niemals !

    Vertragsschluß-----Verzugseintritt--------------------------------verspätete Leistung
     
      "Zwischenschaden" - vgl. § 286 BGB
      + Fristsetzung
      + Leistungsablehnungserklärung
      + Fristablauf ohne Leistung
  "Schadensersatz wegen Nichterfüllung"
  oder Rücktritt - vgl. § 326 BGB


In diesem Zusammenhang sei noch auf die AGB-Problematik verwiesen. Auftragnehmergeschäftsbedingungen beschränken oder schließen die Verzugsansprüche vielfach. Das kann jedoch nur im Rahmen des § 11 Nr. 7/8 AGBG geschehen, der z.B. Klauseln verbietet, die entsprechende Ansprüche wegen Verzuges total oder auch für grobe Fahrlässigkeit ausschließen oder beschränken. Allerdings dürften Auftragnehmerbedingungen nur im Ausnahmefall Vertragsinhalt werden, da der öffentliche Auftraggeber nach § 9 Nr. 2 VOL/A gehalten ist, die VOL/B bzw. sonstige Allgemeine Geschäftsbedingungen über die Verdingungsunterlagen in den Vertrag einzubeziehen (vgl. o. Rdnr. 32 ff).

126 Aber auch hier gilt:
In die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der jeweils anderen Seite sollten beide Teile informationshalber hineinsehen. Sind dort für Verzugsansprüche Beschränkungen oder Ausschlüsse sowie "vage Formulierungen" enthalten, ist dies ein Indiz für die mangelnde Termintreue des anderen Teils. Ohne Grund werden diese Bestimmungen in die Geschäftsbedingungen nicht aufgenommen!


11.2. Modifizierung des gesetzlichen Systems des BGB in der VOL/B

127Das Verzugssystem des Gesetzes ist durch die nachfolgende Bestimmung des § 7 Nr. 2 ff VOL/B modifiziert:
  • Kein entgangenener Gewinn bei
    • leichter Fahrlässigkeit
    • und vom Auftraggeber vorgeschriebenem Subunternehmer
    • sowie weiterer Möglichkeit der Begrenzung des Schadensersatzanspruches durch Vereinbarung im Einzelfall.
Insoweit wird auf die Hervorhebungen im Text verwiesen:
"2. (1) Der Auftragnehmer hat dem Auftraggeber im Fall leicht fahrlässig verursachter Verzugs- oder Nichterfüllungsschäden den entgangenen Gewinn des Auftraggebers nicht zu ersetzen. Die Pflicht zum Ersatz dieser Schäden ist ebenfalls ausgeschlossen, wenn der Verzug durch Unterauftragnehmer verursacht worden ist, die der Auftraggeber dem Auftragnehmer vorgeschrieben hat.
(2) Darüber hinaus kann die Schadenersatzpflicht im Einzelfall weiter begrenzt werden. Dabei sollen branchenübliche Lieferbedingungen z.B. dann berücksichtigt werden, wenn die Haftung summenmäßig oder auf die Erstattung von Mehraufwendungen für Ersatzbeschaffungen beschränkt werden soll.

  • Rückgabepflichten bei der Geltendmachung von Schadensersatz wegen Nichterfüllung
    • Rückgabe überlassener Unterlagen etc.
    • unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern)
    • Pflicht zu unverzüglichen Aufstellung der Ansprüche durch Auftraggeber
    • Mitteilung der Mehrkosten für die nichterfüllten Leistungen durch Dritten (Folgeunternehmer) innerhalb der Frist von 3 Monaten
    • unverzügliche Angabe der Höhe der übrigen Ansprüche.
Insoweit wird auf die Hervorhebungen im Text verwiesen:
"(3) Macht der Auftraggeber Schadenersatzansprüche wegen Nichterfüllung geltend, so ist der Auftragnehmer verpflichtet, die ihm überlassenen Unterlagen (Zeichnungen, Berechnungen usw.) unverzüglich zurückzugeben. Der Auftraggeber hat dem Auftragnehmer unverzüglich eine Aufstellung über die Art seiner Ansprüche mitzuteilen. Die Mehrkosten für die Ausführung der nichterfüllten Leistung durch einen Dritten hat der Auftraggeber dem Auftragnehmer innerhalb von 3 Monaten nach Abrechnung mit dem Dritten mitzuteilen. Die Höhe der übrigen Ansprüche hat der Auftraggeber dem Auftragnehmer unverzüglich anzugeben.
(4) Macht der Auftraggeber bei bereits teilweise erbrachter Leistung Ansprüche auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung nur wegen des noch ausstehenden Teils der Leistung geltend, so hat der Auftragnehmer dem Auftraggeber unverzüglich eine prüfbare Rechnung über den bereits bewirkten Teil der Leistung zu übermitteln. Im übrigen findet Absatz 3 Anwendung.
3. Übt der Auftraggeber ein Rücktrittsrecht aus, finden Nr. 2 Absatz 3 Sätze 1 und 4 Anwendung; bei teilweisem Rücktritt gilt zusätzlich Nr. 2 Absatz 4 Satz 1.
4. Gerät der Auftragnehmer im Rahmen eines Teillieferungsvertrags mit einer der vertraglich vorgesehenen Teilleistungen in Verzug und setzt der Auftraggeber dem Auftragnehmer eine Frist gemäß § 326 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches, so hat der Auftraggeber, falls nach fruchtlosem Ablauf der Frist die Erfüllung auch der weiteren noch zu erbringenden Teilleistungen für ihn kein Interesse mehr hätte, dem Auftragnehmer diesen Wegfall des Interesses bereits in der Fristsetzung nach § 326 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches anzukündigen.

128 Die Vorschriften sollen für Klarheit sorgen und den Auftragnehmer vor Überraschungen schützen. Schadensersatzansprüche wegen Verzuges nach § 326 BGB verjähren nach den §§ 194 ff BGB, gemäß § 195 gilt die gesetzliche Frist von 30 Jahren. Bereits nach kurzer Zeit dürfte es sehr schwierig sein, den Sachverhalt aufzuklären. Aus Gründen der Beweissicherung empfiehlt es sich hier, z.B. sicherheitshalber auch einen Sachverständigen zu beauftragen, der den stand der Arbeiten feststellt.


12. Lösung des Vertrag durch Auftraggeber - § 8 VOL/B

§ 8 - Lösung des Vertrags durch den Auftraggeber


1. Der Auftraggeber kann vom Vertrag zurücktreten oder den Vertrag mit sofortiger Wirkung kündigen, wenn über das Vermögen des Auftragnehmers das Konkursverfahren eröffnet oder dessen Eröffnung mangels einer den Kosten des Verfahrens entsprechenden Konkursmasse abgelehnt worden ist oder wenn die ordnungsgemäße Abwicklung des Vertrags dadurch in Frage gestellt ist, daß gegen den Auftragnehmer ein gerichtliches Vergleichsverfahren eröffnet ist oder daß er seine Zahlungen nicht nur vorübergehend einstellt.

2. Der Auftraggeber kann auch vom Vertrag zurücktreten oder den Vertrag mit sofortiger Wirkung kündigen, wenn sich der Auftragnehmer in bezug auf die Vergabe an einer unzulässigen Wettbewerbsbeschränkung im Sinn des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen beteiligt hat.

3. Im Falle der Kündigung ist die bisherige Leistung, soweit der Auftraggeber für sie Verwendung hat, nach den Vertragspreisen oder nach dem Verhältnis des geleisteten Teils zu der gesamten vertraglichen Leistung auf der Grundlage der Vertragspreise abzurechnen; die nicht verwendbare Leistung wird dem Auftragnehmer auf dessen Kosten zurückgewährt.

4. Die sonstigen gesetzlichen Rechte und Ansprüche des Auftraggebers bleiben unberührt.

12.1. Rücktritt und Kündigungsmöglichkeit

129 § 321 BGB betrifft die Frage der Vorleistungspflicht für den Fall der wesentlichen Vermögensverschlechterung des anderen Teils nach Vertragsschluß. In diesen Fällen steht dem Vorleistungspflichtigen ein Leistungsverweigerungsrecht zu.

Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl., 2000, § 321 Rdnr. 2,3.

Ähnliche Regelungen sind in den §§ 610, 775 I Nr. 1, 1133 BGB enthalten. § 321 BGB ist nicht zwingend. Allerdings sind in AGB die Schranken des § 9 (vgl. auch § 10 Nr. 3 - sachlicher Grund) AGBG zu beachten.

Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl., 2000, § 321 Rdnr. 1; AGBG, § 10 Rdnr. 13 ff.; BGHZ 112, 283; NJW 1985, 1220; OLG Oldenburg NJW-RR 1991, 633.

§ 8 Nr. 1 VOL/B sieht ein Wahlrecht für den Auftraggeber vor. Er kann zuzrücktreten oder den Vertrag mit sofortiger Wirkung (ex nunc) kündigen. Für das Rücktrittsrecht gelten die §§ 346 ff BGB (Auflösung mit rückwirkender Kraft, Vertragsabwicklung). Das Rücktrittsrecht wird der Auftraggeber wählen, wenn es mit dem Trennung vom Vertragspartner und z.B. der Rückgewähr der gegenseitig gewährten Leistungen sein Bewenden hat. Bei Dauerschuldverhältnissen (Miete, Leasing, komplexe Langzeitverträge etc.) wird er hingegen das Kündigungsrecht dann wählen, wenn eine Auflösung und Abwicklung ab dem Zeitpunkt der Kündigung vertragsadäquater ist (ex-nunc-Wirkung der Kündigung). Insbesondere bei Interesse des Auftraggebers an Teilleistungen des Auftragnehmers wird in der Regel das Kündigungsrecht gewählt werden.

Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 8 Rdnr. 37.

Für die Kündigung bzw. das Rücktrittsrecht ist keine Schriftform vorgesehen, aber wohl aus Beweissicherungsgründen zu empfehlen.
Rücktritt und Kündigung sind als einseitige Gestaltungsrechte nach Ausübung nicht widerruflich und werden mit Zugang (vgl. § 130 BGB) wirksam. Nach Ausübung des Wahlrechts kann nicht von Rücktritt auf Kündigung übergegangen werden. Das Wahlrecht kann folglich nur einmal ausgeübt werden. Rücktritt und Kündigung sind bedingungsfeindlich.

Vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl., 2000, Überblick vor § 104 Rdnr. 17, m.w.Nachw.

Die Klausel enthält folgende Voraussetzungen der genannten Gestaltungsrechte, nämlich
  • Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Auftragnehmers oder
  • Ablehnung der Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse oder
  • Eröffnung des Vergleichsverfahrens und Gefährdung ("in Frage gestellt") der ordnungsgemäßen Abwicklung des Vertrages oder
  • nicht nur vorübergehende Zahlungseinstellung des Auftragnehmers.
Hierbei ist zunächst anzumerken, daß seit dem 1.1.1999 die Insolvenzordnung gilt (InsO)), die die Konkurs, Gesamtvollstreckungs- und Vergleichsordnung ersetzt.

Vgl. insoweit die Ausführungen von Breuer, Wolfgang, Beilage NJW Heft 1/19999; Pick, NJW 1995, 992.

Damit stimmt die Diktion der VOL/B nicht mehr mit dem am 1.1.1999, aber bereits 1994 verkündeten Insolvenzrecht überein (vgl. auch z.B. § 7 Nr. 5 a) VOL/A).

Insolvenzordnung vom 5.10.1994, BGBl. I, 2866; vgl. hierzu etwa auch Stapper, Florian, Neue Anforderungen an den Insolvenzverwalter, NJW 1999, 3441.

Es ist damit schon fraglich, ob diese Klausel noch Wirksamkeit entfalten kann, da sie allenfalls nach dem bisherigen Konkursrecht bis 31.12.1998 eingreifen kann. Immerhin ist aber denkbar, daß die Begriffe Konkursverfahren etc. durch den gleichgestellten, wenn auch inhaltlich veränderten Begriff des Insolvenzverfahrens nach der InsO ersetzt werden. Es könnten sich hier indessen Bedenken ergeben.
Wenn die Voraussetzungen für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegeben sind, ergeht der Insolvenzeröffnungsbeschluß (vgl. § 27 I S. 1 InsO). Die Eröffnung kann abgelehnt werden, wenn die Verfahrenskosten nicht gedeckt werden (§ 26 I S. 1 InsO). Bei Eröffnung eines Vergleichsverfahrens ist neben dem Vergleichseröffnungsbeschluß des Gerichts erforderlich, daß die ordnungsgemäße Abwicklung des Vertrags dadurch in Frage gestellt wird. Da der Auftraggeber die Voraussetzungen seines Rücktritts- bzw. Kündigungsrechts beweisen muß, ist von ihm nachzuweisen, daß die Vertragsabwicklung durch das genannte Ereignis fraglich geworden ist. Hierzu müssen entsprechende Fakten vorgelegt werden. Der einfachste Fall ist dann anzunehmen, wenn der Insolvenzverwalter die Abwicklung eines noch nicht vollständig erfüllten gegenseitigen Vertrages ablehnt (vgl. § 103 I InsO). In allen anderen Fällen dürfte die Begründung für den Rücktritt schwierig werden. Es geht im Grunde um die an anderer Stelle zu prüfende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit und Fachkunde (vgl. § 25 Nr. 2 I VOL/A). Erhebliche Gefährdungen werden dann anzunehmen sein, wenn es sich um einen Vertrag mit langer Laufzeit handelt, der erst zu einem geringen Teil sachlich und/oder zeitlich umgesetzt ist. Ähnlich wird es dort sein, wenn dem Insolvenzunternehmen die erforderlichen Fachkräfte für bestimmte Aufgaben fehlen, weil das Fachpersonal zu anderen Unternehmen gewechselt ist. Ferner wird man die ordnungsgemäße Vertragsausführung - mangelfreie Leistungen und Termineinhaltung - dann in Frage zu stellen haben, wenn der Insolvenzverwalter es ablehnt, das Unternehmen zum Zweck der Sanierung fortzuführen (vl. § 22 I 2 Nr. 2 InsO).

Vgl. insofern zu den Anforderungen an den Insolvenzverwalter Stapper, Florian, NJW 1999, 3441.

Ergibt diese Prüfung des Insolvenzverwalters, daß eine Sanierung nicht in Betracht kommt, so ist zumindest bei Verträgen mit noch längerer Laufzeit ein Indiz dafür gegeben, daß die ordnungsmäßige Vertragsausführung in Frage gestellt ist. Es wird darauf hingewiesen, daß die Klausel darauf abstellt, daß die Vertragsausführung in Frage gestellt ist. Nicht ausreichend ist, daß sie in Frage gestellt sein kann oder könnte. Speziell bei langfristigen Verträgen wird man daher die Klausel insofern korrigieren und konkretisieren.
Der Fall der nicht nur "vorübergehenden Zahlungseinstellung" bezieht sich wohl auf die sog. Zahlungsunfähigkeit, die üblicherweise (als Insolvenzgrund - vgl. § 17 Nr. 1 InsO) wie folgt definiert wird:
"Die bisher herrschende Meinung definierte Zahlungsunfähigkeit als das auf dem Mangel an Zahlungsmitteln beruhende dauernde Unvermögen des Schuldners, sein fälligen Geldschulden im wesentlichen zu berichtigen."

Vgl. hierzu Breuer, Wolfgang, Beilage NJW Heft 1/1999, s. 5; BGH ZIP 1991, 39.

Nicht unter diesen Begriff fällt die drohende Zahlungsfähigkeit (Eröffnungsgrund nach § 18 InsO). Ebenfalls nicht zur Zahlungsunfähigkeit gehört die Zahlungsstockung oder die Begleichung unwesentlicher Schulden. Ferner ist die Zahlungsunfähigkeit nicht einfache Nichtzahlung, sondern Erkennbarkeit der Zahlungsunfähigkeit mindestens für die beteiligten Verkehrskreise, mithin außerhalb des Auftragnehmerunternehmens. Im einzelnen können sich hierbei schwierige Abgrenzungen ergeben.

Vgl. hierzu Breuer, Wolfgang, Beilage NJW Heft 1/1999, s. 5. Vgl. z.B. OLG Köln, BauR 1996, 257; BGH ZIP 1995, 929; NJW 1991, 980.

Ob z.B. Nichtzahlung oder sehr schleppende Zahlung von Löhnen und Gehältern, Sozialversicherungsbeiträgen, Steuern, häufige Wechselproteste etc. im Einzelfall ausreichen, ist mehr als fraglich. Die genannten Umstände können nur als Indizien aufgefaßt werden, die jeweils für sich freilich nicht genügen.

Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 8 Rdnr. 33, unter Hinweis auf OLG Köln BauR 1996, 257..

Sofern man als Auftraggeber den Rücktritt oder die Kündigung auf diesen Grund stützt, sollten die Voraussetzungen sicher belegt sein; denn für den Fall des nichtberechtigten Rücktritts oder der unberechtigten Kündigung bleibt es zunächst bei dem geschlossenen Vertrag.
Nicht ausreichend sind neben der Zahlungsstockung und der drohenden Zahlungsunfähigkeit auch die Überschuldung, da diese nicht vom Wortlaut erfaßt ist. Die Überschuldung (Passva übersteigen die Aktiva) ist zwar Insolvenzgrund (vgl. § 19 II S. 1 InsO), aber in der Klausel nicht genannt.

Vgl. hierzu Breuer, Wolfgang, Beilage NJW Heft 1/1999, s. 6, m.w.Nachw.

Eine analoge Anwendung der Klausel auf andere Gründe kommen infolge der engen Auslegung von AGB nicht in Betracht. Auch hier ist dringend zu empfehlen, bei Dauerschuldverhältnissen und Langzeitverträgen neben der Prüfung nach den §§ 7, 7a, 25 Nr. 2 I VOL/A eine besondere Individualabrede in die Verdingungsunterlagen aufzunehmen.
Nur am Rande sei erwähnt, daß es bei Vorliegen der Rücktritts-/Kündigungsvoraussetzungen nach § 279 BGB nicht auf das Vorliegen von Verschulden ankommen kann.


12.2. Sonstige Kündigungsgründe und Folgen

130Ein weiterer Grund für einen/eine sofortige/n Rücktritt/Kündigung ist dann gegeben, wenn
  • der sich Auftragnehmer
  • in bezug auf die Vergabe
  • an einer unzulässigen Wettbewerbsbeschränkung i.S.d GWB
  • beteiligt hat.
Dieses Ziel haben auch die Vorschriften der §§ 97 I GWB, 2 Nr. 1 II, 7 Nr. 5 c), 25 Nr. 1 I f) VOL/A im Auge. Auch auf § 8 Nr. 4 VOB/B ist zu verweisen. Voraussetzung in der hier betroffenen Bestimmung ist die Beteiligung an einer unzulässigen Wettbewerbsbeschränkung. Ähnlich wie in § 830 I BGB muß der Auftragnehmer zu den Personen gehören, die eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung vereinbaren, zulassen oder darin mitwirken. Beteiligt sind auch Anstifter und Gehilfen (vgl. § 830 II BGB).

Nicht erforderlich ist nach § 8 Nr. 2 VOL/B, daß eine vertragliche Vereinbarung getroffen wird. Auch das Unterlassen der Angebotsabgabe kann den Tatbestand erfüllen, wenn dafür z.B. Zahlungen erfolgen. Typisch sind Preiskartelle, Angebotskartelle, "Angebotsverteilungsabsprachen". Eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung ist freilich auch in der Durchführung eines Vernichtungs- oder Verdrängungswettbewerbs (Dumpingpreise mit dem Ziel der Vernichtung anderer Anbieter) zu sehen.

Insoweit sei auf die §§ 1 ff, 14 f sowie 19 ff GWB verwiesen.

Insbesondere unterliegen dem Kartellverbot nach § 1 GWB
  • Vereinbarungen zwischen miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen,
  • Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die
    • eine Verhinderung,
    • Einschränkung oder
    • Verfälschung des Wettbewerbs
    • bezwecken oder bewirken.
Zu beachten sind auch EU-rechtliche Bestimmungen (vgl. Art. 85, 86 EG-Vertrag). Derartige Vereinbarungen oder Verhaltensweisen sind verboten (§ 1 GWB) und begründen die Nichtigkeit entsprechender Absprachen. Unberührt bleiben die einzelnen Verträge zwischen dem Auftragnehmer und Auftragnehmer, solange nicht vom Recht zum Rücktritt bzw. Kündigung Gebrauch gemacht wird.

Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl., 2000, § 134 Rdnr. 19 a.E.; OLG Stuttgart NJW-RR 1997, 1541; vgl. auch OLG Celle NJW 1963, 2126; OLG Frankfurt, ZIP 1991, 1171 - bloße Verhandlungen mit dem Ziel einer Absprache sollen nicht ausreichend sein !

Entsprechend der engen Auslegung der Klausel kommen z.B. Verhandlungen über entsprechende Absprachen nicht als Kündigungsgrund in Betracht.
Zu beachten ist ferner, daß es sich um einen Wettbewerbsrechtsverstoß handeln muß, der in bezug auf die konkrete Vergabe erfolgt. Es geht hier folglich nicht darum, daß der Auftragnehmer z.B. bei anderen Vergabeverfahren gegen das GWB verstoßen hat. Das wäre z.B. nach § 7 Nr. 5 c) VOL/A erheblich, wenn es um die Berücksichtigung des Angebots im Vergabeverfahren geht. Derartige generelle "Vergabesperren" (Verwaltungsakt) führen ja bereits zum Ausschluß aus dem Teilnehmerkreis. Einen Bezug zur Vergabe haben alle wettbewerbsbeschränkenden Verhaltensweisen vor dem Zuschlag, die dazu dienen sollen, diesen konkreten Wettbewerb wettbewerbsmäßig zu beschränken oder ihn auszuschließen. Damit ist das gesamte konkrete Vergabeverfahren bis zum Zuschlag betroffen.

Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 8 Rdnr. 44; konkreter Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., 1996, § 8 Rdnr. 140, m.w. Nachw. zum Bereich der VOB/A/B.

Die übrigen möglichen Verstöße (vgl. z.B. §§ 298 ff, 331 ff StGB - Bestechung, Schmiergelder etc.) sind in der Klausel nicht genannt. Verstöße gegen § 1 UWG sind m.E. durch die Klausel nicht betroffen, sondern lediglich Verstöße gegen das GWB.
Fraglich ist, ob daneben der allgemeine Grundsatz, daß Verträge aus wichtigem Grund gekündigt werden können (vgl. die §§ 626, 554 a BGB), insbesondere im Fall der positiven Vertragsverletzung (schwerwiegender Verstoß gegen vertragliche Nebenpflichten, Vertrauensverlust infolge entsprechender Verstöße etc.) wird zwar allgemein bejaht, kann jedoch im Hinblick auf die Fassung der Klausel in § 8 Nr. 2 VOL/B zu Problemen führen. Zu beachten ist jedoch, daß nach § 8 Nr. 4 VOL/B die "sonstigen gesetzlichen Rechte und Ansprüche" des Auftraggebers unberührt bleiben. Dazu gehören auch Ansprüche aus Positiver Vertragsverletzung sowie etwa das nach dem allgemeinen Rechtsgrundsatz bestehende Recht zur fristlosen Kündigung bei Vorliegen eines wichtigen Grundes.

Vgl. hierzu Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 8 Rdnr. 46, 54 ff. Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., 1996, § 8 Rdnr. 143 (zu weitgehend).

Wie die Abrechnung zu erfolgen hat, besagt § 8 Nr. 3 VOL/B nicht weiter. Es wird eine wert- mengenmäßige Erfassung mit einer abschließenden Bewertung nach objektiven Kriterien unumgänglich sein. Wer die Abrechnung vorzunehmen hat, ist nicht gesagt. Dies obliegt damit einschließlich der Kosten dem Auftraggeber. Fristen sind ebenfalls nicht genannt. Auf andere Bestimmungen der VOL/B ist nicht verwiesen. Unklarheiten der Klausel fallen in den Verantwortungsbereich des Auftraggebers. Im Grunde bleibt damit das Bewertungsproblem bestehen. Dem Auftraggeber wird es obliegen, darzulegen und nachzuweisen, daß er für die erbrachten Leistungen bzw. Leistungsteile keine Verwendung hat und sie folglich dem Auftragnehmer auf dessen Kosten zurückzugewähren sind. Weshalb bei dieser unklaren Fassung die Regelungen der §§ 7 Nr. 2 III und IV sowie / Nr. 3 VOL/B heranzuziehen sind, ist nicht ersichtlich.

So weitgehend Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 8 Rdnr. 49 f.

Wenn der Auftraggeber hier in der Klausel nicht für Klarheit sorgt, so stellt sich Frage nach den Folgen der dadurch bedingten Unklarheiten. Diese haben sicherlich nicht die Auftragnehmer zu tragen. Der Auftragnehmer könnte natürlich versuchen, auf der Basis einer prüfbaren Rechnung abzurechnen. Hierbei läuft er aber in Gefahr, daß der Auftraggeber die Verwendungsfähigkeit der Leistungen ablehnt - und zwar aus Gründen, die dem Auftragnehmer bei eigener Abrechnung nicht ersichtlich sind. Der Auftragnehmer wird folglich den Auftraggeber auffordern, entsprechende Erklärungen zur Verwendungsfähigkeit abzugeben und abzurechnen. Erfolgt dies auf Mahnung nicht innerhalb angemessener Frist, so befindet sich der Auftraggeber mit der Erfüllung der entsprechenden vertraglichen Abwicklungspflichten im Verzug (vgl. § 286 BGB).
Über weitere Einzelheiten (z.B. Rückgabepflichten des Auftragnehmers: Pläne etc.) ist an dieser Stelle nichts gesagt. Insofern wird auf § 3 Nr. 3 S. 2 VOL/B verwiesen.
Besonders bedenklich ist die Klausel des § 8 Nr. 4 VOL/B, soweit die "sonstigen gesetzlichen Rechte" unberührt bleiben sollen. Dies bedeutet zunächst, daß die gesetzlichen Bestimmungen, die ein Rücktritts- oder Kündigungsrecht beinhalten, nicht zur Anwendung gelangen können, da diese Sachverhalte und die Voraussetzungen der Rechte in der Klausel in § 8 Nr. 1 - 3 VOL/B geregelt sind. Die Klausel des § 8 Nr. 4 VOL/B kann nur den Sinn haben, daß die gesetzlichen Bestimmungen eingreifen, soweit nicht in den Bestimmungen des § 8 Nr. 1 - 3 VOL/B entsprechende Regelungen getroffen sind.
Hierbei kann es sich freilich nur um Ansprüche handeln, die über die "Lösungsrechte" des Auftraggebers in § 8 Nr. 1 - 3 VOL/B hinausgehen. Insofern kommen insbesondere Schadensersatzansprüche sowie Rücktrittsrechte/Kündigungsrechte in Betracht, die sich aus dem BGB ergeben, ohne mit der Vorschrift des § 8 Nr. 1 - 3 VOL/B zu kollidieren. Hierbei ist in erster Linie an Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung, insbesondere die auch hier mögliche Kündigung bei schwerwiegender Pflichtverletzung und insbesondere Zerstörung des Vertrauensverhältnisses, sowie die Kündigung aus wichtigem Grund nach den in dem § 626 BGB enthaltenen Rechtsgedanken mit der Folge der Schadensersatzpflicht bei Verschulden des einen oder anderen Teils zu denken. Soweit freilich einer der Kündigungsgründe des § 8 Nr. 1 und 2 VOL/B eingreift, kommt allenfalls der Schadensersatzanspruch in Betracht.
Ob daneben auch die Frage des Wegfalls der Geschäftsgrundlage bzw. die Anfechtung wegen Irrtums etc. durchgreifen, ist wohl zu bejahen, sofern nicht die VOL/B eine entsprechende (wirksame) Regelung enthält. Mit den übrigen Regelungen des BGB etwa den §§ 306, 323 - 325, 286, 326 BGB hat die Klausel m.E. grundsätzlich nichts zu tun. Mit den "sonstigen gesetzlichen Rechten und Ansprüchen" des Auftraggebers sind ohnehin nur die Vorschriften betroffen, die den Vermögensverfall" des Auftragnehmers sowie die wettbewerbsrechtsfremde Beteiligung an einem GWB-Verstoß betroffen. Es besteht kein Anlaß, hier nunmehr das gesamte BGB (PVV, Unmöglichkeit, Verzug, vorzeitige Kündigung etc.) zu behandeln, zumal für Nichterfüllung und Verzug ohnehin in § 7 VOL/B eine Regelung gegeben ist.

So aber Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 8 Rdnr. 54 ff.

Für den Fall der Kündigung nach § 8 Nr. 1 und 2 VOL/B treten die in § 8 Nr. 3 VOL/A angeführten Folgen ein, nämlich
  • Abrechnung der bisherigen Leistung auf der Grundlage der Vertragspreise unter den Voraussetzungen
    • der Verwendungsmöglichkeit/-fähigkeit der Leistung für den Auftraggeber oder
    • nach dem Verhältnis der erbrachten Teilleistung zur Gesamtleistung
  • oder Zurückgewährung nicht verwendbarer Leistungen durch den Auftraggeber an den Auftragnehmer auf dessen Kosten.
Dieser Weg wird lediglich im Fall er Kündigung beschritten werden können (Rücktriit: Rückabwicklungsverhältnis). Es ist folglich ab Wirksamkeit der Kündigung eine Prüfung durch den Auftraggeber durchzuführen, die sich auf die Verwendungsfähigkeit der erbrachten Leistungen oder Teile bezieht. Gegebenenfalls sind auch insofern neben der Güteverhandlung nach § 19 Nr. 1 VOL/B im Streitfall zur Beweissicherung Sachverständige einzusetzen.
Auch im Fall dieser Klausel empfiehlt es sich, für entsprechende Klarstellungen durch Individualvereinbarungen zu sorgen, da ansonsten der Konflikt bei der Abwicklung bereits im Vergabeverfahren vorprogrammiert ist.


13. Verzug des Auftraggebers, Lösung des Vertrages durch den Auftragnehmer - § 9 VOL/B

§ 9 - Verzug des Auftraggebers, Lösung des Vertrags durch den Auftragnehmer

1. Im Fall des Verzugs des Auftraggebers als Schuldner und als Gläubiger finden die gesetzlichen Vorschriften nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Anwendung.

2. (1) Unterläßt der Auftraggeber ohne Verschulden eine ihm nach dem Vertrag obliegende Mitwirkung und setzt er dadurch den Auftragnehmer außerstande, die Leistung vertragsgemäß zu erbringen, so kann der Auftragnehmer dem Auftraggeber zur Erfüllung dieser Mitwirkungspflicht eine angemessene Frist setzen mit der Erklärung, daß er sich vorbehalte, den Vertrag mit sofortiger Wirkung zu kündigen, wenn die Mitwirkungspflicht nicht bis zum Ablauf der Frist erfüllt werde.

(2) Im Fall der Kündigung sind bis dahin bewirkte Leistungen nach den Vertragspreisen abzurechnen. Im übrigen hat der Auftragnehmer Anspruch auf eine angemessene Entschädigung, deren Höhe in entsprechender Anwendung von § 642 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches zu bestimmen ist.

3. Ansprüche des Auftragnehmers wegen schuldhafter Verletzung von Mitwirkungspflichten durch den Auftraggeber bleiben unberührt.


13.1. Auftraggeber als Verzugsgläubiger und -schuldner

131 Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß der Auftraggeber als "Verzugsgläubiger", also dann, wenn sich der Auftragnehmer in Verzug befindet, nicht direkt auf die Vorschriften der §§ 286, 326, 636 BGB zurückgreifen kann, weil nämlich § 7 Nr. 1 VOL/B für den Verzug des Auftragnehmers entsprechende Regelungen vorsieht. Gemeint ist wohl hier mit der Vorschrift vor allem der Fall der §§ 293 ff BGB ("Gläubigerverzug" - Nichtannahme der angebotenen Leistung durch den Auftraggeber) - und nicht der Auftraggeber als Anspruchsinhaber gegenüber dem sich in Verzug befindlichen Auftragnehmer (vgl. § 7 Nr. 1 VOL/B).
Nur der Auftraggeber ist in der Bestimmung des § 9 Nr. 1 VOL/B betroffen.

Wegen der Voraussetzungen des Verzugs wird auf die Ausführungen zu § 7 Nr. 1 VOL/B verwiesen. Der Verzug ist in den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 286, 326, 636, 293 ff BGB geregelt. Diese Vorschriften sind durch die Bestimmungen § 8 Nr. 2 VOL/B konkretisiert.

Betroffen ist zunächst die Hauptpflicht des Auftraggebers zur Zahlung der (ausnahmsweise) vereinbarten Vorleistungen, der Abschlagszahlungen sowie auch der Vergütung.

Insofern bestehen keine Besonderheiten. Verzug setzt voraus
  • kein Vorliegen von Unmöglichkeit (vgl. §§ 306, 323 - 325 BGB)
  • Fälligkeit der Leistung - vgl. § 271 BGB
  • Mahnung oder kalendertagsmäßig bestimmbare Leistungszeit - vgl- § 284 BGB
  • Verschulden - vgl. § 285 BGB.
  • In diesem Fall stehen dem Auftragnehmer Schadensersatzansprüche, insbesondere Verzug der Zahlung Zinsansprüche, zu.
  • Zu diesen Merkmalen kommen nach § 326 BGB noch grundsätzlich das Setzen einer angemessen Frist und Leistungsablehnungsandrohung das Rücktrittsrecht oder der Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung (vgl. o. Rdnr. 115 ff.).
Sofern also der Auftraggeber z.B. seine fällige Vergütung nicht entrichtet, kann der Auftragnehmer gegen den Auftraggeber als Verzugsschuldner nach den genannten Vorschriften vorgehen. Voraussetzung ist allerdings, daß die für die Fälligkeit der Vergütung erforderlichen Voraussetzungen nach den §§ 15 - 17 VOL/B erfüllt sind.

Ferner kommt der Auftraggeber nach den §§ 293 ff BGB in Annahmeverzug, sofern die die ihm "ordnungsgemäß" angebotene Leistung nicht annimmt, wobei es sich freilich nicht um eine Hauptpflicht handelt, sondern um eine Obliegenheit.

Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl., 2000, § 293 Rdnr. 1 m.w.Nachw.

Allerdings ist hinsichtlich der Abnahme nicht bei allen Vertragstypen von einer Hauptpflicht (Werkvertrag) auszugehen, sondern auch z.B. der Nebenpflicht (Kaufvertrag). Insofern sei auf § 13 VOL/B und die dortige Kommentierung verwiesen. Die in diesem Zusammenhang nach den Vorschriften des BGB anzutreffende Problematik des Verzugs bei Haupt- und Nebenpflichten bleibt in § 8 9. Nr. 1 VOL/B ungelöst. Vor allem ist der Auftraggeber ebenso wie der Auftragnehmer gezwungen, in allen Fällen, die durch § 9 Nr. 2 VOL/B nicht geregelt sind, die gesamte Problematik der Verzugsbestimmungen, ihrer Abgrenzung zur Nichterfüllung, zu beachten. Das gilt auch für die Frage der Schadenshöhe nach den §§ 249 ff BGB, die gerade auch im Bereich der öffentlichen Hand, aber auch bei den Auftragnehmer zu entsprechenden Problemen führen kann. Das der Auftraggeber über die Verdingungsunterlagen das Vergabeverfahren "steuert" und somit den Vertragsinhalt bestimmt, wird über die Regelung der VOL/B-Klauseln regelmäßig keine weitere Abrede getroffen. Anderes mag in den Fällen der Freihändigen Vergabe oder im EU-weiten Verhandlungsverfahren eintreten. Der Auftraggeber wird folglich seine Position für den Fall des Verzugs kaum abweichend von den gesetzlichen Bestimmungen verschärfen. Der Auftragnehmer hat als Bieter insofern regelmäßig keine Einflußmöglichkeit.

Soweit es sich nicht um die in den §§ 293 ff BGB anzutreffenden Folgen handelt, wird daneben bei einem nicht von § 9 Nr. 2 und 3 VOL/B behandelten Fall die positive Vertragsverletzung eingreifen und bei entsprechenden schuldhaften Nebenpflichtverletzungen des Auftraggebers Schadensersatz-ansprüche begründen. Dies ist allerdings in diesem Zusammenhang nicht betroffen, da § 9 Nr. 1 VOL/B nur die Fälle der verzögerten Erfüllung der Nebenpflichten betrifft. Immerhin sind Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung neben den Regelungen der §§ 293 ff BGB denkbar, da die §§ 293 ff BGB grundsätzlich keine Schadensersatzpflicht vorsehen.

Vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl., 2000, § 293 Rdnr. 7, zu den Zusammenhängen; ferner § 304 Rdnr. 1.

Falls der Auftraggeber in den Verdingungsunterlagen das Rechte- und Pflichtengefüge insbesondere der §§ 286, 326 BGB zu seinen Gunsten verschieben würde, könnte ein Verstoß gegen §§ 8 Nr. 1 II, 9 Nr. 2 VOL/A vorliegen. Es besteht allerdings auch kein Anlaß, den Auftraggeber insofern im Vergleich zur gesetzlichen Lage besser zu stellen.


13.2. Die Sonderregelung des § 9 Nr. 2 I, II VOL/B

132 Die Bestimmung des § 9 Nr. 2 VOL/B ist schwer verständlich und hat lediglich einen schmalen Anwendungsbereich (unverschuldete Unterlassung von nach dem Vertrag obliegende erfüllbare Mitwirkungspflichten). § 9 Nr. 2 VOL/B betrifft die dem Auftraggeber obliegenden Mitwirkungspflichten. Wie bereits im Zusammenhang mit § 5 VOL/B behandelt, kann in diesen Fällen zur Anzeige der Behinderung und Unterbrechung kommen.
Mitwirkungspflichten sind durch die VOL/B nicht definiert. In § 642 I BGB ist von der "Mitwirkung" des Bestellers die Rede. Es geht im Regelfall um Handlungen des Auftraggebers, die für die ordnungsgemäße Vertragsabwicklung und die Leistung erforderlich sind. Hierbei kann es sich um Leistungen einer bestimmten Person, um die Erstellung und Übergabe von Unterlagen, um die Gewährung des Zutritts zu bestimmten Räumen etc. handeln. Es kann auch darum gehen, daß bestimmte Entscheidungen über Alternativen vom Auftraggeber getroffen werden, ohne die ein weiterer Fortgang der Arbeiten nicht möglich ist. Anhaltspunkte finden sich in den §§ 3, 4 VOL/B (vgl. die dortige Kommentierung).

Die Mitwirkung muß dem Auftraggeber nach dem Vertrag obliegen, also auferlegt sein. Hierzu ist entweder eine ausdrücklich festgelegte Pflicht erforderlich oder es muß eine Mitwirkungshandlung betroffen sein, die sich erkennbar für den Auftraggeber bereits bei Vertragsschluß aus dem Vertragszweck ergibt.
Auch wenn diese Mitwirkungspflichten nicht sämtlich in den Verdingungsunterlagen festgehalten sind, kommen entsprechende Pflichten folglich auch infolge schlüssiger Übernahme in Betracht, weil z.B. anders die entsprechende Leistung nicht erbracht werden kann. So kann der Auftragnehmer grundsätzlich erwarten, daß die Mitarbeiter des Auftraggebers ihm entsprechend ihren Möglichkeiten zuarbeiten und den Fortgang der Arbeiten unterstützen.

Vgl. insofern Palandt-Sprau, BGB, 59. Aufl., 2000, § 624 Rdnr. 1, m.w.Nachw.; zum Bauvertrag vgl. Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., 1996, § 9 Rdnr.6 ff. Vgl. ferner z.B. § 4 BVB-Planung.

Es liegt auf der Hand, daß zwischen den Parteien nach Vertragsschluß nicht selten erhebliche Streitigkeiten entstehen, ob und welche Mitwirkungspflichten der Auftraggeber - und nur um diese geht es hier - zu erfüllen hat. Hierbei wird dann häufig auf die erforderliche vertrauensvolle Zusammenarbeit, Ausflüsse von Treu und Glauben und Sinn und Zweck des Vertrages verwiesen.

