BGH-Grundsatzentscheidung

Grundsätzlich besteht kein Zuschlagszwang.

Der Auftraggeber kann folglich immer aufheben.

Die Aufhebung ist im Nachprüfungsverfahren überprüfbar.

Fraglich ist jedoch, ob es sich um eine rechtmäßige oder rechtswidrige Aufhebung handelt.

Maßgeblich sind insofern die §§ 17 VOL/A, 20 EG VOL/A, 17 VOB/A, 17 EG VOB/A. Die insofern in Betracht kommenden Gründe (vor allem wesentliche Änderung der Grundlagen des Verfahrens, „andere schwerwiegende Gründe“) sind eng auszulegen (BGH).

Insofern geht es oberhalb der Schwellenwerte um die vergaberechtliche Nachprüfung (häufig als Feststellungsantrag nach erfolgter Aufhebung gemäß § 114 II GWB). Ob ein „schwerwiegender Grund“ zur Aufhebung berechtigt, ist Gegenstand einer Interessenabwägung im Einzelfall.

Erstattet werden nach § 126 I GWB grundsätzlich nur die Kosten für die Vorbereitung des Angebots oder der Teilnahme am Vergabeverfahren (allerdings ohne Rücksicht auf Verschulden).

Unberührt hiervon bleiben die Ansprüche nach den §§ 241 II, 311 II, III, 276, 249 BGB – frühere culpa in contrahendo. Die allerdings u. a. Verschulden voraussetzen.

Zu ersetzen ist der „Vertrauensschaden“ (grundsätzlich nur negatives Interesse – in praxi: nutzloser Aufwand für die Angebotserstellung) bzw. bei Vergabe in einem zweiten Verfahren ohne Änderung der Vergabeunterlagen auch das sog. „positive Interesse“ – z. B. als im Einzelfall bei Zuschlagserteilung im zweiten Vergabeverfahren auch entgangenen Gewinn.

Die Zivilgerichte, vor denen die Schadensersatzansprüche zu verfolgen sind, sind insofern an die Entscheidungen der Vergabekammern, der OLG und des BGH hinsichtlich der Rechtmäßig- bzw. Rechtswidrigkeit gebunden (vgl. §§ 124 I, 126 GWB).

Entscheidung

BGH, Beschl. v. 20.3.2014 - X ZB 18/13 – Fahrbahnerneuerung BAB 5 – Voraussetzungen der Divergenzvorlage – Beschränkung der Divergenzvorlage an den BGH durch OLG nicht zulässig - missverständliche Leistungsbeschreibung (einstreifige oder zweistreifige Leistungsbeschreibung) – unberechtigter Ausschluss des Angebots mit zweistreifiger Fahrbahnausführung - rechtskräftige Vergabekammerentscheidung (Berücksichtigung des Angebots des Antragstellers entgegen Auftraggeber) – sodann erfolgende Aufhebung durch Auftraggeber und zweites Nachprüfungsverfahren mit der Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Aufhebung wegen wichtigen Grundes (enge Auslegung) - Frage der Interessenabwägung, nicht des Verschuldens (Klärung dieser Fragen des Schadensersatzanspruches im Zivilprozess) - - Art. 85 ff GG, §§ 109, 124 II GWB §§ 17 III Nr. 3, 17 I, Nr. 3 EG VOB/A, §§ 17 I d, 20 I 1 d) EG VOL/A – amtliche Leitsätze: Die Divergenzvorlage kann nur in denselben Grenzen auf Ausschnitte des Beschwerdeverfahrens beschränkt werden, in denen im Zivilprozess Teilurteile zulässig sind und die Zulassung der Revision wirksam beschränkt werden kann. Bei der Vergabe von Bau- bzw. Instandsetzungsarbeiten an einer Bundesautobahn ist als öffentlicher Auftraggeber und Antragsgegner im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren das jeweils betroffene Land anzusehen, nicht die Bundesrepublik Deutschland. Ob ein anderer schwerwiegender Grund vorliegt, der zur Aufhebung des Vergabeverfahrens berechtigt, ist aufgrund einer umfassenden, alle für die Aufhebungsentscheidung maßgeblichen Umstände berücksichtigenden Interessenabwägung zu entscheiden (Weiterführung von BGH, Urt. V. 12. 7. 2001 - X ZR 150/99, NZBau 2001, 637) – Aufhebung des Beschlusses des OLG – Zurückverweisung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer Baden-Württemberg, soweit die Antragstellerin begehrt, die Aufhebung des Vergabeverfahrens aufzuheben. Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin dadurch in ihren Rechten verletzt ist, dass die Vergabestelle das Vergabeverfahren infolge der Verwendung einer missverständlichen Leistungsbeschreibung (einstreifige oder zweistreifige Ausführung der Fahrbahn) aufgehoben hat. – Kostenentscheidung