Vgl. Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., 1996, § 9 Rdnr. 15, zum Bauvertrag.

Die Fehler wurden hier nun einmal bereits bei Erstellung der Verdingungsunterlagen gemacht, indem die entsprechenden Pflichten nicht konkretisiert worden sind oder man dort vereinbarte, daß den Auftragnehmer grundsätzlich keine Mitwirkungspflichten treffen, soweit nicht der Auftragnehmer deren Erforderlichkeit und Abhängigkeit von dem Auftraggeber nachweist.
§ 8 Nr. 2 I VOL/B betrifft allerdings lediglich Mitwirkungspflichten, die der Auftraggeber ohne Verschulden nicht erfüllt. Das ist im Grunde lediglich der Fall, wenn objektive Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit (z.B. wegen absolut unvertretbaren Aufwands) vorliegen, was der Auftraggeber darzulegen und nachzuweisen hat. Liegen allerdings diese Fälle vor, so greift die Vorschrift des § 9 Nr. 2 nicht ein, da es sich nicht um einen Verzugsfall, sondern um Unmöglichkeit handelt; denn in diesen Fällen kann kein Verzug vorliegen.

Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl., 2000, § 293 Rdnr. 3, m.w.Nachw.

Hierunter, die unverschuldete Unterlassung der Mitwirkungshandlung, können zum einen schon nicht die Gestaltungen fallen, in denen der Auftraggeber bereits bei Vertragsschluß (Vertragsannahme durch Zuschlag) die Erforderlichkeit der Mitwirkungspflicht sieht und sie gleichwohl dennoch übernimmt, obwohl er dazu nicht in der Lage ist. Hier liegt Verschulden vor, da bei entsprechender Überprüfung die diesbezüglichen Feststellungen hätten getroffen werden können.
Allerdings greifen die Verzugsbestimmungen auch dann nicht ein, wenn es sich um feststehendes Unvermögen des Schuldners handelt, also dieser nicht nur vorübergehend, sondern zumindest über einen dem anderen Teil nicht zumutbaren längeren Zeitraum die Mitwirkungspflicht nicht erfüllen kann.

Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl., 2000, § 293 Rdnr. 3, m.w.Nachw.

Es kann sich folglich in der Regel nur um Mitwirkungspflichten handeln, die bereits bei Vertragsschluß vereinbart worden sind und die der Auftraggeber auch zu erfüllen vermag.
Im übrigen werden diese Fälle der unverschuldeten Verletzung einer Mitwirkungspflicht selten sein. Es müßten sich um unvorhergesehene und unvorhersehbare erfüllbare Mitwirkungspflichten handeln. Das ist regelmäßig nur der Fall, wenn Vertragsänderungen anstehen oder auch bei entsprechender Umsicht nicht vorhersehbare Mitwirkungspflichten vorliegen.
Im übrigen handelt es sich hier vor allem um den Fall des Annahmeverzugs nach den §§ 293 ff BGB, für den - wie erwähnt - kein Verschulden erforderlich ist. Der Gläubigerverzug bezieht sich zwar in erster Linie auf den Annahmeverzug, gleichwohl darüber hinaus auf alle Obliegenheiten, die der Auftraggeber zu erfüllen hat - das geht erheblich über die Verpflichtung zur Abnahme der Leistung hinaus.

Vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl., 2000, § 293 Rdnr. 1,2; vgl. auch Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., 1996, § 9 Rdnr. 22 f.

Die Pflicht zur Mitwirkung ist im übrigen nur erfüllt, wenn der Auftraggeber alle seine Pflichten vollständig und mangelfrei leistet.
Falls ein solcher Ausnahmefall der unverschuldeten Mitwirkungspflicht-verletzung in der Praxis einmal vorkommen sollte, so ist weiter erforderlich, daß diese Pflichtverletzung den Auftraggeber außer Stand setzt, die Leistung vertragsgemäß zu erbringen. Zwischen unverschuldeter Pflichtverletzung und Unterbrechung bzw. Unausführbarkeit der Leistung muß der ursächliche Zusammenhang bestehen. Der Auftragnehmer darf also grundsätzlich nicht in der Lage sein, die Leistungen ohne zusätzlichen eigenen Aufwand voranzutreiben. Insofern ist auf die konkreten Verhältnisses des Auftragnehmers abzustellen, seine Möglichkeiten und Einrichtungen, die Greifbarkeit bestimmter Ergebnisse und Unterlagen etc. Nicht erforderlich ist insofern objektive Unmöglichkeit der Vertragsausführung. Ausreichend ist vielmehr, daß der Auftragnehmer selbst ohne ihm zumutbaren Aufwand nicht in der Lage ist, die Vertragsausführung gewissermaßen im Wege der zumutbaren Selbsthilfe oder Ersatzvornahme durchzuführen.

Vgl. auch Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 9 Rdnr. 40.

133 Für den Fall dieser unverschuldeten Verletzung der Mitwirkungspflicht und die weitere Unausführbarkeit durch den Auftragnehmer, kann dieser eine angemessene Frist mit der Erklärung setzen, daß bei fruchtlosem Fristablauf - hier wiederum keine Schriftform vorgesehen - der Vertrag von ihm mit sofortiger Wirkung gekündigt werde. Welche Frist angemessen ist, richtet sich nach dem jeweiligen Einzelfall (erforderliche Zeit für die Bewirkung der Mitwirkungshandlung, bei bereits teilweiser Erfüllung der Mitwirkungshandlung "Restzeit", Berücksichtigung der Zumutbarkeit für den Auftragnehmer). Wenn der Auftraggeber die Erfüllung seiner Obliegenheit endgültig und ernsthaft verweigert, wäre die Fristsetzung lediglich eine leere Förmelei. In diesen Fällen kann die Fristsetzung, wenn auch nicht in der Klausel behandelt, doch nach allgemeinen Grundsätzen entfallen.

Wie hier Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 9 Rdnr. 10.

Für den Fall der Kündigung des Vertrages erfolgt eine Abrechnung der bis dahin - zur Kündigung - bewirkten Leistungen auf der Basis der Vertragspreise. Eine Einschränkung des Inhalts, daß der Auftragnehmer die entsprechende Vergütung nur bei für den Auftraggeber wertvollen/werthaltigen/verwendbaren Leistungen erhält, ist der Klausel nicht zu entnehmen. Auch ist nicht von einer "angemessenen Entschädigung" die Rede (vgl. § 642 I BGB), sondern von einer Abrechnung der bisher erbrachten Leistungen. Allenfalls könnte man verlangen, daß diese Leistungen mangelfrei zu erbringen waren, da eine Abrechnung immer nur auf "bewirkte Leistungen" bezogen ist und damit immanent Mangelfreiheit erforderlich ist. Andernfalls ist die Leistung eben nicht vollständig, nicht mangelfrei etc. bewirkt und somit entsprechend ihrem Istzustand nach den Vertragspreisen abzurechnen.

Vgl. allerdings Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 9 Rdnr. 47 - 48; auch zum Baurecht Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., 1996, § 9 Rdnr. 52.

Die Abrechnung und ihre Kosten sind Sache des Auftraggebers. Er ist hinsichtlich der Modalitäten (Erfassung der bewirkten Leistungen, Bewertung und Abrechnung zu den Vertragspreisen) darlegungs- und beweispflichtig. Daneben steht dem Auftragnehmer eine nach § 642 II BGB vorgesehene angemessene Entschädigung zu. Für die Entschädigung - über § 304 BGB hinaus (Aufwendungsersatz) - sind maßgeblich
  • die Dauer des Verzugs,
  • die Höhe der Vergütung - kalkuliert einschließlich angemessenen Gewinnzuschlags etc.,
  • die ersparten Aufwendungen des Auftragnehmers
  • und der Erlös aus dem anderweitigen Ersatz der Arbeitskraft.
Insoweit trifft den Auftragnehmer die Darlegungs- und Beweislast.

Vgl. Palandt-Sprau, BGB, 59. Aufl., 2000, § 642 Rdnr. 2; OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 1507. Zu mangelhaften Leistungen vgl. OLG München BauR 1980, 274.

§ 9 Nr. 3 läßt Ansprüche des Auftragnehmers wegen schuldhafter Verletzung von Mitwirkungspflichten unberührt. Dies macht deutlich, daß es sich bei der in § 9 Nr. 2 VOL/B enthaltenen "Privilegierung" um eine Sondergestaltung handelt, die jedenfalls schuldhafte Pflichtverletzungen der Mitwirkung nicht betrifft. Dieser Grundsatz entspricht den zu § 642 I BGB entwickelten Grundsätzen, nach denen ebenfalls Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung in Betracht kommen, ferner gesetzliche Schadensersatzansprüche aus § 286 BGB (schuldhafter Verzug bei der Erfüllung der Mitwirkungspflicht).

Vgl. Palandt-Sprau, BGB, 59. Aufl., 2000, § 642 Rdnr. 2; auch Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 9 Rdnr. 55 ff; Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., 1996, § 9 Rdnr. 58 ff.

Auch Ansprüche aus § 324 I BGB sind denkbar, sofern der Auftraggeber die Unmöglichkeit zu vertreten hat - mit der Folge der in § 324 I BGB für den Auftraggeber günstigeren Abrechnungsmethode.

So auch Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 9 Rdnr. 56, 57; Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., 1996, § 9 Rdnr. 59.


14. Vertragsstrafen - § 11 VOL/B

§ 11- Vertragsstrafe


1. Wenn Vertragsstrafen vereinbart sind. gelten die § 339 bis 345 des Bürgerlichen Gesetzbuches.

2. Ist die Vertragsstrafe für die Überschreitung von Ausführungsfristen vereinbart, darf sie für jede vollendete Woche höchstens 1/2 % v. H. des Wertes desjenigen Teils der Leistung betragen, der nicht genutzt werden kann. Ist die Vertragsstrafe nach Tagen bemessen, so zählen nur Werktage; ist sie nach Wochen bemessen, so wird jeder Werktag einer angefangenen Woche als 1/6 Woche gerechnet. Der Auftraggeber kann Ansprüche aus verwirkter Vertragsstrafe bis zur Schlußzahlung geltend machen.

3. Sind Vertragsstrafen vereinbart, ist eine angemessene Obergrenze festzulegen.

134 Vertragsstrafen sind grundsätzlich zusätzliche Druckmittel. Das BGB befaßt sich der Vertragsstrafe in den §§ 339 - 343 BGB. Im AGBG ist in § 11 Nr. 6 die Rede (Vorschrift für den "Endverbraucherbereich" - vgl. § 24 AGBG). Vertragsstrafen setzen eine Hauptverbindlichkeit voraus (Akzessorietät). Sie gehören zu den vertraglichen Abreden. Sie werden vereinbart für den Fall des Verzugseintritts (vgl. § 339 BGB) oder für Nichterfüllung (vgl. §340 BGB) bzw. auch "für nicht gehörige Erfüllung"(vgl. § 341 BGB). Die Vertragsstrafe tritt neben weitere Ansprüche z.B. aus Verzug, Schlechtleistung etc. - allerdings ist darauf zu achten, daß man sich die Vertragsstrafe bei Annahme der Leistung vorbehält (vgl. § 341 III BGB)!
Dies bedeutet zunächst, daß die Regelung der Vertragstrafe in den "Individualteil" der Verdingungsunterlagen gehört - zudem ist zu beachten, daß Vertragsstrafen in pauschaler Form ohnehin nach der VOL/A (§ 12) nicht in Betracht kommen . auch bedürfen sie der Begründung. Es sind also die Voraussetzungen des § 12 VOL/A zu erfüllen (Ausbedingung nur für die Überschreitung von festgelegten Ausführungsfristen, Verursachung erheblicher Nachteile infolge der Fristüberschreitung <nicht leicht bei der öffentlichen Hand zu belegen>, Beachtung der "angemessenen Grenze" - Verhältnis zur betroffenen Vergütung: 5 % wohl als Obergrenze).

135 In diesem Zusammenhang muß mit allem Nachdruck darauf hingewiesen werden, daß der Zuschlag ohnehin nach § 25 Nr. 2 (1) VOL/A nur an zuverlässige, fachkundige und leistungsfähige Auftragnehmer erteilt werden darf. Das hat zur Folge, daß Vertragsstrafen auch unter diesem Aspekt nur unter engen Voraussetzungen in Betracht kommen. Ein Verstoß gegen die Grundsätze der VOL/A kann hier im Extremfall zur Unbeachtlichkeit der einseitig aufgezwungenen Vertragsstrafenvereinbarung führen. Tatsächlich ist ferner zu beachten, daß Vertragsstrafen nur etwas - zumindest nur sehr wenig - nutzen, wenn die Vergütung noch nicht entrichtet ist. Dann sind Abzüge in Höhe der Vertragsstrafe möglich. Andernfalls stehen dem Auftraggeber nur "Ansprüche" zu, die realisiert werden müssen.
Delikat ist ferner, daß derzeit in den BVB keine Schadenspauschalierung, sondern stattdessen allein ein Vertragsstrafe (6,66 % z.B. BVB-Erstellung) vorgesehen ist. Vgl. BVB.
Diese Grundsätze werden im übrigen durch § 11 VOL/B teilweise modifiziert. Grundsätzlich gelten zwar die Vorschriften der §§ 339 - 345 BGB. Vorgesehen ist eine Vertragsstrafenhöhe von 0,5 % des Wertes der betroffenen Leistung ("höchstens") - bei den Modalitäten der Bemessung nach Tagen bzw. Wochen. Allerdings ist eine "angemessene Obergrenze" festzulegen, wie dies im übrigen für Allgemeine Geschäftsbedingungen nach den in diesem Zusammenhang geltenden Grundsätzen auch der Fall ist. Welche Grenzwerte hier im einzelnen erheblich sein werden, ist nicht generell zu sagen. Jedenfalls sind Vertragsstrafen zum einen zu begründen - zum anderen dürften, wie erwähnt, Vertragsstrafen von mehr 5 % der betroffenen Leistung/Vergütung insgesamt bedenklich, im Regelfall nicht zulässig sein. Zwar greifen bei der "individuell in den Verdingungsunterlagen" festgelegten Vertragsstrafen (vgl. BVB) die Grundsätze des AGBG nicht ein.

Hierzu Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl., 2000, AGBG, § 11 Rdnr. 32 m.w.Nachw.

Gleichwohl stellen die in den §§ 12 VOL/A und 11 VOL/B enthaltenden Grundsätze ausreichende Schranken dar, die es zu beachten gilt, da andernfalls über eventuelle Schadensersatzansprüche des Auftragnehmers wegen Verstoßes gegen die genannten Vorgaben die Vertragsstrafe (abgesehen von der Möglichkeit der Herabsetzung durch den Richter) die Wirksamkeit der Vertragsstrafe generell sowie in der Höhe rechtlich in Frage stehen kann.

136 Die "Angemessenheit" bezieht sich auf den Verstoß, seine Folgen, auf die Frage der Haupt- und Nebenpflichten, die Vergütung, den zu erwartenden "angemessenen Gewinn" etc. sowie auch auf die Schwere des potentiellen Verstoßes und seiner Folgen.
Übermäßige Vertragsstrafeversprechen begegnen schon generell Bedenken, insbesondere aber in Vergabeverfahren, weil hier die öffentliche Hand über das "Führungsinstrument" der Verdingungsunterlagen die Vertragsstrafe praktisch einseitig festlegt. Der Auftragnehmer hat keine Wahl dies zu "schlucken", sofern er nicht etwa im EU-weiten Vergabeverfahren die Vergabekammer anruft, die eine solche Vertragsstrafe z.B. korrigieren oder deren Aufhebung verlangen könnte.

137 Immerhin muß die Frage, ob eine Vertragsstrafe in die Verdingungsunterlagen aufzunehmen ist, geprüft werden - hierbei sind folgende Grundsätze und Punkte zu beachten:
- Ausführungsfristen ?
- Angemessenheit der Ausführungsfristen nach § 11 VOL/A ?
- Besondere Dringlichkeit und außergewöhnlich kurze Fristen im Sinn des § 11 VOL/A?
- Gefahr der Überschreitung ?
- Erhebliche Nachteile bei Überschreitung konkret nachweisbar ? Welche ? Vermögensschäden ? Arbeitsbehinderung/-verhinderung/-unterbrechung und Erheblichkeit der Folgen ? Nachteile für die Versorgung der Bürger ? Ansprüche Dritter ?
- Angemessene Obergrenze ?
Zumindest diese Fragen sind zu vor der Festlegung der Vertragsstrafe zu beantworten und die Voraussetzungen konkret nachzuweisen. Zu denken ist bei allen Anforderungen, daß sie den Wettbewerb reduzieren und zuverlässige Bieter von entsprechenden Angeboten abhalten können, währenddessen sich "unzuverlässige" Bieter über das Risiko hinwegsetzen.


13. Güteprüfungen, Abnahme, Gewährleistung und Verjährung - Konkretisierungsgebot im Einzelfall - Beweissicherung - Rechtserhaltung

§ 12 - Güteprüfung

1. Güteprüfung ist die Prüfung der Leistung auf Erfüllung der vertraglich vereinbarten technischen und damit verbundenen organisatorischen Anforderungen durch den Auftraggeber oder seinen gemäß Vertrag benannten Beauftragten. Die Abnahme bleibt davon unberührt.

2. Ist im Vertrag eine Vereinbarung über die Güteprüfung getroffen, die Bestimmungen über Art, Umfang und Ort der Durchführung enthalten muß, so gelten ergänzend hierzu, falls nichts anderes vereinbart worden ist, die folgenden Bestimmungen:

a) Auch Teilleistungen können auf Verlangen des Auftraggebers oder Auftragnehmers geprüft werden, insbesondere in den Fällen, in denen die Prüfung durch die weitere Ausführung wesentlich erschwert oder unmöglich würde.

b) Der Auftragnehmer hat dem Auftraggeber oder dessen Beauftragten den Zeitpunkt der Bereitstellung der Leistung oder Teilleistungen für die vereinbarten Prüfungen rechtzeitig schriftlich anzuzeigen. Die Parteien legen dann unverzüglich eine Frist fest, innerhalb derer die Prüfungen durchzuführen sind. Verstreicht diese Frist aus Gründen, die der Auftraggeber zu vertreten hat, ungenutzt, kann der Auftragnehmer dem Auftraggeber eine angemessene Nachfrist setzen mit der Forderung, entweder innerhalb der Nachfrist die Prüfungen durchzuführen oder zu erklären, ob der Auftraggeber auf die Güteprüfung verzichtet. Führt der Auftraggeber die Prüfungen nicht innerhalb der Nachfrist durch und verzichtet der Auftraggeber auf die Prüfungen nicht, so hat er nach dem Ende der Nachfrist Schadenersatz nach den Vorschriften über den Schuldnerverzug zu leisten.

c) Der Auftragnehmer hat die zur Güteprüfung erforderlichen Arbeitskräfte, Räume, Maschinen, Geräte, Prüf- und Meßeinrichtungen sowie Betriebsstoffe zur Verfügung zu stellen.

d) Besteht aufgrund der Güteprüfung Einvernehmen über die Zurückweisung der Leistung oder von Teilleistungen als nicht vertragsgemäß, so hat der Auftragnehmer diese durch vertragsgemäße zu ersetzen.

e) Besteht kein Einvernehmen über die Zurückweisung der Leistung aufgrund von Meinungsverschiedenheiten über das angewandte Prüfverfahren, so kann der Auftragnehmer eine weitere Prüfung durch eine mit dem Auftraggeber zu vereinbarende Prüfstelle verlangen, deren Entscheidung endgültig ist. Die hierbei entstehenden Kosten trägt der unterliegende Teil.

f) Der Auftraggeber hat vor Auslieferung der Leistung einen Freigabevermerk zu erteilen. Dieser ist die Voraussetzung für die Auslieferung an den Auftraggeber.

g) Der Vertragspreis enthält die Kosten, die dem Auftragnehmer durch die vereinbarte Güteprüfung entstehen. Entsprechend der Güteprüfung unbrauchbar gewordene Stücke werden auf die Leistung nicht angerechnet.

Güteprüfung

138 Unter einer Güteprüfung versteht man
- den Vorgang der Prüfung
- sowie deren Bezug zur "Qualität" = Güte.
Im Regelfall geht es um die Übereinstimmung zwischen vertraglicher vereinbarter Beschaffenheit, zugesicherter Eigenschaft oder objektiv erwarteter Beschaffenheit (z.B. auf der Basis einer nationalen, EU- oder internationalen Norm). Die merkwürdig geschraubten und im übrigen nicht vollständigen Begriffe der
- vertraglich vereinbarten technischen
- und damit verbundenen organisatorischen Anforderungen
waren Gegenstand offensichtlich umfangreicher Erörterungen in den entsprechenden Gremien.

Hierzu Daub/Eberstein, VOL/B., 4. Aufl. 1994, § 12 Rdnr. 16 ff.

Diese Bemühungen mögen für die Auseinandersetzung und Diskussion der VOL/B vorteilhaft gewesen sein. Für die Praxis läßt sich aus dem Ergebnis wenig Honig saugen. Immerhin gibt § 12 Nr. 2 VOL/B wenigstens gewisse Richtlinien für die Güteprüfung und ihre Durchführung. Danach ergibt sich folgende Mindestchecklist, die natürlich Gegenstand des Vergabeverfahrens sein muß (Bestandteil der Verdingungsunterlagen.

139"Mußbestandteile" der Vereinbarung über eine Güteprüfung
  • Art der Güteprüfung:
  • Umfang der Güteprüfung:
  • Ort der Güteprüfung:
Zusatzvereinbarungen und dazu ergänzend:
  • Zusatzvereinbarungen
  • Ergänzungen:
  • Möglichkeit der Prüfung von Teilleistungen auf Verlangen des Auftraggebers bei späterer Erschwerung oder Unmöglichkeit der Prüfung durch die weitere Ausführung
  • Pflicht des Auftragnehmers zur rechtzeitigen schriftlichen Anzeige des Zeitpunkts der Bereitstellung der Leistung/Teilleistung
  • Unverzügliche einvernehmliche Festlegung der Frist für die Durchführung der Prüfung durch beide Parteien
  • Setzen einer angemessenen Nachfrist durch den Auftragnehmer fruchtlosem Ablauf der Prüfungsfrist durch den Auftraggeber - Setzen einer angemessenen Nachfrist für die Durchführung der Prüfung oder Erklärung des Verzichts auf die Prüfung durch den Auftraggeber
  • Schadensersatz des Auftraggebers wegen Schuldnerverzugs bei fruchtlosem Ablauf der Nachfrist (keine Güteprüfung oder Verzichtserklärung)
  • Pflicht zur Überlassung der für die Güteprüfung erforderlichen Arbeitskräfte, Räume, Maschinen, Geräte, Prüf- und Meßeinrichtungen sowie Betriebsstoffe durch Auftragnehmer
  • Ersatz im Einvernehmen der Parteien zurückgewiesener Leistungen/Teilleistungen durch vertragsgemäße Ersatzleistungen durch Auftragnehmer
  • Verlangen des Auftragnehmers nach einer zu vereinbarenden weiteren "endgültigen" Prüfstelle bei Streit über das angewandte Prüfverfahren - Vereinbarung der "endgültigen" Prüfstelle und Kostentragung durch unterliegenden Teil
  • Pflicht des Auftraggebers zur Erteilung des Freigabevermerks vor Auslieferung als Voraussetzung der Auslieferung
  • Kosten der Güteprüfung als Bestandteil des Vertragspreises
  • Nichtanrechnung der durch die Güteprüfung unbrauchbar gewordenen Stücke der Leistung auf die Leistung.

140 Diese in den "Ergänzungen" angeführten Punkte sind zu überprüfen und gegebenenfalls im Einzelfall zu modifizieren. Wenn die Einzelheiten der Güteprüfung, insbesondere nicht Art, Umfang etc. nicht eindeutig festgelegt werden, ist der Streit vorprogrammiert, der durch die Güteprüfung gerade ausgeschlossen oder zumindest reduziert werden soll. Die Güteprüfung selbst führt der Auftraggeber bzw. sein Beauftragter durch. Nach aller Erfahrung birgt die in den Verdingungsunterlagen nicht enthaltene Konkretisierung z.B. des "Beauftragten" sowie des anzuwendenden Prüfverfahrens die in diesen Fällen am häufigsten anzutreffenden Streitpunkte, die man auf jeden Fall vermeiden sollte. Es heißt nicht grundlos, daß der Beauftragte "im Vertrag benannt" ist. Insbesondere ist auch darauf hinzuweisen, daß bei einem fehlenden Einvernehmen in der Variante des § 12 Nr. 2 e) VOL/B (angewandte Prüfverfahren) zunächst die in § 19 Nr. 1 VOL/B enthaltene Pflicht zur "Güteverhandlung" eingreift. Das bringt natürlich immer noch keine Lösung. Es zeigt vielmehr, daß der entsprechende Konflikt vorhersehbar ist - und zwar bei Erstellung der Verdingungsunterlagen durch den Auftraggeber. Es besteht sicherlich ein Anspruch nach Treu und Glauben, einer vernünftigen sachlichen Einigung zum Thema "angewandtes Prüfverfahren" zuzustimmen. Das ist aber nicht die Frage. Das Problem muß vielmehr darin gesehen werden, daß eine Seite die Zustimmung verweigert. Wenn man schon eine Güteprüfung für erforderlich hält, dann sollte man auch das Erforderliche konkret in den Verdingungsunterlagen festlegen. Zumindest sollte die "endgültige Prüfstelle" festgelegt werden, wenn z.B. eine Überprüfung durch eigene Kräfte erfolgt.
Wegen der einzelnen "Qualitätsnormen" sei auf DIN/ISO-Norm 9001-9003 = EN 29001 - 29003 sowie den nach wie vor bestehenden nationalen Normenbereich verwiesen. Auskünfte über europäische und internationale Normen erteilt:
Deutsches Informationszentrum für technische Regeln im DIN (Deutsches Institut für Normung e.V.), Burggrafenstr. 4-10, 10787 Berlin, Tel:030-2601-600.

141 Mit der Abnahme hat die Güteprüfung lediglich insofern etwas zu tun, als sie regelmäßig die Basis für die Abnahme bildet, mithin eine "Vorstufe" der Abnahme ist, die in § 13 VOL/B behandelt wird. Die Güteprüfung bezieht auf die Feststellung von Tatsachen, nämlich die Differenz zwischen vertraglicher Vereinbarung und tatsächlichem Qualitätszustand. Es handelt sich nicht um eine Rechtshandlung mit entsprechenden rechtlichen Wirkungen.
Wird zwischen Parteien kein Einvernehmen über die Zurückweisung von Teilleistungen bzw. der Leistung hergestellt, so kommt es nach § 12 Nr. 2 e) VOL/B lediglich dann zu einer gemeinsamen Festlegung einer "endgültigen Prüfstelle", wenn sich der Streit "auf das angewandte Prüfungsverfahren" bezieht (Zuverlässigkeit der Methoden, der eingesetzten Geräte etc.) . Weitergehendes regelt § 12 VOL/B insofern nicht.

142 Der Freigabevermerk ist Voraussetzung dafür, daß der Auftragnehmer den geprüften Gegenstand zur Auslieferung geben darf. Ist die Güteprüfung beanstandungslos verlaufen, so muß der Auftraggeber den Freigabevermerk erteilen. Die unberechtigte Nichterteilung des Freigabevermerks stellt die Verletzung einer Nebenpflicht dar, die nach dem gewohnheitsrechtlich anerkannten Institut der "positiven Vertragsverletzung" zu Schadensersatz führt. Bei Werkverträgen können auch die §§ 642, 643 BGB eingreifen (unterlassene Mitwirkungshandlung). Welcher Auftraggeber sollte auch schon ein Interesse daran haben, daß die von ihm bestellte einwandfreie Leistung nach erfolgreicher Güteprüfung nicht ausgeliefert wird. Der Freigabevermerk ersetzt ebenfalls nicht die Abnahme im Sinn des § 13 VOL/B.


16. Gefahrübergang und Abnahme - § 13 VOL/B

§ 13 - Abnahme


1. (1) Für den Übergang der Gefahr gelten, soweit nichts anderes vereinbart ist, die gesetzlichen Vorschriften.

(2) Wenn der Versand oder die Übergabe der fertiggestellten Leistung auf Wunsch des Auftraggebers über den im Vertrag vorgesehenen Termin hinausgeschoben wird, so geht, sofern nicht ein anderer Zeitpunkt vereinbart ist, für den Zeitraum der Verschiebung die Gefahr auf den Auftraggeber über.

2. (1) Abnahme ist die Erklärung des Auftraggebers, daß der Vertrag der Hauptsache nach erfüllt ist. Ist eine Abnahme gesetzlich vorgesehen oder vertraglich vereinbart, hat der Auftraggeber innerhalb der vorgesehenen Frist zu erklären, ob er die Leistung abnimmt.

Liegt ein nicht wesentlicher Mangel vor, so kann der Auftraggeber die Abnahme nicht verweigern, wenn der Auftragnehmer seine Pflicht zur Beseitigung des Mangels ausdrücklich anerkennt. Bei Nichtabnahme gibt der Auftraggeber dem Auftragnehmer die Gründe bekannt und setzt, sofern insbesondere eine Nachbesserung möglich und beiden Parteien zumutbar ist, eine Frist zur erneuten Vorstellung zur Abnahme, unbeschadet des Anspruchs des Auftraggebers aus der Nichteinhaltung des ursprünglichen Erfüllungszeitpunkts .

(2) Mit der Abnahme entfällt die Haftung des Auftragnehmers für erkannte Mängel, soweit sich der Auftraggeber nicht die Geltendmachung von Rechten wegen eines bestimmten Mangels vorbehalten hat.

(3) Hat der Auftraggeber die Leistung in Benutzung genommen, so gilt die Abnahme mit Beginn der Benutzung als erfolgt, soweit nichts anderes vereinbart ist.

(4) Bei der Abnahme von Teilen der Leistung gelten die vorstehenden Absätze entsprechend.

3. Der Auftraggeber kann dem Auftragnehmer eine angemessene Frist setzen, um Sachen, die der Auftraggeber als nicht vertragsgemäß zurückgewiesen hat, fortzuschaffen. Nach Ablauf der Frist kann er diese Sachen unter möglichster Wahrung der Interessen des Auftragnehmers auf dessen Kosten veräußern.


16.1. Übergang der Gefahr

143 Nach § 13 Nr. 1 I und II VOL/B gelten für den Übergang der Gefahr die gesetzlichen Bestimmungen.
Gesetzliche Regelungen finden sich in den
  • § 323 BGB (von keinem zu vertretende Unmöglichkeit der Vertragserfüllung - z.B. infolge höherer Gewalt) - die Vorschrift gilt allgemein für gegenseitige Verträge, sofern nicht BGB an anderer Stelle Spezielles geregelt ist;
  • § 446 BGB - Sonderregelung für den Kauf - mit der Übergabe der Kaufsache geht die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung auf den Käufer über; dies bedeutet, daß der Käufer nach Übergang der Gefahr auch zahlen muß, wenn der Gegenstand zerstört wird etc.
  • § 644 BGB - Sonderregelung für den Werkvertrag - hier trägt der Werkunternehmer (Auftragnehmer) bis zur Abnahme des Werkes die Gefahr, sofern sich nicht der Auftraggeber in Annahmeverzug befindet. Hinzuweisen ist ferner noch auf die Bestimmung des § 645 BGB (Untergang etc. infolge von "Zutaten" oder Weisungen des Auftraggebers ohne Verschulden des Auftragnehmers).
  • §§ 447, 644 II BGB - Versendung auf Verlangen des Auftraggebers - hier geht die Gefahr auf den Käufer/Auftraggeber über, "sobald der Verkäufer die Sache dem Spediteur, dem Frachtführer oder der sonst zur Ausführung der Versendung bestimmten Person oder Anstalt ausgeliefert hat". Abweichungen von den Versandanweisungen des Käufers/Auftraggebers durch den Verkäufer/Auftragnehmer ohne "dringenden Grund" begründen Schadensersatzansprüche.

144 Dieses System ändert § 13 Nr. 1 II VOL/B dahingehend ab, daß bei einer Verschiebung des Versands oder der Übergabe auf Wunsch des Auftraggebers die Gefahr für den Zeitraum der Verschiebung auf den Auftraggeber übergeht, sofern keine abweichende Vereinbarung getroffen wird. Der Auftraggeber sollte sich dessen der Äußerung entsprechender Wünsche vor Augen halten - natürlich bleibt es bei den Pflichten (Überwachung, Kontrolle, Sicherheitsmaßnahmen etc.) des Auftragnehmers. Werden diese Pflichten verletzt, so stehen dem Auftraggeber Schadensersatzansprüche zu.
Die Gefahr des zufälligen Untergangs, Verlusts etc. des Vertragsgegenstandes ist von der tatsächlichen Übergabe, mithin von der Verschaffung des unmittelbaren Besitzes abhängig. Im Fall der Versendung an einen anderen als dem Erfüllungsort (vgl. § 269 BGB: Sitz des Auftragnehmers) trägt der Auftraggeber das "Risiko" ab Übergabe/Auslieferung des Gegenstands an den Frachtführer etc. . Voraussetzung ist insofern freilich eine entsprechende Vereinbarung. Die Regelung des Gefahrübergangs nach den §§ 446, 447, 644 BGB betrifft unmittelbar nicht die Kosten. Die entsprechenden Kosten der Abnahme bzw. der Versendung ist in § 448 BGB geregelt und werden nach dem Gesetz wie folgt verteilt, sofern die Parteien keine abweichende Regelung treffen (Verdingungsunterlagen):
  • Übergabekosten (bis an den Erfüllungsort) trägt der Verkäufer/Auftragnehmer.
  • Abnahme- und Versandkosten (an einen anderen als den Erfüllungsort) trägt der Käufer/Auftraggeber.


16.2. Abnahme

145 Gewährleistungsansprüche greifen z.B. im Werkvertragsrecht grundsätzlich nur ein, wenn die "Abnahme" erfolgt ist. Hierunter ist die körperliche Hinnahme der Leistung (Sach- oder Leistwerk) sowie deren Billigung als in der Hauptsache vertragsgemäß zu verstehen.

Bartl, Harald, Moderne Dienstleistungen und Recht, Rdnr. 142 ff; BGH NJW 1993, 1972; Palandt-Thomas, BGB, 59. Aufl.,2000, § 640 Rdnr. 2 mwNachw.

Der Abnahme kommt folglich in jedem Vertragsverhältnis eine "Schlüsselfunktion" zu. Folglich ist der Abnahme als Schlußstein der Arbeiten besondere Aufmerksamkeit bereits vor und bei Vertragsschluß zu widmen. Bei bestimmten Leistungen (z.B. Individualsoftware) ergeben sich hier erhebliche praktische Probleme (Tests, Testart, Testzeiten etc.).

Hierzu Bartl, Harald, Moderne Dienstleistugnen und Recht, 1998, Rdnr. 143; auch Müller-Hengstenberg/v. Westphalen, DV-Projektrecht, 1994, 132 ff mwNachw.

Sie hat für die Fälligkeit der Vergütung (mit Abnahme), den Gefahrübergang, die Beweislast (nach Abnahme: Auftraggeber) und den Beginn der Verjährungsfrist die entscheidende Bedeutung. Der ursprüngliche Erfüllungsanspruch erlischt und konkretisiert sich auf die Mangelbeseitigung (vgl. im Werkvertragsrecht die §§ 644, 645, 641, 638 BGB).

Hierzu Palandt-Thomas, BGB, 59. Aufl., 2000, § 640 Rdnr. 5.Bartl, Harald, Moderne Dienstleistungen und Recht, 1998, Rdnr. 142.

146 Bei Dienstleistungen kann es durchaus auch gegeben sein, daß "nach der Beschaffenheit des Werkes" die Abnahme ausgeschlossen ist. Dann tritt nach § 646 BGB an die Stelle der Abnahme die "Vollendung" des Werkes. Hiervon sind vor allem "unkörperliche Leistungen" betroffen (Architekten Statiker, Sachverständiger, Gutachter, Frachtführer etc.) In diesen Fällen erfolgt nach "Vollendung" regelmäßig keine "Abnahme", sondern lediglich die "Anerkennung" der jeweiligen Leistung. Daneben gibt es "Dienstleistungen", bei denen nicht nur die Abnahme, sondern auch die Anerkennung ausgeschlossen ist - etwa eine Theateraufführung oder eine Beförderungsleistung oder auch eine Reise.

Vgl. zu diesem Problem BGH WM 1992, 1579 - Sachverständiger; BGH NJW-RR 1992, 1078 - Gutachter; OLG Düsseldorf NJW-RR 1994, 1122 - Beförderung; vgl. etwa Palandt-Sprau, BGB, 59. Aufl., 2000, § 640 Rdnr. 3,4 mwNachw.

147 Wird die Abnahme berechtigterweise verweigert, so treten diese Wirkungen nicht ein. Zu beachten ist ferner, daß hier der durchgängige Grundsatz gilt: "Wer die Augen nicht auftut, muß den Beutel auftun." Dieser ist Gegenstand der §§ 460, 539, 640 II BGB. Es geht in diesen Fällen um die vorbehaltlose Abnahme mangelhafter Leistungen bzw. die Kenntnis des Mangels z.B. bei Vertragsschluß. Anzuführen ist neben diesem Gedanken, der hier nur angedeutet werden kann, daß eine "Abnahme" auch stillschweigend oder schlüssig durch Nutzung ohne Vorbehalt erfolgen kann.
Schwer hat es der Auftragnehmer dann, wenn der Auftraggeber die Abnahme grundlos verweigert. Ihm bleibt dann nichts anderes übrig, als auf 1. Abnahme und 2. Vergütung zu klagen - eine für "Dienstleister" vielfach sehr schlechte Position. Das zeigt auch, daß sich die Position des Auftragnehmers auch bei Abnahme im Ernstfall zwar rechtlich, aber letztlich nicht tatsächlich verbessert.
Erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang noch die Streitfragen des Verjährungsrechts. Hier kann im Einzelfall nicht die kurze Verjährungsfrist von sechs Monaten, sondern die dreißigjährige Verjährungsfrist des § 195 BGB eingreifen.

Vgl. z.B. Palandt-Thomas, BGB, 59. Aufl., 2000, § 638 Rdnr. 7 ff; z.B. bei Gutachten - vgl. allerdings Schubert BB 1975, 585. Auch Hirte, aaO, 487.


16.3. Die Abnahme - ein "Meilenstein"

148Die Abnahme ist
  • die körperliche Hinnahme des "Werks", der "Leistung"
  • verbunden mit der Erklärung des Auftraggebers, daß er das "Werk" als in der Hauptsache als vertragsgemäß anerkennt.
Vor der Abnahme:
  • Auftraggeber hat Erfüllungsansprüche
  • Auftraggeber hat Leistungsverweigerungsrechte - vgl. §§ 320 f BGB
  • Auftragnehmer muß Mangelfreiheit beweisen
  • Vergütung ist nicht fällig - vgl. §§ 641, 646 BGB
  • Gewährleistungsbestimmungen greifen nicht ein - kein Lauf der Gewährleistungsfrist
 
Abnahme
 
Nach der Abnahme:
  • Auftraggeber hat Gewährleistungsansprüche - vgl. z.B. §§ 633 ff BGB
  • Vergütung ist fällig - vgl. §§ 641, 646 BGB
  • Auftraggeber hat Beweislast für Mängel
  • Mängelanzeigepflicht
  • Pflicht zum Setzen einer angemessenen Nachfrist vor Geltendmachen der Gewährleistungsrechte
  • Pflicht zur Leistungsablehnungserklärung
  • Lauf der Gewährleistungsfrist


16.4. Die Abnahmemodalitäten des § 13 VOL/B

149 Abnahmeverlangen des Auftragnehmers - Fertigstellungsmitteilung - Anlieferung etc.

Tatsächliche Entgegennahme der Leistung
 
"Vorgesehene Frist" (?)

Abnahme - Teil-/"Vollabnahme"  
- ausdrückliche Abnahmeerklärung: Verweigerung der Abnahme
Erfüllung des Vertrags in der Hauptsache ......."erkannter Mangel"
- Formlos möglich  
- Schriftlich empfehlenswert  
- Beweissicherung notwendig  
- Schlüssiges Verhalten als Abnahme  
z. B. durch Nutzung ohne Vorbehalt  
Abnahme unter Vorbehalt bestimmter  
Mängel Benutzungsabnahme bei  
Fehlen anderweitiger Vereinbarung  

  Nicht wesentlicher Wesentlicher
  Mangel Mangel
  Anerkenntnis der  
  Mangelbeseitigungs- Bekanntgabe der
  Pflicht durch Auf- Gründe
  tragnehmer  
     
  kein Recht zur Nachbesserungs-
  Abnahmeverweigerung möglichkeit und
    Zumutbarkeit
     
    Fristsetzung zur
    erneuten Abnahme
     
  Nichtabnahme Abnahme
    Gewährleistung


16.5. Weitere Besonderheiten der Abnahme

16.5.1. Die "Abnahmeerklärung"

150 Zunächst ist in § 13 Nr. 2 I VOL/B davon die Rede, daß es sich bei der Abnahme "um die Erklärung des Auftraggebers" handelt, "daß der Vertrag in der Hauptsache erfüllt ist. Wenn hierbei auf die Anführung des tatsächlichen Aktes (körperliche Hinnahme, Übertragung des unmittelbaren Besitzes) verzichtet wird, dann hat dies gleichwohl nicht zur Folge, daß allein auf die Erklärung abgestellt wird. Dennoch ist nach dem Wortlaut der Klausel eine Abnahmeerklärung ohne körperliche Entgegennahme der Leistung möglich, jedenfalls nicht ausgeschlossen.

Unklar insoweit Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 13 Rdnr. 14, 15; vgl. hierzu etwa Palandt-Sprau, BGB, 59. Aufl., 2000, § 640 Rdnr. 2; BGH NJW 1993, 1972.

Immerhin läßt sich dies dogmatisch noch damit begründen, daß die "Abnahme" z.B. für den Werkvertrag charakteristisch ist. Im Kaufrecht ist von Annahme, nicht von Abnahme die Rede (vgl. §§ 464, 363 BGB). Andererseits heißt es in § 433 II BGB, daß der Käufer die gekaufte Sache abzunehmen hat. Im Kaufrecht ist die Abnahmepflicht aus § 433 II BGB Nebenpflicht, im Werkvertragsrecht ist die Abnahme Hauptpflicht.

Vgl. Palandt-Putzo/Sprau, BGB, 59. Aufl., 2000, §§ 44 Rdnr. 36; § 464 Rdnr. 6; § 640 Rdnr. 1; insofern unzutreffend immer Hauptpflicht annehmend Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 13 Rdnr. 14.

§ 13 Nr. 2 (1) VOL/B löst diese dogmatischen Probleme nicht. Das könnte sich in der Praxis durchaus als Streitpunkt auswirken. Es stellt sich freilich die Frage, ob diese Fälle zu vernachlässigen sind oder ob es sich zumindest in Verträgen mit insofern kritischen Bereichen empfiehlt für eine Klarstellung zu sorgen, indem § 13 Nr. 2 (1) in diesem Punkt modifiziert wird:

"Die Abnahme ist die körperliche Übergabe mit der Verschaffung unmittelbaren Besitzes und die Erklärung, daß der Vertrag der Hauptsache nach erfüllt ist. Bei der Abnahme handelt es sich um eine Hauptpflicht des Auftraggebers."


16.5.2. Die "Erklärungsfrist"

151 Auch diese Bestimmung ist reichlich unklar. Sie besagt nämlich nicht, was zu geschehen hat, wenn eine Frist weder gesetzlich vorgesehen ist, noch vereinbart ist. In der Literatur wird hierzu ausgeführt, daß eine solche Frist "in der Regel in Ausschreibungsbedingungen" etc. festgelegt wird. Dann liegt ja Klarheit vor. Die strittigen Fälle sind indessen dann anzutreffen, wenn weder Gesetz noch Vereinbarung in diesem Punkte zur Klärung beitragen, man also z.B. diese Frage in den Verdingungsunterlagen/.../ nicht geklärt hat. Es stellt sich die Frage, ob mangels gesetzlicher (entsprechende Fristen sind im BGB nicht vorgesehen, vgl. § 640 I BGB) oder vereinbarter Frist vom Auftragnehmer eine Frist für die Abnahmeerklärung gesetzt werden kann, regelt § 13 Nr. 2 (1) Satz 2 VOL/B nicht. Erklärt der Auftraggeber z.B. bei Werkverträgen die Abnahme nach Verschaffung des unmittelbaren Besitzes (und damit der Prüfungsmöglichkeit) eines abnahmereifen (vollständigen und mangelfreien) Werks nicht innerhalb "angemessener Zeit", so verletzt er seine Hauptpflicht. Die Rechtsfolgen richten sich dann nach den allgemeinen Verzugsregelungen (§§ 286, 326 BGB) sowie nach § 644 I S. 2 BGB (zufälliger Untergang - Verantwortlichkeit des Auftraggebers).

Vgl. .Palandt-Sprau, BGB, 59. Aufl., 2000, § 640 Rdnr. 1.

Von Rechtssicherheit kann bei dieser Gestaltung nicht ausgegangen werden. Es dürfte daher zu empfehlen sein, die Frist die Prüfungszeit und die entsprechende Erklärung eindeutig in den Verdingungsunterlagen/ / zu bestimmen, da andernfalls mangels klarer Rechtslage ein überflüssiger Streitpunkt geschaffen wird. Wird eine Frist für Tests, Prüfungen etc. vorgesehen, so ist im Grunde davon auszugehen, daß die Abnahmeerklärung allenfalls kurze Zeit nach Ablauf der genannten Test-/Prüfungsfrist abgelaufen sein wird.
Die VOL/B ist daher auch in dieser Bestimmung nicht streitschlichtend, sondern streitbegründend.


16.5.3. Unwesentlicher Mangel

152 Die Abgrenzung zwischen wesentlichem und unwesentlichem Mangel, der dazu führt, daß die Abnahme nicht verweigert werden kann, stellt einen weiteren Streitpunkt dar. Daneben steht die in § 14 Nr. 1 (2) VOL/B anzutreffende "unerhebliche Minderung des Wertes oder der Tauglichkeit", die hinsichtlich der Beurteilung, ob ein Fehler vorliegt oder nicht, "nicht in Betracht kommt". Ähnliche Formulierungen finden sich in den §§ 459 I S. 2, 537 I S. 2 und 634 III - nicht in § 633 I - BGB.
Im allgemeinen wird in diesem Zusammenhang auf die "Verkehrsauffassung" oder die "Gesamtumstände des Einzelfalls" verwiesen.

Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 14 Rdnr. 32.

Das ist sicherlich in dieser allgemeinen Form zutreffend, aber in der Praxis wenig weiterhelfend. Leider sind auch kaum Entscheidungen anzutreffen. Sie betreffen natürlich auch lediglich Einzelfälle. Eine Übertragung auf andere Fälle ist schlecht möglich. ,

Z.B. KG NJW-RR 89, 972 - Fehler verschwindet in Kürze oder kann mit geringem aufwand von Käufer beseitigt werden; BGH NJW 1996, 1337 - Kraftstoffverbrauch weniger als 10 - 15 % der Leistungsbeschreibung.

153 Erheblich sind jedenfalls alle Leistungsabweichungen, die die Gesamtfunktion, Einsatzfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit vollständig oder z.B. zu einem Prozentsatz von 20 % betreffen. Erhebliche Fehler sind auch anzunehmen, wenn ein erheblicher Zeitraum (z.B. wöchentlich 1 oder 2 Tage) an Ausfällen anzutreffen ist. Maßgeblich können folglich Ausfallzeiten und betroffene Funktion etc. sein. Eine weitere Konkretisierung ist an dieser Stelle nicht möglich. Es sei lediglich darauf hingewiesen, daß die Beweislast für die Mangelfreiheit bzw. Unerheblichkeit eines Mangels vor Übergabe/Abnahme bei dem Auftragnehmer liegt.

Palandt-Putzo/Sprau, BGB, 59. Aufl., 2000, § 459 Rdnr. 59; § 634 Rdnr. 10.

Allerdings ist hier eine Hürde für den Auftragnehmer zu nehmen; denn die Verweigerung der Abnahme wegen unwesentlicher Mängel kommt nur in Betracht, wenn der Auftragnehmer seine Pflicht zur Mangelbeseitigung in diesem Fall ausdrücklich anerkennt. Hier sit fraglich, ob darin nicht eine nach § 9 AGBG II Nr. 1 AGBG unwirksame Klausel gesehen werden kann; denn die in den §§ 459 I S. 2, 537 I S. 2 und 634 III BGB enthaltenen Schranken sind hier nicht beachtet. Zutreffend wird darauf hingewiesen, daß die Abnahme bei unwesentlichen Mängeln bei unterlassenem Anerkenntnis nach dem Wortlaut verweigert werden darf. Bei Unwirksamkeit der Klausel treten die Bestimmungen des BGB an die Stelle der Klausel (vgl. § 6 AGBG).
Vgl. zur Inhaltskontrolle der VOL/B Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 8. Aufl, 1999, Anh. §§ 9-11 Rdnr. 915 ff.
Eine Entscheidung liegt, soweit ersichtlich, derzeit nicht vor.

Vgl. die Entscheidungen des BGH NJW 1983, 385, zu § 11 VOL/B (unwirksam, weil ohne zeitliche Begrenzung); BGH NJW 1989, 2888, zu § 17 Nr. 4 S. 1 VOL/B (nach BGH wirksam); hiergegen Lenzen EWIR 1989, 1137; auch Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 8. Aufl., 1999, Ann. §§ 9-11, Rdnr. 917.


16.5.4. Nichtabnahme und Folgen

155 Bei Verweigerung der Abnahme hat der Auftraggeber nach § 13 Nr. 2 (1) S. 4 VOL/B
17. dem Auftragnehmer die "Gründe" für diesen Schritt bekanntzugeben
18. und bei Möglichkeit der
  • Nachbesserung
  • Und deren Zumutbarkeit für beide Parteien
19. eine Frist zur erneuten Vorstellung der Leistung zur Abnahme zu setzen.
Abgesehen davon, daß davon Verzugsansprüche etc. unberührt bleiben,

Im Grunde handelt es sich hierbei um eine konkrete und bestimmt gehaltene Mängelanzeige, die es für den Auftragnehmer nachvollziehbar und transparent macht, aus welchen Gründen im einzelnen die Abnahme abgelehnt wird. Diese hat auch den Sinn, eine Beurteilung darüber zuzulassen, ob die Nachbesserung - Mängelbeseitigung - und mit welchem Aufwand möglich ist, welche Zeit diese erfordert und welche Umstände, insbesondere zusätzliche Belastungen, sich hieraus ergeben. Das wiederum bildet die Grundlage für die Entscheidung über die "Zumutbarkeit" für beide Teile. Hierbei sind die betroffenen Interessen beider Seiten zunächst festzustellen und gegeneinander abzuwägen. Was für die Gewährleistung gilt - Recht zur Nachbesserungsverweigerung bei unverhältnismäßigem Aufwand (vgl. § 14 Nr. 3 b) VOL/B) - ist sicherlich auch hier zu beachten. Ferner kann hier von Bedeutung sein, daß der Auftragnehmer derzeit für einen entsprechenden Nachbesserungsaufwand personell und sachlich nicht eingerichtet ist. Andererseits kommt es darauf an, ob der Auftraggeber auf die mangelfreie Leistung innerhalb kürzester Zeit nachweisbar angewiesen ist, was sich durchaus mit dem Begriff des "besonderen Interesses" des §§ 14 Nr. 3) b) VOL/B beschreiben läßt.

Ähnlich auch Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 13 Rdnr. 19.

156 Die Praktiker werden in diesen Ausführungen wenig Hilfe sehen. Es kann nur empfohlen werden, die Abnahme in den Verdingungsunterlagen soweit wie möglich zu konkretisieren und z.B. KO-Kriterien für die Nichtabnahme einschließlich einer Öffnungsklausel ("und ähnlich gleichgewichtige Leistugnsabweichungen") vorzusehen bzw. in der Abwicklung zur Beurteilung der Rechtslage fachkundigen Rechtsrat einzuholen.
Wie lange eine entsprechende Frist zu bemessen ist, wird nicht gesagt. Insoweit bestehen Bedenken gegen die Klausel. Sie enthält ein einseitiges Bestimmungsrecht (vgl. § 315 BGB) zugunsten des Auftraggebers, das freilich nicht schrankenlos, sondern unter Berücksichtigung der Möglichkeiten des Auftragnehmers, der erforderlichen Zeit für die Mangelbeseitigung und der Mangelbeseitigungsarbeiten zumindest angemessen zu sein hat. Da es sich indes um den modifizierten Erfüllungsanspruch handelt, wird man die Bedenken aus § 9 AGBG zurückstellen können und von der Wirksamkeit der Klausel insoweit noch ausgehen können.
Hinsichtlich der übrigen Folgen ist auf § 7 VOL/B - Verzug - zu verweisen.


16.5.5. Wirkung der Abnahme

157 Die Abnahme der Leistung ohne Vorbehalt stellt den Auftragnehmer von seiner Haftung frei. Dies erfolgt nur für "erkannte Mängel". Es fragt sich, ob diese Formulierung nicht den in den §§ 460, 539 BGB enthaltenen Grundgedanken widerspricht, in denen - anders als in §§ 464, 640 II BGB: "Kenntnis" des Mangels - der "grob fahrlässigen Unkenntnis" des Mangels Bedeutung zukommt. Zumindest wird man anzunehmen haben, daß der Käufer oder auch Mieter (VOL/B in entsprechender Anwendung) sich die grob fahrlässige Unkenntnis eines Mangels entgegen halten lassen muß. Betroffen sind hier zumutbare und übliche Untersuchungspflichten, die zu erfüllen sind, sofern nicht zugesicherte Eigenschaften vorliegen, auf deren Vorhandensein der Auftraggeber nach den genannten Bestimmungen grundsätzlich vertrauen darf. Das gilt auch, wenn der Auftragnehmer den Fehler arglistig verschwiegen hat. Bei öffentlichen Aufträgen dürften diese Fälle indessen selten sein, da die Zusicherung von Eigenschaften Gegenstand der Verdingungsunterlagen/ / ist und im übrigen Fälle der Arglist zwar denkmöglich sind, aber in der Praxis kaum vorkommen können (Freihändige Vergabe, Verhandlungsverfahren ? Auch hier sind grundsätzlich die Verdingungsunterlagen zunächst einmal fertig zu stellen, wenn es sodann auch zu entsprechenden Verhandlungen kommen kann, in denen zugesicherte Eigenschaften sowie arglistiges Verhalten (Täuschung mit der Absicht, den Auftag zu erhalten) vorkommen können.

M.E. nicht zutreffend hierzu Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 13 Rdnr. 25, unter Hinweis auf die im Ergebnis zutreffende Entscheidung des OLG Bamberg, IBR 1995, 425,

Für Teilabnahmen gelten die vorherigen Ausführungen entsprechend (vgl. § 13 Nr. 2 (4) VOL/B.


16.5.6. Benutzungsabnahme


158 Voraussetzung für die Wirkung der Abnahme ist in diesem Fall die der Abnahme gleichgestellte Benutzung. Da es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, die dem AGBG unterliegen, gilt die grundsätzlich die "kundenfreundlichste Auslegung".
Hierzu Palandt-Herinrichs, BGB, 59. Aufl., 2000, § 5 AGBG Rdnr. 9, 10 AGBG, m.w.Nachw.
Da der Begriff "Benutzung" in keiner Weise eingeschränkt ist, führt zunächst jede, wie auch immer geartete Benutzung m.E. zu der in § 13 Nr. 3 anzutreffenden "Abnahmefiktion".
"Benutzung" in diesem Sinne sind freilich keine Tests, Probeläufe etc., die der "Abnahme" vorausgehen. In diesen Fällen kann keine "Abnahme" konstruiert werden, weil eine tatsächliche Verhaltensweise im Rahmen eines Tests nicht dazu angetan sein kann, die zumindest schlüssige Erklärung zu begründen, die Sache "als in der Hauptsache vertragsgemäß" zu akzeptieren.

Ähnlich Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 13 Rdnr. 22.

In allen anderen Fällen der vorbehaltlosen Nutzung in üblichen Geschäftsabläufen, insbesondere mit Verwertung der Ergebnisse, liegt eine Benutzung vor, die zur Fiktion der Abnahme führt. Der Auftraggeber wird folglich mit Nachdruck darauf dringen, daß insofern Klarheit herrscht. Insbesondere sind zumindest einseitige Vorbehalte gegenüber dem Auftragnehmer zu erklären oder mit diesem eine entsprechende Vereinbarung zu treffen.

Vgl. hierzu im übrigen BGH NJW 1996, 1346 - Ausschluß der Nutzungsfunktion in Bauvertrag; auch OLG Celle BauR 1997, 844 - Teilabnahme durch konkludente Nutzung - bei Fälle betreffen den Baubereich.

Es würde im übrigen auch ansonsten allgemein geltenden Grundsätzen widersprechen, wenn der Auftraggeber die Leistung vorbehaltlos in Benutzung nimmt und sodann zu einem späteren Zeitpunkt erklärt, es liege keine schlüssige Abnahme vor.

Vgl. zur schlüssigen Abnahme im Werkvertragsrecht Palandt-Sprau, BGB, 59. Aufl., 2000, § 640 Rdnr. 3, m.w.Nachw.

159 Letztlich darf auch angemerkt werden, daß es ein klassischer Fall des Verstoßes gegen Treu und Glauben (vgl. § 242 BGB) sein dürfte, wenn der Auftraggeber etwas vorbehaltlos in Benutzung nimmt und sodann das Vorliegen der Abnahme abstreitet. Darin ein typischer Fall des widersprüchlichen Verhaltens, das der Auftraggeber sich vorhalten lassen muß.
Wenn der Auftraggeber derartige Unsicherheiten und Nachteile vermeiden will, dann hat er hierzu mehrere Möglichkeiten:
17. Zum einen kann er eine klarstellende Regelung in die Verdingungsunterlagen aufnehmen.
18. Zum anderen kann er den Auftragnehmer vor einer Benutzung auf den Vorbehalt hinweisen oder mit dem Auftragnehmer eine entsprechende Vereinbarung treffen.
Es bleibt anzumerken, daß die fingierte Abnahme dem Auftragnehmer bei ablehnender Haltung noch keine Befriedigung seines Vergütungsanspruches bringt; denn auch dann, wenn es zur Fiktion der Abnahme kommt, läuft er bei einem zahlungsunwilligen Auftraggeber seinem Geld hinterher - gegebenenfalls in einem gerichtlichen Verfahren, in dem er allerdings prozessuale Vorteile hat (statt Klage auf Abnahme und Zahlung lediglich Klage auf Zahlung der Vergütung).

Palandt-Sprau, BGB, VOL/B, 59. Aufl., 2000, § 640 Rdnr. 1 a. E.; auch BGHZ 132, 96.


16.5.7. Sonstige Folgen

160 Nicht vertragsgemäße Gegenstände sind nach § 13 Nr. 3 VOL/B nach Setzen einer "angemessenen Frist" durch den Auftraggeber vom Auftragnehmer "fortzuschaffen". Verstreicht die Frist fruchtlos, können die Gegenstände unter Kostenbelastung des Auftragnehmers durch den Auftraggeber veräußert werden. Da die Klausel den Auftraggeber nicht dazu verpflichtet, den Auftragnehmer über die sodann stattfindende Veräußerung gleichzeitig mit der Fristsetzung zu unterrichten, bestehen hinsichtlich der Wirksamkeit Bedenken. Daran ändert auch nichts, daß diese Veräußerung "unter möglichster Wahrung der Interessen des Auftragnehmers" zu erfolgen hat. Darunter ist das "Verschleuderungsverbot" oder auch die Wahl eines ungeeigneten und unwirtschaftlichen Verwertungsweges zu verstehen - ebenso die Einschaltung eines Auktionshauses mit unangemessenen Veräußerungs-/Versteigerungsvergütungen etc. Die Klausel ist ferner bedenklich, weil sie nicht klarstellt, daß der Auftragnehmer einen Anspruch auf Abrechnung und Auskehr eines eventuellen Überschusses hat. Das bedeutet, daß der Veräußerungserlös nach dem Wortlaut der Klausel bei dem Auftraggeber verbleibt und lediglich die Veräußerungskosten abgezogen werden. jedenfalls läßt sich dies nach den Grundsätzen der kundenfreundlichsten - hier kundenfeindlichsten - Auslegung aus dem Wortlaut entnehmen. Wäre die Klausel nach § 9 AGBG unwirksam, wofür einiges spricht, so hätte der Auftraggeber zumindest entsprechende Informations- und Schutzpflichten gegenüber dem Auftragnehmer, auch wenn ihm z.B. Verzugs- oder Nichterfüllungsansprüche nach fehlgeschlagener Nachbesserung und verweigerter Abnahme zustehen. Bemerkenswert ist auch, daß hier noch nicht einmal die Einschränkung vorgenommen ist, daß die Zurückweisung berechtigterweise (objektiv) als "nicht vertragsgemäß" erfolgt, sondern es reicht, daß der Auftraggeber die Sachen als "nicht vertragsgemäß zurückgewiesen" hat. Derartige Formulierungen begegnen unter dem Aspekt des AGBG erhebliche Bedenken, weil sie dem, Auftraggeber nach dem Wortlaut der Klausel eine "subjektive Entscheidung" einräumen, wenn dies auch so nicht gewollt sein mag. Es steht nun einmal so da.
Erfreulicherweise dürfte die Klausel in der Praxis kaum Bedeutung haben. Allerdings sind die hier für den Auftraggeber bestehenden Gefahren für den Fall des Vorgehens nach § 13 Nr. 3 VOL/B nicht gering einzuschätzen. Vorsicht ist also geboten.

Vgl. hierzu auch Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 13 Rdnr. 29, m.w.Nachw.

Ähnliche Probleme stellen sich im übrigen in § 14 Nr. 3 f) VOL/B. Es ist darauf hinzuweisen, daß die gesetzlichen Bestimmungen zwar z.B. in § 633 III BGB sowie in § 634 BGB das Recht zur Selbsthilfe bzw. zur Wandelung (Rückgängigmachung des Vertrages) vorsehen.


17. Gewährleistung und Verjährung - § 14 VOL/B

§ 14 - Gewährleistung und Verjährung
    1. Der Auftragnehmer übernimmt die Gewähr, daß seine Leistung bei Gefahrübergang die im Vertrag besonders gekennzeichneten zugesicherten Eigenschaften hat und nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder mindern.
    2. Eine unerhebliche Minderung des Wertes oder der Tauglichkeit kommt nicht in Betracht.
  1. Ist ein Mangel auf ein Verlangen des Auftraggebers nach Änderung der Beschaffenheit der Leistung (§ 2 Nr. 1), auf die von ihm gelieferten oder vorgeschriebenen Stoffe oder von ihm geforderten Vorlieferungen eines anderen zurückzuführen, so ist der Auftragnehmer von der Gewährleistung für diese Mängel frei, wenn er die schriftliche Mitteilung nach § 2 Nr. 2 oder § 4 Nr. 3 erstattet hat oder wenn die vom Auftraggeber gelieferten Stoffe mit Mängeln behaftet sind, die bei Anwendung verkehrsüblicher Sorgfalt nicht erkennbar waren.
  2. Für die Gewährleistungsansprüche aus Sachmängeln gelten die gesetzlichen Vorschriften mit folgenden Maßgaben:
    1. Weist die Leistung Mängel auf, so sollte der Auftraggeber zunächst die Vertragserfüllung durch Nachbesserung verlangen. Hierzu kann der Auftraggeber dem Auftragnehmer eine angemessene Frist setzen.
      Nach Ablauf der Frist zur Nachbesserung kann der Auftraggeber die Mängel auf Kosten des Auftragnehmers selbst beseitigen oder durch einen Dritten beseitigen lassen.
      Der Auftraggeber kann eine angemessene Frist auch mit dem Hinweis setzen, daß er die Beseitigung des Mangels nach erfolglosem Ablauf der Frist ablehne; in diesem Fall kann der Auftraggeber nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen Minderung, Wandelung oder Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen.
    2. Der Auftraggeber ist nicht gehalten, zunächst Nachbesserung zu verlangen, wenn die Beseitigung des Mangels unmöglich ist oder vom Auftragnehmer verweigert wird oder wenn die sofortige Geltendmachung des Anspruchs auf Minderung, Wandelung oder Schadenersatz durch ein besonderes Interesse des Auftraggebers gerechtfertigt ist.
    3. Die Beseitigung des Mangels kann verweigert werden, wenn sie einen unverhältnismäßig großen Aufwand erfordert. Unbeschadet des Rechts auf Wandelung und Schadenersatz wegen Nichterfüllung prüft der Auftraggeber in diesem Fall zunächst die Möglichkeit, Minderung zu verlangen.
    4. Ein Anspruch des Auftraggebers auf Schadenersatz bezieht sich auf den Schaden am Gegenstand des Vertrages selbst, es sei denn
      1. der entstandene Schaden ist durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit des Auftragnehmers selbst, seiner gesetzlichen Vertreter oder seiner Erfüllungsgehilfen (§ 278 des Bürgerlichen Gesetzbuches) verursacht oder
      2. der Schaden ist durch Fehlen einer vertraglichen zugesicherten Eigenschaft verursacht. Die Schadenersatzpflicht gemäß aa) entfällt. wenn der Auftragnehmer nachweist, daß Sabotage vorliegt, oder wenn der Auftraggeber die Erfüllungsgehilfen gestellt hat oder wenn der Auftragnehmer auf die Auswahl der Erfüllungsgehilfen einen entscheidenden Einfluß nicht ausüben konnte.
    5. Besteht die geschuldete Leistung in der Lieferung der Gattung nach bestimmter Sachen, so kann der Auftraggeber statt Nachbesserung, Minderung oder Wandelung verlangen, daß ihm anstelle der mangelhaften Sache eine mangelfreie geliefert wird.
    6. Der Auftraggeber kann dem Auftragnehmer eine angemessene Frist setzen, mangelhafte Sachen fortzuschaffen. Nach Ablauf der Frist kann er diese Sachen unter möglichster Wahrung der Interessen des Auftragnehmers auf dessen Kosten veräußern.
    7. Für vom Auftraggeber unsachgemäß und ohne Zustimmung des Auftragnehmers vorgenommene Änderungen oder Instandsetzungsarbeiten und deren Folgen haftet der Auftragnehmer nicht.
    1. Soweit nichts anderes vereinbart ist, erstrecken sich die Gewährleistungsansprüche auf Mängel, die in einer Frist von sechs Monaten ab Gefahrübergang auftreten. Diese Frist wird um die Zeit verlängert, während der der mangelhafte Gegenstand nicht bestimmungsgemäß benutzt werden kann, jedoch nicht auf mehr als das Doppelte der ursprünglichen Frist. Der Auftraggeber hat dem Auftragnehmer solche Mängel unverzüglich schriftlich anzuzeigen.
    2. Die Gewährleistungsansprüche des Auftraggebers wegen eines gerügten Mangels verjähren in sechs Monaten ab Zugang der Anzeige, jedoch nicht vor Ablauf einer vereinbarten Frist. Bei schuldhaft unterlassener oder verzögerter Anzeige durch den Auftraggeber gemäß Absatz 1 beginnt die Verjährungsfrist mit dem Zeitpunkt der Kenntnis des Auftraggebers von dem Mangel.



17.1. Gewährleistungsrecht - Grundsätze und gesetzliche Regelungen

161 Gewährleistungsansprüche greifen grundsätzlich nach Gefahrübergang - Abnahme ein. Ihnen kommt selbstverständlich erhebliche Bedeutung zu. Die gesetzlichen Bestimmungen finden sich insofern in den folgenden Bestimmungen:
17. §§ 459 ff BGB für den Kauf;
18. §§ 537 ff BGB für die Miete,
19. §§ 633 ff BGB für den Werkvertrag.
Das Dienstvertragsrecht enthält keine Gewährleistungsbestimmung. Bei Schlechtleistungen kann man sich unter bestimmten Voraussetzungen vom Dienstverpflichteten trennen (Kündigung) und im übrigen Schadensersatzansprüche auf der Grundlage der positiven Vertragsverletzung geltend machen (allerdings ist die Vergütung bei einem Dienstvertrag) immer verloren

Vgl. hierzu Bartl, Harald, Moderne Dienstleistungen und Recht, 1998, Rdnr. 118 ff.

Auf Miete und Dienstvertrag ist die VOL/B nach ihrer Präambel entsprechend anwendbar.
Besondere Bedeutung hat das Gewährleistungsrecht speziell auch bei "Dienstleistungen" (Wartung etc.).
Die Gewährleistung des BGB bezieht sich auf Mangelfreiheit der jeweiligen Leistung bei "Gefahrübergang". Der Mangel muß also zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs gegeben sein. Mit einer "Bestands- oder Haltbarkeitsgarantie" hat dies nichts zu tun. Das kann zwar auch vereinbart werden, entspricht aber nicht der gesetzlichen Regelung. Vgl. insofern die §§ 459, 537,633 BGB - sowie die im Dienstvertragsrecht bestehende "Lücke" (= kein Gewährleistungsrecht im Dienstvertragsrecht !).
Dem Mangelbegriff des BGB hat entscheidende Bedeutung zu - auch in dem hier zu behandelnden Zusammenhang.
Zu beachten ist ferner, daß die "Gewährleistungsrechte" der einzelnen Vertragstypen des BGB unterschiedlich ausgestaltet sind. Das hängt grundsätzlich mit den jeweiligen "Leistungen" zusammen. Gegenstand des "Kaufs" sind "Fertigprodukte" - folglich hat der Verkäufer die Möglichkeit, seinen Kaufgegenstand zu überprüfen und zu testen, bevor er ihn auf dem Markt anbietet. Das ist freilich bei einer "Werkleistung" ((Bestellung und nachfolgende Leistung) anders. Hier übernimmt der Auftragnehmer ein besonderes Risiko mit Arbeitsbeginn (z.B. das triviale Beispiele: der Maßanzug; das nicht triviale Beispiel: "Individualsoftware"). Folglich darf der Werkunternehmer - anders als der Verkäufer nach dem Gesetz - grundsätzlich nachbessern, bevor z.B. der Vertrag "platzt".

Vgl. hierzu Bartl, Harald, Moderne Dienstleistungen und Recht, 1998, Rdnr. 119.

163 Der Mangelbegriff des BGB unterscheidet sich im Grunde nicht von dem der VOL/B. Das zeigt ein Vergleich der einschlägigen Bestimmungen.


Gewährleistung und Verjährung
§ 14 Nr. 1 VOL/B

(1) Der Auftragnehmer übernimmt die Gewähr, daß seine Leistung
bei Gefahrübergang
die im Vertrag besonders gekennzeichneten zugesicherten Eigenschaften hat
und
nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder mindern.
(2) Eine unerhebliche Minderung des Wertes oder der Tauglichkeit kommt nicht in Betracht.
  § 459 BGB Haftung für Sachmängel

(1) Der Verkäufer einer Sache haftet dem Käufer dafür,
daß sie zu der Zeit, zu welcher die Gefahr auf den Käufer übergeht, nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrage voraus-gesetzten Gebrauch aufheben oder mindern
Eine unerhebliche Minderung des Wertes oder der Tauglichkeit kommt nicht in Betracht.
(2) Der Verkäufer haftet auch dafür,
daß die Sache zur Zeit des Überganges der Gefahr
die zugesicherten Eigenschaften hat.

164Ähnliche Formulierungen finden sich in den § 537 I, II sowie 633 I BGB. Die Unterschiede sind graduell, aber in der Sache nicht relevant. Eine Sache etc. ist mangelhaft,
  • wenn zugesicherte Eigenschaften fehlen
  • oder eine Abweichung von der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit
  • oder eine Abweichung von der gewöhnlichen Erwartung vorliegt.
Da die Bestimmungen der VOL/B freilich für alle Vertragstypen unmittelbar oder doch zumindest entsprechend zur Anwendung gelangen (vgl.Präambel), ) .

Allerdings ist die Rechtslage nur auf den ersten Blick sehr transparent; denn mit dem Mangelbegriff des BGB verbinden sich erhebliche Probleme, inbsbesondere geht es um die Fragen,
  • wann eine Abweichung von der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit vorliegt oder lediglich ein Fehler gegeben ist,
  • ob eine zugesicherte Eigenschaft im Kaufrecht auch zum Ersatz von Mangelfolgeschäden führt oder lediglich zur Erstattung des "Kaufpreises" und z.B. noch der Vertragskosten etc., nicht aber zum Ersatz des Schadens an einer anderen Sache (Ansteckung, Weiterfresserschäden etc.).
Welche dieser Gestaltungen vorliegt, hängt im Kaufrecht vor allem vom Vorgehen des Auftraggebers in der Leistungsbeschreibung ab. Hier müssen Einsatzzweck und -risiko in den Verdingungsunterlagen eindeutig zum Ausdruck kommen, wenn der Mangelfolgeschaden "abgesichert" und ausgegliedert werden soll. Man hat dann immerhin Schadensersatzansprüche, was natürlich nicht dem Schadensausgleich gleich steht. Dazu bedarf es oft langwieriger Auseinandersetzungen. Das soll eine Entscheidung des BGH zur Zusicherung von Eigenschaften (Aufklärungspflichten des Verkäufers einer EDV-Anlage - Arglist) aufzeigen

Bundesgerichtshof vom 14.12.1996 - VIII ZR 89/95 - Neue Juristische Wochenschrift 1996, 1465.

"Ob eine Verkäuferangabe zur Kaufsache lediglich deren Beschreibung dient (§ 459 I BGB) oder ob mit ihr eine Eigenschaft zugesichert wird (§ 459 II BGB) , ist in erster Linie danach zu beurteilen, in welchem Sinne die der Geschäftsgegner als Erklärungsempfänger verstehen durfte. Entscheidend für die Annahme einer Zusicherung ist, daß aus der Sicht des Käufers der Wille des Verkäufers erkennbar wird, die Gewähr für das Vorhandensein einer bestimmten Eigenschaften zu übernehmen, was auch stillschweigend oder durch schlüssiges Verhalten geschehen kann...Bei der Annahme einer stillschweigenden Zusicherung ist allerdings Zurückhaltung geboten, wenn die Erklärung des Verkäufers, aus der eine Zusicherung hergeleitet werden soll, zugleich der Bezeichnung der Kaufsache dient...Insbesondere beim Verkauf neu hergestellter beweglicher Sachen ist die Annahme einer stillschweigenden Zusicherung grundsätzlich die Ausnahme, die der besonderen Begründung anhand der Umstände des Einzelfalls bedarf...
Ob der Verkäufer eine bestimmte Eigenschaft der Kaufsache zugesichert hat, ist in erster Linie eine Frage der dem Tatrichter obliegenden Auslegung der ausdrücklich oder konkludent abgegebenen Erklärungen... (wird hier verneint).."

165 In Vergabeverfahren muß folglich den Auftraggebern klar sein, welche Risiken ausgegliedert werden sollen - über die Aufnahme des Einsatzzweckes und -risikos in die Verdingungsunterlagen bzw. in die Leistungsbeschreibung. Dazu bedarf der Einsicht in das nachfolgend dargestellte System, wobei sich allerdings die Frage stellt, ob sich die Unterschiede der Vertragstypen des BGB auch in § 14 Nr. 2 und 3 VOL/B auswirken, da nach der Präambel der VOL/B deren Bestimmungen unmittelbar oder doch zumindest entsprechend anzuwenden sind. Insbesondere werden die Gewährleistungsansprüche abweichend von den gesetzlichen Bestimmungen gemäß § 14 Nr. 3 VOL/B nicht unerheblich modifiziert. Gleichwohl soll zunächst eine Übersicht verdeutlichen, worum es bei dem Mangelbegriff des BGB geht, der auch für die VOL/B insoweit übernommen ist.

Übersicht:Mangelbegriff des BGB - vgl. die §§ 459, 537 ff, 633 ff BGB


Mangel>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>
/ /
/ /
/ /
  Fehlen
  zugesicherter
  Eigenschaften
  - "Stufe 3" -
"Fehler">>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>
/ /
/ Abweichen
/ von der "besonderen"
/ vereinbarten
/ Erwartung
/ - "Stufe 2" -
/  
Abweichen  
von der "üblichen"  
Erwartung  
- "Stufe 1" -  
Minderung Schadensersatz
Wandelung vgl. § 463 BGB
Abweichen (grundsätzlich
von der "üblichen" ohne "Mangelfolge-
oder vereinbarten schaden")
Erwartung  
vgl. § 462 BGB  
"Trivial-Produkte" "Paß-Produkte" "Paß-Produkte"

Vom gesetzlichen System des BGB im Kaufrecht grundsätzlich nicht erfaßt: "Risiko-Produkte" mit gefährlichem Einsatzzweck und -risiko - hier sind Absicherung "Garantien" im Kaufrecht erforderlich, die über das gesetzliche Gewährleistungssystem hinausgehen. Anders ist dies im Werkvertragsrecht, bei dem der Mangelfolgeschaden regelmäßig ersetzt wird, weil der Werkunternehmer als Fachmann über diese Risiken informiert ist bzw. informiert zu sein hat.


166 Im Hinblick auf diese Risiken muß bei der Beschaffung von Leistungen differenziert werden zwischen
- "ungefährlichen Trivialleistungen", deren Mangelhaftigkeit bei ihrem Einsatz zu keinerlei Schäden, insbesondere nicht zu Mangelfolgeschäden führen kann (beachte die weiteren Risiken des Verzugs bzw. der Nichterfüllung); hier reicht der Einkauf "nach Stufe 1": "übliche Erwartung"
- "ungefährlichen Paßprodukten", also Produkten, die für einen speziellen Einsatzzweck "passen" müssen, aber bei ihrem Einsatz keine Gefahr für andere Güter etc. mit sich bringen; hier muß "nach Stufe 2 oder 3" - "Gebrauchs-/Einsatzvereinbarung" oder Zusicherung von Eigenschaft - eingekauft werden;
- "gefährlichen Risikoprodukten" - Einsatzrisiko/-zweck kann hier zu weiteren, außerhalb der gelieferten Sache auftretenden Schäden führen (Mangelfolgeschaden - mangelhafte Folie schützt Dachstuhl nicht, Dachstuhl wird durch Feuchtigkeit zerstört - Folie: mangelhaft; Dachstuhl: Mangelfolgeschaden) - hier sind entweder ausdrückliche Risikoübernahmen z.B. durch qualifizierte Zusicherungen mit entsprechender Reichweite erforderlich - oder aber: der Auftragnehmer wird durch Beratung etc. als Fachmann mit den konkreten Einsatzrisiken und -zwecken konfrontiert. Sagt er dann die Eignung seiner Leistung zu, trifft ihn das volle Risiko - hier handelt es sich um die vertragliche Herstellergarantie, die weder mit Gewährleistung (vgl. §§ 459 ff BGB) , noch mit Produkthaftung (vgl. ProdhaftG) etwas zu tun hat.

Hierzu Bartl, Harald, Moderne Dienstleistungen und Recht, 1998, Rdnr. 119.

167 So wie Kaufleute verstehen auch zahlreiche Mitarbeiter von Vergabestellen diese Zusammenhänge meist nicht. Wenn sie sich allerdings in die Situation eines Verkäufers versetzen, der in der Regel den konkreten Einsatzzweck seines Gegenstandes nicht kennt (der Kauf ist grundsätzlich "anonym"), verstehen sie den entsprechenden Gedanken des Gesetzes schon eher. Wer will schon bei dem Verkauf eines Funktionsprodukts "Sicherung" für alle Einsatzfolgen haften, die auftreten können. Der Verkäufer kennt den konkreten Verwendungs- und Einsatzzweck der Sicherung nicht (Kühltruhe ?, PC, Arbeitsgerät ?), solange der Käufer ihn nicht darüber "aufklärt" und/oder Beratung verlangt. Wenn dann allerdings ein Gegenstand in Kenntnis der Einsatzrisiken empfohlen und geliefert wird, kommt es zu schwerwiegenden Belastungen des Verkäufers - Ersatzpflicht auch hinsichtlich des Mangelfolgeschadens ohne Rücksicht z.B. auf den Kaufpreis.

168 Zahlreiche Leistungen sind in der Regel auf einen bestimmten Auftragnehmer als Fachmann - z.B. als Werkunternehmer - zugeschnitten. Dieser kennt oder muß als Fachmann die Einsatzrisiken kennen. Daher trifft z.B. den "Werkunternehmer" in derartigen Fällen das volle Risiko - also auch die Pflicht zur Erstattung des Mangelfolgeschadens. Das ist auch ein wesentlicher Unterschied zwischen Kauf- und Werkvertrag. Ähnlich "hart" ist die Haftung des Vermieters (vgl. § 538 BGB). Im Dienstvertragsrecht fehlt eine entsprechende Regelung. Aber auch die Dienstverpflichteten kommen nicht "ungeschoren" davon, wenn auch die Vergütung ihnen immer verbleibt (s.u.).

169 In Vergabeverfahren werden derartige Risiken in das "Führungsinstrument" des Einkaufs der öffentlichen Hand, nämlich in die Verdingungsunterlagen nach entsprechender Einstufung als Risikoleistung mit den Gefahren der Ansteckungs-, Weiterfresser- bzw, Mangelfolgeschäden aufgenommen. Voraussetzung ist freilich, daß der Mitarbeiter der Beschaffungsstelle das hier beschriebene System kennt und als Hilfe zum Erkennen entsprechender Gefahren effektiv einsetzt.
Wenn diese Überlegungen erst dann angestellt werden, wenn es zum Schaden kommt, ist es zu spät. Auch an dieser Stelle wird wiederum deutlich, wie wichtig ist es ist, die VOL/B im Einzelfall auf ihre Eignung als Abwicklungsschablone zu durchleuchten und dafür zu sorgen, daß die erkannten Risiken speziell bei Kaufverträgen abgesichert werden - durch zugesicherte Eigenschaft mit "entsprechender Reichweite" und einem Schutz vor den entsprechenden Einsatzrisiken. Der Auftragnehmer muß folglich über die Verdingungsunterlagen über die entsprechenden Risiken, Folgen und entstehenden Schäden informiert werden.

Vgl. Bartl, Harald, Moderne Dienstleistungen und Recht, 1998, Rdnr. 118 ff.

170 Geschieht dies nicht, dürften sich auch im Rahmen der VOL/B trotz der Modifizierung des gesetzlichen Gewährleistungssystems in § 13 Nr. 3 VOL/B Fälle nicht ausschließen lassen, in den "Mangelfolgeschäden" im Kaufvertragsrecht nicht erstattet werden. selbstverständlich ist dies nicht nur im Vergabeverfahren von Interesse, sondern natürlich auch bei Risikorealisierung bei Abwicklung des Auftrags. In diesem zweiten Stadium sollte man allerdings keine Überraschungen erleben, sondern darauf vertrauen können, daß in der Vorbereitung des Vergabeverfahrens erkannte Risiken einkalkuliert und durch "besondere Individualabreden" (vgl. § 9 Nr. 3 (2) VOL/A) abgesichert werden, die in die Verdingungsunterlagen aufgenommen werden. Dies ist natürlich von eminenter Bedeutung. Es ist wichtig, zu wissen, welcher Vertragstyp betroffen ist und wie das entsprechende Gewährleistungssystem ausgestaltet ist, zumal das gesetzliche System z.B. infolge Unwirksamkeit von Bestimmungen der VOL/B nach dem AGBG eingreifen kann (vgl. § 6 AGBG - an die Stelle der unwirksamen VOL/B-Klausel tritt das Gesetz).

171 Wie sich die unterschiedliche Gewährleistung bei den einzelnen Verträgen auswirkt, zeigt die nachfolgende Übersicht:

Vertragstypen
 
Kauf Werkvertrag Mietvertrag Dienstvertrag
§ 433 BGB § 631 BGB § 535 BGB § 611 BGB
 
Voraussetzungen:
Vertrag Vertrag Vertrag Vertrag
Gegenstand Erfolg Gegenstand Tätigkeit/Dienst
./ Entgelt ./ Entgelt auf Zeit ./ Entgelt
    ./ Entgelt  
       
Mangel Mangel Mangel Schlechtleistung
       
Mängelanzeige Mängelanzeige Mängelanzeige Geltendmachung
(vgl. §§ 377,   (§ 545 BGB) Kündigung
378 HGB)     (§§ 620, 621, 622,
  Angemessene   626 BGB)
  Nachfrist    
  Leistungsablehnungs-    
  androhung    
Rechte:      
       
Minderung Minderung Minderung Kein Gewähr-
(§ 462 BGB) (§ 634 BGB) (§ 537 BGB) leistungsrecht
       
Wandelung Wandelung + Angemessene Positive Vertrags-
(§ 462 BGB)- ( § 634 BGB) Nachfrist verletzung:
    + Nichtabhilfe Schadensersatz
      (kein Anspruch auf
Nur bei Fehlen + Verschulden Kündigung Rückzahlung der
zugesicherter Schadensersatz (§ 542 BGB) Vergütung !)
Eigenschaft (mit Ersatz    
Schadensersatz des Mangelfolge- Schadensersatz  
(grundsätzlich schadens) (§ 538 BGB  
ohne Ersatz des (§ 635 BGB) 3 Alternativen)  
Mangelfolge-      
schadens)      
(vgl. auch § 480   Kündigung  
BGB - Ersatz-   nach den §§ 544,  
lieferung)   554 a BGB  
Verjährungsfrist Verjährungsfrist Verjährungsfrist Verjährungsfrist
+6 Monate 6 Monate (30 Jahre 6 Monate 30 Jahre
(§ 478 BGB) bei "entfernterem (§ 558 BGB) (§ 195 BGB)
  Mangelfolgeschaden)    
  (§ 638 BGB)    

172 Diese Vertragstypen werden, wie bereits erwähnt, in § 14 Nr. 3 VOL/B insoweit "über einen Kamm geschoren", als sich nicht nach der Präambel eine entsprechende Anwendung verbietet. Ob das in § 14 VOL/B enthaltene Gewährleistungsrecht z.B. auch auf Mietverträge angewandt - unverändert - werden kann, ist zu bezweifeln. Das gilt nicht allein deshalb, weil bei Dauerschuldverhältnissen die Kündigung mit ihrer Wirkung ab Kündigung (Abwicklung ex nunc) an die Stelle der Wandelung (Rückgängigmachung von Anfang an) tritt. In diesen Fällen ist zumindest empfehlenswert, im Vergabeverfahren zu überlegen, ob man insofern die entsprechenden Bestimmungen der VOLB/B durch das gesetzliche Mietrecht ersetzt, das man dann natürlich auch beherrschen muß, vor allem das System der §§ 537, 538, 542, 544, 554a, 539 BGB). Allerdings wird dadurch noch wenig Klarheit geschaffen, wie die Verweisung in § 14 Nr. 3 VOL/B auf die gesetzlichen Bestimmungen zur Sachmängelgewährleistung zeigen; denn die Gewährleistung hat nun einmal je nach Vertragstyp - wie oben in den Übersichten gezeigt - eine unterschiedliche "Reichweite".

173 Beispiel: Werkvertrag

  Voraussetzungen              
  Mangel Mängel- Verzug in der Nachfrist Leistungs- Verschulden Nichtabhilfe Rechtsfolge
    anzeige Mängelbeseitigung "angemessen" ablehnungs-      
          Androhung      
Rechte                
                 
Selbsthilferecht
X
X
X
     
X
Selbsthilfe
(§ 633 III BGB)               auf Kosten
                des Auftrag-
                nehmers
                 
Minderung
X
X
 
X
X
 
X
Herabset-
(§ 634 BGB)               zung der
                Vergütung
                 
Wandelung
X
X
 
X
X
 
X
Rückgängig-
(§ 634 BGB)               machung des
                Vertrags
                 
Schadensersatz
X
X
 
X
X
X
X
Ausgleich
(§ 635 BGB)               sämtlicher
                Schäden
                einschließlich
                der
                Mangelfol-
                geschäden

174 Beispiel: Kaufvertrag - §§ 433 ff BGB

  Voraussetzungen      
         
 
Mangel
Mängel-
  Rechtsfolge
   
anzeige
   
Rechte        
         
Minderung
X
X
  Herabsetzung des
§ 462 BGB       Kaufpreises
         
Wandelung
X
X
  Rückgängigmachen
(§ 462 BGB)       des Vertrages
         
         
         
Schadensersatz Fehlen
X
  "kleiner Schadens-
(§ 463 BGB) zugesicher-     ersatz"
  ter Eigen-      
  schaften      
         
  Fehlen
X
  "großer
  zugesicher-     Schadensersatz"
  ter Eigen-     Erstattung des
  schaften "mit     "Mangelfolgescha-
  Reichweite"     dens"
  (Verwendungs-      
  zweck und -risiko)      
 
Hinweis:
Vgl. § 480 BGB ("Gattungskauf")

175 Beispiel: Mietvertrag - §§ 535 ff BGB

  Voraussetzungen              
                 
  Mangel Mängel- Verzug in der Nachfrist Leistungs- Verschulden Nichtabhilfe Rechtsfolge
    anzeige Mängelbeseitigung "angemessen" ablehnungs-      
    (§ 545 BGB)     androhung      
                 
                 
Rechte                
                 
Minderungsrecht
X
X (§ 545 BGB)
       
X
Minderung
§ 537 BGB                
Kündigungsrecht
X
X
 
X
   
X
Kündigung
                Vertrag
                 
Schadensersatz                
- Mangel bei Vertrags-                
schluß
X
X
       
X
Ausgleich
- verschuldeter
X
X
   
X
    sämtlicher
Mangel               Schäden
-unverschuldeter
X
X
   
X
    einschließlich
Mangel               der
                Mangelfol-
                geschäden
Vgl. ferner
§ 544 BGB - fristlose Kündigung gegen Gesundheitsgefährdung
§ 554a BGB - fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

176 Beispiel: Dienstvertrag - §§ 611 ff BGB

  Voraussetzungen       Rechtsfolge
           
Vertragsende Zeitablauf - § 620 BGB       "ex-nunc"
Kündigung Dienstverhältnis - § 621 BGB       "ex-nunc"
Kündigung Arbeitsverhältnis - § 622 BGB       "ex-nunc"
Kündigung wegen          
wichtigen Grundes §§ 626, 628 BGB       Schadens-
Kündigung bei         ersatz
Vertrauensstellung §§ 627, 628 BGB        
           
Gewährleistungsrecht: -          
           
  Schlechtleistung Geltendmachen Verschulden Schaden Schadens-
  durch Pflichtver- der Ansprüche     ersatz aus
  Verletzung       "Positiver
          Vertragsver-
          letzung

177 System der Gewährleistung der VOL/B - § 14 VOL/B

  Voraussetzungen              
  Mangel Mängel- Verzug in der Nachfrist Leistungs- Verschulden Nichtabhilfe Rechtsfolge
    anzeige Mängelbeseitigung "angemessen" ablehnungs-      
    "unverzügl."     androhung      
Rechte   schriftl.     "Hinweis"      
"zunächst"              
Vertragserfüllung              
§ 14 Nr. 3 a I VOL/B              
durch Nachbesserung
X
X
 
X
   
X
Nichterfül-
(Mangelbeseiti-               lung - Selbst-
gung kann verwei-               hilferecht
werden: Unverh.               - sofort
Aufwand - dann               Selbsthilfe
"zunächst" Min-               * Unmögl.
derung "unbescha-               * Verweig.
tet Wandl. u. Schad.)               * bes. Int.
                (auch WMS)

Selbsthilferecht
X
X
 
X
   
X
Selbsthilfe
§ 14 Nr.3 a) II VOL/B               auf Kosten I
                des Auftrag-
                nehmers
Minderung
X
X
 
X
X
 
X
Herabset-
§ 14 Nr. 3a)-c) VOLB               zung der
                Vergütung
Wandelung
X
X
 
X
X
 
X
Rückgängig-
§ 14 Nr. 3 a)-c) VOL/B               machung des
          Entfällt:     Vertrags
          Bei bes.      
          Interesse      
          Unm./Verw.      
Schadensersatz
X
X
 
X
X
X
X
-- Ausgleich
(§ § 14 Nr. 3 a) -d) VOL/B               "unmittelba-
                ren Scha-
                dens"
                -- Ausgleich
                sämtlicher
                Schäden
                einschließlich
                der
                Mangelfol-
                geschäden
                - Vorsatz
                - grobe Fahrl.
                - Fehlen
                zuges. Eigensch.
                (Ausnahme:
                Sabotage,
Bei Lieferung               "unbeeinflußb.
Von Gattungsachen:               Erfüllungssgeh.
Statt der Nachbesserung, Minderung oder Wandelung: mangelfreie Ersatzlieferung
§ 14 Nr. 3 e) VOL/B
Pflicht des Auftragnehmers zur Beseitigung mangelhafter Sachen
- nach Ablauf Veräußerung durch Auftraggeber bei Interessenwahrung durch Auftraggeber
§ 14 Nr. 3 f) VOL/B
Keine Haftung des Auftragnehmers bei unsachgemäßer und ohne Zustimmung des Auftragnehemrs vorgenommenen Änderungen/Instandsetzungsarbeiten
§ 14 Nr. 3 g) VOL/B
Gewährleistungsfrist: 6 Monate - abweichende Vereinbarung möglich - vgl. allerdings § 13 Nr. 1, 2 VOL/A
Verlängerung um Zeit der Nichtbenutzbarkeit - höchstens bis zur doppelten Verjährungsfrist
§ 14 Nr. 4 I VOL/B
Erforderlichkeit der unverzüglichen schriftlichen Mängelrüge - Lauf der Verjährungsfrist ab Zugang der Mangelanzeige - Verjährung innerhalb von sechs Monaten ab Zugang der Anzeige, nicht jedoch vor Ablauf der Verjährungsfrist - schuldhafte oder nicht "unverzügliche" = verzögerte Anzeige: Verjährungsbeginn ab Zeitpunkt der Kenntnis ds Auftraggebers vom Mangel - § 14 Nr. 4 II VOL/B

WMS = Wandlung, Minderung oder Schadensersatz

178 Von dem BGB-System unterscheidet sich das System der VOL/B, wie die Übersicht zeigt, erheblich, allerdings grundsätzlich nicht hinsichtlich des Mangelbegriffs. Dies bedeutet, daß der Auftraggeber in den Verdingungsunterlagen, speziell in der Leistungsbeschreibung, dafür sorgen muß, daß bestimmte Risiken (Mangelfolgeschäden etc.) durch die Zusicherung von Eigenschaften "mit Reichweite" ausgelagert werden.
Hierbei geht es vor allem um Einsatzzweck und -risiko, das in den Verdingungsunterlagen eindeutig zum Ausdruck kommen muß - insbesondere natürlich beim Kauf.
Allerdings ist das BGB-System erheblich - und zwar grundsätzlich auf alle Vertragstypen des BGB unmittelbar (Kauf, Werkvertrag, Werklieferungsvertrag - siehe Präambel) oder entsprechend (Dienstvertrag, Mietvertrag etc.) anwendbar. Bei entsprechender Anwendung z.B. vor allem im Bereich der Miete sollten die anzuwendenden Bestimmungen auf Praktikabilität und rechtliche Eignung überprüft werden.

Im übrigen zeigen die nachfolgenden Übersichten zur Verjährung auch deutlich, worauf in den Verdingungsunterlagen in diesem Zusammenhang zu achten ist. Hierbei geht es wiederum nicht allein darum, einen Gewährleistungsfall zutreffend bei Auftreten des Mangels während der Gewährleistungsfrist abzuwickeln, sondern darum, welche Risiken die Bestimmung des § 14 VOL/B regeln will auf welche Weise dies geschehen soll. Insbesondere ist zu prüfen, ob die Abwicklungsschablone des § 14 VOL/B für den Einzelfall geeignet ist oder ob die besonderen Umstände des Einzelfalls eine mit § 9 Nr. 3 VOL/A eine individuelle Sonderregelung erfordern.

179 Hieraus ergibt sich folgende Checklist:

Allerdings ist vor der Nutzung dieser Checklist zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § § 8, 8a VOL/A eingehalten sind:
Sind
  • Eindeutigkeit,
  • Vollständigkeit,
  • Wettbewerbseignung und
  • "Neutralität"
der Leistungsbeschreibung gegeben ?


17.2. Checklist

180 Zumindest dieser Katalog - Auswahl - ist zu prüfen:

1. Liegen besondere Einsatzrisiken vor ?
Ja Nein
2. Können "Mangelfolge- und Weiterfresser-/Ansteckungsschäden bei Einsatz der Leistung entstehen ?
Ja Nein
3. Können diese Risiken eindeutig definiert werden ?
Ja Nein
Einsatzrisiken: Gefahren für das Leben
  Gefahren für die Gesundheit
  Gefahren für andere Gegenstände
  Entstehende Vermögensschäden
  Nichterfüllung von eigenen Pflichten
  Inanspruchnahme durch Dritte
  Mehraufwand des Auftraggebers
  Ausfallrisiken der Leistung
  Erfaßbarkeit der Schäden
  Schadensprognose möglich
  Bemessung der täglichen Schäden
  Gefährdung von Körper, Gesundheit  
  und Eigentum Dritter
  Produkthaftungsrisiko
  Sonstige erhebliche Folgen
4. Können die Risiken durch zugesicherte Eigenschaften abgesichert werden ?
Ja Nein
5. Bestehen Versicherungsmöglichkeiten ?
Ja Nein
6. Wie können die zugesicherten Eigenschaften formuliert werden ?
Die Leistungen sind zum Einsatz in unserem bestimmt. Fehlen die zugesicherten Eigenschaften, nämlich



so treten folgende besonderen Risiken auf:




181 Zusammenfassung der Risikobeschreibung für die Verdingungsunterlagen:

Wir können folglich nur Leistungen akzeptieren, die die angeführten zugesicherten Eigenschaften aufweisen und die beschriebenen Risiken ausschließen.
Es sind ausreichende Versicherungen mit Deckungssummen von mindestens Euro auf Verlangen des Auftraggebers
jederzeit nachzuweisen.
7. Müssen die Leistungen eine besondere Beschaffenheit aufweisen ? Ist die übliche, gewöhnlich zu erwartende Beschaffenheit nicht ausreichend ?
Ja Nein
8. Kann die besondere Beschaffenheit eindeutig und erschöpfend beschreiben werden ?
Ja Nein
9. Wie kann die besondere Beschaffenheit im vorliegenden Einzelfall eindeutig beschrieben werden ?
Der Leistungsgegenstand muß folgende Beschaffenheiten aufweisen, da er andernfalls für den vertraglichen Zweck nicht geeignet ist:



10. Sind Muster/Proben erforderlich ?
Ja Nein
11. Sind Tests, Prüfungen, Güteprüfungen sind erforderlich ?
Ja Nein
12. Wie sind die Tests, Prüfungen, Untersuchungen oder auch Güteprüfungen zu gestalten ?



13. Sind Teilabnahmen, Zwischen- und Teiltests, Zwischenberichte etc. erforderlich ?
Ja Nein
14. Sind weder besondere Einsatzrisiken oder besondere Beschaffenheiten erforderlich, stellt sich die Frage, ob die Leistung in der üblichen, gewöhnlichen Erwartung ausreichend ist ?
Ja Nein
15. Kann auf DIN-/EU- oder sonstige Normen Bezug genommen werden ?
Ja Nein
16. Kann ein "Musterprodukt" - ein bestimmtes "Markenprodukt" benannt werden, ohne daß andere Leistungen ausgeschlossen sind ? Mit dem Zusatz "oder gleichwertiger Art" ?
Ja Nein
17. Müssen für einzelne Leistungsteile Minimal- und Maximalleistungen erfaßt werden, weil die Leistungsbreite in den einzelnen Merkmalen zu Unter- bzw. Überdeckung des Bedarfs führt ?
Ja Nein
18. Empfiehlt es sich , auch während der Gewährleistungsfrist einen Wartungs-/Pflegevertrag abzuschließen, weil sich Gewährleistungsfälle nur schwer von anderen Störungen (Verschleiß, Fehlbedienung etc.) abgrenzen läßt ?
Ja Nein
19.
20. Reichen bei Leistungsmängeln Nachbesserungsverlangen bzw. Ersatzlieferung bei Gattungssachen aus ?
Ja Nein
21. Kann eine angemessene Nachbesserungs-/Nachlieferungsfrist eingeräumt werden - kann diese Frist schon jetzt konkretisiert werden ?
Ja Nein
22. Muß eine bestimmte Sofort-/zeitlich verzögerte Verfügbarkeit bei Ausfall etc. gegeben sein ?
Ja Nein
23. Reichen die nachfolgenden Ansprüche aus
  • Minderung - Herabsetzung der Vergütung ?
    Ja Nein
  • Wandelung - Rückgängigmachung des Vertrages?
    Ja Nein
  • "Ersatz des Schadens an der gelieferten Sache" ?
    Ja Nein
  • Ersatz des gesamten Schadens einschließlich "Mangelfolgeschadens" außerhalb der gelieferten Sache an weiteren Rechtsgütern etc. ?
    24. Kann es dazu kommen, daß die Beseitigung des Mangels infolge "unverhältnismäßig gro0en Aufwands" vom Auftragnehmer verweigert werden könnte ?
    Ja Nein
    25. Ist in diesem Fall Minderung die Minderung zum Ausgleich der Nachteile ausreichend ?
    Ja Nein
    26. Werden vom Auftraggeber gestellt Erfüllungsgehilfen eingesetzt ?
    Ja Nein
    Sind damit besondere Risiken verbunden ?
    Ja Nein
    Können diese Risiken ausgeschlossen oder reduziert werden ?
    Ja Nein
    27. Setzt der Auftragnehmer Erfüllungsgehilfen ein, auf die er keinen Einfluß ausüben kann ?
    Ja Nein
    28. Empfiehlt es sich, einen Generalunternehmer (vgl. §§ 5, 10 VOL/A) infolge eventueller Probleme der Feststellung der Verantwortlichkeit einzusetzen ?
    Ja Nein
    Ist das "Klein- und Mittelstandsprivileg" gewahrt ?
    Ja Nein
    Scheidet ein Aufteilung in Lose aus ?
    Ja Nein
    29. Reicht die gesetzliche Verjährungsfrist von 6 Monaten aus ?
    Ja Nein
    30. Muß die Verjährungsfrist verlängert werden, kann sie unter Beachtung des § 13 VOL/A verlängert werden ?
    Ja Nein
    31. Welche Verjährungsfrist ist festzulegen und kann nach § 13 VOL/A festgelegt werden ? Ist die Verlängerung wegen der Eigenart der Leistung erforderlich ?
    Ja Nein
    Sind die Interessen des Auftragnehmers berücksichtigt ?
    Ja Nein
    Sind die in dem betroffenen Wirtschaftszweig üblichen Regelung - übliche Verjährungsfristen - beachtet ?
    Ja Nein
    32. Sind Sicherheitsleistungen unter Beachtung des § 14 VOL/A ausnahmsweise und in welcher Höhe (5 % Obergrenze !) notwendig ?
    Ja Nein
    33. Reicht die Zahlung der Vergütung erst bei Abnahme/Lieferung zu Absicherung aus ?
    Ja Nein

    182 Zumindest diese Fragen sind in allen Fällen zu beantworten, wenn es darum geht, Erstbeschaffungen bestimmter Leistungen vorzunehmen bzw. Leistungen zu beschaffen, bei denen sich entsprechende Gefahren ergeben können - neben den Risiken des Verzugs und der Nichterfüllung (dürfte sich im Hinblick auf die Prüfung der Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit und Fachkunde <vgl. § 25 Nr. 3 I VOL/A> im Grunde nicht ergeben).
    Die Möglichkeiten, die entsprechenden Risiken in den Verdingungsunterlagen abzusichern, sind in jedem Fall gegeben - allerdings ist zu beachten, daß die "Auslagerung" sämtlicher oder vieler Risiken dazu führen kann, daß
    • "unzumutbare Wagnisse" vorliegen,
    • der Wettbewerb durch Überforderungen eingeschränkt wird
    • oder die potentiellen Bieter auf Angebote verzichten, weil ihnen das zugemutete Risiko zu hoch erscheint.

    17.3. Erläuterung des § 14 VOL/B

    183Nachfolgend seien die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 14 VOL/B erläutert. Hierbei wird sowohl die Sicht zugrundegelegt.

    Es wird sich auch hier zeigen, daß die Fehler, die bei der Fertigstellung der Verdingungsunterlagengemacht worden sind, sich bei der Abwicklung lediglich fortsetzen. Die Absicherung gegen Mängel bzw. "Mangelfolgeschäden" bzw. das entsprechende Risiko ist entweder
    • Sache des Auftraggebers,
    • oder des Auftragnehmers
    • oder streitig, weil die entsprechenden Schritte in den Verdingungsunterlagen nicht geklärt worden sind.
    Hierzu ist es erforderlich, daß das oben dargestellte System von den Vergabe- wie Bedarfsstellen beherrscht wird. Ist das nicht der Fall, erhöht sich das Risiko für jeweils einen Teil oder für beide.


    17.3.1. Mangel

    184 Mangel ist der Oberbegriff für das Fehlen zugesicherter Eigenschaften (ausdrückliche oder stillschweigende) sowie das Vorliegen eines "Fehlers", der die Abweichung von der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit bzw. der üblicherweise vorausgesetzten Tauglichkeit des Gegenstandes betrifft. Vgl. insofern die §§ 459 I, II, 537 I BGB, 633 I BGB; auch §§ 13 Nr. 1 VOB/B, § 14 Nr. 1, 2 VOL/B. Stellen sich nach Abnahme bei dieser nicht erkannte (bzw. nicht "erkennbare") Mängel heraus, greifen grundsätzlich die Gewährleistungsansprüche an (teils zunächst Erfüllungsansprüche auf Mangelbeseitigung - Nachbesserung/Ersatzlieferung). Vor Abnahme festgestellt Mängel führen zur Abnahmeverweigerung, regelmäßig auch zu Leistungsverweigerungsrechten und Ansprüchen wegen Verzugs (Leistung ist nicht rechtzeitig fertiggestellt). Da es im einzelnen streitig werden kann, ob lediglich eine unverbindliche Anpreisung oder eine Beschaffenheitsangabe oder eine zugesicherte Eigenschaft vorliegt, ist bei Fertigstellung insbesondere der Verdingungsunterlagen konkret festzulegen, was man benötigt bzw. welche Risiken man durch die Zusicherung von Eigenschaften ausschließen will. Andernfalls ist der Streit vorprogrammiert. In der Rechtsfolge weicht § 14 Nr. 3 d) VOL/B teils vom BGB-System ab. Der Mangel ist folglich ein Abweichen von den zugesicherten Eigenschaften, der vertraglich vereinbarten besonderen Beschaffenheit oder der gewöhnlichen Erwartung, wenn keiner der beiden zuerst genannten Varianten vorliegt. Die entsprechende Beweissicherung bei Auftreten der Mängel, des Zeitpunktes und der Auswirkung, soweit abschätzbar, ist bei der Abwicklung der Verträge nicht selten eine Frage, die nur durch entsprechende Mängelprotokolle, Fotos, klare Feststellungen in Vermerken, Zeugenaussagen (schwaches Beweismittel) festgehalten sowie vielfach durch Sachverständige festgestellt werden können. Ohne Mängelanzeige - schriftlich und unverzüglich (vgl. § 14 Nr. 4 und 5 VOL/B) - entstehen die Gewährleistungsansprüche nicht. Vgl. hier die Ausführungen zu Mängelanzeige.


    17.3.2. Gewährleistung

    185 Unter Gewährleistung ist im übrigen Mangelfreiheit im Zeitpunkt des Gefahrübergangs zu verstehen (§ 14 Nr. 1 VOL/B), nicht eine wie auch immer geartete Erhaltungs-, Bestands- oder Instandsetzungsgarantie - schon gar nicht Verschleiß, Falschbedienungsfolge, Benutzerfehler oder gar vorbeugende Wartung. Das kann bei Mietverträgen anders geregelt werden, aber auch bei Kauf-, Werk- und Werklieferungsverträgen, indem zusätzliche Wartungs- und Pflegeverträge abgeschlossen werden.
    Beispielhaft sei der Erwerb einer Glühbirne erwähnt, bei der der Verkäufer vor bzw.. im Zeitpunkt der Übergabe/Gefahrübergang die entsprechende "Lichtprobe" durchführt, um den Beweis der Mangelfreiheit bei Gefahrübergang zu führen. Da dieser "Test" aus praktischen und sonstigen Gründen in dieser recht klaren Weise regelmäßig nicht durchgeführt werden kann, stellen sich für die Untersuchung/Prüfung und Abnahme der Leistung erhebliche Probleme, die allerdings vor Fertigstellung der Verdingungsunterlagen erkannt und gelöst werden sollten.
    Wer mehr als Gewährleistung benötigt, mithin eine "Garantie" muß durch entsprechende Schritte, insbesondere z.B. die Zusicherung von Eigenschaften "mit Reichweite" für eine Risikoverlagerung sorgen oder aber zusätzliche eigene Risikovorkehrungen zur Risikovermeidung treffen. "Garantien" gehen über die im Gesetz vorgesehene Haftung regelmäßig hinaus und beziehen sich z.B. speziell im Kaufrecht auf die Übernahme des Mangelfolgeschadens durch entsprechende Zusicherungen oder etwa im Rahmen des Beratungsverhältnisses im Vorstadium des Vertrages (das in Vergabeverfahren regelmäßig ausscheidet, da entsprechende "Verhandlungen" die Ausnahme bilden <vgl. § 24 VOL/A).

    Die entsprechende Folgerung aus diesen Schwierigkeiten, die z.B. von Daub/Eberstein gezogen wird, keine entsprechenden "Garantien" in die Verdingungsunterlagen aufzunehmen, kann nicht nachvollzogen werden. Durch klare und eindeutige Festlegungen der "Mangelfolgerisiken" ist vielmehr dafür zu sorgen, daß bei Notwendigkeit im Einzelfall entsprechende "Garantien" vorgesehen werden.

    Vgl. Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 14 Rdnr. 24 a.E.

    Im übrigen muß die mit der Verweisung auf die gesetzlichen Bestimmungen "mit folgenden Maßgaben" (vgl. § 14 Nr. 3 VOL/B) verbundene Rechtsunsicherheit gerade durch die Verdingungsunterlagen möglichst ausgeschlossen werden.

    Vgl. zur umfangreichen Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Abgrenzung zwischen "Fehler" und Fehlen zugesicherten Eigenschaften" Palandt-Putzo, BGB, 59. Aufl., 2000, § 459 Rdnr. 9 - 58, m.zahlr. Nachw. der vielfach streitigen Fälle.


    17.3.3. Keine Mängel bzw. keine "erheblichen Mängel"

    186 Mangelfrei ist die Leistung, wenn sie den vertraglichen Vereinbarungen entspricht.
    § 14 Nr. 2 VOL/B besagt indessen, daß eine "unerhebliche Minderung des Wertes oder der Tauglichkeit" nicht in Betracht kommt. Dafür ist die Verkehrsauffassung maßgeblich, womit dem Praktiker "Steine statt Brot" gegeben werden. Hierzu können geringfügige Leistungseinschränkungen (etwa gewisse Unbequemlichkeiten bei der Bedienung des Gegenstandes) gehören. Geringfügige äußere Schäden durch Kratzer außerhalb des Sichtbereichs ohne Leistungseinschränkung können hier genannt werden. Auch Nachteile, die vom Auftraggeber ohne großen Aufwand schnell und einfach beseitigt werden können. Maßgeblich ist immer der Einzelfall. Allgemeine Aussagen sind nicht möglich.

    Vgl. Palandt-Putzo, BGB, 59. Aufl., 2000, § 459 Rdnr. 13. Vgl. auch Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 14 Rdnr. 32.

    Auch hier kann es zu entsprechendem Streit kommen. Vgl. auch die entsprechenden Erläuterungen zu § 13 Nr. 2 (1) s. 2 VOL/B - auch wegen der Bedenken gegen die Klausel.


    17.3.4. Eigenschaft

    187 Eigenschaften i.S.d. § 459 II BGB sind alle einem Kaufgegenstand auf eine gewisse Dauer anhaftenden Merkmale, die für dessen Wert, für ihren vertraglich vorausgesetzten Gebrauch oder aus sonstigen Gründen für den Käufer erheblich sind. Als Eigenschaften in diesem Sinne kommen damit folglich nahezu unbeschränkte Möglichkeiten in Betracht (Leistungsfähigkeit, Belastbarkeit, Fabrikneuheit, Eignung für Einsatzzweck, Qualität, Güte des Stoffes etc.). Die Zusicherung von Eigenschaften mit "Reichweite" ist vor allem im Kaufrecht im Hinblick auf den Mangelfolgeschaden erheblich. Vgl. §§ 462, 463 BGB. Entscheidend ist freilich der Rechtsbegriff der "Zusicherung", durch die Eigenschaft ihre besondere Bedeutung erhält. Nur die Zusicherung von Eigenschaften "mit Reichweite" sichern den Auftraggeber im Kaufrecht vor Mangelfolgeschäden ab. Können diese Schäden "außerhalb des Vertragsgegenstandes" folglich eintreten, hätte dies im Rahmen der Risikoanalyse erkannt werden und eine entsprechende Gestaltung ("Garantie") gefunden werden müssen. Das wird ohne eine systematische Vorgehensweise nach dem obigen Raster nicht möglich sein.

    Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen" der öffentlichen Hand behandeln diese Frage z.B. in § 13 Nr. 1 VOB/B, § 14 Nr. 1 VOL/B sowie in den
    entsprechenden BVB-IT-Klauseln. Bestehen besondere Einsatzzwecke und -risiken (z.B. Eintritt von Mangelfolgeschäden außerhalb der gelieferten Sache, so muß dies in der Leistungsbeschreibung bzw. in den Individuellen Vertragsbestimmungen klar zum Ausdruck kommen, da z.B. die Bestimmung des § 14 Nr. 3. VOL/B insoweit auf die Risikoverteilung nach den gesetzlichen Bestimmungen verweist.

    Welche Eigenschaft für den Auftraggeber bedeutsam ist, ist aus den Verdingungsunterlagen, insbesondere der Leistungsbeschreibung ersichtlich. Es liegt auf der Hand, daß in diesen Fällen die Festlegung von "besonderen Anforderungen" der sachlichen Begründung bedarf, da diese den Wettbewerb verengen bzw. beseitigen (vgl. § 8 VOL/A).


    17.3.5. Zusicherung

    188 Unter einer Zusicherung, die ausdrücklich oder auch stillschweigend z.B. infolge besonderer Umstände (Beratung, Kenntnis von Verwendungszweck und -risiko) erfolgen kann, ist vor allem im Kaufrecht eine Erklärung z.B. des Verkäufers zu verstehen, für den Bestand der betreffenden Eigenschaft verschuldensunabhängig einstehen zu wollen. Es darf sich folglich nicht um eine unverbindliche Beschreibung, Bewertung oder Anpreisung handeln. Vgl. z.B. § 459 II BGB.

    Zusicherung des neuesten Standes von EDV-Anlagen - Erklärung "Gerät auf dem neuesten technischen Stand" nur Beschaffenheitsangabe, nicht Zusicherung - BGH, Urteil v. 14.2.1996 - VIII ZR 89/95 - CR 1996, 402 - "überarbeitete LSX-Lösung" (m. Anm. v. Heussen)
    OLG Hamm, NJW 1999, 3273.

    Zugesichert werden kann jede Eigenschaft, die der Auftraggeber aus sachlich gebotenen Gründen für bedeutsam hält (vgl. allerdings § 8 VOL/A). Vgl. die Hinweise unter Eigenschaft.


    17.3.6. Fehlen der Zusicherung der Eigenschaft - Zeitpunkt


    189 Das ist der Fall, wenn bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die betreffende Eigenschaft ("zur Zeit des Kaufes" - vgl. § 463 BGB) nicht vorhanden ist. Das Fehlen der zugesicherten Eigenschaften kann bei entsprechender "Reichweite" der Zusicherung selbst bei einem Kaufvertrag zum Ersatz des Mängelfolgeschadens führen. Die Freizeichnung für die Haftung wegen Fehlens zugesicherter Eigenschaften in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist nichtig (vgl. § 11 Nr. 11 AGBG).
    Vgl. die Hinweise unter Eigenschaft.
    Nach § 14 Nr. 1 VOL/B übernimmt der Auftragnehmer die Gewähr dafür, daß die zugesicherten Eigenschaften etc. bei Gefahrübergang vorhanden sind -und zwar grundsätzlich für alle Vertragstypen, die Gegenstand der VOL/B-Einbeziehung sein können.


    17.3.7. Abnahme

    190 Unter Abnahme ist die körperliche Entgegennahme (tatsächliche Seite) unter Akzeptieren der Leistung im wesentlichen als vertragsgemäß zu verstehen. Die Abnahme hat schwerwiegende Folgen für das jeweilige Vertragsverhältnis
    (vor Abnahme:
    Erfüllungsansprüche, Leistungsverweigerungsrechte des Auftraggebers, Beweislast für Mangelfreiheit bei Auftragnehmer, keine Fälligkeit der Vergütung;
    nach Abnahme:
    Gewährleistungsansprüche, Fälligkeit der Vergütung, Beweislast für Mängel beim Auftraggeber, Beginn der Verjährungsfrist). Vorbehaltlose Abnahmen trotz Mangelhaftigkeit der Leistung schließen Gewährleistungsrechte aus (vgl. die §§ 460, 539 II, 640 II BGB).
    Vgl. hierzu die §§ 13 VOL/B, 12 VOB/B sowie die jeweiligen §§ der BVB-IT - auch die entsprechende Kommentierung des § 13 Nr. 2 VOL/B.


    17.3.8. Freiheit von der Gewährleistung - Haftungsbefreiung


    191Nach § 14 Nr. 2 VOL/B ist der Auftragnehmer von der Gewährleistung in folgenden Fällen frei:
    • Ursächlichkeit für den Mangel ist das Verlangen des Auftraggebers nach einer Änderung der Beschaffenheit der Leistung (vgl. § 2 Nr. 1 VOL/B),
    • Ursächlichkeit für den Mangel sind vom Auftraggeber
      • beigestellte/gelieferte Stoffe
      • oder von ihm vorgeschriebenen Stoffe
      • oder vom Auftraggeber geforderten Vorlieferungen eines anderen
    • und der Auftragnehmer die schriftlichen Mitteilungen nach den §§ 2 Nr. 2 (Bedenken gegen die vom Auftraggeber verlangte Leistungsänderung) bzw. § 4 Nr. 3 (z.B. Bedenken gegen Auftraggeberleistungen bei erkennbaren Mängeln) VOL/B erstattet hat
    192 Entscheidend ist, daß der Auftragnehmer entsprechend reagiert hat. Unterläßt er dies, so fallen die folgen in seine Verantwortung. Der Umfang der Prüfung richtet sich nach dem jeweiligen Fall, insbesondere aber auch nach der Stellung des Auftragnehmers z.B. als Fachmann. Bei er verkehrsüblichen Sorgfalt handelt es sich um objektive Maßstäbe, die in der betreffenden Situation insbesondere von einem Fachmann angewandt wird. Die Grenze dieser Überprüfungspflicht ist sicherlich auch unter dem Aspekt der Kosten, der Zumutbarkeit sowie der Möglichkeiten des betreffenden Auftragnehmers zu sehen. Immer wird man eine äußerliche Überprüfung z.B. beigestellter Stoffe verlangen. Auch erkennbare Qualitätsstufen, so sie vereinbart sind, sind sicherlich erkennbar. Abweichungen von verkehrsüblichen Leistungsbeschreibungen werden vom Auftraggeber üblicherweise erkannt werden müssen. Er muß folglich zum einen die ursprünglich vorgesehenen Leistungen/Lieferungen mit den Änderungen, den Eigenlieferungen des Auftraggebers sowie auch Drittleistungen/-lieferungen auf Differenzen und Abweichungen untersuchen.

    Ziemlich unklar Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 14 Rdnr. 37.

    193 Rechtsmißbräuchlich sind entsprechende Bedenkenäußerungen ohne sachlichen Grund. Zulässig sind allerdings Bedenkenäußerungen dann, wenn der Auftragnehmer den Werkstoff nicht kennt und dessen Einsatz nicht abschätzen kann.
    Die mögliche Freiheit von der Gewährleistung befreit den Auftragnehmer im übrigen nicht von den Nebenpflichten (Schutz der beigestellten Gegenstände etc.), soweit dies ihm möglich ist. Insoweit wird zum einen auf § 10 VOL/B verwiesen (Obhutspflichten bis zum Gefahrübergang für von Auftragnehmer ausgeführte Leistungen bzw. Schutz der übergebenen Gegenständen vor Beschädigung und Verlust). Zum anderen greifen hier die allgemeinen Grundsätze der positiven Vertragsverletzung ein, nach denen sich Schadensersatzansprüche des Auftraggebers bei schuldhaften Pflichtverletzungen ergeben können.


    17.3.9. Besondere "Maßgaben" des § 14 Nr. 3 VOL/B

    194Um diese Fragen beurteilen zu können, muß das in § 14 Nr. 3 VOL/B angelegte System nachfolgend betrachtet werden - einschließlich Verjährung.
    Übersicht: Erfüllung - Gewährleistung
    Kenntnis vom Mangel
    schriftliche - unverzügliche Mängelanzeige

    Gattungssache
    keine Gattungssache
       
    Ersatzlieferung
    /
    Statt Wandelung
    /
    oder Minderung
    /
     
    /
    <<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<< >>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>
    / /
    /
    "zunächst" Mangelbeseitigung Mangelbeseitigung
    Mangelbeseitigung - unmöglich unverhältnismäßiger
    Vertragserfüllung durch - verweigert Aufwand
    Nachbesserung >>>>>>>>>>>>> - "besonderes  
    /
    /
    Interesse"  
    /
    /
       
    + Fristsetzung + Fristsetzung   "zunächst" Prüfung
      + "Hinweis"   der Minderung
    + Fristablauf auf Ablehnung   "unbeschadet" des
    ohne Mangel- der Mangel-   Rechts auf Wande-
    beseitigung beseitigung   lung und Schadens-
    / nach Fristablauf   ersatz wegen Nicht-
    /     füllung
    /      
    "Selbsthilfe"      
    Mangelbeseitigung   Gewährleistungsansprüche  
    auf Kosten des  
    /
     
    Auftragnehmers  
    /
     
      <<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<< >>>>>>>>>>
    /
    /
    /
    Minderung
    Wandelung
    Schadensersatz wegen Nichterfüllung
       
    /
      <<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<< >>>>>>
      Grundsätzlich nur Ersatz voller Schadensersatz bei
      des Schadens am Gegenstand - Vorsatz
      des Vertrages selbst - grober Fahrlässigkeit
      "Mangelschaden" - Fehlen zugesicherter
        Eigenschaft
        Ausnahme:
        - Sabotage
        - Erfüllungsgehilfe des Auftraggebers/vom Auftragnehmer unbeeinflußbar

    195 Verjährung nach § 13 Nr. 4 und 5 VOL/B

    § 13 Nr. 1 VOL/A § 13 Nr. 2 VOL/A
    "sollen die andere (längere) Fristen nur
    gesetzlichen Fristen - Erforderlichkeit wegen Eigenart der
    ausbedungen werden." Leistung bei Abwägung der aller
      Umstände und Berücksichtigung
      der in dem Wirtschaftszweig üblichen
      Regelungen (z.B. branchenübliche
      zweijährige Gewährleistungsfrist)

    Beginn des Laufs Beginn des Lauf der längeren
    der 6-monatigenVerjährungsfrist: z.B. 2-jährigenVerjährungsfrist:
    Gefahrübergang Gefahrübergang

    Ausfall wegen Mangels etc.  
    + Kenntnis  
    + Zugang der  
    + unverzüglichen  
    + schriftlichen Mängelanzeige  
    + keine bestimmungsgemäße  
    + Nutzungsmöglichkeit  
    Mangelbeseitigung/Nutzungs-  
    möglichkeit  
      Ausfall wegen Mangels etc. nach
      12 Monaten
      + Kenntnis
      + Zugang der
      + unverzüglichen
      + schriftlichen Mängelanzeige
      + keine bestimmungsgemäße
      + Nutzungsmöglichkeit
      Mangelbeseitigung/Nutzungs-
      möglichkeit
      + 6 Monate
      Verjährung innerhalb von 6 Monaten
      nach Zugang der Anzeige, jedoch nicht
      vor Ablauf der vereinbarten Frist:
    Ablauf der gesetzlichen Frist  
    von 6 Monaten  
    + Zeit, in der der mangelhafte  
    Gegenstand nicht genutzt werden kann  
    Ablauf der Verjährungsfrist -  
    höchstens 12 Monate  
      Ablauf der vereinbarten (z.B.) zweijährigen Verjährungsfrist


    Die Kenntniserlangung innerhalb der Verjährungsfrist und verspätete Mängelanzeige - nicht unverzüglich - nicht schriftlich - läßt die Verjährungsfrist ab dem Zeitpunkt der Kenntniserlangung von dem Mangel laufen. Die Regelung des § 14 Nr. 4 und 5 VOL/B ist insofern nicht mit den entsprechenden Bestimmungen des § 13 Nr. 4 und 5 VOB/B identisch.


    17.3.10. Anspruch auf Vertragserfüllung durch Nachbesserung - § 14 Nr. 3 a) VOL/B

    196 Für das vom BGB nicht unerheblich abweichende System des § 13 Nr. 3 VOL/B sollen den Besonderheiten des öffentlichen Auftragswesens gebührend Rechnung getragen werden.
    So Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 14 Rdnr. 39.
    Dieses kann nur bedingt als erreicht bezeichnet werden. Die zahlreichen dogmatischen Untiefen der Klauseln dürften im Ernstfall mehr Unsicherheit und Verwirrung als das BGB-System stiften, bei dem eine lange Erfahrung und zahlreiche höchstrichterliche Entscheidungen anzutreffen sind - mithin ein größeres Maß an Rechtssicherheit als bei den weitgehend durch die Rechtsprechung "unbefleckten" Klauseln der VOL/B, wenn diese auch ansatzweise verschiedentlich kritisch betrachtet werden.

    Vgl. Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 8. Aufl, 1997, Anh. §§ 9 - 11 Rdnr. 915 ff. Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, Einf. Rdnr. 15 ff, zwar auf das AGBG eingehend, allerdings, soweit ersichtlich, diese Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG an keiner einzigen Klausel anwendend, wenngleich zahlreiche Abweichungen von gesetzlichen Grundgedanken durchaus festgestellt werden.

    197 Insbesondere sind die mit § 633 II und III BGB zusammenhängenden Probleme nicht gelöst worden, die sich hier letztlich weiter fortsetzen. So besteht in § 633 II, III BGB dann kein Mängelbeseitigungsanspruch, wenn die Mangelbeseitigung objektiv unmöglich ist bzw. der Auftragnehmer sich auf "Unzumutbarkeit" infolge unverhältnismäßigen Aufwands beruft. Fraglich ist ferner, ob auch im Fall der Verweigerung der Mangelbeseitigung durch den Auftragnehmer eine Fristsetzung vor der Selbsthilfe entbehrlich ist. Schließlich ist noch klärungsbedürftig, ob die Fristsetzung in diesen Fällen auch entfallen kann, wenn "ein besonderes Interesse" des Auftraggebers an sofortiger Selbsthilfe ohne Fristsetzung vorliegt.

    198 Gleichwohl wird man hier die Fristsetzung vor der Nachbesserung in den Fällen des § 14 Nr. 3 VOL/B nicht verlangen; denn wenn der Auftraggeber nicht gehalten ist, "zunächst" Nachbesserung in den § 14 Nr. 3 VOL/B zu verlangen, dann müßte das Selbsthilferecht in diesen Fällen auch ohne Fristsetzung unter der Voraussetzung des Mängelbeseitigungsverlangens eingreifen können. Hiergegen könnte jedoch die Unklarheitenregel des § 5 AGBG sprechen, insbesondere auch der Grundsatz, daß in "Einkäufer-AGB" die für den anderen Teil jeweils "günstigste Auslegung" zugunsten des Auftragnehmers eingreift. Das Abändern der in § 633 III BGB enthaltenen Grundsätze führt hier zu zusätzlichen dogmatischen Problemen, zu deren Lösung jedenfalls für die hier gestellte Frage noch keine Rechtsprechung vorliegt.

    Vgl. hierzu im übrigen Palandt-Sprau, BGB, 59. Aufl., 2000, § 633 Rdnr. 5 - 7, m.w.Nachw. Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 14 Rdnr. 41, 42, sowie 43 ff zur Selbsthilfe, die hier angesprochenen Probleme aussparend und letztlich auf die umstrittenen Fragen bei der Schaffung des § 14 Nr. 3 a VOL/B hinweisend.

    199 Um so eindringlicher sei darauf hingewiesen, daß man sich zumindest bei Großaufträgen sowie etwa Aufträgen mit Risiken nicht auf die Klauselformulierungen verlassen, sondern vor ihrer Anwendung im Ernstfall sicherheitshalber nochmals eine exakte Inhaltskontrolle der Vorschriften durchführen sollte. Wenn die Klauseln auch Klausel für Klausel von Fachleuten durchdiskutiert worden sind, so sind sie doch nicht aus einem Guß, sondern teilweise eine Folge entsprechender Kompromisse, was nicht aus den Augen zu verlieren ist. Dies vorausgeschickt, werden nunmehr die einzelnen Klauseln des § 14 Nr. 3 VOL/B einer entsprechenden Betrachtung unterzogen - zunächst im Hinblick auf den Anspruch auf Vertragserfüllung durch Nachbesserung.
    Voraussetzung ist ein Mangel der Leistung. Insoweit kann auf obigen Ausführungen verwiesen werden.

    200"Zunächst" bedeutet in diesem Zusammenhang, daß der Auftraggeber die Pflicht hat, vor der Geltendmachung anderer Rechte diesen Anspruch auf Vertragserfüllung via Nachbesserung geltend zu machen. Will er dies nicht, so müssen die Voraussetzungen für die weitergehenden bzw. andersartigen Rechte
    • Setzen einer angemessenen Frist und fruchtloser Ablauf
    • Setzen einer angemessenen Frist und Hinweis auf Ablehnung der Mangelbeseitigung nach fruchtlosem Fristablauf
    • Unmöglichkeit der Nachbesserung
    • Verweigerung der Nachbesserung durch den Auftragnehmer - aus welchen Gründen auch immer - sowie bei unverhältnismäßigem Aufwand der Nachbesserung (vgl. § 13 Nr. 3 c) VOL/B)
    • "besonderes Interesse" des Auftraggebers
    erfüllt sein.

    201 Die Angemessenheit der Frist ist bedeutsam; denn wenn eine zu kurze Frist gesetzt wird, greifen die entsprechenden Rechte nicht ein, sofern nicht die Frist entfallen kann (§ 13 Nr. 3 b) VOL/B). Der Begriff der Angemessenheit kann allgemein nicht festgelegt werden. Allgemein wird insofern in etwa ausgeführt:
    Angemessen ist die Frist, die bei objektiver Betrachtung unter Berücksichtigung der Interessen beider Seiten dem Schuldner noch zugestanden werden kann, um z.B. ein Werk zu vollenden oder für die Lieferung zu sorgen. Die Frist hat den Sinn, dem Schuldner die Erfüllung zu ermöglichen, nicht aber, mit der Leistung erst zu beginnen. Hieraus folgt, daß die Frist regelmäßig kürzer ist als die Herstellungs- oder Lieferzeit. In der Praxis gilt die Faustformel, daß die Nachfrist 1/2 bzw. 2/3 der Zeit Herstellungs- oder Lieferzeit beträgt. Hierbei sind auch die tatsächlichen Arbeitsfortschritte zu beachten, d.h. wieviel Zeit bei objektiver Betrachtung noch für die endgültige Fertigstellung erforderlich ist und dem Auftragnehmer zuzugestehen ist.. Siehe auch Nachfrist; auf die Fristsetzung kann nur bei besonders gelagerten Ausnahmefällen verzichtet werden (Unmöglichkeit, Verweigerung, "besonderes Interesse" an sofortiger Geltendmachung der Rechte - Vorsicht ist geboten !).
    Angemessen ist insbesondere die Frist, innerhalb der der Auftragnehmer den Mangel unter normalen Verhältnisse beseitigen kann.

    BGH NJW-RR 1993, 309; Palandt-Sprau, BGB, 59. Aufl., 2000, § 634 Rdnr. 3.

    202 Allerdings darf m.E. der Blick nicht einseitig auf die für den Auftragnehmer vorgesehene erforderliche zeit gerichtet sein, sondern muß die Interessen des Auftraggebers berücksichtigen. Dies kann im Einzelfall bedeuten, daß der Auftragnehmer einen größeren Einsatz/aufwand (mehr Personal etc.) betreiben muß, soweit ihm das zumutbar ist. Wenn "besondere Interessen" des Auftraggebers betroffen sind, entfällt die Frist (§ 13 N. 3 b) VOL/B).
    Auftraggeber, die sich nicht sicher sind, werden hier den Auftragnehmer auffordern, mitzuteilen, innerhalb welcher zeit die Mängel beseitigt werden können. Dies kann dann als Grundlage für die Fristbestimmung genommen werden, wenn der Auftraggeber dies insofern akzeptieren kann. Das gibt wenigstens Sicherheit.
    Im übrigen ist hierzu anzumerken, daß diese Frage bereits vor Fertigstellung der Verdingungsunterlagen zeitlich durchgespielt sein und bei Erforderlichkeit die entsprechende Nachbesserungsfrist festgelegt sein sollte. Ist dies nicht der Fall, kommt die Beschaffungsstelle/Bedarfsstelle in diesen Fällen in Abwicklungsschwierigkeiten und ohne fachkundigen Rechtsrat nicht aus.


    17.3.11 Selbsthilfe nach Fristablauf - § 14 Nr. 3 a II VOL/B

    203 Das Selbsthilferecht dieser Klausel ähnelt § 633 III BGB, weicht indessen vor allem hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals "Verzug mit der Mangelbeseitigung" von der BGB-Bestimmung ab. Erforderlich ist nach der Klausel für das Selbsthilferecht
    - Mangel,
    - Mängelanzeige - konkret und bestimmt -
    - Setzen einer angemessenen Nachfrist
    - fruchtloser Ablauf der Nachfrist.
    Nicht erforderlich ist in diesen Fällen nach der Klausel, daß der Auftragnehmer bei Fristsetzung auf das Eingreifen des Selbsthilferechts hinzuweisen ist. Diese Klauselfassung ist nicht als Verstoß gegen § 9 AGBG aufzufassen; denn auch bei § 633 III BGB ist Voraussetzung, daß ein Mangel vorliegt, der Mangel angezeigt wird und sich danach der Auftragnehmer im Verzug mit der Mangelbeseitigung befindet, ohne daß es erforderlich ist, daß der Auftragnehmer auf die mögliche Rechtsfolge der fristgerechten Mangelbeseitigung hingewiesen wird. Bedenklich ist auch diese Klausel, weil sie anders als § 633 III BGB (Verzug in der Mängelbeseitigung) schlicht auf die Tatbestandsmerkmale Mangel, Mängelbeseitigungsverlangen und Fristsetzung abstellt. Das Merkmals des "Verzugs in der Mängelbeseitigung" setzt nach § 285 BGB Verschulden voraus, wenn auch von einer Beweislastumkehr insofern auszugehen ist (vgl. § 282 BGB). Gleichwohl ist diese Klausel speziell im Nachbesserungsrecht infolge des nicht erforderlichen Verschuldens bedenklich, da die Rechtsfolge "Selbsthilfe" für den Auftragnehmer schwerwiegend sein kann. Daran ändern die in diesem Zusammenhang angeführten "Besonderheiten" der öffentlichen Auftragsvergabe, "die zu einer sachgerechten und fristgemäßen Bedarfsdeckung führen soll", m.E. nichts.

    So aber Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 14 Rdnr. 42.

    Es ist nicht ersichtlich, worin diese angeblichen "Besonderheiten" der Beschaffung der öffentlichen Hand bestehen sollen, wenn nicht in einem transparenten, nachvollziehbaren Vergabeverfahren, bei dem im übrigen der Auftragnehmer in vielen Fällen mit Verstößen z.B. hinsichtlich der Leistungsbeschreibung i.S.d. § 8 VOL/A konfrontiert wird und er gleichwohl nach der VOL/B ein verschuldensunabhängiges Selbsthilferecht selbst im Werkvertragsrecht hinnehmen muß. Gegen diese Voraussetzungen in der Klausel bestehen unter dem Aspekt des § 9 AGBG erhebliche Bedenken, so daß zumindest bei Werkverträgen gemäß § 6 AGBG § 633 III BGB eingreifen müßte. Im Hinblick hierauf sollte der Auftraggeber im "Ernstfall" im Rahmen der Vertragsabwicklung diese Frage in erster Linie mit dem Auftragnehmer friedlich/schiedlich abklären, bevor er zur möglicherweise unberechtigten Selbsthilfe greift - bzw. im Vergabeverfahren insofern bereits eine entsprechende Klarstellung durch eine Zusatzvereinbarung in Abweichung von § 14 Nr. 3 a) VOL/B vornehmen. Trotz ordnungsgemäßer Mängelanzeige, Mängelbeseitigungsverlangens und Fristsetzung könnten daher infolge Nichtigkeit der Klausel die Voraussetzungen des Selbsthilferechts nicht gegeben sein. Allerdings ist darauf hinzuweisen, daß offensichtlich im Zusammenhang mit dem gleichlautenden § 13 Nr. 5 II VOB/A keine Bedenken geäußert werden.

    Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., 1996, § 13 Rdnr. 535; auch Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 8. Aufl., 1997, An. §§ 9 - 11 Rdnr. 900, 910 ff.

    Das mag auch an der Privilegierung der VOB/B liegen, die im Rahmen der Inhaltskontrolle AGBG-fest ist, soweit das gesamte Klauselwerk in den Vertrag übernommen wird (VOB/B als Ganzes).

    Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 8. Aufl., 1997, An. §§ 9 - 11 Rdnr. 900, 905 ff.

    Aber auch im Rahmen der sog. "isolierten Inhaltskontrolle" (einzeln Klausel für Klausel) wird die genannte Bestimmung nicht in Frage gestellt.

    Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 8. Aufl., 1997, An. §§ 9 - 11 Rdnr. 900, 910 ff.

    Gleichwohl sollte auf die genannten Bedenken geachtet werden.

    204 Hinsichtlich der Selbsthilfemaßnahmen dürfen nur die notwendigen Kosten der Mängelbeseitigung verlangt werden, die dem Auftragnehmer selbst entstanden wären, wenn er die Mängelbeseitigung fristgemäß durchgeführt hätte. Liegen die Voraussetzungen des Selbsthilferechts nicht vor, so stehen dem Auftraggeber grundsätzlich keine Ansprüche zu.

    Vgl. Palandt-Sprau, BGB , 59. Aufl., 2000, § 633 Rdnr. 8.

    Eine entsprechende Einschränkung auf notwendige Kosten oder Kosten zur Herbeiführung des vertragsgemäßen Zustandes ist der Klausel nicht zu entnehmen. Davon aber ist zumindest auszugehen. Wäre die Klausel insofern ihrem Wortlaut nach anzuwenden, so wäre keine Grenze noch oben gegeben. In einem solchen Fall wäre die Klausel nichtig; denn nur die notwendigen Aufwendungen (eigene, Aufwendungen Dritter) sind zu erstatten, die ein wirtschaftlich denkender Auftraggeber bei sach- und fachkundiger Beurteilung für eine vertretbare und geeignete Maßnahme vornehmen kann und muß (Sach- und Personalaufwand, Aufwand zum Auffinden der Schadensursache, im Einzelfall auch teurerer Aufwand oder im Ausnahmefall auch nutzlose Aufwendungen, da der Auftragnehmer durch die unterlassene Mangelbeseitigung ein Zusatzrisiko schaffen kann und im übrigen die Möglichkeit hat, die Arbeiten selbst durchzuführen).

    Vgl. Palandt-Sprau, BGB, 59. Aufl., 2000, § 633 Rdnr. 8a; OLG Frankfurt NJW-RR 1997, 340; BGH BB 1991, 651; BGHZ 113, 251 - Kosten für Ursachensuche; BGH NJW 1995, 1836 - Feststellung des Nachbesserungsaufwands; OLG Frankfurt BauR 1997, 481 - Vorschuß; Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., 1996, § 13 Rdnr. 539, 540: "keine zu enge Sicht", weil doppelt vertragsbrüchig: keine mangelfreie Leistung, keine fristgemäße Nachbesserung).

    205 Nicht erforderliche Kosten hat der Auftraggeber selbst zu tragen und kann sie nicht auf den Auftragnehmer abwälzen. Die Frage der Erforderlichkeit stellt erfahrungsgemäß einen erheblichen Streitpunkt dar, zumal die Vertragsbeziehung ohnehin angespannt ist.
    Der Auftraggeber wird in diesen Fällen den entsprechenden Aufwand von der noch ausstehenden Restvergütung des Auftragnehmers in Abzug bringen und sich so entsprechend absichern. Dem Auftragnehmer bleiben in diesem Fall lediglich die Möglichkeiten der gerichtlichen Inanspruchnahme, sofern es nicht nach § 19 I VOL/B innerhalb von zwei Monaten zur gütlichen Einigung zwischen den Parteien kommt.
    Auftraggeber, die sich hier - wie auch Auftragnehmer - absichern wollen, müssen den Katalog der Beweismittel, insbesondere den Sachverständigenbeweis ausschöpfen.


    17.3.12. Minderung, Wandelung oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung

    206Liegen
    • Mangel,
    • Mängelanzeige und Mängelbeseitigungsverlangen,
    • fruchtlose Fristsetzung
    • sowie der "Hinweis" auf die Ablehnung der Mangelbeseitigung nach Fristablauf vor,
    so kann der Auftraggeber "nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen"
    • Minderung,
    • Wandelung oder
    • Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen.
    Problematisch ist in diesen Fällen, daß hier wiederum die gesetzlichen Gewährleistungsbestimmungen des Kauf-, Werk- und Werklieferungsvertrags, nämlich die §§ 459 ff, 633 ff BGB, bedeutsam sind, sofern von den übrigen Vertragstypen absieht, auf die die VOL/B entsprechend anzuwenden ist. Dies bedeutet, daß infolge dieser Formulierung die Unterschiede der Vertragstypen sowie unterschiedlichen Gewährleistungsbestimmungen z.B. der §§ 459 ff bzw. 6333 ff BGB eine Rolle spielen - mit den unterschiedlichen Rechtsfolgen z.B. im Bereich der Erstattung der Mangelfolgeschäden, was offensichtlich durch § 14 Nr. 3 d VOL/B korrigiert werden soll.

    Zu dem nicht einfachen Verhältnis von Mängelbeseitigungsanspruch und den Gewährleistungsansprüchen aus §§ 633 ff BGB vgl. Palandt-Sprau, BGB, 59. Aufl., 2000, Vorbem v § 633 Rdnr. 4.

    Die Ablehnungsandrohung - hier unverständlicherweise als "Hinweis" bezeichnet (vgl. §§ 326 I, 634 I BGB: "Erklärung") - muß eindeutig die Ablehnungsabsicht erkennen lassen. Dem genügt ein "Hinweis" auf das beabsichtigte Selbsthilferecht nicht.

    BGH NJW 1987, 889; auch Palandt-Sprau, BGB, 59. Aufl., 2000, § 634 a.E.

    Sind die oben genannten Voraussetzungen nicht erfüllt, so können die entsprechenden Rechte nicht geltend gemacht werden, sofern nicht die Ausnahmen aus § 14 Nr. 3 b) VOL/B erfüllt sind, nämlich Verweigerung der Mängelbeseitigung, Unmöglichkeit der Mängelbeseitigung und "besonderes Interesse" an einer sofortigen Geltendmachung der Gewährleistungsansprüche statt der grundsätzlich vorgeschalteten Nachbesserung. Sind die Voraussetzungen indessen erfüllt, kann der Auftraggeber zwischen den Rechten - allerdings nur einmal - wählen.

    207 Der Vollzug der Wandelung (Rückgängigmachung des Vertrages) sowie der Minderung (Herabsetzung der Vergütung)richtet sich nach den Bestimmungen der §§ 465-467, 469-471, 473, 475 BGB).
    Die Wandelung wird vereinfacht gesagt dadurch vollzogen bzw. durchgeführt, daß gegenseitig gewährte Leistungen zurückgegeben werden und grundsätzlich der vorherige Zustand wiederhergestellt wird (z.B. auch Beseitigung von Betonsockel etc. - vgl. allerdings die §§ 465 - Vollzug - und 467 BGB - Durchführung -. In der Praxis können sich hier freilich erhebliche Probleme angesichts verschiedenen Theorien zur Wandelung (Vertragstheorie, Herstellungstheorie, Theorie des richterlichen Gestaltungsaktes, gemischte Theorie) ergeben, die leider die VOL/B auch nicht löst, sondern mit in die Abwicklung der Vertragsverhältnisse schleppt.

    Vgl. hierzu Palandt-Sprau, BGB, 59. Aufl., 2000, § 465 Rdnr. 1 - 6 m.w. Nachw.

    208Noch problematischer ist - nach dem gemäß § 465 BGB verlangtem Einverständnis des Verkäufers mit der Wandelung - die Durchführung der Wandelung nach § 467 BGB in der Praxis. Zur Durchführung der Wandelung gehören z.B.
    • die Rückzahlung des Kaufpreises,
    • der Ersatz notwendiger Verwendungen
    • oder die Erstattung der Vertragskosten (nicht Anwaltskosten, Gutachterkosten, Finanzierungskosten, sondern z.B. Kosten der Telegramme, Kosten der Mängelanzeige, Fracht, Zölle, Montage-, Untersuchungs- und Transportkosten etc.)
    Vgl. Palandt-Sprau, BGB, 59. Aufl., 2000, § 467 Rdnr. 18 m.w.Nachw.

    209 Auch wird der Auftraggeber dann nicht schutzlos sein, wenn er den gesamten Preis noch nicht gezahlt hat, was freilich im Hinblick auf die vorhergehende Abnahme und die damit verbundene Fälligkeit der Vergütung selten sein dürfte. Der Auftraggeber ist also sein Geld los und hat eine mangelhafte Sache in der Hand. Dies ist keine vorteilhafte Position.

    210 Ähnliches gilt für die Minderung, wenngleich der Auftraggeber hier besser gestellt ist als bei der Wandelung, weil die Minderung in den Fällen gewählt wird, in denen die Leistung wenigstens zu einem erheblichen Teil brauchbar ist.- Aber auch hier stellt die Frage nach faktischen Seite der Vertragsabwicklung; denn die Minderung führt lediglich zu einem Anspruch Herabsetzung der Vergütung, d.h. der Auftraggeber wird einen Teil der Vergütung zurück verlangen und die Leistung behalten. Besondere Probleme ergeben sich hier, weil die Minderung gemäß § 472 BGB nach einer komplizierten Formel berechnet wird (<Kaufpreis:1000 DM x Wert der mangelhafter Sache: 600 DM> : Wert der mangelfreien Sache:1200 DM = Minderungsbetrag: 500 DM). Dies ist ja möglicherweise noch halbwegs verständlich. Allerdings müssen hier die objektiven wahren Marktwerte ermittelt und zugrunde gelegt werden (Einschaltung eines Sachverständigen).

    Vgl. hierzu Palandt-Sprau, BGB, 59. Aufl., 2000, § 472 Rdnr. 7.

    211 Im Ergebnis wird nach der Minderung vom Vertragsbestand ausgegangen und der Kaufpreis - die Vergütung - herabgesetzt. Die Minderung kann bis 100 % der Vergütung betragen (vollkommen wertlose Sache/Leistung). Die VOL/B hilft insoweit nicht weiter, so daß man im "Ernstfall" in diese Problematik einsteigen muß.
    Im Vergabeverfahren lassen sich Wandelungs- und Minderungsfälle vor allem nur dadurch risikomäßig begrenzen, daß auf Zuverlässigkeit, Fachkunde und Leistungsfähigkeit gesehen wird und dadurch entsprechende Abwicklungsrisiken reduziert werden. Im übrigen kann das Risiko für den Auftraggeber noch dadurch reduziert werden, daß der Besonderheiten für die Abnahme vorgesehen werden und man folglich eventuelle Mängel vor Abnahme erkennt, die Abnahme verweigert oder sich wegen bestimmter Mängel dir Abnahme vorbehält (vgl. § 13 Nr. 2 VOL/B). Für den Auftragnehmer ist von Bedeutung, daß er grundsätzlich vor diesen Rechten der Wandlung und der Minderung eine Chance erhält, die Mängel innerhalb angemessener Frist zu beseitigen.

    212Diese Chance entfällt indessen dann, wenn
    • die Mängelbeseitigung unmöglich ist;
    • der Auftragnehmer die Mangelbeseitigung - mit welchen Gründen auch immer - ernsthaft und endgültig verweigert;
    • oder z.B. die sofortige Geltendmachung der Wandelung/Minderung durch das "besondere Interesse" (Darlegungs- und Beweislast: Fakten z.B. bei totalem Vertrauensverlust - vgl. BGH NJW-RR 1993, 1300) des Auftraggebers gerechtfertigt ist oder
    • die Mangelbeseitigung wegen unverhältnismäßig hohen Aufwands vom Unternehmer verweigert werden kann.
    Sämtliche Gestaltungen sind streitgeeignet und werden ihre Basis letztlich in einem Sachverständigengutachten finden müssen.

    Zu diesen Fällen Palandt-Sprau, BGB, 59. Aufl., 2000, § 634 Rdnr. 4; OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 16; BGH NJW-RR 1995, 939; BGH NJW-RR 1993, 560; BGH NJW-RR 1998, 1268.

    Ferner könnte der Auftraggeber unter den dargelegten Voraussetzungen Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen - nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen, sofern keine Modifizierung nach § 134 Nr. 3 d VOL/B eingreift. Es geht hier um Mangelbeseitigung und nicht um weitere Leistungsstörungen wie Verzug, Nichterfüllung oder teilweise Nichterfüllung. Gemeint sind in diesen Fällen die §§ 463 II BGB sowie 635 BGB und gegebenenfalls § 538 BGB (für die Miete). Entgegen an anderer Stelle vertretener Ansicht geht es hier nicht um irgendwelche Schadensersatzansprüche z.B. nach §§ 325, 326 BGB, sondern um Schadensersatzansprüche als Folge mangelhafter Leistungen.

    A.A. Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 14 Rdnr. 50.

    Das folgt bereits aus der Überschrift sowie aus dem Kontext im übrigen, zumal Verzug und Nichterfüllung Gegenstand des § 7 VOL/B sind. Richtig ist allerdings, daß eine mangelhafte Leistung im Regelfall auch eine teilweise Nichterfüllung darstellen bzw. die Voraussetzungen des Verzugs erfüllen kann. M.E. wird in § 14 Nr. 3 a III VOL/B jedoch nicht auf diese gesetzlichen Bestimmungen verwiesen, da andernfalls die in § 7 Nr. 1 und 2 VOL/B keinen Sinn hätten und im übrigen eine den Auftraggeber begünstigende Doppelregelung vorläge. Im Ergebnis dürften sich hier in der Praxis sonst erhebliche Probleme ergeben, insbesondere dann, wenn man die in den § 7 Nr. 2 und 14 Nr. 3 d) VOL/B vorgesehenen Rechtsfolgen betrachtet, die sich einerseits auf Verzug und Nichterfüllung und andererseits auf den "Schaden am Gegenstand des Vertrags" bzw. auf den Mangelfolgeschaden beziehen. Im übrigen sollen die §§ 306, 320 - 327 BGB z.B. im Kaufrecht nur bis zum Gefahrübergang anwendbar sein, was hier auch zu beachten wäre.

    Palandt-Sprau, BGB, 59. Aufl., 2000, Vorbem. V. § 459 Rdnr. 5; BGH NJW 1995, 1737.

    213In § 14 Nr. 3 d) VOL/B wird sodann zwischen dem üblicherweise so genannten "kleinen Schadensersatzanspruch" (Mangelschaden = Vergütung, Teile der Vergütung, Vertragsaufwendungen, und -kosten) und dem "großen Schadensersatzanspruch" (Ausgleich sämtlicher nachweisbarer Schäden nach der sog. Differenztheorie, vgl. §§ 249 ff BGB) differenziert. Der Ersatz des hier vereinfacht als "Mangelfolgeschaden" bezeichneten Schadens setzt voraus
    • entweder Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit
    • oder das Fehlen zugesicherter Eigenschaften.
    Das Problem liegt hier hinsichtlich des Vorsatzes und der groben Fahrlässigkeit nach dem Wortlaut der Klausel in der Darlegungs- und Beweislast, die der Auftraggeber sich in den eigenen Einkaufsbedingungen aufbürdet, während z.B. im Werkvertragsrecht der Auftragnehmer nachzuweisen hat, daß ihn kein Verschulden trifft.

    Zur Beweislast im Werkvertragsrecht vgl. Palandt-Sprau, BGB, 59. Aufl., 2000, § 635 Rdnr. 9 - vgl. auch BGH NJW-RR 1997, 338.

    Hierin liegt ein schwerer Nachteil zu Lasten der öffentlichen Hand, was in nicht wenigen Fällen insoweit lediglich zu einer Erstattung des "Mangelschadens" führen dürfte, da es schwierig sein dürfte Vorsatz bzw. grobe Fahrlässigkeit darzulegen und nachzuweisen.

    214 Anders liegt dies im Fall des Fehlens zugesicherter Eigenschaften, da diese Gegenstand der Verdingungsunterlagen sind (sein sollten: "Risikoprodukte") und folglich ein Vergleich des Gegenstandes mit den vertraglichen Vereinbarungen - eventuell mit Hilfe eines Sachverständigen - das Fehlen der zugesicherten Eigenschaften den entsprechenden Nachweis erbringen wird. Hinsichtlich dieser Gestaltung ist kein Verschulden Voraussetzung. Fraglich ist freilich, ob in der Klausel die aus dem Zivilrecht bekannte Unterscheidung zwischen den zugesicherten Eigenschaften" mit Reichweite angesichts des Wortlauts der Klausel noch eine Rolle spielen kann. Im Werkvertragsrecht spielt dies zwar keine Rolle (§ 635 BGB differenziert hier anders als die §§ 462,463 BGB nicht). Im Kaufrecht ist dies umstritten. Der Mangelfolgeschaden, insbesondere Begleitschaden, Weiterfresser- und Ansteckungsschaden außerhalb der gelieferten Sache, wird grundsätzlich nur erstattet, wenn die Zusicherung bezweckt, den Käufer vor solchen Schäden zu schützen.

    Palandt-Putzo, BGB, 59. Aufl., 2000, § 463 Rdnr. 15; BGHZ 50, 200.

    215 Ob diese Differenzierung hier auch eingreift, läßt sich für die Klausel nicht sagen. Nach dem Wortlaut erstreckt sich Haftung für Mangelfolgeschäden au alle Fälle des Fehlens zugesicherter Eigenschaften und stellt mithin eine generelle Verschärfung dar, die der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG zum Opfer fallen dürfte, insbesondere in den Fällen, in denen in den Verdingungsunterlagen/ / nur von zugesicherter Eigenschaft der Kaufsache ohne konkrete Anführung des riskanten Einsatzzwecks und -risikos die Rede ist. Jedenfalls ist die Klausel insofern nicht zugunsten des Auftraggebers auszulegen, sondern zugunsten des Auftragnehmers - daneben besteht die Gefahr, daß die Klausel gegen § 9 AGBG verstößt und nach § 9 AGBG das gesetzliche System eingreift.

    216 Der Fall der arglistigen Täuschung - arglistiges Verschweigen oder Vorspiegeln (vgl. § 463 2. Alt. BGB) ist in § 14 Nr. 3 VOL/B nicht ausdrücklich geregelt. Insofern gelten indessen die gesetzlichen Bestimmungen, soweit sie nicht nach "Maßgabe" ders § 14 Nr. 3 VOL/B abgeändert sind. Betrachtet man den Ablauf der Öffentlichen oder Beschränkten Ausschreibung, so bestimmt der Auftraggeber die Leistungsbeschreibung und weiteren Konditionen. Hierbei ist durchaus der Fall denkbar, daß ein Bieter für seinen Leistungsgegenstand Angaben macht, die nicht zutreffen. Denkbar sind folglich auch in diesem Zusammenhang arglistige Täuschungen durch Angebote, indem Fehler etc. verschwiegen werden, um den Zuschlag zu erhalten. Immerhin kann die Täuschung durch das Vorspiegeln oder das Entstellen bzw. das Verschweigen zu Irrtum der Vergabestelle führen. Erforderlich ist freilich, daß der Täuschungswille vorliegt. Das erfordert Kenntnis des Handenden von der Unrichtigkeit seiner Angaben im Angebot. Gleichgestellt ist derjenige, der unrichtige Angaben ins Blaue macht, um den Zuschlag zu erhalten. Lediglich guter Glaube an die gemachten Angaben schließt Arglist aus.

    Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl., 2000, § 123 Rdnr. 11; BGH NJW 1998, 302; BGH NJW 1980, 2460; OLG Celle NJW-RR 1987, 744; ferner OLG Hamm NJW-RR 1995, 286. Hierzu auch Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 14 Rdnr. 61.

    217 Der Nachweis der Arglist dürfte in der Praxis allerdings auf Schwierigkeiten stoßen. Anders könnte dies dort sein, wo in der Leistungsbeschreibung/ / bereits darauf hingewiesen wird, daß man von einer bestimmten zugesicherten Eigenschaft z.B. infolge eines speziellen Risikos beim Einsatz ausgeht und der Zuschlag in diesem Fall nur in Betracht komme, wenn die Voraussetzungen uneingeschränkt erfüllt werden müssen, wenn man den Zuschlag erhalten wolle. Das ist aber im Hinblick auf die §§ 22, 23, 25 Nr. 1 VOL/A eine Selbstverständlichkeit, da Angebote mit Abänderungen (z.B.) etc. ohnehin nicht in Betracht kommen können und der Zuschlag ohnehin nur an den erfolgen könne, der ein entsprechendes Angebot abgebe. Um Arglist in diesen Fällen nachzuweisen, müssen darum besondere Umstände anzutreffen sein.
    Schadensersatzansprüche entfallen bei "Sabotage" (derzeit sicherlich seltener Fall, immerhin aber nicht ausgeschlossen) oder vom Auftraggeber gestellten oder durch den Auftragnehmer nicht beeinflußbaren Erfüllungsgehilfen. Der Nachweis dieser Haftungsbefreiungen obliegt dem Auftragnehmer. Hiergegen kann kein Bedenken erhoben werden.


    17.3.13. Gattungssachen und Ersatzlieferung - § 14 Nr. 3 e) VOL/B

    218 Gattungssachen sind in § 243 I BGB angeführt (gemeinschaftliche Merkmal in Abgrenzung zu anderen Gegenständen). Im Grunde handelt es sich hier um Gegenstände, die z.B. keine Sonderanfertigungen sind, sondern zumindest in kleinen Serien gefertigt werden. Man wird im allgemeinen hier vor allem Gegenstände annehmen, die problemlos ersetzt werden können bzw. austauschbar sind.

    Vgl. hierzu Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl., 2000, § 243 Rdnr. 1.

    Der Nachlieferungsanspruch ist ein (Nach-)Erfüllungsanspruch, der als unechter Gewährleistungsanspruch anzusehen ist und der nur gewählt werden kann, sofern nicht Wandlung oder Minderung vollzogen sind bzw. die Einigung über die Ersatzlieferung erfolgt ist.

    Vgl. hierzu Palandt-Putzo, BGB, 59. Aufl., 2000, § 480 Rdnr. 4, 5.

    Das Ziel der Klausel des § 14 Nr. 3 e) VOL/B ist darin zu sehen, daß die möglicherweise zeitraubende und unwirtschaftliche Nachbesserung durch die schnellere Ersatzlieferung ersetzt wird. Das ist regelmäßig bei Gattungssachen der für beide Teile unkompliziertere und schnellere Weg.
    Allerdings "kann" der Auftraggeber diesen Weg wählen. Er ist nicht dazu verpflichtet. Es dürfte allerdings treuewidrig sein, wenn der Auftraggeber in Einzelfällen von seinem Nachbesserungsanspruch Gebrauch macht, zumal der Auftragnehmer in diesen Fällen die Nachbesserung wegen unverhältnismäßig großen Aufwand nach § 14 Nr. 3 c) VOL/B verweigert. Im übrigen ist den Interessen des Auftraggebers durch eine Ersatzlieferung bei Gattungssachen regelmäßig am besten gedient. Für die Ersatzlieferung ist keine Fristsetzung erforderlich. Von Bedeutung ist in diesen Fällen, ob es sich bei dem betreffenden Gegenstand um ein Lagerprodukt oder um ein Produkt handelt, bei dem die Beschaffungszeit mit Rücksicht auf die Interessen des Auftraggebers vertretbar ist.

    219 Hat der Auftraggeber sich für den Ersatzlieferungsanspruch entschieden (Mangel, Mängelanzeige und Ersatzlieferungsverlangen), so finden auf diesen Anspruch die Vorschriften für die Wandelung (§§ 464 - 466, 467 S. 1, 469, 470, 474 -479 BGB entsprechende Anwendung. Dies ist zu beachten und kann im Einzelfall zu Problemen bei der Abwicklung führen.

    Vgl. hierzu BGH NJW 1999, 2884; BGH NJW 1997, 1914 (Falschlieferung); zum Verhältnis zwischen § 480 BGB und § 326 BGB vgl. Petersen JURA 1998, 294. Vgl. hierzu auch Palandt-Putzo, BGB, 59. Aufl., 2000, § 480 Rdnr. 2.

    Hinzuweisen ist ferner, daß das berechtigte Nachlieferungsverlangen eine Mahnung darstellt und bei Erfüllung der weiteren Voraussetzungen (vgl. §§ 271, 284 und 285 BGB) Verzug eintritt und der Verzugsschaden insofern zu ersetzen ist.

    Palandt-Putzo, BGB, 59. Aufl., 2000, § 40 Rdnr. 6; BGH NJW 1985, 2526.

    Diese Rechtsfolge ist auch im Hinblick auf § 7 VOL/B anzunehmen, da § 14 Nr. 3 e) VOL/B insofern keine weitergehende Regelung trifft.
    Soweit auch die Nachlieferung mangelhaft ist, soll der Auftraggeber wieder auf die Gewährleistungsansprüche zurückgreifen können.

    BGH NJW 1985, 2526; auch Palandt-Putzo, BGB, 59. Aufl., 2000, § 40 Rdnr. 6.

    Im übrigen die Ersatzlieferung Zug um Zug gegen Rückgabe der mangelhaften Gattungssache vorzunehmen. Das folgt aus § 480 I S. 2 i.V.m. § 467, 348 BGB.

    220Es wäre zu erwarten gewesen, daß man diese dogmatischen Probleme und Untiefen, die in diesem Zusammenhang bekannt waren, durch eine klare und eindeutige Fassung der VOL/B beseitigt. Die VOL/B in dieser Fassung bildet auch in diesem Punkt keine streitlösende, sondern streitbegründende Fassung an. Dann hätte man es auch bei der komplizierten Rechtslage des § 480 BGB belassen können. Dies bedeutet aber für alle Fälle, in denen es um Gattungssachen geht, daß der Auftraggeber zumindest bei Erstellung der Verdingungsunterlagen die Probleme erkennt und gegebenenfalls für die Geltendmachung des Ersatzlieferungsanspruchs folgende Fragen in den Individualbedingungen klärt:
    • Handelt es sich um eine Gattungssache ?
    • Welche Folgen treten bei Nichterfüllung, Verzug und Mangelhaftigkeit der Gattungssache ein ?
    • Sind zusätzliche Absicherungen in diesen Fällen der Leistungsstörungen erforderlich und gegebenenfalls welche ?
    • Welche Folgen treten bei Nichterfüllung des Ersatzlieferungsanspruchs oder im Fall des Verzugs durch Zeitverlust und fehlende Verfügbarkeit ein ?
    • Welche Vorsichtsmaßnahmen können für diese Fälle getroffen werden ?
    • Welche individuellen Zusatzvereinbarungen sind in die Verdingungsunterlagen zur Absicherung und Signalisierung der Risiken an die Bieter aufzunehmen ?
    • Welche Möglichkeiten stehen dem Auftragnehmer zur Verfügung, wenn auch die Ersatzlieferung mangelhaft ist ? Bestehen Möglichkeiten der Ersatzbeschaffung durch andere Anbieter ? Muß ein weiteres Vergabeverfahren durchgeführt werden, wenn die Leistung von dem Auftragnehmer nicht erbracht ?

    17.3.14. Pflicht zur "Fortschaffung" mangelhafter Sachen - § 14 Nr. f) VOL/B

    221Diese Klausel entspricht im wesentlichen § 13 Nr. 3 VOL/B. Allerdings fehlt der dortige Passus, daß der Auftraggeber die Sachen als nicht vertragsgemäß zurückgewiesen hat. Schon § 13 Nr. 3 VOL/B ist, wie dort dargestellt, bedenklich gefaßt. Vor einer Verpflichtung des Auftragnehmers zur Fortschaffung der mangelhaften Sachen bedarf es m.E. z.B. einer Rückgängigmachung des Vertrages nach § 14 Nr. 3 a) bzw. b) VOL/B oder einer Beendigung der Vertragsbeziehung nach § 7 VOL/B. Die Fortschaffungspflicht ist eine Nebenpflicht für den Fall, daß Nichterfüllungsansprüche oder Gewährleistungsansprüche durchgreifen. Die alleinige Abstellung auf die Merkmale
    • Mangelhaftigkeit
    • Und Setzen einer angemessenen Frist
    als Voraussetzung des weitgehenden Veräußerungsrechts auf Kosten des Auftragnehmers ist bedenklich, auch wenn der zuletzt genannte Schritt "unter möglichster Wahrung der Interessen des Auftragnehmers" zu erfolgen hat. Möglicherweise ist dies auch so gewollt, daß also eine wie auch immer geartete "Vertragsbeendigung" diesem Schritt unter den entsprechenden Voraussetzungen vorliegen muß. Allerdings ist es in der Klausel selbst nicht zum Ausdruck gekommen. Auch dies ist negativ für den öffentlichen Auftraggeber, da bei Unwirksamkeit der Klausel und damit bei Nichtberechtigung zur Veräußerung Schadensersatzansprüche des Auftragnehmers denkbar sind. Es wird dem Auftraggeber folglich auch in diesem Fall ein aus dem Klauseltext für die Vergabestelle erhebliches Risiko aufgebürdet. Selbst bei Vereinbarung eines Pfandrechts ist der Verpfänder nach § 1220 II BGB grundsätzlich verpflichtet, den Verpfänder von der Versteigerung zu unterrichten und schadensersatzpflichtig, wenn er dies unterläßt. Diese Fragen haben nichts damit zu tun, daß der Auftraggeber sich über den Klauseltext hinaus "vernünftig" verhält, da es um die abstrakte Inhaltskontrolle der Klausel geht. Immerhin wird in der Kommentierung auf mögliche Schadensersatzpflichten hingewiesen und zu "äußerster Sorgfalt" aufgerufen.

    Vgl. hierzu Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 13 Rdnr. 29, unter Hinweis auf Daub/Meierrose, VOL, , 2. Aufl., 1996, B § 13 Ez. 7 b.

    Wenn der Auftraggeber hier sicher gehen will, sollte er mit dem Auftragnehmer eine entsprechende vertragliche Abrede treffen, in der die Einzelheiten gemeinsam und einvernehmlich geregelt wird, wenn er nicht in Gefahr laufen, will, daß er mit möglichen Ansprüchen konfrontiert wird - ganz abgesehen von der Pflicht des Auftraggebers die Veräußerung "unter möglichster Wahrung der Interessen" durchzuführen.


    17.3.15. Haftungsbefreiung bei unsachgemäßen und ohne Zustimmung vorgenommene Änderungen - § 14 Nr. 3 g) VOL/B

    222 Abgesehen von der falschen Einordnung in den Klauselkatalog des § 14 Nr. 3 VOL/B wird in der Kommentierung darauf hingewiesen, daß es sich hier um eine Selbstverständlichkeit handelt, die letztlich auf den Verantwortungsbereichen der Vertragspartner beruhen.

    Zutreffend hierzu Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 14 Rdnr. 73, 74.

    Die Klausel hat in der Gewährleistungsregelung nichts zu suchen. Nimmt der Auftraggeber unsachgemäße Änderungen oder Instandsetzungsarbeiten vor, so ist dies seine Sache, ob er den Auftragnehmer nun darüber zuvor informiert oder nicht. Informiert den Auftragnehmer, so ist dieser gleichwohl nicht verpflichtet, für die Schritte des Auftraggebers einzustehen. Anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn der Auftragnehmer als Fachmann beratend in Anspruch genommen wird und der Maßnahme in voller Kenntnis möglicher Risiken zustimmt, könnte ein anderes Ergebnis angenommen werden. Aus diesem Grunde ist auch die Formulierung "haftet der Auftragnehmer nicht" allenfalls eine deklaratorische Wiedergebe einer Selbstverständlichkeit.


    17.3.16. Gewährleistung und Verjährung - § 14 Nr. 4 I, II VOL/B

    223 Nach § 477 I BGB verjähren Gewährleistungsansprüche innerhalb von sechs Monaten ab Ablieferung. Im Werkvertragsrecht verjähren diese Ansprüche in sechs Monaten ab Abnahme. Die Verjährungsfrist kann vertraglich verlängert werden (§§ 477 I S. 2, 638 II BGB). Im Fall der Arglist greifen die kurzen Verjährungsfristen nicht ein (vgl. §§ 477 I, 638 I BGB).
    Abweichend hiervon stellt § 14 Nr. 4 I VOL/B für den Lauf der Frist auf den Gefahrübergang ab (vgl. hierzu § 13 Nr. 1 VOL/B). Hierbei handelt es sich nicht um eine "Bestands- oder Funktionsgarantie", sondern um eine Haftung für Mangelfreiheit im Zeitpunkt des Gefahrübergangs bzw. der Abnahme (vgl. § 13 Nr. 1 VOL/B). Der Lauf der Verjährungsfrist ist damit grundsätzlich für Kauf-, Werk- und Werklieferungsverträge auf den Zeitpunkt des Gefahrübergangs festgelegt. Dementsprechend ist dieser Zeitpunkt vom Auftraggeber ebenso zu beachten wie vom Auftragnehmer. Hierbei ist zu beachten, daß sich für den Auftraggeber insofern die Pflicht ergibt, den Gegenstand bei Gefahrübergang auf erkennbare Mängel zu überprüfen. Da nicht auf die Abnahme abgestellt wird (vgl. § 13 Nr. 2 II VOL/B), sind mangels abweichender Regelung die gesetzlichen Bestimmungen der §§ 460, 464, 640 II BGB zu beachten. Im übrigen kommt es nicht auf Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis nach der Klausel an, sondern lediglich darauf, daß diese Mängel in der Frist von sechs Monaten "auftreten". Da die Klausel allein auf diesen Umstand abstellt, stellen sich insofern auch Bedenken ein, da sie eine Einschränkung hinsichtlich der Untersuchungs- und Prüfungspflicht bei Gefahrübergang darstellt. Die Haftung des Käufers ist nach § 460 BGB bei positiver Kenntnis vom Mangel bzw. infolge grober fahrlässiger Unkenntnis eines Fehlers bei dem Abschluss des Kaufes (Ausnahme zugesicherte Abwesenheit des Fehlers bzw. Arglist) ausgeschlossen. § 464 BGB sieht schließlich vor, daß die Abnahme trotz Mangelkenntnis ohne Vorbehalt zum Ausschluß der Ansprüche nach den §§ 462, 463 BGB führt. Ähnliches gilt für § 640 II BGB. Diese Grundsätze berücksichtigt die Klausel nicht. Sie stellt, wie ausgeführt, schlicht einschränkungslos darauf ab, daß die Mängel ab Gefahrübergang "auftreten". Der Begriff des "Auftretens" von Mängeln ist dahin zu interpretieren, daß sie sich einstellen - mit der Folge, daß sie ersichtlich sind und z.B. zu Ausfällen etc. führen. Dies wird zwar in der Regel mit dem Zeitpunkt der Kenntnis vom Mangel übereinstimmen. Indessen kommt es auf die Kenntnis oder Unkenntnis vom Mangel nach dem Wortlaut nicht an, sondern auf die tatsächliche Existenz des Mangels. Entsprechende Unklarheiten der Klausel treffen auch hier den Auftraggeber. Insbesondere aber bestehen Bedenken nach § 9 AGBG, weil die in den §§ 460, 464, 640 II BGB enthaltenen Grundgedanken in der Klausel nicht berücksichtigt sind.

    Kritisch wohl auch Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 14 Rdnr. 77.

    224Die Gewährleistungsfrist wird nach § 14 Nr. 4 I S. 2 VOL/B (vgl. auch oben die Übersicht Verjährung) verlängert,
    • um die Zeit
    • während der der mangelhafte Gegenstand
    • nicht bestimmungsgemäß benutzt werden kann,
    • jedoch nicht auf mehr als Doppelte der ursprünglichen Frist (6 Monate ab Gefahrübergang).
    Diese Verlängerungsfrist läuft ab der unverzüglich zu schriftlich erstattenden Anzeige des Mangels. Hierfür ist maßgeblich der Zugang dieser Anzeige (vgl. § 130 BGB). Erfolgt die Anzeige nicht unverzüglich (= ohne schuldhaftes Zögern - vgl. § 121 I BGB), so stellt sich die Frage nach der Rechtsfolge. Da es sich um eine nach den eigenen "Einkaufsbedingungen" auferlegt Pflicht handelt, stellt die Pflichtverletzung eine positive Vertragsverletzung dar, die zu Schadensersatzansprüchen führen.
    Der Auftragnehmer ist in solchen Fällen dadurch geschützt, daß die Verlängerungsfrist um die Zeit gekürzt wird, die sich zwischen dem "Auftreten" des Mangels und der verspäteten Anzeige ergibt; die Verlängerungsfrist bezieht sich folglich lediglich auf den Zeitraum zwischen Anzeige und Wiederherstellung der bestimmungsgemäßen Nutzung. Im Grunde handelt es sich um ähnliche Rechtswirkungen, wie sie in § 639 II BGB (Hemmung der Verjährung zwischen Prüfungszusage bis zur Mitteilung des Prüfungsergebnisses durch den Auftragnehmer) - freilich in anderer Ausgestaltung. Die Obergrenze für die Fristverlängerung bei der hier betroffenen sechsmonatigen Frist liegt bei 12 Monaten gerechnet ab Gefahrübergang, bei längerer vertraglich vereinbarter Frist gilt Entsprechendes. Mit Recht indessen in der Literatur hervorgehoben, daß die Gewährleistungsfrist und die Verjährungsfrist getrennt zu betrachten sind ("Zweiteilung").

    Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 14 Rdnr. 76.

    225Eine nicht "bestimmungsgemäße" Nutzung liegt vor, wenn der Gegenstand von dem durch Zuschlag geschlossenen Vertrag abweicht, mithin z.B. der Leistungsbeschreibung und den weiteren in den Verdingungsunterlagen nicht entspricht. Fraglich ist, ob sich die Fristverlängerung auf die Gesamtleistung erstreckt oder nur auf den gerügten Mangel. Auch in diesem Punkt schweigt die Klausel. In § 13 Nr. 5 I S. 2 VOB/A ist von dem Anspruch auf Beseitigung der gerügten Mängel die Rede. Dem könnte allenfalls § 14 Nr. 4 I S. 3 VOL/B in etwa entsprechen, wenn dort von der Anzeige "solcher Mängel", die zur nicht bestimmungsgemäßen Nutzung führen, die Rede ist. Dies würde bedeuten, daß sich die Verlängerungsfrist bei der gebotenen engen Auslegung der Klausel nur auf die angezeigten Mängel beziehen würde, nicht jedoch auf eine die gesamte Leistung betreffende Verlängerung der Gewährleistungsfrist. Stellt sich z.B. nach Ablauf der Mindestfrist oder vereinbarten Frist ein weiterer Mangel, der die bestimmungsgemäße Nutzung verhindert, heraus, der allerdings in der doppelten Zeit (12 Monate oder das Doppelte der vereinbarten Frist) hervortritt, so kann m.E. die Gewährleistung für diesen Mangel nicht mehr eingreifen, da dieser Mangel nicht innerhalb der Gewährleistungsfrist von sechs Monaten bzw. der längeren Frist nicht hervorgetreten ist. Maßgeblich kann daher nur die Fristverlängerung hinsichtlich der innerhalb der sechsmonatigen oder längeren vereinbarten Frist hervorgetretenen Mängel sein. Wenn z.B. der Mangel einer bestimmten Funktion innerhalb der kurzen Frist angezeigt ist, sodann die Mangelbeseitigung mit Abnahme erfolgt, kann hinsichtlich dieses Mangels innerhalb einer Frist von 6 Monaten zuzüglich der anzurechnenden Ausfallzeit die nochmalige Anzeige erfolgen, nicht jedoch die Anzeige eines Mangels, der nach Ablauf der sechs Monate hervortritt.
    6 Monate 12 Monate
    Gewährleistungsfrist
    Beginn _____________________________Ende ________________ + X
    Gefahrübergang__1. Mängelanzeige__X__Mangelbeseitigung___2. Mängelanzeige (ja)
      "nicht best. Nutzbarkeit"  
        Anzeige eines weiteren
        Mangels - keine Gewährleistung

    226 Das Schaubild zeigt, daß die Mängel innerhalb der sechsmonatigen Frist (bzw. der vereinbarten Frist) hervorgetreten und angezeigt sein müssen, daß aber das "Hervortreten" eines weiteren anderen Mangels nach Ablauf der Gewährleistungsfrist, aber innerhalb der Verlängerungsfrist (X) nicht zu Gewährleistungsansprüchen für diesen Mangel führen kann. Denn dieser Mangel ist nicht innerhalb der sechsmonatigen oder vereinbarten Gewährleistungsfrist hervorgetreten. Das Unterlassen der Anzeige innerhalb der Gewährleistungsfrist schließt daher Gewährleistungsansprüche für diesen Mangel nach Ablauf der Frist aus.

    Vgl. auch insofern Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 14 Rdnr. 79 a.E. - allerdings in Rdnr. 78 und 79 insofern nicht weiter differenzierend.

    Wäre dies nicht so, so könnte der Auftraggeber die Gewährleistungsfrist durch die Anzeige eines bestimmten Mangels insgesamt im Extremfall auf das Doppelte der ursprünglichen Frist für die Gesamtleistung verlängern. Das kommt in der Klausel keinesfalls zum Ausdruck und kann auch nicht Sinn der Verlängerungsfrist sein.

    227 Dem entspricht es, wenn § 14 Nr. 4 II VOL/B festlegt, daß Gewährleistungsansprüche "wegen eines gerügten Mangels" in sechs Monaten ab Zugang der Anzeige verjähren, nicht jedoch vor Ablauf einer längeren vereinbarten Frist. Während also Gewährleistungsansprüche sich auf Mängel "erstrecken", die innerhalb von sechs Monaten ab Gefahrübergang auftreten und gegebenenfalls insofern eine Verlängerung eintritt (§ 14 Nr. 4 I VOL/B). Die rechtzeitige Anzeige nach § 14 Nr. 4 I VOL/B innerhalb der sechsmonatigen oder längeren Frist führt folglich zur Verlängerung der Gewährleistungsfrist.

    Werden folglich Mängel innerhalb der Gewährleistungsfrist gerügt - konkrete Mängel - , so verjähren entsprechende Ansprüche innerhalb von sechs Monaten ab Zugang der Anzeige, sofern nicht eine längere Frist (für die Gewährleistung oder für die Verjährung ?) vereinbart ist. Bedeutet dies, daß der Auftraggeber zwei Fristen, nämlich die Gewährleistungsfrist und die Verjährungsfrist vereinbaren muß. Heißt dies, daß der Auftraggeber bei lediglicher Vereinbarung einer Gewährleistungsfrist nur eine sechsmonatige Verjährungsfrist zur Verfügung hat ?

    Wenn schon in zwei Klauseln getrennt Gewährleistungs- und Verjährungsfristen behandeln und insoweit nicht ausdrücklich aufeinander Bezug nehmen, so ist jedenfalls bei der anzuwendenden für den Auftragnehmer "freundlichsten" Auslegung bei Fehlen einer längeren Verjährungsfrist von der sechsmonatigen Verjährungsfrist auszugehen, d.h. daß diese Gewährleistungs-ansprüche hinsichtlich des gerügten Mangels in sechs Monaten verjähren und ihnen mithin die Einrede der Verjährung entgegenstehen, wenngleich hinsichtlich anderer innerhalb der Gewährleistungsfrist auftretender Mängel ab rechtzeitig zugegangener Anzeige wiederum die kurze Verjährungsfrist eingreift.

    Die hier anzutreffenden Auslegungsprobleme, die i.S.d. AGBG bei mehrdeutiger Fassung zugunsten des Auftragnehmers zu lösen sind, scheitern an der dem BGB fremden Trennung von Gewährleistungs- und Verjährungsfrist. Die entsprechenden Unklarheiten die beratenden Gremien hier zu entsprechender Klarstellung veranlassen müssen (VOL/B Ausgabe 1993, geändert 1997 !).

    Vgl. hierzu Wittmann BB 1991, 854, zu BGH EBE 1990, 335; hierzu auch Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 14 Rdnr. 80, die auch in § 14 Nr. 4 II VOL/B m.E. unrichtigerweise von der vereinbarten längeren Gewährleistungsfrist ausgehen. Das mag zwar gewollt sein, ist aber nach den Grundsätzen der Auslegung von AGB nicht zu vertreten - vgl. hierzu Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 8. Aufl., 1997, § 5 Rdnr. 5, auch § 11 Rdnr. 59, 70, zu kollektiv ausgehandelten AGB, 22: nach allgemeiner Meinung scheidet die Entstehungsgeschichte für die Auslegung regelmäßig aus; vgl. allerdings BGH NJW 1981, 870; 1993, 2088 (AVB); zur Entstehungsgeschichte Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 14 Rdnr. 13, wobei sich fragt, warum man in der 59. und 68. Sitzung (1986, 1988) hier nicht für Klarheit gesorgt hat - wahrscheinlich, weil man das AGB-Problem gar nicht gesehen hat. Darauf kann sich freilich öffentliche Hand m.E. nunmehr nicht berufen.

    228 Es muß daher den entsprechenden Vergabestellen dingend empfohlen werden, insofern sowohl die Gewährleistungsfrist als auch die Verjährungsfrist ausdrücklich zu regeln.

    Gewährleistungsfrist - Verjährungsfrist - Problemskizze
    Gewährleistungsfrist
    Gefahrübergang
    Beginn--------------6 Monate---------------------------Ende
    Beginn--------------2 Jahre --------------------------------------------------------------------------Ende
      Verjährungsfrist
      Beginn-------------------6 Monate--------------------Ende ?>>>>>>Ende ?
      Zugang
      der Mängelanzeige
      Verjährungsfrist
      Beginn-------------------6 Monate---------------------Ende ?>>>>>>>>>>>>>>>>Ende ?
      Kenntnis
      Unterlassene
      bzw. verspätete
      Anzeige

    Bleibt noch anzumerken, daß sich die Lage für den Auftraggeber dann noch verschärft, wenn er
    • die Anzeige nach Kenntnis (positive Kenntnis erforderlich)
    • schuldhaft (vorsätzlich oder fahrlässig Organisationsverschulden etc.) unterläßt oder verzögert.
    229 Wenn der Auftraggeber mit einem entsprechenden Einwand des Auftragnehmers konfrontiert wird, wird er, da der Vorgang in seiner Sphäre liegt, wohl zu beweisen haben, daß er nach Kenntnis unverzüglich die Anzeige schriftlich erstattet hat. Es ist also auch hier dringend zu empfehlen, den Zeitpunkt des "Hervortretens" des Mangels genau festzuhalten und sodann die notwendige schriftliche Anzeige unverzüglich zu erstatten.


    18. Rechnung - Zahlung - Abrechnung - Rechnungskontrolle - Vorbehalte und Folgen - Sicherheitsleistung

    § 15 - Rechnung


    1. (1) Der Auftragnehmer hat seine Leistung nachprüfbar abzurechnen. Er hat dazu Rechnungen übersichtlich aufzustellen und dabei die im Vertrag vereinbarte Reihenfolge der Posten einzuhalten, die in den Vertragsbestandteilen enthaltenen Bezeichnungen zu verwenden sowie gegebenenfalls sonstige im Vertrag festgelegte Anforderungen an Rechnungsvordrucke zu erfüllen und Art und Umfang der Leistung durch Belege in allgemein üblicher Form nachzuweisen. Rechnungsbeträge, die für Änderungen und Ergänzungen zu zahlen sind, sollen unter Hinweis auf die getroffenen Vereinbarungen von den übrigen getrennt aufgeführt oder besonders kenntlich gemacht werden.
    (2) Wenn vom Auftragnehmer nicht anders bezeichnet, gilt diese Rechnung als Schlußrechnung.
    2. Wird eine prüfbare Rechnung gemäß Nr. 1 trotz Setzung einer angemessenen Frist nicht eingereicht, so kann der Auftraggeber die Rechnung auf Kosten des Auftragnehmers für diesen aufstellen, wenn er dies angekündigt hat.


    18.1. Fälligkeit der Vergütung

    230 Im Kaufrecht ist die Vergütung mangels abweichender Vereinbarungen gemäß §§ 433 II, 271 I BGB sofort fällig. Im Werkvertragsrecht ergibt sich die Fälligkeit nach § 461 I BGB mit Abnahme.

    Vgl. hierzu Palandt-Putzo/Sprau, BGB, 59. Aufl., 2000, § 433 Rdnr. 31; § 641 Rdnr. 3.

    Die Stellung einer Rechnung ist grundsätzlich nicht Fälligkeitsvoraussetzung.

    Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl., 2000, § 271 Rdnr. 7, m.w.Nachw. Auch Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 15 Rdnr. 18.

    Die Rechnung stellt vielmehr die schriftliche Bekanntgabe der Schuldsumme dar, ist Geschäftsunterlage, Buchungsbeleg und dient der Nachprüfbarkeit der Vergütung und ihrer Höhe, sofern keine abweichenden Vereinbarungen getroffen sind.

    Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 15 Rdnr. 17, m.w.Nachw.

    Die Fälligkeit wird in § 15 VOL/B nicht behandelt, vielmehr die Vorschrift betrifft lediglich die Art der Rechnungsstellung. Allerdings ist der Zusammenhang mit § 17 Nr. 1 S. 2 VOL/B (ähnlich wie bei § 16 Nr. 1 S. 2 VOB/B) zu beachten, der wohl als Sonderregelung die Fälligkeit von der Rechnungserteilung neben Abnahme (z.B.) abhängig macht.

    BGH BB 1989, 22 = DB 1989, 104; BB 1990, 2072. Vgl. Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 15 Rdnr. 18; auch Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., 1996, B § 14 Rdnr. 12 f; B § 16 Rdnr. 9 ff; BGH NJW-RR 1999, 1180; hierzu im übrigen auch z.B. Palandt-Sprau, BGB, 59. Aufl., 2000, § 641 Rdnr. 6.

    Eine solche Klausel begegnet trotz Abweichen vom gesetzlichen Modell (vgl. §§ 271, 433 II, 641 I BGB) keinen Bedenken nach dem AGBG, da dem Auftraggeber im allgemeinen keine Zahlung ohne entsprechenden Nachweis zuzumuten ist. Der Auftraggeber kann in diesen Fällen in der Regel auch ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich seiner Zahlung geltend machen. Die Verjährung nach den §§ 195, insbesondere 196, 197 BGB ist indessen nicht von der Rechnungsstellung, sondern nach § 198 BGB von der Entstehung des Anspruchs abhängig.

    Vgl. hierzu Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl., 2000, § 271 Rdnr. 7 m.w.Nachw. - zum Zurückbehaltungsrecht OLG München NJW 1988, 270.

    Im übrigen ist bei öffentlichen Auftraggebern noch zu bemerken ist, daß die haushaltsrechtlichen Vorgaben dem auch entgegenstehen.

    Vgl. § 119 BHO (Vorl. VV Nr. 1.1.3. - Rechnungslegungsordnung für das Reich, RRO, v. 3. Juli1929; auch § 70 BHO; hierzu auch Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 15 Rdnr. 18, m.w.Nachw.

    231Der Auftragnehmer hat insofern folgende Pflichten:
    • Erstellung und Einreichung der prüfbaren (schriftlichen) Rechnung spätestens innerhalb vom Auftraggeber gesetzter angemessener Nachfrist - andernfalls Aufstellung der Rechnung durch Auftraggeber nach entsprechender Ankündigung
    • Bezeichnung der Rechnung als Teilrechnung etc. oder Geltung als Schlußrechnung (Fiktion)
    • Vorlage einer nachprüfbaren Abrechnung der Leistung entsprechend den Grundsätzen
    • entsprechend den besonderen vertraglichen Vereinbarungen, im übrigen aber nach den weiteren Grundsätzen
    • Übersichtlichkeit der Aufstellung
    • Einhaltung der im Vertrag vereinbarten Reihenfolge der Posten
    • Verwendung der im Vertrag enthaltenen Bezeichnungen
    • Erfüllung der im Vertrag vorgesehenen Anforderungen an Rechnungsvordrucke
    • Nachweis von Art und Umfang der Leistung durch Belege in allgemein üblicher Form
    • Getrennte Aufführung und besonders kenntlich gemachte Rechnungsbeträge für Änderungen und Ergänzungen.
    232 Hieraus folgt zunächst, daß es Aufgabe des Auftraggebers ist, die Voraussetzungen für eine erforderliche spezielle Rechnungsstellung oder eine Rechnungsstellung entsprechend den Vorgaben von Verwaltungsrichtlinien etc., die für sich gesehen zunächst keine "Außenwirkung" haben, in den Verdingungsunterlagen festzuschreiben (vgl. auch den "Hinweischarakter" des § 9 Nr. 4 p, q VOL/A).
    Für den Fall, daß besondere Vorgaben in den vertraglichen Vereinbarungen fehlen, muß die Rechnung so gestaltet sein, daß sie entsprechend ihm Sinn dem Auftraggeber die Überprüfung und Feststellung der Richtigkeit ermöglicht, wobei hinsichtlich der Überprüfenden von Fachkunde entsprechender Eignung auszugehen ist.

    So auch Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 15 Rdnr. 22, m.w.Nachw.

    Die Aufstellung einer entsprechenden Rechnung gehört ebenso zur vertraglichen Nebenpflicht des Auftragnehmers wie die Pflicht des Auftraggebers zu unverzüglichen Prüfung und gegebenenfalls Zurücksendung mit der Aufforderung zur Richtigstellung.
    Die übrigen Punkte wie Übersichtlichkeit und Reihenfolge der Posten führen im Grunde in der Praxis nicht zu den entscheidenden Problemen. Problematischer sind indessen Fragen, die sich auf die Frage
    • der Umsatzsteuer,
    • der Geltung der Rechnung als Schlußrechnung sowie
    • der ersatzweisen Aufstellung durch den Auftraggeber auf Kosten des Auftragnehmers nach Fristsetzung
    ergeben.


    18.2. Umsatzsteuer

    232 § 15 VOL/B schweigt zur Frage der Umsatzsteuer, was im Grunde unverständlich ist. Auch § 15 VOL/A spricht die frage der Umsatzsteuer nicht an. Ein Blick in die VO PR 30/53 bzw. in die Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten hilft ebenfalls nicht weiter. § 9 Nr. 4 VOL/A/593/ gibt der Vergabestelle ebenfalls keinen "Hinweis". Die entsprechenden steuerlichen Bestimmungen (§§ 14, 15 UStG) beschränken sich auf ihre steuerliche Wirkung, sofern man von der vertraglichen Nebenpflicht zur gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer auf Verlangen des Auftraggebers absieht (vgl. § 14 I UStG).
    Üblicherweise ist die Umsatzsteuer im Preis enthalten, sofern keine andere Vereinbarung getroffen ist oder sich Abweichendes aus den Umständen ergibt

    Palandt-Heinrichs/Putzo, BGB, 59. Aufl., 2000, § 157 Rdnr. 13; § 433 Rdnr. 26; BGH NJW 1991, 2484.

    Dem Verfasser sind Fälle bekannt, in denen diese Frage in den Verdingungsunterlagen nicht klargestellt worden sind und die Bieter nicht darauf hingewiesen worden sind, daß die Umsatzsteuer gesondert neben dem Gesamtpreis auszuweisen ist. Hier kann es zu erheblichen Nachteilen kommen, wenn diese Frage nicht geklärt ist. Daher sind entsprechende Vorgaben unbedingt in die Verdingungsunterlagen aufzunehmen. Gibt der spätere Auftragnehmer ein Angebot mit einem Endpreis ohne gesonderten Umsatzsteuerausweis ab, so ist grundsätzlich davon auszugehen, daß die Umsatzsteuer - wie dargestellt - im Preis enthalten und nicht als Zuschlag verlangt werden kann.


    18.3. Schlußrechnung

    233 Daß es sich bei Rechnungen jeweils um Schlußrechnungen handelt, wenn der Auftragnehmer die Rechnungen nicht anders bezeichnet, kann über den Umweg der Schlußzahlung und deren Annahme ohne Vorbehalt zu Problemen führen, insbesondere nach § 17 Nr. 4 S. 1 VOL/B Nachforderungen ausschließen. Insbesondere dann, wenn die Rechnung § 15 Nr. 1 VOL/B entspricht und folglich sämtliche Posten etc. enthält, kann auch der Auftraggeber mit Recht von einer Schlußrechnung ausgehen.

    Vgl. BGH NJW 1975, 1701; OLG Köln ZfBR 1993, 27; auch Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 15 Rdnr. 33.

    Folgen hat dies zunächst m.E. nicht. Die Rechnung stellt zwar eine Fälligkeitsvoraussetzung dar, kann indessen nicht mit bindender Wirkung ausgestattet werden, soweit nicht die erwähnten weiteren Voraussetzungen (vorbehaltlose Annahme der Schlußzahlung) hinzukommen. Rechnungsberichtigungen und Vergütungsnachforderungen sind demnach auch nach Rechnungsstellung durchaus zulässig.

    Im Ergebnis ebenso Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 15 Rdnr. 39.Hirzu auch Junker, ZIP 1982, 1158.


    18.4. Rechnungserstellung durch Auftraggeber

    234 Die Rechnung kann vom Auftraggeber nach Aufforderung zur Einreichung und Setzen einer angemessenen Frist auf Kosten des Auftragnehmers erstellt werden, wenn dies dem Auftragnehmer vorher angekündigt ist. Voraussetzung sind insofern folglich
    - Beendigung der Arbeiten, Abnahme, Übergabe der Leistung etc.
    - Unterlassung der Einreichung einer prüfbaren Rechnung
    - Setzen einer angemessenen Frist für die Rechnungsstellung
    - eindeutige und klare Ankündigung der Eigenerstellung der Rechnung auf Kosten des Auftragnehmers.

    Problematisch ist in der Praxis die Frage der Angemessenheit der Frist. Wie in den Fällen, in denen dieses Problem auftaucht (§§ 326, 634, 636 BGB, §§ 13 Nr. 3, 14 Nr. 3 a) VOL/B etc.) kommt es auf den jeweiligen Fall an. Die Frist einfache Rechnungen mit wenigen Posten etc. kann sicherlich nur auf wenige Tage beschränkt werden. Im übrigen sollten Vergleichsfälle die erforderlichen Anhaltspunkte ergeben.
    Die Rechnungsstellung kann unter diesen Voraussetzungen mit Ersatz der notwendigen Kosten durch den Auftraggeber oder eine Fachkraft aufgestellt, der entsprechende Aufwand berechnet und z.B. von der Vergütung abgezogen werden. Denkbar ist auch der Ersatz weiterer Schäden, falls nachweisbar, da ein Fall der positiven Vertragsverletzung vorliegt; denn der Auftragnehmer, der seine Pflichten nach § 15 Nr. 1 VOL/B nicht erfüllt, verletzt seine Nebenpflichten.
    Denkbar sind diese Fälle vor allem dann, wenn der entsprechende Vorgang etwa noch innerhalb eines bestimmten Zeitraums abgeschlossen sein soll.


    19. Leistungen nach Stundenverrechnungssätzen

    § 16 - Leistungen nach Stundenverrechnungssätzen

    1. Leistungen werden zu Stundenverrechnungssätzen nur bezahlt, wenn dies im Vertrag vorgesehen ist oder wenn sie vor Beginn der Ausführung vom Auftraggeber in Auftrag gegeben worden sind.

    2. Dem Auftraggeber sind Beginn und Beendigung von derartigen Arbeiten anzuzeigen. Sofern nichts anderes vereinbart ist, sind über die Arbeiten nach Stundenverrechnungssätzen wöchentlich Listen einzureichen, in denen die geleisteten Arbeitsstunden und die etwa besonders zu vergütenden Roh- und Werkstoffe, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie besonders vereinbarte Vergütungen für die Bereitstellung von Gerüsten, Werkzeugen, Geräten, Maschinen und dergleichen aufzuführen sind.

    3. Soweit nicht anders vereinbart, sind Listen wöchentlich, erstmalig 12 Werktage nach Beginn, einzureichen.


    19.1. Stundenverrechnungssätze

    235 Die Vorschrift stimmt im wesentlichen mit § 15 VOB/B überein, so daß die zu dieser Bestimmung der VOB/B gewonnenen Erkenntnisse berücksichtigt werden können. Klassisch für diesen Bereich sind nicht endgültig überschaubare Montage-, Wartungs- oder Instandsetzungsarbeiten - im Bereich der Software etwa auch Pflegeleistungen (vgl. BVB). Basis der Abrechnung bilden
    20. die tatsächliche Arbeitszeit
    21. sowie die weiteren erbrachten Leistungen (Werkstoffe, Hilf- und Betriebsstoffe, Geräte etc.).
    Wie jedermann weiß, liegen hier Quelle und Ursache nicht selten anzutreffender Übervorteilung des Auftraggebers. Überhöhte Rechnungen durch vom Tatsächlichen abweichende Daten sind die Folgen der oft nicht möglichen effektiven Kontrolle. Zwar handelt es sich meist um kleinere Aufträge, die hier betroffen sind. Sie werden meist im Wege der Freihändigen Vergabe vergeben, da die Leistungen nicht eindeutig und erschöpfend beschrieben und keine vergleichbaren Angebote erwartet werden können. Nicht selten greifen die Voraussetzungen der "besonderen Dringlichkeit" ein und sind der Grund für die erwähnte Freihändige Vergabe. Im übrigen werden in diesen Fällen meist Selbstkostenerstattungspreise eingreifen (VO PR 30/53).
    Man wird folglich auf der Basis eines Kostenvoranschlags (§ 650 BGB) oder entsprechend der VO PR 30/53 eines vorläufigen Selbstkostenrichtpreises arbeiten, da in der Regel in diesen Fällen eine abschließende Rechnung erst nach Durchführung der Leistungen möglich ist. Denkbar sind freilich auch hinsichtlich der Stundenverrechnungssätze Marktpreise (Handwerkerlohn). Im übrigen kann und muß dies vertraglich festgelegt werden. Auftragnehmer müssen mit Preisprüfungen nach der VO PR 30/53 rechnen (vgl. auch die Leitsätze zur Ermittlung der Selbstkostenpreise).


    19.2. Vereinbarungsgrundsatz

    236 Die in § 16 angeführten Leistungen werden nur bezahlt, wenn die vertraglich vereinbart ist. Hierbei kann es sich um den Gesamtauftrag oder um Zusatzaufträge handeln. Die Einigung muß sich hierbei auf Leistung zu Stundenverrechnungssätzen und die entsprechende Bezahlung beziehen. Hierbei spielt es keine Rolle, welcher Vertragstyp betroffen ist. Im Regelfall wird es sich um einen Werkvertrag handeln (Reparaturen, Wartungsarbeiten etc.). Es empfiehlt sich auch hier den Leistungsschein der BVB-Wartung bzw. BVB-Pflege bzw. EBV-IT-Instandhaltung heranzuziehen - zumindest als Checklist, auch wenn es sich lediglich um eine "funktionale Leistungsbeschreibung" handelt. Sie stellt ohnehin infolge ihrer "Offenheit" eine erhebliche Gefahr dar.
    Nicht vereinbarte, nicht in Auftrag gegebene Leistungen (vgl. auch § 2 Nr. 4 I VOL/B) sowie fehlende Vereinbarungen über Art, Umfang und Vergütung der Leistung führen dazu, daß kein Vergütungsanspruch besteht. Mündliche Aufträge sind zumindest mittelbar ausgeschlossen - zwar nicht nach dem Wortlaut des § 16 Nr. 1 VOL/B, indessen aber z.B. daraus, daß es sich entweder um Ausschreibungen handelt oder die häufig anzutreffende Freihändige Vergabe. Für die zuletzt genannte Vergabeart gilt die VOL/A vollständig, soweit sich nicht aus Überschrift (vgl. § 24 VOL/A bzw. Text (vgl. § 16 Nr. 3 VOL/A) Abweichendes ergibt. Immerhin ist es denkbar, daß im Rahmen einer Vertragserweiterung - "zusätzlicher Auftrag" - eine stillschweigende Auftragserteilung in Betracht kommt. Es dürfte dann in diesen Fällen treuewidrig sein, wenn sich der Auftraggeber auf die fehlende ausdrückliche, schriftliche Vereinbarung beruft bzw. er gar aus dem Verstoß gegen die VOL/A entsprechende Vorteile ziehen würde. Der Fall der mündlichen, stillschweigenden Auftragserteilung ist zwar denkbar, aber kann im Hinblick auf die Vorgabe der VOL/A wohl nicht angetroffen werden. Es müssen ja selbst im Freihändigen Vergabeverfahren Angebote - in der Regel im Wettbewerb - eingeholt werden, basierend zumindest auf der "funktionalen Leistungsbeschreibung".
    Es lassen in jedem Fall die Stundenlöhne sowie z.B. Materialkosten (auf der Basis einer Material-/Preisliste) vereinbaren, wenn auch die "Mengen" nur grob geschätzt werden können. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß die betriebswirtschaftliche Kalkulation nachzuweisen ist (Löhne/Gehälter, Gemeinkosten, Zinsen, Gewinn etc.).

    Vgl.hierzu Birgel, Karl J., Öffentliches Auftragswesen und Preisrecht, 1994, 89 ff. ; Ebisch/Gottschalk, Preise und Preisprüfungen, 6. Aufl., 1994, 234 ff.


    19. 3. Auftragnehmerpflichten

    237Den Auftragnehmer treffen mangels abweichender weiterer Vereinbarungen folgende Pflichten:
    • Pflicht zur Anzeige des Arbeitsbeginns - formlos möglich - Problem der Beweissicherung
    • Pflicht zur Anzeige des Arbeitsendes - formlos möglich - Problem der Beweissicherung
    • Pflicht zur Einreichung (erstmalig 12 Tage nach Arbeitsbeginn) wöchentlicher Listen mit Aufführungen der Leistungen:
      • Arbeitsstunden
      • Rohstoffe
      • Werkstoffe
      • Hilfsstoffe
      • Betriebsstoffe
      • bereitgestellte Geräte, Werkzeuge, Gerüste, Maschinen
      • sonstige Leistungen.
    Ein Verzicht des Auftraggebers auf die Listen (z.B. im Fall der Besichtigung der Arbeiten) ist zulässig, wenn auch aus Beweisgründen nicht empfehlenswert.
    Die Unterlassung der Pflichten stellt eine Vertragsverletzung dar, die im Regelfall aber zu keinen Konsequenzen führt, da die nachweisbar geleisteten Arbeiten zu vergüten sind. Der Auftragnehmer trifft sich hier regelmäßig nur selbst. Denkbar sind allerdings Ansprüche des Auftraggebers auf Schadensersatz, wenn ihm durch die Unterlassung der Listenübergabe etwa durch zusätzliche Kontrollmaßnahmen Kosten/Aufwand entsteht. Über den Mindestinhalt der Listen sagt § 15 Nr. 2 VOL/B das Erforderliche. Von preisen, Steuern etc. ist nicht die Rede. Es handelt sich nicht um eine Art Zwischenrechnung, sofern keine abweichenden Vereinbarungen getroffen werden.
    Die Listen stellen natürlich die Basis der späteren Rechnungserstellung dar. Sie dienen dem Nachweis der erbrachten Leistungen. Nach ihrem Sinn sollen die Listen
    • den Auftraggeber über die erbrachten Leistungen und deren Umfang informieren,
    • dem Auftraggeber ein aktuelles Kontrollinstrument in die Hand geben
    • und zwischen den Parteien für Klarheit sorgen.
    Da der Auftraggeber nach Listeneinreichung die Möglichkeit hat, die Angaben zu überprüfen, wird seine unterlassene Beanstandung zwar nicht ein Anerkenntnis, wohl aber eine Billigung zur folge haben. Das spätere Aufgreifen und Angreifen der Liste nach vorheriger Möglichkeit zur Prüfung innerhalb angemessener Zeit (vgl. § 121 I BGB - "unverzüglich") dürfte treuewidrig sein.

    Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 16 Rdnr. 25 ff.

    Es ist aber zu bedenken, daß es dem Auftragnehmer leicht fallen dürfte, den Inhalt der wöchentlichen Listen in geeigneter Form nachzuweisen (z.B. Bestätigungen der Mitarbeiter etc.). Durch Listen, die nicht geleistete Stunden etc. enthalten, dürften strafrechtliche Tatbestände verwirklicht werden (Abrechnungsbetrug - § 263 StGB etc.).
    Mit der Rechnungsstellung hat § 16 VOL/A nichts zu tun. Diese behandelt § 15 VOL/B.


    19.4. Rechnungsmuster

    238 Muster:
     
    Auftragnehmer Auftraggeber
    Auftrag vom betreffend
    Leistungsort:
    wöchentliche Liste nach § 16 VOL/B Nr.
    Kalenderwoche Nr. vom bis
    Erbrachte Leistungen:
    Arbeitsstunden Name Zahl/Menge Tag Tageszeit
    Stufe 1
    Stufe 2
    Stufe 3
    Stufe 4
    Rohstoffe
    1. 2. 3. 4. 5.
    Werkstoffe
    1. 2. 3. 4. 5.
    Hilfsstoffe
    1. 2. 3. 4. 5.
    Betriebsstoffe
    1. 2. 3. 4. 5.
    Bereitgestellte Gerüste, Geräte, Werkzeuge, Maschinen, Sonstiges
    1. 2. 3. 4. 5.
     
     
    Ort, Datum Ort, Datum
    - für den Auftragnehmer - - für den Auftraggeber -
      Liste erhalten am:
      Überprüft am:
      Beanstandungen am:



    20. Zahlung

    § 17 - Zahlung


    1. Die Zahlung des Rechnungsbetrages erfolgt nach Erfüllung der Leistung. Sie kann früher gemäß den vereinbarten Zahlungsbedingungen erfolgen. Fehlen solche Vereinbarungen, so hat die Zahlung des Rechnungsbetrages binnen eines Monats nach Eingang der prüfbaren Rechnung zu erfolgen. Die Zahlung geschieht in der Regel bargeldlos. Maßgebend für die Rechtzeitigkeit ist der Zugang des Überweisungsauftrages beim Zahlungsinstitut des Auftraggebers.

    2. Sofern Abschlagszahlungen vereinbart sind, sind sie in angemessenen Fristen auf Antrag entsprechend dem Wert der erbrachten Leistungen in vertretbarer Höhe zu leisten. Die Leistungen sind durch nachprüfbare Aufstellungen nachzuweisen. Abschlagszahlungen gelten nicht als Abnahme von Teilen der Leistung.

    3. Bleiben bei der Schlußrechnung Meinungsverschiedenheiten, so ist dem Auftragnehmer gleichwohl der ihm unbestritten zustehende Betrag auszuzahlen.

    4. Die vorbehaltlose Annahme der als solche gekennzeichneten Schlußzahlung schließt Nachforderungen aus. Ein Vorbehalt ist innerhalb von zwei Wochen nach Eingang der Schlußzahlung zu erklären. Ein Vorbehalt wird hinfällig, wenn nicht innerhalb eines weiteren Monats eine prüfbare Rechnung über die vorbehaltenen Forderungen eingereicht oder, wenn dies nicht möglich ist, der Vorbehalt eingehend begründet wird.

    5. Werden nach Annahme der Schlußzahlung Fehler in den Unterlagen der Abrechnung festgestellt, so ist die Schlußrechnung zu berichtigen. Solche Fehler sind Fehler in der Leistungsermittlung und in der Anwendung der allgemeinen Rechenregeln, Komma- und Übertragungs- einschließlich Seitenübertragungsfehler. Auftraggeber und Auftragnehmer sind verpflichtet, die sich daraus ergebenden Beträge zu erstatten.


    20.1. Zahlung

    239 Das BGB behandelt die Pflicht des Vertragspartners - hier des Auftraggebers - in einschlägigen Bestimmungen (vgl. § 433 II BGB - Kaufpreis, § 535 S. 2 BGB - Entrichtung des Mietzinses, § 611I BGB - Gewährung der vereinbarten Vergütung, § 631 I BGB - Entrichtung der vereinbarten Vergütung). § 362 I BGB befaßt sich mit dem Erlöschen des Schuldverhältnisses bei Bewirkung der geschuldeten Leistung. Was zu zahlen ist, wird der Regelung der Parteien überlassen. Zu beachten ist hinsichtlich der Preise die VO PR 30 (vgl. insofern § 15 VOL/A). Maßgeblich ist insofern im übrigen grundsätzlich der im Angebot enthaltene und durch den Zuschlag - Annahme - enthaltene Preis. Die Zahlungsbedingungen sind Gegenstand der Verdingungsunterlagen, die der Auftragnehmer grundsätzlich unter Einfügung seines Preises zu übernehmen hat, da er andernfalls wegen Abänderung mit einem Ausschluß rechnen muß. Das gilt auch für Skonti etc., die ebenfalls vom Auftraggeber in den Verdingungsunterlagen einschließlich der Fälligkeiten, Teil- und Abschlagszahlungen festzulegen sind, um nicht in der Wertung nach § 25 Nr. 3 VOL/A in entsprechende Wertungsprobleme zu geraten. Damit überläßt die. VOL/A die Verdingungsunterlagen der Hand des Auftraggebers - allerdings nur in dem zu beachtenden Rahmen. Der Auftragnehmer kann folglich in dem vorgegebenen Rahmen mit seinem Preis nur reagieren - im Wettbewerb mit anderen Bietern. Werden insofern keine Vorgaben (z.B. für Mengenstaffeln, Skonti etc.) konkurrieren die Bieter auch insofern, was freilich zu den zuvor dargelegten Wertungsproblemen führen kann. Ein Preisvergleich kann in diesen Fällen durchaus zu Schwierigkeiten in der Praxis führen. Versäumnisse in den Verdingungsunterlagen wirken sich auch hier negativ für die Vergabestelle aus.

    240 Erfolgt der Zuschlag auf das Angebot, sind die entsprechenden Zahlungsbedingungen angenommen und Vertragsinhalt. Das gilt vor allem auch dann, wenn Änderungen der Verdingungsunterlagen vor dem Zuschlag nicht bemerkt werden. Nach § 320 I BGB ist im übrigen Zug-um-Zug zu leisten, sofern nicht ein Teil vorleistungspflichtig ist, was grundsätzlich einer entsprechenden Vereinbarung bedarf.
    § 17 Nr. 1 VOL/B ändert die zuletzt genannte gesetzliche Vorgabe ab und verpflichtet den Auftragnehmer grundsätzlich zur Vorleistung. Die Vorleistungspflicht kann Gegenstand von AGB sein - allerdings im nicht käufmännischen Bereich lediglich in den Grenzen des § 11 Nr. 2 a AGBG.

    Zu dieser Problematik Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 8. Aufl., 1997, § 11 Nr. 2 Rdnr.12; vgl. auch BGH NJW 1985, 850.

    In Verkaufsbedingungen des kaufmännischen Verkehrs können grundsätzlich Leistungsverweigerungs- sowie auch Zurückbehaltungsrechte abbedungen werden. Ein Verstoß gegen § 9 AGBG liegt nicht vor.

    Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 8. Aufl., 1997, § 11 Nr. 2 Rdnr. 16; BGH NJW 1987, 2435.

    Was für Verkaufsbedingungen gilt, kann insofern auch für Einkaufsbedingungen gelten, so daß von einer Wirksamkeit der Klausel insofern ausgegangen werden kann.


    20. 2. Zahlungsfrist - Zahlungsart - Überweisungsverkehr

    241 Aus der Formulierung "hat die Zahlung...zu erfolgen" ergibt sich - mangels anderweitiger Vereinbarungen -, daß bei Erfüllung der Voraussetzungen zu zahlen ist. Das ist an sich eine Selbstverständlichkeit und dient allenfalls der Klarstellung.
    Die Zahlungsfrist - laufend ab Eingang (vgl. § 130 BGB - Machtbereich des Empfängers) der nachprüfbaren Rechnung - beträgt einen Monat. Für die Fristbestimmung gelten die §§ 187 ff BGB. Der Monat wird mit 30 Tagen (§ 191 BGB) gerechnet. Für den Fristbeginn ist § 193 BGB zu beachten (Feiertage, Sonntage und Samstage verschieben die Frist auf den nächstfolgenden Werktag - keine Zurückwirkung).

    Vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl., 2000, § 193 Rdnr. 5; OLG Frankfurt NJW 1975, 1971.

    Der Ablauf der Monatsfrist begründet die Fälligkeit des Zahlungsanspruchs. Für den Eintritt des Verzugs ist die Mahnung erforderlich, da keine kalendertagsmäßig bestimmbare Leistung anzutreffen ist (Fälligkeit hängt von prüfbarer Rechnung etc. ab). Ferner ist für den Verzug Verschulden Voraussetzung (vgl. § 285 BGB), wobei dies freilich im Regelfall zumindest in einem Organisationsverschulden zu sehen ist (z.B. Personalmangel, keine Personalvorhaltung etc.). Insoweit ist im übrigen § 282 BGB zu beachten (Beweislastumkehr: Auftraggeber muß nachweisen, daß ihn kein Verschulden trifft).
    Für Geldschulden gelten die §§ 244, 245 BGB. Dies ist im Rahmen der Umstellung auf den Euro zu beachten.

    Vgl. zur Euro-Umstellung Bartl, Harald, Moderne Dienstleistungen und Recht, 1998, Rdnr. 346 ff. Auch z.B. Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl., 2000, § 245 Rdnr. 5 ff.

    Schließlich ist § 270 BGB hinsichtlich des "Zahlungsortes" heranzuziehen. Grundsätzlich handelt es sich bei Geldschulden um eine "qualifizierte Schickschuld", bei der der Schuldner die Gefahr der Übermittlung "an den Wohnsitz des Gläubigers" trägt.

    Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl., 2000, § 270 Rdnr. 1.

    242 An die Stelle der Barzahlung tritt im Regelfall die bargeldlose Zahlung (Banküberweisung, Postanweisung, Postscheck etc.). § 17 Nr. 1 S. 4 VOL/B legt die "bargeldlose" Zahlung ohne weitere Detaillierung fest. In der Formulierung "in der Regel" ist allenfalls ein Hinweis darauf zu sehen, daß Abweichungen der vertraglichen Vereinbarungen bedürfen. Die Klausel erlaubt keine Zahlung mittels Scheck oder Wechsels etc. Hierzu bedürfte einer entsprechenden Vereinbarung. Das ergibt sich aus dem Wortlaut. Demgemäß kommt in diesen Fällen lediglich die Zahlung im Überweisungsverkehr in Betracht. Bei Zahlung durch Überweisung ist diese rechtzeitig, wenn der Überweisungsauftrag vor Fristablauf bei dem Geldinstitut eingegangen ist und auf dem Konto Deckung besteht. Eine Gutschrift auf dem Auftragnehmerkonto ist nicht erforderlich, da der Zeitpunkt der Überweisungshandlung bzw. des Überweisungsauftrages maßgeblich ist. Die Überweisungskosten trägt der Auftraggeber.

    Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl., 2000, § 270 Rdnr. 7, 11.

    Diese Grundsätze sind nunmehr in den §§ 676 a - g BGB konkretisiert worden.

    Vgl. hierzu Palandt-Sprau, BGB, 59. Aufl., 2000, §§ 676 a ff , Vorbemerkung zu § 676 a - 676 g, Rdnrn. 1 ff. Ferner Klamt/koch, NJW 1999, 2776; auch v. Westphalen, BB 2000, 157 ff. Risse/Lindner, BB 1999, 2201 ff.

    243 Der Zugang des Überweisungsauftrages bei dem Kreditinstitut des Auftraggebers ist nach § 17 Nr. S. 5 VOL/B maßgeblich für Rechtzeitigkeit der Zahlung. Durch diese Klausel wird nach meiner Meinung die gesetzliche Lage nicht verändert, da es danach auf den Zeitpunkt des Überweisungsauftrages des Auftraggebers und nicht den Zeitpunkt der Gutschrift bei dem Auftragnehmer ankommt. Die "Verzögerungsgefahr" trägt in diesen Fällen der Auftragnehmer als Gläubiger.

    Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl., 2000, § 270 Rdnr. 7; OLG Nürnberg MDR 1999, 858; auch OLG Karlsruhe NJW-RR 1998, 1483. Kritisch zur Belastung des Gläübigers mit der Verzögerungsgefahr Schöne AcP 198, 443.

    Wegen des Schadensersatzanspruches in diesen Fällen bei nicht rechtzeitiger Ausführung des Überweisungsauftrages ist auf die §§ 676 b, c BGB zu verweisen.


    20.3. Höhe der Schuld

    244 Welche Zahlungen in welcher Höhe zu leisten sind, folgt grundsätzlich aus den zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen. Sie wird durch die Verdingungsunterlagen, das bindende Angebot des Auftragnehmers und den Zuschlag des Auftraggebers festgelegt. Abzüge oder Kürzungen - aus welchen Gründen auch immer - bedürfen daher entweder der entsprechenden Vereinbarung oder auch ders Rückgriffs auf eingreifende Rechte (z.B. Minderung etc.). Wie oben bereits erwähnt, können die Bieter in ihren Angeboten auch neben dem Preis Skonti (3 % bei Zahlung innerhalb von 14 Tagen nach Rechnungsstellung etc.) anbieten, wenn die Verdingungsunterlagen nicht bereits entsprechende Vorgaben enthalten. Letzteres ist zu empfehlen, da diese Konditionen im Grunde andernfalls nur zu einer Komplizierung der Wertung nach § 25 Nr. 3 VOL/A führen dürften (Berücksichtigung der Skonti etc. bei der Preiswertung ?!).
    Ohne eine Vereinbarung von Skonti oder sonstigen Zahlungsnachlässen kommen freilich entsprechende Reduzierungen der Rechnung nicht in Betracht. Den Auftragnehmern stehen die Vergütungen nach den Vereinbarungen zu. Rechtsgrundlose Abzüge begründen Nachforderungsansprüche und Ansprüche aus Verzug (vgl. § 286 BGB). Vergütungsansprüche verjähren freilich nach den §§ 198, 196, 197 BGB. Daneben ist die Schranke des § 17 Nr. 4 und 5 VOL/B zu beachten - vgl. hierzu die nachfolgenden Ausführungen.

    Zur Verjährung auch Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 17 Nr. 61 ff.

    245 Mit Recht wird darauf hingewiesen, daß die hier betroffene Frage - jedenfalls nach hier vertretener Ansicht - unmittelbar nichts mit § 4 III VO PR 30/53 zu tun hat. Dort ist festgelegt, daß dem öffentlichen Auftraggeber üblicherweise z. B. eingeräumte Vorteile - "beim Vorliegen gleicher Verhältnisse - zu gewähren sind. Hierunter können natürlich auch branchenübliche Skonti, Mengenrabatte etwa im Wege der Staffelpreise oder sonstige Vorteile fallen.

    Vgl. Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 17 Rdnr. 54, m.w.Nachw.

    Denkbar ist allerdings eine mittelbare Folge der genannten Bestimmung des § 4 III VO PR 30/53, wenn es nämlich zu einer Preisprüfung kommt, deren Ergebnis zu den in den §§ 9, 10 VO PR 30/53 angeführten Folgen führt. Der Auftraggeber kann diesen Problemen durch entsprechende Vorgaben in den Verdingungsunterlagen grundsätzlich schon im Vergabeverfahren begegnen. Rechtsstreitigkeiten sind im Bereich der VOL/B nicht ersichtlich. § 16 Nr. 5 II VOB/B bestimmt, daß "nicht vereinbarte Skonto-Abzüge" nicht zulässig sind. Es bedarf also auch dort einer besonderen Abmachung.

    Vgl. Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., 1996, § 16 Rdnr. 268.

    246 Allerdings wird man einem Bieter mangels besonderer eigener Vorgaben hinsichtlich Skonto etc. es nicht verwehren können, sein Angebot mit Skonto zu erstellen, um so eine Beschleunigung der Zahlung zu erreichen. Erfolgt der Zuschlag hierauf, so ist entsprechend zu verfahren. Fraglich ist lediglich, ob dadurch nicht die grundsätzlich geltende Monatsfrist § 17 Nr. 1 S. 4 VOL/B unterlaufen wird. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß dort die Modalitäten der Schuldhöhe nicht festgelegt werden, sondern nur die übliche Zahlungsfrist, deren Einhaltung z.B. bei einer Skonto-Vereinbarung von 3 % bei Zahlung innerhalb von 2 Wochen nach Eingang der prüfbaren Rechnung zum Wegfall des Skonto-Vorteils führt. Liegt keine Skonto-Regelung in den Verdingungsunterlagen vor, so stellt sich die Frage, ob in dem von § 17 Nr. 1 S. 4 VOL/B abweichenden Angebot eine Abänderung der Verdingungsunterlagen liegt, die zum Ausschluß nach den §§ 23, 25 Nr. 1 VOL/A führen kann. Dem ist allerdings entgegenzuhalten, daß dann, wenn die Preisgestaltung dem Bieter ohne weitere Vorgaben überlassen wird, dieser sein Angebot auch entsprechend gestalten darf. Das für die Wertung im Rahmen des § 25 Nr. 3 VOL/A zu erstellende "Vergleichs-Rechenwerk" kann allerdings im Einzelfall zu Problemen führen.


    20.4. Meinungsverschiedenheiten

    247 Im Fall von "Meinungsverschiedenheiten" über die Rechnungshöhe ist der unstrittige Teil der "Schlußrechnung" auszuzahlen (vgl. § 17 Nr. 3 VOL/B). Entsprechend den Grundsätzen der Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen kommt die Bestimmung außerhalb von "Schlußrechnungen" nicht zur Anwendung. Daraus könnte gefolgert werden, daß bei Zwischen-, Teil- und Abschlagsrechnungen nach den Grundsätzen der objektiven restriktiven Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch im Fall von Meinungsverschiedenheiten volle Zahlung geleistet werden müßte. Dem steht freilich die insofern eingreifende Regelung des § 17 Nr. 1 und 2 VOL/B entgegen. Folglich kann § 17 Nr. 3 VOL/B sich lediglich auf die Schlußrechnung beziehen. Eine "analoge Anwendung" auf andere Rechnungen ist nicht vertretbar. Das würde dem Sinn und Zweck des AGBG widersprechen, da dadurch der Schutzgedanke der §§ 1 ff BGB verletzt würde. Auf der anderen Seite wird man auch dann eine Anwendung des § 17 Nr. 3 VOL/B seinem Rechtsgedanken nach auch nicht zugunsten des Auftragnehmers annehmen können, wenn diese dem Auftragnehmer etwa im Fall unstrittiger Teile der Zwischenrechnung einen Vorteil brächten; denn hierfür ist zumindest Voraussetzung, daß die Klausel mehrdeutig ist. Das aber ist nicht der Fall.
    Sofern der Auftraggeber von der Rechnung im übrigen Abzüge vornimmt, ist schließlich die Auswirkung des § 17 Nr. 4 und 5 VOL/B zu beachten (siehe hierzu u.).


    20.5. Vorauszahlungen - Abschlagszahlungen

    248§ 17 Nr. 1 VOL/B ändert folglich insofern grundsätzlich nichts und stellt mit einer Reihe von Besonderheiten eine Abwicklungsregelung dar, die sich allerdings infolge der Merkmale
    • "nach Erfüllung"
    • und Rechnungsstellung ("Rechnungsbetrag" setzt Rechnung voraus)
    auf die Fälligkeit auswirkt. Hierbei ist die im übrigen erforderliche "Abnahme" nicht genannt, gleichwohl als Zahlungsvoraussetzung anzunehmen.

    Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 17 Rdnr. 41.

    Wenn in der Literatur darauf hingewiesen wird, die Vorschrift sein "zwingend", so ist dies zumindest mißverständlich, da jedenfalls bei sachlich begründetem Bedarf von dieser Klausel abgewichen werden kann (vgl. § 9 Nr. 3 VOL/A).

    Vgl. hierzu die Ausführungen von Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 17 Nr. 39, 46 (zur Zahlungsfrist von einem Monat).

    Gleichwohl ist an dieser "Linie" grundsätzlich festzuhalten. Mit Recht wird ferner darauf hingewiesen, daß die öffentliche Hand aus haushaltsrechtlichen Gründen gehalten ist, nur zu zahlen, wenn die entsprechenden Voraussetzungen (Rechnungsstellung, Erfüllung/Abnahme) eindeutig erfüllt sind (vgl. z.B. § 56 I BHO). Allerdings können entsprechende Vereinbarungen getroffen werden - in den Verdingungsunterlagen - , die dann vom Bieter in sein Angebot übernommen werden. Verstößt hierbei die öffentliche Hand gegen Haushaltsrecht, so ist dies zivilrechtlich irrelevant, wenn auf das Angebot der Zuschlag erteilt wird. Bei der Erstellung der Verdingungsunterlagen sind folglich die §§ 56 I (Vorauszahlungen nur unter der Voraussetzung "allgemeinen Üblichkeit" bzw. Rechtfertigung "durch besondere Umstände") sowie im Rahmen der Abwicklung 58 I (nachträgliche Vertragsänderung in begründeten Ausnahmefällen) strikt zu beachten. Abschlagszahlungen sind § 17 Nr. 2 VOL/B.

    249 Hier geht es im Grunde darum, daß Vorauszahlungen/"Anzahlungen" ohne die erforderliche Gegenleistung erbracht werden. Hierzu heißt es in der Vorläufigen Verwaltungsvorschrift - Vorl. VV-BHO - zu § 56 BHOwörtlich:
    1. "Vorleistungen sind Leistungen des Bundes vor Empfang entsprechender Gegenleistungen. Keine Vorleistungen sind solche Leistungen, die nach Empfang entsprechender Gegenleistungen gewährt werden (Abschlagszahlungen, Teilzahlungen, Teilleistungen).
    2. Vorleistungen dürfen nur in besonders begründeten Ausnahmefällen vereinbart oder bewirkt werden. Als allgemein üblich können Vorleistungen im Einzelfall gerechtfertigt sein, wenn sie im marktwirtschaftlichen Wettbewerb, also auch von nichtöffentlichen Auftraggebern, üblicherweise gewährt werden. Durch besondere Umstände können Vorleistungen im Einzelfall insbesondere gerechtfertigt sein, wenn
      • ein Vertragsschluß,
      • dessen Zustandekommen im dringenden Bundesinteresse liegt,
      • ohne Vorleistungen nicht erreicht werden kann
      • und wenn die Ausführung der Leistung infolge ihres Umfangs oder ihrer Eigenart
      • mit einer für den Auftragnehmer unzumutbaren Kapitalinanspruchnahme verbunden ist
      • Ein besonderer Umstand ist nicht gegeben, wenn am Ende des Haushaltsjahres Ausgaben vor Fälligkeit geleistet werden, um zu verhindern, daß die Ausgaben sonst verfallen.
      • Die Gründe für die Vereinbarung oder Bewirkung der Vorleistung sind aktenkundig zu machen."
    250 Sind Vorleistungen vertraglich nicht vereinbart, so dürfen sie nachträglich nur über eine Vertragsänderung (vgl. § 58 BHO - "besonders begründete Ausnahmefälle - Einwilligung des Bundesministeriums der Finanzen - vgl. auch Vorl. VV-BHO zu § 58 BHO) erfolgen. Die genannten Voraussetzungen müssen erfüllt sein. In der Vorl. VV-BHO zu § 56 BHO heißt es hierzu:
    "4. Vorleistungen, die nicht vertraglich vereinbart sind, dürfen nachträglich ohne ausdrückliche Vertragsänderung nicht bewirkt werden, die Vertragsänderung unterliegt den Bestimmungen des § 58 (erg. BHO)."
    Verstöße gegen die entsprechende Verwaltungsvorschriften führen - wie gesagt - nicht zur zivilrechtlichen Unzulässigkeit, wohl aber zu dem Verstoß gegen Haushaltsgrundsätze. Es liegt auf der Hand, daß diesen haushaltsrechtlichen Bestimmungen durch die Vergabestelle strikte Beachtung zu schenken ist.

    Vgl. hierzu Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 17 Rdnr. 43.

    251 Vorauszahlungen und Abschlagszahlungen sind unterschiedlich zu behandeln. Abschlagszahlungen sind keine Vorleistungen, weil Abschlagszahlungen nur in Betracht kommen, wenn entsprechende "Teilleistungen" erbracht sind § 17 Nr. 2 VOL/B entspricht im wesentlichen der Vorl. VV-BHO zu § 56 BHO.
    Voraussetzung für "Abschlagszahlungen" sind:
    • vertragliche Vereinbarung ("Besondere (Individual-) Vertrags-bedingungen")
    • Antrag des Auftragnehmers
    • Zahlung in angemessenen Fristen (grundsätzlich auch hier die Zahlungsfrist von einem Monat nach Eingang der prüfbaren Teilrechnung - vgl. § 17 Nr. 1 VOL/B)
    • in vertretbarer Höhe: entsprechend dem (nachgewiesenen) Wert und z.B.Teilabnahme, prüfbare Rechnung/nachprüfbare Aufstellungen etc.
    • Nachweis durch nachprüfbare Aufstellungen
    • Teilabnahme im Regelfall.
    Für Teilabnahmen gelten entsprechend § 13 Nr. 2 IV VOL/B die Bestimmungen des § 13 Nr. 2 I - III VOL/B entsprechend. Es müssen folglich die für die Abnahme erforderlichen Voraussetzungen für die Teilabnahme erfüllt sein. Insoweit wird auf die Ausführungen zu § 13 VOL/B verwiesen.


    20.6. Zahlungsverzug

    253 Der Zahlungsverzug des Auftraggebers richtet sich nach den Bestimmungen des § 9 Nr. 1 VOL/B, der auf die gesetzlichen Bestimmungen verweist. Mithin gelten insofern die in den §§ 284, 285, 286, 271 BGB enthaltenen Grundsätze. Die Nichterfüllung der Zahlungspflicht hat der Auftraggeber gemäß § 279 BGB immer zu vertreten. Insofern ist § 285 BGB modifiziert. Ein Verschulden ist nicht erforderlich. Wegen der Überweisungsprobleme wird auf die oben anzutreffenden Anmerkungen verwiesen.


    20.7. Schlußzahlung und vorbehaltlose Annahme - Wirksamkeit der Klausel (?)

    253 Nach dem Werkvertragsrecht, das hier in erster Linie betroffen ist, steht dem Auftragnehmer die vereinbarte Vergütung zu (§ 631 I, 632 BGB). Diese Ansprüche verjähren nach § 196 I Nr. 1 BGB in zwei Jahren nach ihrer Entstehung (§ 198 - vgl. aber § 201 BGB). Demgemäß könnte der Auftragnehmer auch nach Erteilung einer Schlußrechnung sowie einer Schlußzahlung durch den Auftraggeber noch Ansprüche geltend machen, soweit diese nicht verjährt sind.

    Vgl. BGH NJW 1989, 2888; auch OLG Frankfurt NJW-RR 1988, 600. Palandt-Sprau, BGB, 59. Aufl., 2000, § 632, Rdnr. 1 a.

    § 17 Nr. 4 I VOL/B schließt bei einer vorbehaltlosen Annahme der Schlußzahlung "Nachforderungen" aus. Nach dem Wortlaut verlangt die Klausel damit
    • eine als solche gekennzeichnete Schlußzahlung
    • eine Annahme ohne entsprechenden Vorbehalt,
    • sowie das Vorliegen von "Nachforderungen".
    254 Die Klausel weicht damit nicht unerheblich vom gesetzlichen Leitbild ab, das schlicht auf die vereinbarte Vergütung abstellt und zum Schutz des Auftraggebers lediglich die Verjährungsfristen vorsieht. Auch der Umstand, daß es ausreicht - ohne einen weiteren Hinweis auf die vorbehaltlose Annahme und deren Wirkung - , die Zahlung als "Schlußzahlung" zu kennzeichnen, vermindert die Bedenken gegen die Klausel nicht. Damit wird lediglich klargestellt, daß mit dem Begriff "Schlußzahlung" oder einer ähnliche deutlichen Bezeichnung weitere Zahlungen abgelehnt werden. Allerdings sind hier im Hinblick auf den Klauselwortlaut kaum Begriffe denkbar, die dem Begriff der "Schlußzahlung" entsprechen können. Die an anderer Stelle vertretene Auffassung, Formulierungen wie "Schlußvergütung", "restliche Vergütung", "Restguthaben" etc. seien ausreichend, ist m.E. bereits bedenklich, da diese Begriffe nicht die nach dem Wortlaut der Klausel erforderliche Kennzeichnung ergeben.

    A.A. Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 17 Rdnr. 76, m.w.Nachw.

    255 Der Wortlaut erlaubt keine weite Auslegung. Zum anderen wird in der Rechtsprechung vertreten, daß die Klausel sich lediglich auf "Nachforderungen" über die "vereinbarte Vergütung" hinaus beziehen soll: "Verfolgt der Auftragnehmer sein Begehren (erg. "vereinbarte Vergütung") weiter, dann stelle er weder eine neue Forderung noch fordert er etwas nach, sondern er hält seine bisher gestellte Forderung aufrecht und verfolgt diese weiter. Es bedeutet eine überzogene Auslegung des Begriffes "Nachforderung", den hier gegebenen Sachverhalt (erg. Verlangen der ausstehenden vereinbarten Teilvergütung) unter den Begriff "Nachforderung" zu subsumieren.

    BGH NJW 1989, 2888.

    Demgemäß - auch im Hinblick auf die für den öffentlichen Auftraggeber nach § 17 Nr. 5 VOL/B bestehenden Erstattungsanspruch (übrigens ohne zeitliche Obergrenze) - gelangt der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung zu einer Berechtigung der noch ausstehenden Vergütung - trotz der Annahme der "Schlußzahlung" ohne Vorbehalt.

    256 Die Klausel soll danach nicht die Geltendmachung der vereinbarten Vergütung nach vorbehaltloser Annahme der Schlußzahlung ausschließen, sondern lediglich "neue Nachforderungen", also Forderungen, die nicht vereinbart worden sind. Damit umgeht der Bundesgerichtshof die hier erforderliche Inhaltskontrolle durch eine Einzelfallösung im Wege einer engen Auslegung, "damit § 17 VOL/B nicht zu einem völlig einseitigen Instrument in der Hand des öffentlichen Auftraggebers wird."

    BGH NJW 1989, 2888.

    Mit Recht wird darauf hingewiesen, daß die Klausel nach § 9 AGBG rechtsunwirksam ist, weil sie von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen abweicht (hier: §§ 631, 632, 196 I Nr. 1 BGB).

    Vgl. vor allem Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 8. Aufl., 1998, Anh. §§ 9 - 11, Rdnr. 917, m.w.Nachw. ; auch Lenzen EWIR 1989, 1137.

    257 Es ist wohl anzunehmen, daß der Bundesgerichtshof heute die hier betroffene Klausel nicht als wirksam ansehen dürfte. Gegen die Wirksamkeit der Klausel sprechen zum einen das Vorliegen einer Fiktion (Ausschluß von Nachforderungen infolge vorbehaltloser Annahme der Schlußzahlung), der fehlende ausdrückliche schriftliche Hinweis auf die schwerwiegende Ausschlußwirkung (vgl. z.B. § 16 Nr 3 II VOB/B) sowie die Koppelung mit der kurzen zweiwöchigen bzw. der Monatsfrist für die prüfbare Rechnung bzw. die Begründung des Vorbehalts der Annahme der Schlußzahlung. Schließlich bestehen auch erhebliche Bedenken, weil der Auftraggeber - verstoßend gegen den Grundsatz der "Waffengleichheit" und Ausgewogenheit - in § 17 Nr. 5 VOL/B sich einen Berichtigungs- und Erstattungsanspruch vorbehält.

    Vgl. auch die Bedenken des BGH NJW 1989, 2888.

    258 Geht man von der Unwirksamkeit der Klausel aus, so kann der Auftragnehmer seine noch ausstehenden Forderungen innerhalb der Verjährungsfrist entsprechende den gesetzlichen Bestimmungen geltend machen, da nach § 6 AGBG an die Stelle der unwirksamen Klausel die gesetzliche Regelung tritt und der Vertrag im übrigen grundsätzlich unwirksam bleibt.

    Vgl. m.E. unzutreffend Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 17 Rdnr. 78, dort wird lediglich die einschränkende Ansicht des BGH NJW 1989, 2888, vertreten - die Klausel gleichwohl für wirksam angesehen, ohne auf die Spezialliteratur einzugehen - vgl. hierzu Vgl. vor allem Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 8. Aufl., 1998, Anh. §§ 9 - 11, Rdnr. 917, m.w.Nachw. ; auch Lenzen EWIR 1989, 1137. Zur früheren Klausel des § 16 Nr. 3 II VOB/B vgl. BGH NJW 1983, 385.

    Insbesondere wäre es bei der Neufassung der VOL/B zu erwarten gewesen, daß man die Bestimmung des § 17 Nr. 4 und 5 VOL/B der Rechtslage nach dem AGBG sowie den aus der VOB/B sich ergebenden Erkenntnissen angepaßt hätte.

    Zur in diesem Zusammenhang allerdings nicht erheblichen Entstehungsgeschichte der Vorschrift Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 17 Rdnr. 1 ff. , insbesondere Rdnr. 31 zu § 17 Nr. 4 VOL/B.

    259Der öffentlichen Hand ist zu empfehlen, sich
    • entweder durch eine entsprechende Individualvereinbarung in den Verdingungsunterlagen bei Bedarf - nicht in Trivialfällen - abzusichern
    • oder sich auf entsprechende Einwände und Nachforderungen trotz Kennzeichnung als Schlußzahlung, vorbehaltlose Annahme dieser Zahlung sowie Fristablauf einzurichten.
    • Eine solche individuelle Bestimmung sollte sich an § 16 Nr. 3 VOB/B orientieren, nicht aber an § 17 Nr. 4 VOL/B.
    260Dem Auftragnehmer ist gleichwohl zur Vermeidung von Problemen zu empfehlen, sich an die Fassung der Klausel zu halten. Er wird folglich nach Erhalt einer als solche eindeutig oder auch zumindest erkennbar gekennzeichneten Schlußzahlung
    • seinen Vorbehalt innerhalb von zwei Wochen nach Eingang der Schlußzahlung (Gutschrift, Eingang des Kontoauszugs bei dem Auftragnehmer - Zeitpunkt exakt festhalten)
    • innerhalb von zwei Wochen (gleich 14 Tage) geltend machen
    • sowie innerhalb der Monatsfrist eine prüfbare Rechnung über die vorbehaltenen Forderungen einreichen bzw. den Vorbehalt bei Unmöglichkeit der Erstellung der prüfbaren Rechnung den Vorbehalt eingehend begründen.
    Der Zeitpunkt für den Eingang der Schlußzahlung erfordert bei der bargeldlosen Überweisung Gutschrift und Eingang des Kontoauszugs bei dem Auftragnehmer.

    BGH NJW 1972, 2267; Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 17 Rdnr. 77.

    261 Von diesem Zeitpunkt läuft die Frist für die Geltendmachung des Vorbehalts. Die Frist für die Vorlage der prüfbaren Rechnung bzw. die Begründung schließt sich an die Zweiwochenfrist ("innerhalb eines weiteren Monats" - vgl. § 17 Nr. 4 II VOL/B) an.

    So auch Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 17 Rdnr. 79.

    Eine Anfechtung der vorbehaltlosen Annahme wegen Irrtums (Unterlassung der Erklärung) soll ausscheiden. Ebenso kommt grundsätzlich keine Anfechtung wegen eines Kalkulationsirrtums in Betracht (zu beachten sind allerdings die mögliche Treuewidrigkeit bzw. das Verschulden bei den Vertragsverhandlungen oder der unzulässigen Rechtsausübung des Auftragnehmers).

    Zum Kalkulationsfehler in Angeboten BGH, Urteil vom 7.7.1998 - X ZR 17/97 - DB 1998, 1909; ferner BGH NJW 1989, 2888 = BB 1989, 1847 - zur Anfechtung der vorbehaltlosen Annahme der Schlußzahlung - ablehnend; ebenso Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 17 Rdnr. 80.


    20.8. Berichtigung der Schlußrechnung

    262 Mit Recht weist der Bundesgerichtshof darauf hin, daß § 17 Nr. 5 VOL/B im Zusammenhang mit § 17 Nr. 4 VOL/B zu betrachten ist. Während einerseits die "Härte" des § 17 Nr. 4 VOL/B den Auftragnehmer offensichtlich voll treffen soll, will sich der Auftraggeber über § 17 Nr. 5 VOL/B noch eine Berichtigung und Rückerstattung vorbehalten.
    Unterstellt man einmal die Wirksamkeit des § 17 Nr. 5 VOL/B, so sind für den Berichtigungs- und Erstattungsanspruch folgende Voraussetzungen zu erfüllen:
    • Annahme der Schlußzahlung
    • Feststellung von "Fehlern" in den Unterlagen der Abrechnung
    • Berichtigung der Schlußrechnung.
    Zunächst ist zu bemerken, daß dieser Berichtigungsanspruch für beide Teile gilt. Nach dem Wortlaut kann also auch der Auftragnehmer die Berichtigung der Schlußrechnung verlangen. Allerdings stehen seinem Anspruch die Ausschlußwirkungen des § 17 Nr. 4 VOL/B entgegen. Ferner sind nach dem Katalog des § 17 Nr. 5 VOL/B nur folgende Fehler zu beachten, nämlich
    • Fehler in der Leistungsermittlung,
    • Fehler in der Anwendung der allgemeinen Rechenregeln,
    • Kommafehler,
    • Übertragungsfehler sowie
    • Seitenübertragungsfehler.
    263 Schon nach dem Wortlaut sind damit aus der Sicht des Auftragnehmers nur die in der prüfbaren Rechnung enthaltenen Beträge etc. betroffen Bei weiter Auslegung zugunsten des Auftragnehmers sind indessen bei den Fehlern in der Leistungsermittlung (erg. durch den Auftragnehmer) wohl auch nicht erfaßte, übersehene bzw. vergessene und damit nicht berechnete Positionen gemeint. Das muß sich die öffentliche Hand in diesem Zusammenhang zumindest entgegenhalten lassen, sofern von einer Wirksamkeit dieser Bestimmung ausgeht. Ob durch die Klausel daneben nicht auch Kalkulationsfehler beachtlich werden, kann hier nur zur Diskussion stehen. Der Begriff des "Fehlers" schließt dies jedenfalls nicht eindeutig aus. Es wird daher zutreffend auch insofern vertreten, daß der Auftragnehmer berechtigt ist, die Schlußrechnung einseitig jederzeit ohne Zustimmung des Auftraggebers zu berichtigen. Dem soll § 17 Nr. 4 VOL/B nicht entgegenstehen, sofern man ihn denn für wirksam hält.

    Vgl. Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 17 Rdnr. 84.

    264 Folgt man dieser Ansicht, so kann es infolge des Fehlens einer zeitlichen Befristung für den Berichtigungs- und Rückerstattungsanspruches auch nach erheblicher Zeit, zumindest innerhalb der Verjährungsfristen für die Vergütungsansprüche des Auftragnehmers nach den §§ 198, 196 I Nr. 1 BGB, zur Geltendmachung entsprechender Rechte kommen. Damit schwächt § 17 Nr. 5 VOL/B die einschneidende Wirkung des § 17 Nr. 4 VOL/B erheblich ab. Ist allerdings § 17 Nr. 4 VOL/B nach § 9 AGBG nichtig, so stellt sich im Hinblick auf § 17 Nr. 5 VOL/B die Situation für den Auftragnehmer jedenfalls dann als positiv dar, wenn der wenig präzise gefaßte Fehlerbegriff eingreift, was nahezu in allen Fällen eine Berichtigung und eine Nachforderung begründen kann, in denen man sich verrechnet oder etwas vergißt. Mit Rechtssicherheit hat dies freilich wenig zu tun, wenn es auch dem Auftragnehmer entsprechende Möglichkeiten erschließt. Andererseits sieht sich der Auftragnehmer entsprechenden Rückerstattungsansprüchen ebenfalls ausgesetzt, obwohl der Auftraggeber die Möglichkeit der Prüfung innerhalb angemessener Fristen hat. Hierbei soll es sich um Ansprüche nach den §§ 812 ff BGB insbesondere auf Seiten des Auftraggebers handeln, wobei - wovon kein Wort in der Klausel zu finden ist - durch die Fassung der Klausel der Wegfall der Bereicherung bei dem Auftragnehmer nach § 818 III BGB ausgeschlossen sein soll. Von Zinsen oder einem bestimmten Zinssatz ist in der Klausel nicht die Rede, sondern nur von den "sich daraus ergebenden Beträgen". Soweit entsprechende zusätzliche Abreden in Klauselwerken, also z.B. zusätzlichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (wohl nicht in Individualabreden der Verdingungsunterlagen) enthalten sind, stellt sich die Frage nach der Wirksamkeit dieser Klauseln unter dem Aspekt des § 9 AGBG.

    Vgl. hierzu BGH NJW 1993, 1128 - MBB-Fall (Wirksamkeit der Klausel - Zusätzliche Bedingungen für Rüstungsvertrag - für Selbstkostenrichtpreis = "vorläufiger Preis" bejaht); BGH NJW 1988, 258 - Bauleistungen - unwirksame Klausel in "Zusätzliche Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen - EVM (B) ZVB" - Überzahlung und Verzinsungspflicht von 4 % - vgl. hierzu auch Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 17 Rdnr. 88.

    Im Hinblick auf diese erheblichen Unsicherheiten, bedingt durch eine in mehrfachen Verhandlungssitzungen nicht eindeutige Klärung, empfiehlt es sich, zumindest in Fällen, in denen der mögliche Streit vorprogrammiert ist (vor allem die Fälle der Selbstkostenrichtpreise etc.), für entsprechende klare Individualabreden in den Verdingungsunterlagen zu sorgen, die sich an § 16 VOB/B orientieren sollten.


    21. Sicherheitsleistung

    § 18 - Sicherheitsleistung


    1. (1) Wenn Sicherheitsleistung vereinbart ist, gelten die §§ 232?240 des Bürgerlichen Gesetzbuches, soweit sich aus den nachstehenden Bestimmungen nichts anderes ergibt.

    (2) Die Sicherheit dient dazu, die vertragsgemäße Ausführung der Leistung und die Gewährleistung sicherzustellen.

    2. (1) Wenn im Vertrag nichts anderes vereinbart ist, kann Sicherheit durch Hinterlegung von Geld oder durch Bürgschaft eines in der Europäischen Gemeinschaft zugelassenen Kreditinstituts oder Kreditversicherers geleistet werden. Sofern der Auftraggeber im Einzelfall begründete Bedenken gegen die Tauglichkeit des Bürgen hat, hat der Auftragnehmer die Tauglichkeit nachzuweisen.

    (2) Der Auftragnehmer hat die Wahl unter den verschiedenen Arten der Sicherheit; er kann eine Sicherheit durch eine andere ersetzen.

    3. Bei Bürgschaft durch andere als zugelassene Kreditinstitute oder Kreditversicherer ist Voraussetzung, daß der Auftraggeber den Bürgen als tauglich anerkannt hat.

    4. Die Bürgschaftserklärung ist schriftlich mit der ausdrücklichen Bestimmung, daß die Bürgschaft deutschem Recht unterliegt, unter Verzicht auf die Einreden der Aufrechenbarkeit, der Anfechtbarkeit und der Vorausklage abzugeben (§§ 770, 771 des Bürgerlichen Gesetzbuches); sie darf nicht auf bestimmte Zeit begrenzt und muß nach Vorschrift des Auftraggebers ausgestellt sein. Die Bürgschaft muß unter den Voraussetzungen von § 38 der Zivilprozeßordnung die ausdrückliche Vereinbarung eines vom Auftraggeber gewählten inländischen Gerichtsstands für alle Streitigkeiten über die Gültigkeit der Bürgschaftsvereinbarung sowie aus der Vereinbarung selbst enthalten.

    5. Wird Sicherheit durch Hinterlegung von Geld geleistet, so hat der Auftragnehmer den Betrag bei einem zu vereinbarenden Geldinstitut auf ein Sperrkonto einzuzahlen. über das beide Parteien nur gemeinsam verfügen können. Etwaige Zinsen stehen dem Auftragnehmer zu.

    6. Der Auftragnehmer hat die Sicherheit binnen 18 Werktagen nach Vertragsschluß zu leisten, wenn nichts anderes vereinbart ist.

    7. Der Auftraggeber hat eine Sicherheit entsprechend dem völligen oder teilweisen Wegfall des Sicherungszwecks unverzüglich zurückzugeben.


    21.1. Sicherheitsleistungen - Sicherheiten

    265 Das BGB behandelt die Sicherheitsleistungen in den §§ 232 ff BGB Hier werden Personen-, Real- und Immobiliarsicherheiten unterschieden. § 14 VOL/A enthält die Voraussetzungen für die Stellung von Sicherheitsleistungen in Verdingungsunterlagen. Da die VOL/B nach § 9 Nr. 2 VOL/A in den Verdingungsunterlagen vorzuschreiben ist, greift diese nach § 1 Nr. 2 VOL/B ergänzend ein, soweit nicht die "Individualabreden" Regelungen enthalten. Ferner wird die frage der Sicherheitsleistung noch in § 9 Nr. 4 s) VOL/A angeführt.
    Dieses "System" ist für den Praktiker nicht leicht zu durchschauen. Es steht fest, daß für die Verdingungsunterlagen zunächst § 14 VOL/A zu prüfen ist - danach ist überprüfen, inwiefern die in § 18 VOL/B vorgesehene "Abwicklungsschablone" dem jeweiligen Einzelfall im Vergabeverfahren entspricht.
    § 14 Nr. 1 VOL/A verlangt, daß Sicherheitsleistungen nur zu fordern sind,
    • wenn sie ausnahmsweise
    • für die sach- und fristgemäße Durchführung der verlangten Leistung
    • notwendig sind.
    Ferner bestimmt § 14 Nr. 2 VOL/A weitere Schranken, nämlich
    • hinsichtlich der Höhe der und des Rückgabezeitpunktes den Grundsatz der Notwendigkeit,
    • mit dem Ziel der lediglich erforderlichen Belastung des Auftragnehmers, "um den Auftraggeber vor Schaden zu bewahren".
    266 Im übrigen wird eine Obergrenze von 5 % der Auftragssumme als verbindliche "Leitlinie" vorgesehen ("soll nicht überschreiten"), deren Überschreiten den Auftraggeber zur Begründung zwingt.
    Notwendig ist also in allen Fällen eine m.E. eine nachvollziehbare Risikoprognose, während eine anlaßlose und schematische Festlegung von Sicherheitsleistungen einen verstoß gegen die hier behandelten Grundsätze darstellt. Hierin kann eine nicht erforderliche Belastung der Bieter liegen, die gegebenenfalls auch z.B. im EU-weiten Vergabeverfahren zur Anrufung der Vergabekammer führen kann.

    267 Es sei auch darauf hingewiesen, daß unter dem Aspekt der § § 2 Nr. 3, 7 Nr. 4, 7a, b und 25 Nr. 2 I VOLA Aufträge nur an leistungsfähige, fachkundige und zuverlässige Unternehmen vergeben werden dürfen. Von daher ist in der Regel schon eine sehr hohe Sicherheit gegeben. In der Praxis stellt sich damit die Frage, ob die Voraussetzungen für das Verlangen einer Sicherheit überhaupt eine Rolle spielen kann. Es handelt sich vielmehr nach § 14 VOL/A um eine Ausnahmegestaltung, nicht die Regel, wenn auch die Praxis den Eindruck vermittelt, man verlange automatisch und systematisch jedenfalls bei allen größeren Projekten etc. Sicherheiten. Anzumerken ist noch, daß es sich in diesem Zusammenhang lediglich um die Absicherung der sach- und fristgemäßen Durchführung, also vor allem um die mangelfreie und fristgemäße Erledigung des Auftags geht. § 18 Nr. 1 II VOL/B hingegen spricht von der Sicherstellung der vertragsgemäßen Ausführung der Leistung und der Gewährleistung. Nicht betroffen sind in beiden Bestimmungen Sicherheiten für Vorleistungen oder Abschlagszahlungen. Insofern sind die entsprechenden Haushaltsvorschriften zu beachten, insbesondere die §§ 34, 56 BHO einschließlich der Vorläufigen Verwaltungsvorschriften zu BHO (Vorl. VV-BHO), in denen für Vorleistungen etc. eine vertragliche Bestimmung über die jeweilige Sicherheitsleistung zu treffen ist (Hinterlegung, Pfandrechte, Stellung tauglicher Bürgen, Forderungsabtretung, Sicherungsübereignung etc.).

    Daub/Eberstein, VOL/A, 4. Aufl., 1998, § 14 Rdnr. 11, 14.

    268 § 14 VOL/A und § 18 VOL/B sind folglich im Kontext zu sehen, wobei § 18 VOL/B wiederum den für Allgemeine Geschäftsbedingungen abträglichen Regelungsmodus enthält, daß die Bestimmung nur eingreift, wenn Sicherheiten vereinbart sind, während Geschäftsbedingungen im Grunde Regelungen für die Fälle enthalten sollten, in denen keine individuelle Vereinbarung getroffen worden ist. Demgemäß bildet § 18 VOL/B ebenso wie § 14 VOL/A lediglich einen Vorschlag für die entsprechenden Regelungen bzw. eine gewisse Aufzählung von nicht abschließenden Punkten für die Gestaltung der Verdingungsunterlagen und die Abwicklung des Auftrags.

    269 Sofern unter den vorher genannten Voraussetzungen in den Verdingungsunterlagen Sicherheitsleistungen zulässigerweise in die Verdingungsunterlagen aufgenommen werden, gelten nach § 18 Nr. 1 VOL/B die erwähnten §§ 232 bis 240 EU-weiten Vergabeverfahren könnte die Vergabekammer angerufen werden.

    Vgl. hierzu Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 18 Rdnr. 45, unter Hinweis auf das EWR-Abkommen, ABl. EG Nr. L 1 vom 3.1.1994, BGBl. II 1993, 267; WTO-Dioenstleistungsübereinkommen - GATS - General Agreement on Trade in Services, BGBl. II 1994, 1473 (englische Fassung) - Allgemeines Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen, BGBl. II, 1994, 1643 (deutsche Fassung) - neue WTO-Übereinkommen beachten.


    21.2. Bürgschaftsarten und Modifizierungen

    270Da § 18 Nr. 2 I VOL/B eine "Kann-Vorschrift" ist, können die Vertragsparteien auch andere Sicherheiten wählen, sofern sie für die Abweichung sachliche Gründe darlegen und nachweisen können. Allerdings sind die beiden Möglichkeiten der Sicherheiten nicht grundlos vorgegeben; denn andere Arten der Sicherheiten führen zu größerem Aufwand oder bieten niedrigere Sicherheitsstufe (Verpfändung beweglicher Sachen, Bestellung von Schiffshypotheken, Hypotheken, Grund- und Rentenschulden etc.).
      Mit Recht wird indessen darauf hingewiesen, daß im Regelfall die Bankbürgschaft gewählt werden wird. Von einer "Bankgarantie" ist nicht die Rede. Bankgarantien ("auf erstes Anfordern") sind keine Bürgschaften. Es handelt sich vor allem um Instrumente des internationalen Handelsverkehrs, um für den "Garantiefall" (Nichterfüllung, Verzug, Schlechtleistungen etc.) abgesichert zu sein.

    Vgl. Palandt-Sprau, BGB, 59. Aufl., 2000, Einf. v. § 765 Rdnr. 16; Einf. v. § 783 Rdnr. 14 ff; unzutreffend insofern Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 18 Rdnr. 44.

    Richtig ist, daß regelmäßig die Bürgschaft einer Bank in den Verdingungsunterlagen nach entsprechender Risikoprognose wie folgt verlangt werden sollte:
    • Erfüllung der sachlich begründeten nachweislich erforderlichen zusätzlichen individuellen Vorgaben des Auftraggebers
    • gegebenenfalls Nachweis der "Bürgentauglichkeit" zur Ausräumung von begründeten Bedenken
    • schriftlich
    • Bürgschaft nach deutschen Recht
    • unter Verzicht auf die Einreden der Aufrechenbarkeit, der Anfechtbarkeit und der Vorausklage (§§ 770, 771 BGB)
    • Befristung
    • ausdrückliche wirksame Vereinbarung eines inländischen Gerichtsstands für alle Streitigkeiten über die Gültigkeit und den Inhalt der Bürgschaftsvereinbarung - Beachtung des § 38 ZPO.
    271 Sofern man nicht auf die üblichen Bankbürgschaftsformulare oder Vorschläge aus Formularbüchern zurückgreift, die jeweils zu überprüfen sind, könnte die Bürgschaftsabrede wie folgt formuliert werden - Vorschlag:
    "Der Auftragnehmer hat seinem Angebot eine uneingeschränkte verpflichtende Zusage über die nachfolgende Bürgschaft des zugelassenen Kreditinstituts bzw. des zugelassenen Kreditversicherers mit Zulassungsnachweis seinem Angebot beizufügen und die Bürgschaftsurkunde spätestens innerhalb von 18 Werktagen nach Zuschlag/Vertragsschluß vorzulegen.
    Das Kreditinstitut/Kreditversicherer_________________ übernimmt hiermit die selbstschuldnerische Bürgschaft für den Auftragnehmer________________
    zur Sicherheit aus dem Auftrag ______________________für den Fall
    • des Verzugs
    • der Nichterfüllung
    • der Mangelhaftigkeit nach Abnahme innerhalb der Gewährleistungsfrist von ____________ Jahren
    • der _____________________.
      Die Bürgschaft ist befristet bis zum ______________________.
      Die Bürgschaft ist beschränkt auf einen Höchstbetrag von 5 % der jeweils betroffenen Vergütung.
      Der Bürge verzichtet hiermit ausdrücklich auf die ihm nach dem Gesetz zustehenden Einreden, insbesondere die Einreden der Anfechtung, der Aufrechnung und der Vorausklage (§§ 770, 771 BGB).
      Mitteilungen, die sich auf die Bürgschaft beziehen, gelten dem Bürgen als ordnungsgemäß zugestellt, wenn sie mittels Einschreibebrief an seine letzte bekannte Adresse abgesandt worden sind.
      Der nachgewiesene völlige oder teilweise Wegfall des Sicherungszwecks verpflichtet den Auftraggeber zur unverzüglichen Rückgabe der Sicherheit bzw. zur eingeschränkten Geltendmachung der Bürgschaft bei teilweisem Wegfall des Sicherungszwecks.
      Gerichtsstand für alle Rechtsstreitigkeiten, die sich aus dieser Bürgschaft hinsichtlich Gültigkeit und der sämtlichen Vereinbarungen im übrigen ergeben sollten, ist das __________________ -gericht in ______________ .
      Für die Bürgschaft gilt das Recht der Bundesrepublik Deutschland."
    272 Es ist darauf zu achten, daß diese Bürgschaftsvereinbarung nach dem jeweiligen Fall nach den oben dargelegten Grundsätzen vor allem auf ihre Notwendigkeit, ihre Höhe und insbesondere auch unter dem Aspekt der Übersicherung durch einen fachkundigen Rechtsberater zu überprüfen ist. Die schematische und mißbräuchliche - ständige - gleichlautende Benutzung der Formulierung kann zum Eingreifen des AGBG und damit zur Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG führen, wenn auch eine in den "Individualteil" der Verdingungsunterlagen aufgenommene Abrede grundsätzlich nicht dem AGBG unterliegt. Im übrigen sind bei "überflüssiger Bürgschaft" infolge des Verstoßes Schadensersatzansprüche bzw. die Anrufung der Vergabekammer im EU-weiten Vergabeverfahren denkbar.

    Vgl. zum AGBG Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 8. Aufl., 1997, Anh. §§ 9 - 11, Rdnr. 260 ff; zur "Inhaltskontrolle"von Abreden aus dem Individualteil der Verdingungsunterlagen vgl. BGH BB 1996, 2535.


    21.3. Reichweite der Sicherheit - Austauschrecht - Nichterfüllung der Sicherheitsabrede - Geldsicherheit - Zinsen

    273Die Sicherheitsleistung hat den Zweck, sicherzustellen - vgl. § 18 Nr. 1 II VOL/B.
    Sofern z.B. in Bürgschaftsurkunde keine weiteren Sicherungszwecke genannt sind oder der Sicherungszweck über § 18 Nr. 1 II VOL/B hinaus konkretisiert ist, ist entsprechend der engen objektiven Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen davon auszugehen, daß nur die Erfüllung der vertraglichen Haupt- und Nebenpflichten (Erfüllung, rechtzeitige Leistung - kein Verzug, keine Verletzung von Nebenpflichten etc.) betroffen sind. Verzugs- und Nichterfüllungsschäden sowie auch z.B. anfallende Vertragsstrafen fallen unter den Sicherungszweck. Nicht zur vertragsgemäßen Ausführung gehören Ansprüche auf Rückzahlung z.B. infolge Überzahlung, da dies nicht unter den Begriff der Ausführung der Leistung subsumiert werden kann. Will der Auftraggeber sich z.B. bei Selbstkostenrichtpreisen (vorläufige Preise infolge fehlender Kalkulationsbasis) in diesem Punkt absichern, so muß dies zu entsprechenden konkreten Formulierungen führen. Keinesfalls deckt dies die hier betroffene Klausel des § 18 Nr. 1 II VOL/B ab.

    So auch Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 18 Rdnr. 41, 42, m.w.Nachw.

    274 Zugunsten des Auftragnehmers sieht § 18 Nr. 2 II VOL/B kann der Auftragnehmer die zur Wahl überlassene Sicherheit wählen, falls keine entsprechende Festlegung durch den Auftraggeber in den Verdingungsunterlagen erfolgt - allerdings nur innerhalb der Frist des § 18 Nr. 6 VOL/B/(18 Werktage ). Natürlich kann dieses "Wahlrecht" zum einen nur innerhalb der sachlich gebotenen Vorgaben des Auftraggebers sowie innerhalb der Frist ausüben. Offensichtlich einschränkungslos ist das Umtauschrecht nach § 18 Nr. 2 II VOL/B festgeschrieben. Da auch hier in keiner Weise gesagt wird, welche Sicherheit der Auftragnehmer zum Austausch anbieten kann, kommen alle Sicherheiten in Betracht, die in § 232 BGB enthalten. Bietet der Auftragnehmer folglich eine geeignete und zulässige andere Sicherheit an, ist der Auftraggeber zum Austausch verpflichtet. Dem Auftragnehmer stehen bei sachlich nicht begründbarer Verweigerung Ansprüche nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung zu (Verletzung der Nebenpflicht). Kritisch kann es für den Auftraggeber werden, wenn der Auftragnehmer nicht innerhalb der 18-Werktage-Frist nach Vertragsschluß die Sicherheit leistet. Darin liegt zum einen eine Nebenpflichtverletzung mit der Folge von Schadensersatzansprüchen. Auch sind Ansprüche auf Erfüllung dieser Nebenpflicht denkbar. Die Klausel des § 7 Nr. 1 VOL/B regelt zwar den Verzug, verweist aber auf das gesetzliche System. Die Verzugsvorschriften der §§ 286, 326 BGB sind insofern zu prüfen. Ferner ist denkbar, daß die Verletzung der Nebenpflicht über die positive Vertragsverletzung zur Rücktritt/Kündigung und/oder Schadensersatz führt.

    Vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl., 2000, § 276 Rdnr. 124.

    275 Die infolge z.B. Unzumutbarkeit der Abwicklung des Vertrages ohne Sicherheitsleistung könnte im Einzelfall durchaus einen entsprechenden Schritt rechtfertigen. Indessen ist immer zu prüfen, ob das Ziel, nämlich die Auftragnehmerleistung, im Vordergrund ist, nicht jedoch Schadensersatzansprüche. Dies zeigt, daß letztlich die Prüfung der Leistungsfähigkeit, Fachkunde und Zuverlässigkeit vor dem Zuschlag die entscheidende Bedeutung hat. Fehler im Vergabeverfahren, die wie hier zur Inanspruchnahme des Auftragnehmers wegen Nichterfüllung der Sicherheitsabrede führen, stellen sich spätestens an dieser Stelle heraus. Der Auftraggeber, der nach Vertragsschluß/Zuschlag mit einer solchen Nichterfüllung konfrontiert wird, steht vor erheblichen, auch haushaltsrechtlichen Problemen. Im fall der berechtigten Vertragsbeendigung wird gegebenenfalls ein weiteres Vergabeverfahren mit Zeitverlust und infolge höherer Preise auch höheren Aufwand die Folge sein.

    276 Sofern keine Bürgschaft als Sicherheit vereinbart ist, was kaum denkbar ist, könnten die Parteien die Sicherheit durch Hinterlegung in Geld vereinbaren bzw. könnte der Auftragnehmer im Wege des Umtausches der Sicherheit (§ 18 Nr. 2 II VOL/B) die Geldhinterlegung vornehmen. In diesen sicherlich ausgefallenen Gestaltungen sind die Vorgaben der Klausel des § 18 Nr. 5 VOL/B zu beachten. Hierbei ist das "Geldinstitut" zu vereinbaren. Von daher ergibt sich bereits eine gewisse Schranke für beide Seiten. Fehlt eine Einigung, so kommt es freilich zu Problemen. Der Auftraggeber ist nach Treu und Glauben verpflichtet, ein vorgeschlagenes Geldinstitut zu akzeptieren, sofern er keine plausiblen und nachweisbaren Gründe darlegen kann. Dem Auftragnehmer wird es wenig nutzen, wenn der Auftraggeber zwar zustimmen müßte, dies aber nicht unternimmt. Zu seinen Gunsten wird man allerdings annehmen dürfen, daß die Hinterlegung bei einem Geldinstitut, gegen das der Auftraggeber nichts vorbringen kann, als ausreichend angesehen werden muß. Der Auftraggeber ist insofern hinreichend geschützt, zumal es sich um eine Sperrkonto handelt, über das beide nur gemeinsam verfügen können. Das wiederum entwertet diese Art der Sicherheit für den Auftraggeber, da dieser allein auf die Sicherheit nicht zugreifen kann, sondern gegebenenfalls im Wege eines Rechtsstreits vorgehen muß. Dieser Weg ist daher in keiner Weise zu empfehlen. Der Auftragnehmer kann ihn im Wege des Umtausches im übrigen einseitig auch nicht wählen.

    277 Falls der Weg dennoch einmal beschritten wird, stehen dem Auftragnehmer die Zinsen zu, die Gegenstand der entsprechenden Vereinbarung sein sollten; denn andernfalls ergibt sich hier ein weiterer Streitpunkt - verzinst ? In welcher Höhe ? Zu wessen Gunsten ? Die Klausel ist folglich unsinnig. Wenn diese Sicherheit erforderlich sein sollte und vom Auftraggeber akzeptiert wird, sollten folglich mindestens die hier angeprochenen Punkte eindeutig geklärt sein.
    Daß die Sicherheit teilweise oder vollständig zurückzugeben ist, ist eine Trivialität. Niemand benötigt eine Sicherheit, wenn der Sicherungszweck entfallen ist. Wie die teilweise Rückgabe allerdings der Bankbürgschaft erfolgen soll, kann hier allenfalls insoweit nachvollzogen werden, als die der Auftraggeber teilweise auf die Geltendmachung der Bürgschaft verzichtet, die wiederum ohnehin nur soweit geltend gemacht werden kann, als der Sicherungszweck reicht. Die Klausel ist in ihrer Länge typisch für die Fälle, in denen Klauseln ausdiskutiert werden und in denen Nebenpunkte durch Wortfülle hochstilisiert werden.
    Man sollte sich in der Praxis auf Bankbürgschaften in der oben beschriebenen Art beschränken.


    22. Konflikte - Streitigkeiten - Rechtsverfolgung - § 19 VOL/B

    § 19 - Streitigkeiten


    1. Bei Meinungsverschiedenheiten sollen Auftraggeber und Auftragnehmer zunächst versuchen, möglichst binnen zweier Monate eine gütliche Einigung herbeizuführen.

    2. Liegen die Voraussetzungen für eine Gerichtsstandsvereinbarung nach § 38 Zivilprozeßordnung vor, richtet sich der Gerichtsstand für alle Streitigkeiten über die Gültigkeit des Vertrages und aus dem Vertragsverhältnis ausschließlich nach dem Sitz der für die Prozeßvertretung des Auftraggebers zuständigen Stelle, soweit nichts anderes vereinbart ist. Die auftraggebende Stelle ist auf Verlangen verpflichtet, die den Auftraggeber im Prozeß vertretende Stelle mitzuteilen.

    3. Streitfälle berechtigen den Auftragnehmer nicht, die übertragenen Leistungen einzustellen, wenn der Auftraggeber erklärt, daß aus Gründen besonderen öffentlichen Interesses eine Fortführung der Leistung geboten ist.


    22.1. Einigungsversuch

    278 Die Klausel appelliert an die Vertragsparteien, Streitigkeiten möglichst intern innerhalb zweier Monate ohne Beteiligung bzw. Einschaltung Dritter oder auch eines Gerichts zu schlichten. Daraus ergibt sich eine vertragliche Nebenpflicht, sich diesen Einigungsgesprächen sachlich zu stellen, die vorgeschlagenen Termine nicht grundlos abzusagen und im Rahmen der Zumutbarkeit zu einem Kompromiß beizutragen, wobei für die öffentliche Hand § 58 BHO zu beachten ist. Die Erfahrungen sind hier sicherlich unterschiedlich. Nicht jeder Auftraggeber sieht sich hier in der ihm gedachten Rolle, mit der er zu wirtschaftlichem Denken aufgefordert wird. Vertragsänderungen etc. dürfen nur in "begründeten Fallen" durchgeführt werden, Vergleiche dürfen nur bei Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit für den Bund abgeschlossen werden. Hier wird der für den Mitarbeiter des Auftraggebers anzutreffende "Überzeugungsballast" in nicht wenigen Fällen vernünftige und akzeptable Lösungen verhindern, vor allem auch im Hinblick auf die zu erwartenden weiteren Kontrollinstanzen. Denkbar und nicht ausgeschlossen sind Abreden, die die Einrichtung eines Schiedsgerichts sowie eines Schiedsgutachters etwa im technischen Bereich betreffen.
    Bedenklich ist die Klausel im übrigen deshalb, weil zwar der Auftraggeber an die Vorgabe des § 58 BHO (s.o.) gebunden ist, aber gleichzeitig eine derartige mittelbare Berücksichtigung der Interessen des Auftragnehmers oder auch eine Verpflichtung zur Zustimmung für eine vernünftige wirtschaftliche Lösung nicht festgeschrieben ist. Andererseits besteht m.E. eine Pflicht für den Auftraggeber bei Voraussetzungen des § 58 BHO einer Einigung zuzustimmen, weil der andere Teil z.B. auf die Leistungen des Auftraggebers angewiesen ist, was durch den Streit blockiert wird.


    22.2. Gerichtsstand

    279 Nach § 38 I ZPO kommen Gerichtsstandsvereinbarungen in Betracht, wenn die Vertragsparteien (Voll-)Kaufleute sind oder es sich um juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliches Sondervermögen handelt. Der maßgebliche Zeitpunkt für das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist der Zeitpunkt der Vereinbarung des Gerichtsstands. Nicht betroffen sind die nicht eingetragenen früheren "Minderkaufleute"/Kleingewerbetreibenden (Änderung der HGB-Vorschriften durch das Handelsrechtsreformgesetz, 1998).

    Vgl. hierzu Zöller/Vollkommer, ZPO, 21. Aufl., 1999, § 38 Rdnr. 17 ff.

    Problematisch sind Verträge mit Freiberuflern, die kein Gewerbe betreiben (vgl. § 18 I EStG) sowie Nichtkaufleuten. Hier kommen Gerichtsstands-vereinbarungen nur gemäß § 38 III ZPO in Betracht. Diese Fälle dürften durchaus im Bereich der Dienstleistungen eine Rolle spielen. Daher wird man hier eine andere Vorgehensweise zu wählen haben.
    Soweit es sich um ausländische Vertragspartner handelt, ist darauf hinzuweisen, daß hier grundsätzlich auch die Möglichkeit der Gerichtsstandsvereinbarung gemäß § 38 I ZPO im internationalen Rechtsverkehr besteht.

    Vgl. hierzu Zöller/Vollkommer, ZPO, 21. Aufl., 1999, § 38 Rdnr. 25 f.

    § 19 Nr. 2 VOL/B enthält folglich eine Gerichtsstandsvereinbarung, die auch in AGB als zulässig anzusehen ist. Voraussetzung ist natürlich, daß die VOL/B in den Vertrag einbezogen ist. eine Unwirksamkeit der Klausel ist nicht anzunehmen. Zwar werden auch im Verkehr mit Kaufleuten insofern Grenzen zu beachten sein. Dies sind hier indessen nicht überschritten.

    Vgl. hierzu Zöller/Vollkommer, ZPO, 21. Aufl., 1999, § 38 Rdnr.22, m.w.Nachw.

    Eine abweichende Vereinbarung kann unter Beachtung des § 58 BHO auch hier getroffen werden.
    Der Auftraggeber ist schließlich verpflichtet, die zur Prozeßvertretung zuständige Dienststelle mitzuteilen. Eine Verletzung dieser Pflicht begründet Schadensersatzansprüche nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung.

    Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 19 Rdnr. 30 m.w.Nachw.


    22.3. Fortdauer der Leistungsverpflichtung

    280Nach § 19 Nr. 3 VOL/B ist der Auftragnehmer verpflichtet, die Arbeiten etc. im Streitfall weiterzuführen, wenn
    • der Auftragnehmer erklärt,
    • daß aus Gründen besonderen öffentlichen Interesses eine Fortführung der Leistung geboten ist.
    Diese Klausel verstößt m.E. gegen § 9 AGBG; dem Auftragnehmer werden allein durch die "Erklärung" sämtliche Gegenrechte abgeschnitten. Zwar ist die Klausel durch die Formulierung "besonderes öffentliches Interesse" eine Schranke errichtet. Es ist sicherlich verständlich, daß die öffentliche Hand in bestimmten Bereichen in der Lage sein muß, ihre Leistungen zu erbringen, weil es andernfalls z.B. in den Bereichen der Verteidigung oder auch Versorgung zu nicht tragbaren Belastungen kommen kann. Es muß sich folglich schon darum handeln, daß nachweisbare erhebliche Nachteile durch die Leistungseinstellung vorliegen. Aber selbst in diesen Fällen ist es nicht gerechtfertigt, die einseitig festzulegende Leistungsverpflichtung noch nicht einmal von Voraussetzungen wie "Zumutbarkeit" oder einer zusätzlichen Sicherheit des Auftragnehmers abhängig zu machen. Die einseitige Festschreibung von Bestimmungsrechten in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ohne Berücksichtigung der Interessen des anderen Teils begründet die Nichtigkeit der Klausel. Für extreme Ausnahmegestaltungen stehen dem Staat hinreichende andere Mittel zur Verfügung als die bedingungslose Zwangsverpflichtung des Auftragnehmers, der z.B. erhebliche Gegenrechte (Leistungsverweigerungsrechte, Behinderung und Unterbrechung, Zurückbehaltungsrechte etc.). Es ist nicht ersichtlich, daß hier im Bereich der Abwicklung von Verträgen in diesem Punkt anderes gelten soll als etwa in der Privatwirtschaft - jedenfalls für Allgemeine Geschäftsbedingungen.

    Vgl. Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 8. Aufl., 1997, Anh. §§ 9 - 11 Rdnr. 917.

    281 Im übrigen ist anzumerken, daß das Vorliegen "eines besonderen öffentlichen Interesses" im Rahmen einer Risikoanalyse bei der Erstellung der Verdingungsunterlagen grundsätzlich erkennbar sein wird, so daß zusätzliche Absicherungsvereinbarungen in die Verdingungsunterlagen aufgenommen werden. Eine solche Gefahrenlage gehört nicht in den Regelungsbereich von Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Will man ein derartiges Risiko auf den Auftragnehmer abwälzen, so muß dies mit ihm individuell festlegen. Es besteht insofern die entsprechende Möglichkeit durch Festlegung der Individualvertragsbedingungen.

    A.A. unzutreffenderweise Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, § 19 Rdnr. 31 - 34.

    Jedenfalls kann die öffentliche Hand hinsichtlich der Inhaltskontrolle der Allgemeinen Geschäftsbedingungen keine Sonderrolle spielen, auch wenn sie diese Geschäftsbedingungen mit Vertretern der Wirtschaft etc. diskutiert und besprochen hat. Dadurch entfällt die Inhaltskontrolle jedenfalls nicht.

    Stichwortverzeichnis

    ~0712